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  • Streit um Deutschlandticket – Aiwanger und die Jagd – Vorurteile gegen die Wurst

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, für den ländlichen Raum mit seinen teils sehr langen Verkehrswegen stand in dieser Woche viel auf dem Spiel. So schreckte die Drohung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing auf, wegen der Vorgaben des Klimaschutzgesetzes möglicherweise an einzelnen Tagen Fahrverbote verhängen zu müssen. Wer fernab der großen Metropolen mit ihren engen Nahverkehrsnetzen lebt, ist für viele alltägliche Dinge zwingend auf ein Auto angewiesen: vom Einkaufen im Supermarkt über den Arztbesuch bis zu sozialen Kontakten. Denn wo Busse und Bahnen nicht oder nur selten fahren, müssen Bürger zumeist auf den eigenen Pkw zurückgreifen. Dies trifft insbesondere für ältere Menschen zu, die lange Fußwege oder Fahrradstrecken nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen können. Ob Wissing seine spektakuläre Drohung tatsächlich ernst gemeint hatte oder sie am Ende nur im koalitionsintern Verhandlungspoker in Sachen Klimaschutzgesetz einsetzen wollte, mag dahingestellt sein. Denn erfreulicherweise ist es nicht zum Äußersten gekommen. Gleichwohl bleibt die Verkehrspolitik aus Sicht des ländlichen Raums ein großes Ärgernis. Daran konnten auch die zuständigen Minister von Bund und Ländern auf ihrer jüngsten Konferenz in Münster wenig ändern. Sie lobten dort zwar ihre vermeintliche Wohltat 49-Euro-Ticket, konnten jedoch noch keine Einigung über die weitere Finanzierung erzielen. Die verbilligten Fahrscheine kosten Bund und Länder bisher immerhin jährlich je 1,5 Milliarden Euro. Und die Länder erhalten wegen der verbilligten Deutschlandtickets auch noch weniger Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf. Das Ganze ist also für die Steuerzahler eine recht teure Angelegenheit. Zu wenig Geld für Nahverkehr Nun soll der öffentliche Nahverkehr aus Kostengründen wohl weiter ausgedünnt werden, weil nicht genug Geld im System ist. Kein Wunder, denn die Subventionierung des Deutschlandtickets kostet viel Geld, das an anderer Stelle – sprich bei den Investitionen – fehlt. Von der viel beschworenen Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs im ländlichen Raum dürfte unter diesen Umständen wenig übrig bleiben – ein Armutszeugnis für Politiker, die gern von der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sprechen, aber sie durch ihr praktisches Handeln konterkarieren. Dabei ist der Investitionsbedarf riesig. Bis zum Jahr 2031, also innerhalb der nächsten sieben Jahre, müssten laut einer Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums bis zu 31 Milliarden Euro in den Nahverkehr fließen – fast dreimal so viel wie aktuell. Ein solcher Betrag scheint unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen reines Wunschdenken zu sein. Gewiss, hier ist der Bund gefordert, aber nicht zuletzt die Länder selbst müssten einiges mehr tun. So beteiligte sich etwa Niedersachsen im vergangenen Jahr nur mit weniger als zehn Prozent an der Finanzierung seines Nahverkehrs. Eine Politik pro Schiene sieht gewiss anders aus. „Wir sind jetzt in einer Situation, dass keine Reserven mehr da sind. Ganz im Gegenteil: Überall sind die Zahlen tiefrot … Alle Bundesländer werden Verkehre reduzieren müssen.“ Oliver Krischer, grüner Verkehrsminister in NRW und Vorsitzender der deutschen Verkehrsministerkonferenz Apropos ländlicher Raum. Dort wird so manches politisch anders gesehen und bewertet als in grün-alternativen Großstadtmilieus. Das gilt etwa für das Thema Jagd. Parteien sind gut beraten, wenn sie diese Unterschiede im Blick behalten und sich nicht einseitig am vermeintlich modernen und fortschrittlichen Stadtleben orientieren. Wie dies geht, zeigt momentan Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Er ist seit den letzten Landtagswahlen auch für Jagd und Forst zuständig. Während sich das Satire-Fernsehen noch immer über die neue Rollenverteilung lustig macht, verbreitet der Vorsitzende der Freien Wähler bereits Angst und Schrecken – vor allem unter Öko-Förstern. Zum Beispiel mit einem Erlass, der den Unteren Jagdbehörden Schonzeitverkürzungen beim Rehwild weitestgehend untersagt. Auf dem (nichtöffentlichen) Landesjägertag wurde der Minister für solche Sätze gefeiert: „Am Ende verbeißen 30 gestresste Rehe, die sich nicht mehr auf die Grünland-Äsung raustrauen, mehr, als 50 Rehe, die diese Äsung aufgrund Jagdruhe im Frühjahr nutzen können.