Das „große Entlastungspaket“ für die Landwirtschaft ist aus Sicht der Betroffenen nur ein Päckchen mit dürftigem Inhalt. Auf dem Bauerntag 2024 bekam die Ampelkoalition den Zorn deutlich zu spüren
Cem Özdemir macht aus seinem Herzen wenigstens keine Mördergrube. Die Bauern, so der grüne Bundeslandwirtschaftsminister auf dem Bauerntag in Cottbus, hätten im Winter „sehr gute Gründe“ gehabt, mit rollenden Traktoren lautstark zu protestieren. Der damalige Kabinettsbeschluss, die Steuerrückerstattung für Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen mit einem Federstrich abzuschaffen, sei „ohne Maß und Mitte“ gewesen. Recht hat er.
Geblieben ist am Ende bekanntlich der stufenweise Abbau der Steuerbegünstigung und das hehre Versprechen, auf den Höfen und in den Ställen rasch für Entlastung zu sorgen. Diejenigen, die wie der frühere Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert im Frühjahr an einem radikalen Kurswechsel zweifelten, haben mit ihrer Vorahnung richtig gelegen. Das Maßnahmenbündel, das die Koalition nach eigenen Angaben „pünktlich zum Bauerntag“ geschnürt hat, besteht aus Ankündigungen und bietet nicht nur aus Sicht von Jochen Rukwied, den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, zu wenig konkrete Entlastung. Genau diese wird allerdings dringend gebraucht, um den Wettbewerb in der EU zu bestehen. Die über Jahre aufgebauten Lasten und Belastungen existieren aktuell weiter.
Zwar sollen die Landwirte künftig von einer Gewinnglättung bei der Steuerzahlung profitieren, wenn die Steuer auf den durchschnittlichen Gewinn von drei Jahren niedriger ausfällt als die Summe der Steuern für die drei Einzeljahre. Doch dieses Modell, das unterschiedliche Ertragslagen berücksichtigt, entfaltet frühestens 2026 seine Wirkung. Und dem versprochenen großen Bürokratieabbau – von 200 Maßnahmen ist die Rede – steht entgegen, dass gleichzeitig eine Änderung des Tierschutzgesetzes die Nutztierhalter in Deutschland mit wieder neuen Verordnungen und Regelungen überzieht. Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, spricht von einem „Bürokratiemonster“.
Protest von 30 Verbänden
Beim Düngegesetz sieht es ähnlich aus. Und inzwischen protestieren 30 Verbände der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft im Schulterschluss auch gegen ein geplantes „Zukunftsprogramm“ Pflanzenschutz.
Dass sich die Ampelfraktionen angesichts dieser Gemengelage damit brüsten, die geplante Stilllegung von vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen abgeschafft zu haben, ist dreist. Die Entscheidung, die Pflicht zur Stilllegung der Ackerflächen zur Erfüllung des GLÖZ-8-Standards für 2024 auszusetzen, ist in der EU-Kommission in Brüssel und nicht in Berlin gefallen.
Wenn die Ampelkoalition bei den Bauern im kommenden Jahr nur den Hauch einer Chance haben will, muss sie jetzt liefern. Mit Versprechungen lassen sich die Landwirte nicht mehr hinhalten. Das Misstrauen ist nicht kleiner, sondern seit der Präsentation des Entlastungspakets noch größer geworden. In Cottbus wurde offen gefragt, ob sich der Bauernverband bei seinen Gesprächen mit den Ministerien an der Nase durch den Ring führen lässt und welche Eskalationsstufen des Protests man vorbereite. Eine Regionalzeitung titelte treffend: „Es brodelt unter den Bauern.“
Und an Selbstbewusstsein mangelt es ihnen nicht. Bei den Trecker-Demos haben die Landwirte den Rückhalt der Bevölkerung gespürt. Präsident Rukwied, in Cottbus von den Delegierten mit einem besseren Ergebnis als vor vier Jahren in Erfurt im Amt bestätigt (87,5 Prozent, vorher 81,6 Prozent), gab sich entsprechend kämpferisch und forderte unter anderem eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für die Betriebe.
Über diesen wichtigen Punkt und die Mehrwertsteuer für Fleisch sollte Özdemir mit seinem Kabinettskollegen Lindner sprechen. Die Antwort des Bundesfinanzministers liegt auf der Hand. In der Ampel ist man der Ansicht, dass damit der Abbau der Vergünstigungen beim Agrardiesel überkompensiert wird.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht dies anders und kritisierte erneut die Ampelarbeit. Er erntete in Cottbus lauten Beifall, als er zum Beispiel beim Agrardiesel dazu aufforderte, zur alten Praxis zurückzukehren. Brandenburg will am 5. Juli im Bundesrat auch gegen das geplante Düngegesetz votieren. Woidke wörtlich: „Wenn man Dinge nur halbrichtig macht oder sogar falsch, dann braucht man Kraft – man braucht dann nämlich die Kraft zur Korrektur.“
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