Viele Kommunen leisten viel, um ihre Ortskerne weiter attraktiv zu halten. Wenn der Handelsverband jetzt die Bundesregierung vor der Kulisse der Galeria-Krise zum „Innenstadtgipfel“ aufruft, darf es nicht nur um die Metropolen gehen
Grundsätzlich stimmt diese Gleichung: Ohne einen florierenden und bestenfalls familien- und inhabergeführten Einzelhandel sähe es in vielen Ortskernen öde aus. Denn wenn attraktive Einkaufsmöglichkeiten fehlen, haben es auch Cafés und Restaurants schwerer. Einkaufserlebnisse gehören mit zur Lebensqualität. Für die Rettung des Warenhauskonzerns Galeria-Karstadt-Kaufhof hat der Staat bekanntermaßen tief ins Portemonnaie gegriffen und finanzielle Schutzschirme aufgespannt. Die dritte Insolvenz innerhalb von dreieinhalb Jahren konnte trotzdem nicht verhindert werden. Das Filialnetz des einstigen Riesen – so viel ist bereits sicher – wird auch unter der Regie eines neuen Eigentümers weiter schrumpfen.
Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte geht in Deutschland seit Jahren zurück. Laut Handelsverband Deutschland (HDE) ist die Anzahl seit 2015 von 372.000 auf 311.000 gesunken. Und für das laufende Jahr rechnet der HDE mit 5000 weiteren Schließungen, obwohl auch das Online-Geschäft längst nicht mehr so rund läuft wie in den Corona-Jahren.
Mit einem wiederkehrenden „Innenstadtgipfel“, Fördermaßnahmen und einer neuen Innenstadt-Akademie, die unter anderem wie ein belebendes Netzwerk wirken soll, will der HDE diese bedrohliche Abwärtsspirale aufhalten. HDE-Präsident Alexander von Preen, Geschäftsführer der Intersport Deutschland eG, liegt richtig. „Wenn der Einzelhandel geht, stürzen ganze Innenstädte“, lautet seine Warnung. Dass manch ein Dorf dies bereits schmerzlich erlebt hat, sollte nicht unerwähnt bleiben.
Einzelhandel für eine Gründungsinitiative
Doch wer kann helfen? Auf der großen politischen Bühne sitzen Bundesbauministerium, Bundeswirtschaftsministerium und Bundesverkehrsministerium mit im Boot. Deren Abstimmung, so kritisiert der HDE, ist aber in Sachen Innenstadtstärkung nicht optimal. Der Verband schlägt eine Gründungsoffensive vor: Wer ein Geschäft in der Innenstadt eröffnet, soll für bis zu 60 Monate Zuschüsse bekommen – für Geschäftseinrichtung, die Datenverarbeitung inklusive des Kassen- und Warenwirtschaftssystems sowie Marketingmaßnahmen.
Ob man den großen „Innenstadtgipfel“ benötigt, beurteilen die Kommunalverbände unterschiedlich. Denn längst kümmern sich in vielen kleineren und größeren Städten Manager um die jeweiligen Ortskerne. Politik, Verwaltung, Handel, Hauseigentümer, Vereine und Verbände – viele ziehen gemeinsam am Strang. Nicht nur Geschäfte, auch soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Wohnungen und Kulturangebote gehören ins Zentrum, lautet das neue Credo. Inzwischen gibt es Erfolgsgeschichten, die in verschiedenen Portalen erzählt werden. Viele stammen aus kleineren Kommunen im ländlichen Raum.
Bekämpfung von Leerständen und schleichender Verödung
„Unsere-stadtimpulse.de“ bietet Best-Practice-Beispiele für die Innenstadtentwicklung. Die Internetseite wurde 2021 gemeinsam vom HDE, dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland und der Cima Beratung + Management GmbH angestoßen. Hier wird gezeigt, wie man Leerstand und schleichende Verödung bekämpfen kann.
Die Zeitschrift „Kommunal“ machte sich kürzlich auf den Weg ins niedersächsische Buchholz in der Nordheide, wo bei einer Onlinebefragung der Bürger das Zentrum überdurchschnittlich positiv abgeschnitten hat. Die Redaktion wollte wissen, was die 43.000-Einwohner-Stadt besonders gut macht. Ergebnis: Die Kleinstadt hat neben einer Fußgängerzone, die viele Plätze und Bäume (grüne Inseln) aufweist, ein attraktives Kulturangebot für drinnen und draußen. Die Zahl der Leerstände ist überschaubar. Die Buchholzer halten sich gerne in ihrer Stadt auf, verbinden Einkauf und Erlebnis.
Zum Nulltarif gibt es aber auch solche Erfolgsgeschichten nicht. Die Stadt investiert, kommuniziert und holt Treiber mit ins Boot. Der „Innenstadtgipfel“ wird hier nicht gefordert, sondern längst gelebt.
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