“ Grenzen für Rehwild-Bejagung Mittlerweile sind auch die Details der Vollzugsanordnung bekannt, mit der Aiwanger einer zunehmend schrankenlosen Rehwild-Bejagung Grenzen setzt. Anträge auf Schonzeitverkürzung dürfen ab sofort nur noch dann bearbeitet werden, wenn sie „konkret und umfassend“ begründet sind. Der pauschale Hinweis auf Wildschäden reiche nicht mehr aus. Und auch die Begründung nicht mehr, dass es nicht gelungen sei, die Abschussplanung innerhalb der Schusszeiten zu erfüllen. Beim Thema Wolf hat der neue Jagdminister den Ton der bisher zuständigen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber deutlich verschärft. Vor allem den Druck auf das Bundesumweltministerium. Dort müsse man endlich den hinhaltenden Widerstand gegen eine Lockerung beim bisher strengsten Artenschutz der Raubtiere aufgeben. Und akzeptieren, dass auch auf diesem Feld Management und Bestandsregulierung bei den Jägern in guten Händen sind. Was einige Staatsförster ebenso wenig freut wie Aiwangers Forderung, dass sie lieber intensiver auf Füchse und Sauen jagen sollen und Reh- und Rotwild nicht nur als Schädling sehen: „Gönnen wir doch dem Reh, gönnen wir doch dem Rotwild ein paar Wochen Ruhe!“ Beim Stichwort Jagd geht es bekanntlich auch um das Thema Ernährung. Denn Wildfleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel, wie unser Autor Michael Lehner von einer Pressekonferenz des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) für unseren Blog berichtet. BfR-Präsident Andreas Hensel stellte dort dem heimischen Wildbret ein gutes Zeugnis aus. Es sei mindestens so gesund wie andere Lebensmittel und werde gut überwacht – eine wichtige Aussage, auch wenn sie einigen Bürgern nicht passen sollte. Denn das Thema Fleisch bewegt immer wieder kontrovers die Gemüter. Das wird auch in den Medien ständig befeuert – positiv wie negativ. Da spielen Weltanschauungen eine Rolle und wir lesen das in den vielen Reaktionen von Leserinnen und Lesern unseres Blogs in voller Bandbreite zwischen Genuss-Begeisterung auf der einen Seite und totaler Fleischablehnung mit Ekel-Zitaten auf der anderen. Das teuerste Fleisch der Welt Das Gourmetmagazin Falstaff etwa schreibt euphorisch über „das teuerste Fleisch der Welt“, das aus der japanischen Präfektur Hyogu mit der Hauptstadt Kobe kommt und allerstrengsten Qualitätsregeln unterliegt. Kobe oder auch Wagyu sei einfach das Beste, was man in die Pfanne legen könne. Hier geht es um Mythen. Auf der anderen Seite stehen dann immer wieder auch Ekel-Mythen. Sie werden gern von Autoren bemüht, die offensichtlich eher auf der fleischkritischen oder gar missionarisch ablehnenden Seite zu verorten sind. Sie bekommen ihre Sendeplätze – so wie am Mittwochabend im ZDF. Da ging es für die Autoren um die Wurst. So sehr, dass sogar eine kurzfristige Programmänderung erfolgte. In Deutschland haben wir eine Lebensmittelüberwachung und Audits zur Sicherung vorgegebener Standards in der Produktion. Die werden dann gern und immer wieder investigativ infrage gestellt. So werden sogar auf dünnem Eis strafrechtliche Schuldvermutungen in die Wohnzimmer gesendet. In unserer Redaktion haben wir über das aktuell gesendete öffentlich-rechtliche Medienprodukt unter dem Titel „Wurst unter Verdacht“ und Fragen wie Seriosität der Recherche sowie Fairness in der Berichterstattung diskutiert. Grenzen sind nach unseren teils jahrzehntelangen Erfahrungen vor allem dann einzuhalten, wenn die Vorgänge im Gerichtssaal landen könnten. Das wurde uns gerade auch diese Woche an der Ahr demonstriert, wo es trotz vieler Indizien bei aller öffentlichen Meinung gegen den Ex-Landrat zur Flutzeit nicht zur Anklage kommt. Sendung soll Appetit verderben Meine Kollegen und ich sind zu dem Ergebnis gekommen, dass in dem Fall der zitierten Wurst-Sendung das