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SPD-Debatte, Goldschakal und Jagdgesetz – Unruhe auf dem Land und in Berlin

  • Autorenbild: Jost Springensguth
    Jost Springensguth
  • 14. Juni
  • 7 Min. Lesezeit

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Liebe Leserin, lieber Leser,


ausgehend von den großen Themen, die die Politik in dieser Woche bewegt haben, wirft auch diese Wochenkolumne als zusammenfassender Kommentar einen Blick auf aktuelle Debatten im ländlichen Raum. An zwei Themen kommen wir nicht vorbei: der Goldschakal auf Sylt und die anhaltenden und sich ausweitenden Proteste gegen ein neues Jagdgesetz in Rheinland-Pfalz. Bevor am 25. Juni in Mainz dort viele Tausende Jäger zu einer Großdemonstration erwartet werden, erlebt das Land bereits jetzt flächendeckend viele ideenreiche Protestaktionen. In diesen Tagen kommt man in Rheinland-Pfalz an den Jägern mit ihren Argumenten nicht vorbei.


Während die großen Baustellen unserer Politik im Äußeren wachsen, wächst auch die Sorge um die Verlässlichkeit der SPD als Regierungspartei. Liegt da die Lunte an einem Sprengsatz – der auch für unsere Regierung, die immer noch frisch im Amt ist, gefährlich werden kann? Mit Anspruch einer Arbeitskoalition haben die Regierenden in Berlin einen entschlossenen Start hingelegt. Er wird sowohl außen- und sicherheitspolitisch als auch innenpolitisch als bisher gelungen gewertet. Dazu sind jedenfalls übereinstimmende Einschätzungen nach der Wende weg von der Ampel zu hören und zu lesen. Gerade in den letzten Tagen vermehrten sich noch einmal Stimmen aus Wirtschaft und Politikforschung, wonach sich die Konjunkturerwartungen wieder drehen. Das beruht auch auf der zweiten Säule neben Friedrich Merz, die Lars Klingbeil heißt. Er hat in seiner SPD plötzlich um seine Beinfreiheit zu kämpfen, weil nun doch wieder eine unveränderte Zerrissenheit seiner Partei sichtbar gemacht wird. Und das gezielt.


Das bezieht sich auf das sogenannte „Außenpolitische Manifest“ zu dem immer wieder auch von der Linken, der AfD und Sahra Wagenknecht befeuerten Thema „Diplomatie statt Waffen“. Putins erlebte Handlungsfakten spielen dabei keine Rolle. Es geht offensichtlich vielmehr auch um eine innenpolitische Wirkung. Die von Stegner, Mützenich, Borjans und Eichel angeführte linke Gruppe in der SPD hat nicht zufällig den Zeitpunkt der Veröffentlichung gewählt. In 14 Tagen wird sich beim Parteitag zeigen, wie fest oder instabil Klingbeil als Vorsitzender und zweiter Kopf der Koalition in den eigenen Reihen steht. Als ein entscheidender Punkt wurde ein neues Parteiprogramm auf die Tagesordnung gesetzt. Das geht auf das Debakel bei der Bundestagswahl zurück. Den Initiatoren geht es jetzt wohl wieder um die Frage, ob alte Rezepte doch die besseren sind. Und es kommen damit – dieser Prognose bin ich sicher – von der linken Seite Themen auf den Tisch, die auch im sozialdemokratischen Teil der Ampelregierung zum Scheitern geführt haben. Bürgergeld, Renten, Migration und vor allem die Steuer- und Finanzpolitik werden dann mit alten, aber in der Globalisierung wohl nicht mehr zeitgemäßen Argumenten in die Parteidebatte eingeführt. Das wäre dann das Vorprogramm zur Abstimmung über Klingbeils Führungsanspruch.


Erste Duftmarken aus den Ministerien


Ich gehe in dieser Wochenkolumne auch auf diese aktuelle Diskussion ein, weil andere innenpolitische Themen in der breiten Wahrnehmung zwangsläufig an den Rand gedrängt werden. Auch die, mit denen wir uns vorwiegend befassen. Die neue Regierung hat als selbst so bereits zitierte Arbeitskoalition in der Breite ihre Arbeit begonnen. Die neuen Ministerinnen und Minister haben erste Duftmarken gesetzt. Das ist weitgehend auf eine breite Zustimmung gestoßen. Aus den Ressorts Innen, Wirtschaft, Gesundheit und Wohnungsbau und auch Ernährung sind neue Töne und Richtungswechsel zu vernehmen, die natürlich nur nachhaltig und wirksam werden, wenn die Koalition lange steht.


