Den „Maschinenraum“ des Staates gründlich modernisieren
- Jürgen Wermser
- 14. März
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar gehen wir auf die aktuelle Diskussion um milliardenschwere Sondervermögen ein und beleuchten die Empfehlungen einer hochkarätigen Expertenkommission zur Reform des Staates. Des Weiteren beschäftigt uns die Lage von Naturnutzern wie Weidetierhaltern und Krabbenfischern, die um mehr Verständnis für ihre Anliegen kämpfen. Ähnliches gilt für die Jägerschaft, die sich nicht auf dem Erfolg ihrer großen Demonstration in Hannover ausruhen darf, sondern sich weiterhin gegen die politischen Attacken von radikalen Tierschützern wehren muss. Abschließend weisen wir auf einen geplanten Blogbeitrag zu den behördlichen Schwierigkeiten bei der Verlängerung von Jagdscheinen hin.
Die jüngste Debatte im Bundestag zu möglichen Sondervermögen – sprich Schuldentöpfen – für Verteidigung und Infrastruktur verlief wie erwartet kontrovers. Angesichts der finanziellen Größenordnung von rund einer Billion Euro ist dies absolut nachvollziehbar. Niemand von Union und SPD hätte erwarten dürfen, dass Grüne und Liberale einfach nur dankend abnicken, was sich Merz, Klingbeil und Co. in geheimen Gesprächen ausgedacht hatten. Hier geht es um sehr viel Geld, die Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie und einen riesigen Schuldenberg auch für die junge Generation. Umso positiver, dass beide Seiten am Freitag konstruktiv aufeinander zugegangen sind und einen tragfähigen Kompromiss gefunden haben – so wie es in einer parlamentarischen Demokratie gute Praxis sein sollte. Denn klar ist: Die Lage ist viel zu ernst, um im bisherigen finanzpolitischen Stil weiterzumachen. Dies gilt insbesondere für die Verteidigung.
Doch Geld ist nicht alles. Der Staat muss sich gleichzeitig in vielen Bereichen umfassend modernisieren und entbürokratisieren. Wie dies ganz konkret gehen kann, hat passend zu den Koalitionsgesprächen in Berlin eine überparteiliche Kommission überzeugend und detailliert dargelegt. Die Vorschläge der früheren Bundesminister Peer Steinbrück und Thomas de Maizière, des Ex-Verfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle und der ehemaligen Medien-Managerin Julia Jäkel zur Neuordnung im „Maschinenraum“ des Staates sollten zur Richtschnur für die Verantwortlichen in Bund und Ländern werden. Hier haben langjährig erfahrene Praktiker für Praktiker Empfehlungen gegeben, deren Umsetzung das Leben in Deutschland in wesentlichen Bereichen deutlich verbessern würde.
Zentrale Forderung der Vier ist ein eigenes Ministerium für Digitales und Verwaltung, denn der digitale Staat sei „die Voraussetzung von allem“. So soll eine Neuordnung der mehr als 10.000 unterschiedlichen Software-Lösungen in Bund, Ländern und Kommunen gelingen – als Grundlage zur Vereinheitlichung von Dienstleistungen wie etwa der Kfz-Zulassung oder der Anmeldung eines neuen Wohnsitzes. Empfohlen wird auch – neben einigem anderem – eine Bündelung der 170 unterschiedlichen Sozialleistungen, die derzeit von fast 30 Behörden verwaltet würden. Entscheidend ist nun, dass die demokratischen Parteien nicht nur bei Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur, sondern auch bei der Entbürokratisierung gemeinsam einen großen Sprung nach vorne wagen.
Herausforderungen für die künftige Regierung
Keine Frage, die künftige Regierung steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die beiden wichtigsten: Die äußere Sicherheit des Landes wiederherstellen und das Vertrauen vieler Bürger, nicht zuletzt im ländlichen Raum, in die Verlässlichkeit des Staates zurückgewinnen. Zu Letzterem gehört auch ein besserer Umgang mit dem Thema Wolf. Die EU ist endlich dabei, den Weg für ein Management der sich immer weiter ausbreitenden Bestände freizumachen. Unser Autor Ludwig Hintjens hat darüber am Dienstag in seinem Beitrag „Die Jägerschaft kann sich bald des Wolfes annehmen“ für unseren Blog aus Brüssel berichtet. Damit wird es an der künftigen Koalition liegen, die bisherigen Blockaden der Ampelregierung zu beenden und eine Reduzierung der Zahlen auf ein ökologisch vertretbares Maß zu ermöglichen.