Wort „Verdacht“ im Titel zutreffend ist – mehr aber auch nicht. Etwa, wenn einem seriösen und bis in den letzten Fleischwolf überprüften bekannten Wursthersteller „vorsätzlicher Betrug“ ohne vollständige Beweisführung unterstellt wird. Gerichtsfest wären die entsprechenden Behauptungen unserer Meinung nach nicht. Aber es dürfte natürlich keinem mehr schmecken, wenn da bei der angeblichen, jedoch letztlich nicht bewiesenen Zumischung einer wohl von der Lebensmittelkontrolle unbeanstandeten Fleischmasse Beschreibungen wie „Pampe“ oder „Fensterkitt“ über den Sender kommen. Mit diesen Worten eines der Öffentlichkeit unbekannten Fleischers und eines pensionierten Lebensmittelkontrolleurs soll der Appetit auf Wurst vom Discounter schlichtweg verdorben werden. Aufgefallen ist uns das Thema, weil der für die Kommunikation des betroffenen Unternehmens Verantwortliche vorab gepostet hat, was die Zuschauer wohl zu erwarten hätten. Man konnte sich dann nach der Sendung darüber ein Bild machen, was er da nach monatelanger weitgehend fertiger Produktion kurzfristig noch zu sagen hatte – ohne allerdings das ganze Filmmaterial zu kennen. Um im Geschmacksbereich zu bleiben: Dies war ein TV-Aufreger unter Zumischung von offensichtlich verschimmeltem Archivmaterial. Kultiviert wurden Vorurteile und Misstrauen gegen ein Unternehmen mit angeblich zwielichtigen Betrugsgesellen. Die Story sollte wohl denjenigen den Appetit verderben, die gern Fleisch oder Wurst essen, sich aber das nicht leisten können, was wir im Falstaff zum Thema Fleischkonsum – Stichwort Kobe – zuvor gelesen und zitiert haben … Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination

  • Gute Noten fürs Wildbret

    Ein Bundesinstitut arbeitet an praktischer Hilfestellung für Jäger und Verbraucher Zur Abwechslung Ideologiefreies von einer Bundesbehörde zum Thema Jagd: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellt dem Lebensmittel Wildbret ein gutes Zeugnis aus und arbeitet an praxistauglichen Ratschlägen für Jägerschaft und Konsumenten. Die erste gute Nachricht: Auf der Zwischenbilanz-Pressekonferenz des Instituts war auch der jagdliche Sachverstand gut vertreten. Genauso wichtig: Die Waidgerechtigkeit im praktischen Jagdbetrieb spielt bei der Arbeit der Experten an Jagdmunition, die das Lebensmittel Wildbret besser vor Schwermetallen schützt, eine gleichberechtigte Rolle. Zugleich ist ihre Zwischenbilanz ein klares Statement gegen Panikmache bei den Verbrauchern. Wissenswert für Jägerinnen und Jäger: Ziel der aktuellen Arbeit, für die ein europäisches Experten-Netzwerk installiert wurde, ist ein „Produktsteckbrief“ für Jagdmunition, der nicht nur Auskunft über ballistische Daten und Geschosswirkung gibt, sondern auch Informationen über mögliche (!) Einflüsse auf den Schadstoffeintrag im Wildkörper. Etwa Metalleinträge über den eigentlichen Schusskanal hinaus. Dass das Aufpilzen der Geschosse unter dem Aspekt der Waidgerechtigkeit genauso wichtig ist, kommt bei der Forschung nicht zu kurz. Mit den Zwischenergebnissen stellt BfR-Präsident Andreas Hensel dem heimischen Wildbret ein gutes Zeugnis aus. Mindestens so gesund wie andere Lebensmittel und gut überwacht, was Trichinenbefall und auch radioaktive Belastung nach dem Atom-Unfall in Tschernobyl angeht: Gerade mal drei von 100.000 Wildschweinen waren aktuell bei den obligatorischen Untersuchungen betroffen. Die Überwachung von Natur-Produkten wie Wildbret, Fisch und Pilzen sei sichergestellt. Wohl noch wichtiger: Der richtige Umgang vor und nach dem Schuss. Schon beim Ansprechen auf mögliche Auffälligkeiten achten. Sauber schießen, ohne vermeidbare Wildbretzerstörung. Bald aufbrechen und es bei der Sichtprüfung der Organe sehr genau nehmen. Transport in die Kühlung so schnell wie möglich. Und, auch wenn´s manche Jäger stillos finden: Schutzhandschuhe tragen. Für Köchinnen und Köche gibt’s ebenfalls Empfehlungen: Blutig gebratenes Wildbret ist zwar nicht gefährlicher als Rumpsteak „rare“ vom Metzger. Aber Wild bleibt auch „rosa“ noch zart, gegart bei moderaten Temperaturen. Oder klassisch: gut abgehangen, sorgsam eingelegt und leise köchelnd butterweich geschmort.