Die nun juristisch in die Länge getriebene Sylter Geschichte


Zu den von der Koalition vertraglich verabredeten Vorhaben gehören auch vermeintliche Randthemen wie die Aufnahme des Wolfes in das Bundesjagdrecht. Das stellt natürlich einen kleinen Einzelaspekt dar. Dazu gibt es neuerdings auch ein bisher kaum in der Breite wahrgenommenes Parallelthema. Es geht um den zu uns eingewanderten Goldschakal, der nun plötzlich Schlagzeilen macht, weil er dort seine Zähne zeigt, wo viele Menschen hinschauen und Urlaub machen. Wer kennt nicht Sylt mit seinen friedlichen Schafen und Lämmern, die unbestritten ihren natürlichen Beitrag zur Deichsicherung machen. Betroffen und gefährdet sind auch Biotope, die in ihrer Vielfalt gerade mit ihren Bodenbrütern einzigartig sind. Dabei handelt es sich nebenbei auch um Pilgerstätten für angereiste Naturschützer.


Der Goldschakal selbst ist schon ein älterer, aber öffentlich und politisch kaum beachteter Gast in unseren Revieren. Von ihm gehen ebenso Gefährdungen aus wie vom Wolf. Jahrelang befassen sich Politik und Verbände damit, wie man erst einmal die Wolfsausbreitung in den Griff bekommt. In einigen Bundesländern wurde der Wolf bereits ins Jagdrecht genommen, um das Tier auch entsprechend der aktuellen europäischen Regelung zu behandeln. Da geht es zwar um die Sicherstellung des Erhaltungszustandes des Wolfes, aber zugleich „bei Lösung der in einigen Regionen wachsenden Konflikte mit menschlichen Aktivitäten – insbesondere in Bezug auf die Nutztierhaltung.“ Damit ergibt sich eine komplizierte Lage zwischen Europa-, Bundes- und Jagdrecht. Das hat natürlich zu breiten Debatten geführt, mit denen wir uns ebenfalls ständig im Spannungsfeld zwischen Befürwortung und Ablehnung befassen.

Der Vizepräsident des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein, Andreas-Peter Ehlers, hat auf unsere Anfrage bestätigt, dass im Gesetzesverfahren vor Aufnahme des Wolfes in das Landesjagdrecht versucht wurde, den Goldschakal gleich mit einzubeziehen. Man war sich unter Fachleuten schon sicher in der Erwartung, dass sich das in Dithmarschen erstmals 2017 bestätigte Beutetier unter seinem Schutzstatus ebenso ausbreiten werde wie der Wolf. Und entsprechende Schäden anrichten könne. Bestätigt wird das übrigens durch Erfahrungen in Ländern wie Ungarn und Slowenien. Nun ist das Tier auf Sylt. Und macht Schlagzeilen.


Wie geht es nach der juristischen Bremse auf der Insel weiter?


Die Situation bleibt unübersichtlich, oder man kann es auch anders ausdrücken: Diejenigen, die mit Küstenschutz Weidetierhaltung, Jagd und der Kommunal- bzw. Landespolitik auf Sylt und damit in Schleswig-Holstein zu tun haben, sind geradezu entsetzt. Nach der auch von uns gemeldeten Überraschung, dass ein Goldschakal auf die Insel gewechselt ist, dort bestätigt wurde und seine Spuren mit 100 gerissenen Lämmern hinterlassen hat, macht sich Fassungslosigkeit breit: Das Verwaltungsgericht in Schleswig hat die bereits erteilte Abschussgenehmigung für den Goldschakal ausgesetzt. Die beauftragten Jäger haben ihre Aktion eingestellt, das neue Beutetier zu entnehmen, wie es im Behördendeutsch heißt.

Geklagt hat eine Organisation, die wenig mit Sylt zu tun hat. Es handelt sich um die „Naturschutz Initiative e.V.“, eine in Rheinland-Pfalz ansässige Organisation, die sich nach ihrer eigenen Darstellung „im Sinne einer originären und ursprünglichen Naturschutzarbeit für den Schutz von Landschaften, Wäldern, Wildtieren und Lebensräumen einsetzt“. Damit hat auch sie das gemacht, was offensichtlich viele andere vergleichbare Initiativen als bewährtes Erfolgsrezept pflegen: einfach mal klagen, damit Aufmerksamkeit erregen und spektakuläre Schlagzeilen produzieren. Und so auch weitere Spendenbereitschaft. Die Deutsche Umwelthilfe mit ihren Klagewellen als einträgliches Geschäftsmodell lässt grüßen.