Die meisten Bürger freuen sich über eine Rückkehr der Wölfe nach Deutschland. Niemand will diese Tiere hierzulande noch ausrotten oder vertreiben. Aber das von vielen selbsternannten „Tierfreunden“ praktizierte Motto „Wölfe über alles“ verprellt selbst die Gutmeinendsten. Denn auch Naturnutzer und speziell Weidetierhalter müssen zu ihrem Recht kommen. Das Thema Wolf hat in vielen Regionen zu Unfrieden und völligem Unverständnis über die Zögerlichkeit der Politik geführt. Nun besteht endlich die Chance zu einem Neuanfang. Die künftige Koalition sollte sie nutzen.

Doch nicht nur Weidetierhalter, sondern auch andere Naturnutzer stehen teilweise vor existenzbedrohenden Herausforderungen. So etwa Niedersachsens Krabbenfischer. Der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander, berichtete kürzlich auf dem Fischereitag im ostfriesischen Neuharlingersiel von einem sehr schweren Jahr, das die Krabbenfischerei an der Küste hinter sich habe. „Ich würde sagen, es war das Schwerste, was ich je in meiner Laufbahn mitgemacht habe“, erklärte Sander.
Im sechsten schweren Wirtschaftsjahr in Folge hat sich die Menge der angelandeten Krabben auf niedrigem Niveau noch einmal fast halbiert. Die Rahmenbedingungen seien einfach zu schlecht geworden, sagte der Verbandsvorsitzende Sander. „Wir brauchen langfristige Planungssicherheit und nicht, wie das jetzt läuft: alle paar Monate neue Vorschriften, Verbote, Einschränkungen und Gebietsverluste.“ Auch hier ist die neue Bundesregierung gefordert, sich auf europäischer Ebene stärker für die Belange von deutschen Naturnutzern einzusetzen.
Jäger und Jägerinnen müssen sich ebenfalls stark bemühen, für ihre Anliegen in der breiten Öffentlichkeit auf Verständnis oder gar Sympathie zu stoßen. Dies zeigt sich wieder einmal im Nachklang zur großen Demonstration vom Januar in Hannover. Damals hatten über 15.000 Jäger gegen Pläne der grünen Landwirtschaftsministerin zur Reform des niedersächsischen Landesjagdgesetzes protestiert. Eine wesentliche Forderung war, dass die Ausbildung von Jagdhunden mithilfe von lebenden Tieren weiterhin möglich bleibe. Die Ministerin zeigte sich beeindruckt und lenkte weitgehend ein.
Jägerschaft muss wachsam bleiben
So weit, so gut. Doch die Jägerschaft darf sich jetzt nicht zufrieden zurücklehnen und die öffentliche Kommunikation nach der Devise einstellen, die Sache sei gelaufen. Denn radikale Tierschützer versuchen geschickt, die Stimmung wieder zu drehen, indem sie mit passenden Umfrageergebnissen ihrerseits über eine breite Medienresonanz politischen Druck erzeugen. Ein Peta-Fachreferent spricht hier Klartext: „Wir hoffen, dass die Landesregierung bei der Novellierung den Wunsch der großen Mehrheit der Bevölkerung berücksichtigt und weniger Aufmerksamkeit jener kleinen Gruppe schenkt, die das Töten von Tieren zu ihrer Freizeitbeschäftigung auserkoren hat.“ So abstrus und irreführend ein solcher Satz in den Ohren von Jägern auch klingen mag, er sollte in seiner politischen Wirkung nicht unterschätzt werden. Hier heißt es, mit Fakten gegenzuhalten und selbst in passender Form in die öffentliche und mediale Offensive zu gehen.
Apropos Jagd. Regelmäßig müssen Jäger ihren Jagdschein verlängern. Was früher meistens nur wenige Tage währte, dauert derzeit bis zu drei Monate. Ursache ist die von der Berliner Ampelregierung im vergangenen Jahr im Rahmen des Sicherheitspakets durchgesetzte Änderung des Waffengesetzes. Zusätzliche Abfragen der Zuverlässigkeit der Antragsteller wurden vorgeschrieben, ohne die Voraussetzungen für den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden geschaffen zu haben. Für Jäger können die dadurch entstehenden Verzögerungen bei der Jagdscheinverlängerung massive Folgen haben, bis hin zum Verlust von Waffen-, Jagdschein und Jagdrevier. Unser Autor Christoph Boll wird in einem Blogbeitrag in der kommenden Woche zudem aufzeigen, wie unterschiedlich bürgerfreundlich und serviceorientiert die Behörden bundesweit sind, wenn es darum geht, zumindest die schlimmsten Folgen der langen Bearbeitungszeit zu verhindern.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute, für Sie positive Woche.
Mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
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