  • Von der bedrohten Art zum Plagegeist

    Nicht nur der Wolf breitet sich unkontrolliert aus. Bei weiteren Arten sollte die EU die Tür für ein aktives Management der Bestände öffnen Seit mehr als 30 Jahren praktizieren die Europäer erfolgreich den Schutz bedrohter Arten. Grundlage ist die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) aus dem Jahr 1992. In Anhang II sind die Arten von Pflanzen und Tieren aufgeführt, die unter besonders strengem Schutz stehen. Einige Tierarten, die akut vom Aussterben bedroht waren, haben sich erholt. Es ist nun Zeit, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Sie müssen kaum oder gar keine natürlichen Feinde fürchten. Ihre Populationen wachsen unkontrolliert, bedrohen teils den Menschen oder richten Schäden in der Landwirtschaft und öffentlicher Infrastruktur an. Der Wolf ist nur die prominenteste der hier betroffenen Tierarten. Der Weg, um zu einem aktiven Management der Bestände zu gelangen, ist aufwendig. Zunächst muss die Berner Konvention des Europarates geändert werden. Die Berner Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der über dem EU-Recht steht. Wenn die Berner Konvention geändert ist, kann dann in einem zweiten Schritt die FFH-Richtlinie geändert werden. Dazu bedarf es eines Vorschlages der EU-Kommission, der dann von den beiden Co-Gesetzgebern, EU-Parlament und Ministerrat der 27 EU-Staaten, beraten und beschlossen werden muss. Die Union ist die einzige Partei, die mit der Forderung in den Europawahlkampf zieht, das EU-Recht zu ändern. Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU steht der Hinweis darauf aber recht versteckt. In dem Absatz, in dem „Abschüsse bei hoher Wolfsdichte“ gefordert werden, heißt es auch: „Auch für andere große Beutegreifer braucht es vergleichbare Anpassungen.“ Um diese bislang streng geschützten Tierarten könnte es gehen: Der Bär stellt in Rumänien, der Slowakei und inzwischen auch in Norditalien eine akute Bedrohung für den Menschen dar. Allein in Rumänien gibt es Schätzungen zufolge 5000 bis 6000 Bären. Anders als beim Wolf kommt es zu gefährlichen Angriffen von Bären auf Wanderer und andere Sportler, leider immer wieder auch mit tödlichen Folgen für den Menschen. Hier sollte in die Bestände eingegriffen werden. Auch der Biber ist vielerorts eine Plage In Deutschland ist der Biber in vielen Gegenden zu einer regelrechten Plage geworden. Gerade im Südwesten um Sigmaringen und Biberach (!) nagen die Biber in großem Stil Bäume ab und stauen das fließende Gewässer auf. Nicht nur die Bauern sind genervt, deren Felder geschädigt werden. Die kommunalen Wasserbetriebe klagen über hohe finanzielle Schäden. Sie müssen die Abwasserkanäle aufwändig freihalten. Der Biberbestand in Deutschland wird auf 14.000 Tiere geschätzt. Obwohl sich die Bestände massiv erholt haben, finden immer noch kostspielige Umsiedlungsaktionen statt, die jeweils 100.000 Euro und mehr kosten. Die geschädigten Landwirte bekommen keinen finanziellen Ausgleich. Am Bodensee und vielen Flussläufen hat der Bestand des Kormorans längst überhandgenommen. Sehr zum Ärger von Hobbyanglern und gewerblicher Binnenfischerei. Die unkontrollierte Ausbreitung der Kormorane, die sich von Fischen ernähren, ist ein Faktor, warum seit Anfang dieses Jahres ein zunächst auf drei Jahre befristetes Fangverbot für Blaufelchen gilt, auf die sich die Bodenseefischerei spezialisiert hatte. Saatkrähen müssen kostspielig vergrämt werden Vor allem in städtischen Parks und von Landwirten wird die Saatkrähe wieder als eine Belästigung empfunden. In Scharen machen die Krähen sich etwa über Biomaisfelder her. In vielen Kommunen wird über die Lärmbelästigung durch die Vögel geklagt sowie über die Verkotung von Parks und Spielplätzen. Da Abschüsse verboten sind, müssen Landwirte und Kommunen zu teuren Vergrämungsmaßnahmen greifen. Fischotter vor allem in einigen Gegenden Bayerns sowie Gänse, die wertvolles Grünland in Nord- und Ostseenähe beeinträchtigen, sind weitere Arten, bei denen der Schutzstatus herabgesetzt werden sollte. Die Anpassung der FFH-Richtlinie wird auf den erbitterten Widerstand des grünen Teils der Bundesregierung sowie von grünen und sozialistischen Abgeordneten im Europaparlament stoßen. Das Vorhaben ist aber überfällig und sollte nach der Europawahl konsequent vorangetrieben werden.