Wie geht es weiter? 20 bis 30 Jäger des Hegerings Sylt haben sich vor dem Gerichtsbeschluss aktiv in den letzten Tagen auf die Suche nach dem Goldschakal begeben. Und sie haben natürlich versucht, nach der Abschussgenehmigung die Entnahme zu vollziehen. Allerdings war es bis dahin nicht gelungen, das sich heimlich verhaltende Tier aufzuspüren. Der stellvertretende Kreisjägermeister Manfred Uekermann, zugleich örtlicher CDU-Landtagsabgeordneter, hat der Sylter Rundschau berichtet, dass ein Schäfer aus List in den vergangenen Tagen immer wieder tote Tiere auf seiner 600 Hektar großen Weidenfläche am Ellenbogen gefunden hat. Nach diesem Bericht hat das nun wieder gerichtlich vorerst geschützte Tier seit dem 19. Mai 95 Lämmer und Schafe gerissen.


Rainer: Die Waldbewirtschaftung stärken


Baumkronen

Dass es auch für folgende Generationen gesunde und stabile Wälder braucht, ist unbestritten. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer bei der Vorlage der Waldzustandserhebung für 2024 betont. Er sprach weiter von einem „Weckruf“, auch wenn sich die Zahl der gesunden Bäume zwar um ein Prozent erhöht hat, haben sie aber nur einen Anteil von 21 Prozent am Gesamtbestand. Der Zustand des deutschen Waldes hat sich demnach trotz zwei regenreicher Sommer kaum verbessert. „Wir müssen die Waldbesitzenden bei den notwendigen Anstrengungen unterstützen und sie nicht durch zusätzliche Bürokratie behindern. Wir müssen in Forschung investieren und den Wissenstransfer stärken. Und nicht zuletzt müssen wir die Waldbewirtschaftung stärken." So Rainer. Der Wald sei mehr als nur Natur. Er sei Lebensraum, Klimaschützer und Wirtschaftsfaktor. Die Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, sei auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe.


In Rheinland-Pfalz wachsen die Proteste an


Die Proteste gegen die Pläne der Mainzer Ampel-Regierung (wohl die letzte ihrer Art), ihren umstrittenen Entwurf für ein neues Landesjagdgesetz final durch das Parlament zu bringen, weiten sich aus: Vor der angekündigten Großdemonstration am 25. Juni in Mainz setzen die Jäger und Jägerinnen ihre nahezu flächendeckende Protestwoche im Lande fort. Befürchtet werden durch das geplante Gesetz rigoros erlassene Vorschriften für Jagd und Wald, die dann in der Praxis einen Keil zwischen Jäger, Förster, Landwirte und Waldbesitzer treiben. Das sind Landnutzer, die bisher über Generationen an einem Strang ziehen – und aus Sicht der Jagd weiter auch wollen. Im Kern geht es um die berechtigten Lebensansprüche des Wildes. Für den Landesjagdverband sieht das Gesetz eine unverhältnismäßige Bevorzugung von forstwirtschaftlichen Interessen vor. Präsident Dieter Mahr kündigte in der Verbandszeitschrift schon an, die Ziele der Jäger über das aktuelle Gesetzgebungsverfahren hinaus weiter zu verfolgen. Mögliche Maßnahmen seien dann Verfassungsbeschwerden und ein Volksbegehren mit Blick auf die Landtagswahl im März 2026.


Ein Blick nach England


Gelegentlich beschäftige ich mich auch damit, was die Countryside Alliance in Großbritannien an Themen und Positionen in ähnlichen Newslettern wie unserem von natur+mensch verbreitet. Kürzlich habe ich dort einen Beitrag gelesen, der sich mit einer Fernsehserie („Clarkson`s Farm“) über das Landleben beschäftigt hat. Bezug war der Sendebeginn der vierten Staffel der Serie, in der es realitätsbezogen um den Alltag mit seinen Problemen auf dem Hof und auf dem Land geht. In diesem Zusammenhang geht der Autor auf die Zukunft seiner Heimat ein und darauf, wie Natur und Umwelt mit Nahrungsmittelproduktion und effektiver Landschaftspflege in Einklang zu bringen sind. Dazu gehöre ein Leben mit „schwieligen Händen und schlammigen Stiefeln, die in der Landschaft, die wir kennen und lieben, arbeiten, leben und atmen“. Das bringt der Autor weiter in Verbindung mit einer dazu eigens veranlassten Umfrage zu Einstellungen der Generation Z der zwischen 2005 und 2012 Geborenen zu Themen des ländlichen Raumes. Danach positionieren die jungen Erwachsenen in England dort die Landwirte als die „besten Verfechter des Landlebens weit vor Umweltaktivisten und Politikern“.


Das ist bei allen nicht so schönen Nachrichten ein Aspekt, der zum Nachdenken anregt.


In diesem Sinne wünsche ich ein gutes und weitgehend sonniges Wochenende

Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

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