  • Wagenknecht, Wagenknecht und sonst nix

    Sahra Wagenknecht dürfte fast allen in Deutschland ein Begriff sein. Vor allem im Osten. Doch sonst ist über das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht viel bekannt 17 Mitglieder sollen es sein. 17 bisher Unbekannte haben ihre Ausweise für das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ in Brandenburg erhalten. In Thüringen und Sachsen, wo bereits Anfang September ein neuer Landtag gewählt wird, sollen es immerhin jeweils 240 sein. Trotzdem nicht viel für eine Partei, die bisher sowieso als „One-Man-Show“ wahrgenommen wird. Oder korrekt: als „One-Woman-Show“. Sahra Wagenknecht, die ehemalige Spitzenpolitikerin der Linkspartei, ist einem breiten Publikum sogar im Westen ein Begriff. Die streitbare Ehefrau von Oskar Lafontaine, seines Zeichens Ex-SPD-Vorsitzender, ist seit Jahren Talkshow-Königin, tritt auf Demonstrationen mit Querdenkern, Russland-Verstehern und anderen Populisten auf. Eingefügt hat sich die 54-Jährige noch nie. Bedenken, sich von populistischen Ansichten und Äußerungen und Personen fernzuhalten,  hat die durchaus eloquente Frau aus dem Osten auch noch nie gehabt. Zuletzt polarisierte sie mit ihrer offen zu Tage getragenen Nähe zu Putin. Die Nähe zu Putin Wagenknecht  weiß genau, dass gerade in den neuen Ländern eine durch die „Völkerfreundschaft der DDR mit der Sowjetunion“ gewachsene Nähe zu den Menschen in Russland und Co. existiert. Viele ältere Menschen fremdeln mit dem Westen (und gerade mit den USA). Den Angriffskrieg des russischen Präsidenten auf die Ukraine finden die Menschen im Osten zwar nicht gut, aber jetzt soll auch mal Frieden her. Und überhaupt, so eine starke Minderheitsmeinung, habe die NATO Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion betrogen und sei Moskau auf den Pelz gerückt. Historischer Unsinn, aber egal. Der gebürtigen Jenenserin Wagenknecht gelingt es auch in der Innenpolitik, Themen wie die Ablehnung des Bürgergeldes, Vorbehalte gegen Zuwanderung und das selbstmitleidige Gefühl des „Guten Ossi contra bösen Wessi“ zu artikulieren. Hier wildert das BSW durchaus in bürgerlichen Milieus, im rechten Lager und sogar im Wählerstamm der links-konservativen Gruppe, die ganz früher SED, dann PDS und zum Schluss die Linkspartei gewählt haben. Aber wer steckt noch hinter dem BSW, die bei Umfragen in allen drei Bundesländern stabil über der Fünf-Prozent-Hürde liegt? Da ist zum Beispiel Amira Mohamed Ali. Die gelernte Rechtsanwältin aus Hamburg trat 2019 die Nachfolge Wagenknechts als Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion an. Damit war sie die erste deutsche Muslima an der Spitze einer Bundestagsfraktion. Es dauerte nicht lange, da drehte sie auf Linie Wagenknechts. Man frage zum Beispiel nach bei Dietmar Bartsch, der noch heute den Kopf schüttelt über so viel Illoyalität. Daneben ist wenig Platz. Vielleicht noch für die Eisenacher Oberbürgermeisterin und Ex-Linke Katja Wolf, die in Thüringen als Spitzenkandidatin für das BSW aufgebaut wird. 1000 Mitglieder sollen es 2024 werden. Organisatorisch gibt es kaum Kreis-, geschweige denn Ortsverbände. Offiziell erklärt man, dass man zum Beispiel keine Neu-Mitglieder wolle, die direkt von der AfD zum Bündnis für Wagenknecht übertreten. In Wahrheit ist man organisatorisch überfordert. Schwierige Bündnisfrage Und dennoch sind Wagenknecht und ihr Bündnis zum politischen Faktor aufgestiegen. Die CDU in Thüringen hat sogar ein Bündnis mit dem BSW auf Landesebene nicht ausgeschlossen. Dies folgt einem einfachen Rechenspiel: Kommen die Christdemokraten auf 25 Prozent, brauchen sie zur Ablösung des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow einen Koalitionspartner. SPD und Grüne sind schwach, die FDP ist seit dem Ein-Tag-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich unmöglich und rangiert in Umfragen bei 1,5 Prozent. 1,5 Prozent, das sichert den Liberalen einen Platz unter den Sonstigen. Genau dieser Ausschließungs-Kurs der Christdemokraten um Mario Voigt bringt Ramelow mächtig auf die Palme. „Es ist so lächerlich, zu sagen, die Linke ist der Teufel, aber für die BSW haben wir keinen Unvereinbarkeitsbeschluss“, schimpfte Ramelow zuletzt im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die biografische Nähe vieler BSW-Funktionäre zur SED und aktuell zu Russland-Verstehern sei viel bedrohlicher als bei der Linkspartei, sagt Ramelow, der aus dem Westen kommt. Aktuell ist zu beobachten, dass der Höhenflug der AfD erst einmal gestoppt zu sein scheint. Offene Unterstützung – womöglich auch finanziell – aus Russland für den AfD-Politiker Petr Bystron, das geht auch vielen Russland-Verstehern im Osten zu weit. Dazu ist nicht klar, ob Wagenknecht die Umfragewerte stabil halten kann, wenn die Partei nicht vor Ort Präsenz und Profil zeigt. Man wolle bei den drei Landtagswahlen jeweils mit einer Doppelspitze antreten, erklärt das BSW. Aber ob zwei unbekannte Kandidaten genügen, um die Mühen der Landespolitik zu erobern, ist mehr als unwahrscheinlich.

  • Schrumpfen im Osten, Wachsen im Süden: So entwickelt sich die Bevölkerung

    Die Bundesrepublik altert und auf die Kommunen kommen große, sehr unterschiedliche Herausforderungen zu „2040 haben wir 5 Mio. Rentner mehr!“ titelte die „Bild“-Zeitung, sprach von „leer gefegten Landkreisen“ und warnte in der Unterzeile: „Deutschland altert dramatisch“. Grundlage für die alarmistisch klingende Berichterstattung des Boulevardblatts war der kürzlich veröffentlichte „Wegweiser Kommune“ der Bertelsmann-Stiftung, der eine Prognose der Bevölkerungsentwicklung bis 2040 enthält und alle Kommunen in Deutschland mit mehr als 5.000 Einwohnern einbezieht. Das entspricht mehr als 3.000 Gemeinden, in denen knapp 90 Prozent der Einwohner der Bundesrepublik leben. Die Quellen für die Prognose sind Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Geburten und Sterbefälle werden dabei berücksichtigt, ebenso Wanderungsbewegungen, die allerdings schwieriger vorauszusagen sind. Diese Veränderungen passieren vor allem, wenn große Firmen aus einer Stadt wegziehen. Eine Entwicklung, die langfristig selten planbar ist. Das gilt auch für Kommunen mit Erstaufnahmen. Die Kriege in Syrien und der Ukraine beeinflussten ebenfalls die Demografie und waren genauso wenig vorherzusagen. Mecklenburg-Vorpommern verliert bis 2040 mehr Einwohner, als Schwerin hat Es überrascht nicht, dass laut der Studie die ostdeutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen (mit Ausnahme von Leipzig und Dresden) schrumpfen werden. Für Mecklenburg-Vorpommern ergeben die Vorausberechnungen zum Beispiel eine Abnahme um 118.000 Personen (-7,3 Prozent) – das ist weit mehr, als die Landeshauptstadt Schwerin heute Einwohner zählt (96.000). Auch das Saarland wird in 16 Jahren weniger Einwohner haben. Bayern und Baden-Württemberg dagegen können sich über weiteres Wachstum freuen, ebenso der Westen Niedersachsens und die Metropolen Berlin und Hamburg einschließlich ihres Umlands. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verändern sich dagegen insgesamt nur marginal. Kommunen brauchen Hilfe von Bund und Land durch Förderprogramme Die Zahlen der Bevölkerungsentwicklung sind alles andere als nur unnützes Wissen. Für die Kommunalpolitiker und Verwaltungen ist die Datengrundlage hilfreich, um sich schon frühzeitig und möglichst präzise auf die gravierenden Veränderungen vorbereiten zu können. „Ohne finanzielle Unterstützung durch Förderprogramme von Bund und Ländern wird dies für viele Regionen nicht aus eigener Kraft zu schaffen sein“, erklären die Autoren der Studie zu Recht. Gefragt werden in absehbarer Zeit Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen oder für Hochbetagte sein; Auswirkungen hat die demografische Entwicklung – wie ja schon jetzt spürbar ist – auch auf den Arbeitsmarkt, Stichwort Fachkräftemangel. Und die zunehmende, sehr unterschiedliche Alterung bedeutet auch: In anderthalb Jahrzehnten wird es bis zu 4,8 Millionen weniger mögliche Steuer- und Beitragszahler geben wird. Da kommen langsam, aber sicher gewaltige Herausforderungen für den Staat, die Wirtschaft und die Gesellschaft auf uns zu.

  • Der „alte Herr“ ist not amused: Özdemir ante portas

    Auch wenn der Ministerpräsident die Spitzenkandidatenfrage für verfrüht hält: Immer mehr Grüne setzen für die Nach-Kretschmann-Zeit auf den Landwirtschaftsminister Der alte Herr ist not amused. Die Debatte über seine Nachfolge sei „eine Frage zur Unzeit“, grummelt Winfried Kretschmann. Das kann man nachvollziehen. Immerhin verspricht der bald 76-Jährige, den Rest der Legislaturperiode als baden-württembergischer Ministerpräsident „kraftvoll auszuüben“. Er wolle noch regieren und er werde das auch tun, sagt Kretschmann, seit nunmehr 13 Jahren öko-gereifter und hochpopulärer Landesvater. Also noch weitere zwei Jahre. Doch die Nachfolgefrage nimmt Fahrt auf. Unaufhaltsam. Unvermeidlich. Denn dass es einen gibt, der ihn beerben könnte, ist bekannt. Cem Özdemir, der nicht nur von Bauernprotesten gestresste Bundeslandwirtschaftsminister, tourt seit vielen Wochen auffallend häufig und mit offenkundigem Vergnügen durch den Südwesten. Der gebürtige Schwabe mit türkischen Wurzeln ist längst aus dem Schatten der aussichtsreichen Landes-Grünen hervorgetreten. Und so lautet die Frage eigentlich nicht, ob Özdemir seine Kandidatur bekannt gibt, sondern wann. Am Bekanntheitsgrad jedenfalls müsste der wendige 58-Jährige nicht mehr arbeiten. Anders als der 35-jährige Manuel Hagel, den die CDU wohl aussichtsreich 2026 ins Rennen schicken dürfte. Özdemirs Spitzenkandidatur ist indes beileibe kein Selbstläufer. Kretschmann lässt ungewohnt deutlich durchblicken, dass er nicht als lahme Ente aus dem Amt scheiden will. Schon gar nicht vorzeitig, zumal die Koalitions-CDU bereits erklärt, für diesen Fall einen grünen Nachfolger nicht mitzuwählen. Özdemir sei „hochgradig“ als Agrarminister beschäftigt, „voll im Saft und voll gefordert“, sagt Kretschmann. Was so viel heißt: Er soll sich im Bund erst einmal um seinen eigenen Laden kümmern, statt im Land mit hoher Präsenz die Kandidaten-Stimmung auszuloten. Ohnehin müssen die Grünen darauf achten, Özdemir nicht zu früh zur Kandidatur zu drängen. Würfe Özdemir vor der nächsten Bundestagswahl seinen Hut in den Ring, könnte das so wirken, als ob der Grüne die Hoffnung auf eine weitere Regierungsbeteiligung in Berlin fahren ließe. Jetzt kommen erst einmal Kommunalwahlen als Test Wichtiger noch sind die Kommunalwahlen, die am Tag mit der Europawahl am 9. Juni in Baden-Württemberg erste belastbare Rückschlüsse auf die grünen Perspektiven zulassen dürften. Seit längerem liegen Kretschmanns Mannen und Frauen in den Umfragen wieder hinter der CDU, weit entfernt von den sagenhaften 32,6 Prozent von 2021. Jeder im Ländle weiß, dass Grün ohne Kretschmann deutlich weniger wert ist und jeder Nachfolgeaspirant ernsthaft damit rechnen muss, dass seine Partei nach 15 Jahren nicht mehr den Ministerpräsidenten stellen könnte. Kretschmann ist schließlich eine Nummer für sich. Özdemir her oder hin. Die Landespartei wäre zurzeit schon froh, hielten sich die kommunalen Verluste im Rahmen. Bei der letzten Kommunalwahl erzielte die von Kretschmann massiv und höchst erfolgreich in die bürgerliche Mitte gelenkte Partei da 17,2 Prozent. Das war hinter den Freien Wählern und der CDU nur Platz 3. In 450 Kommunen standen damals grüne oder grün-nahe Listen auf dem Wahlzettel. Doch auch, wenn es jetzt um die 500 sein werden: Eine feste kommunale Verwurzelung ist den Grünen trotz des grau-grünen Landesvaters im vergangenen Jahrzehnt nicht gelungen. In den 1101 Gemeinden Baden-Württembergs gibt es nur acht direkt gewählte grüne Bürger- und Oberbürgermeister. Zwar meldet die Partei mit rund 17.750 Mitgliedern so viele Mitglieder im Land wie noch nie. Doch die Neuen sind oft keine Kretschmann-Fans, sondern eher jung, links orientiert, klimaaktiv und programmfixiert. Ob ausgerechnet der mittige Özdemir bei ihnen punkten könnte, scheint ungewiss. Nicht zu früh, nicht zu spät: Auf die Südwest-Grünen warten schwierige Zeiten. Viel wird davon abhängen, ob sie einen klugen Zeitpunkt finden, um den erhofften Kretschmann-Nachfolger zu platzieren. Ohne den Ministerpräsidenten intern zu entmachten, ohne ihn, den Beliebten, auf den letzten Amtszeitmetern zu beschädigen. Und ohne die grün-schwarze Koalition, auch nach Kretschmann als schwarz-grünes Bündnis nicht unmöglich, über Gebühr zu belasten. Sicher ist nur: Eine lange offen gehaltene Nachfolgefrage wird die Partei (und wohl auch Kretschmann selbst) über zwei Jahre nicht unbeschadet durchhalten. Özdemir wird nicht umhinkommen, weit vor dem Wahljahr 2026 Farbe zu bekennen. Auch auf die Gefahr hin, mehr mit bundespolitischen Risiken belastet als mit landespolitischen Chancen beladen zu sein.

  • Grüne Betrachtungen – Ein Blick auf die Europawahl – Ernährungsgipfel mit fleischhaltiger Kost

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserin, lieber Leser,nach der österlichen Ruhe ist in dieser Woche wieder Dynamik ins Land eingezogen. Das gilt erst einmal mit Blick auf die Natur und politisch kommt hinsichtlich unserer Themenschwerpunkte wieder Bewegungsenergie auf. Wenn ich nur aus dem Fenster schaue, ist der tägliche Fortschritt dessen wahrzunehmen, was gerade anfängt, zu wachsen und zu gedeihen – vielleicht etwas zu früh. Wenigstens in dieser Beziehung ist es schön zu genießen, was so alles im Anblick grün wird. Politisch übertragen trifft dieses Bild für viele Menschen, die ich kenne, eher nicht zu. In der Ampel ist zu beobachten, wie die Damen und Herren Minister der einstigen radikal ökologischen und pazifistischen Partei „Die Grünen“ unter Regierungszwängen leiden. Es ist zu beobachten, wie die aktuelle Fraktion von „Bündnis 90/Die Grünen“ in Einzelthemen mit Blick aufs Kabinett nicht komplett Kurs hält. Beispiele bieten Lindners Haushaltspolitik wie etwa auch ein Thema wie die Bezahlkarte, das nach Widerständen in der Fraktion erst spät durchs Kabinett lief. Und der Finanzminister zeigt gern auf den zweiten kleineren Koalitionspartner, wenn es um Vorwürfe einer Opposition innerhalb der Regierungsreihen geht. Uneinigkeit strafen die Wähler nun einmal ab, wie immer wieder der Demoskopie zu entnehmen ist. So steht außerdem bald mit der Europawahl, verschiedenen Kommunalwahlen und den Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern so etwas wie jeweils ein Lackmustest an. Der Duden schreibt zu diesem Begriff: „In übertragenem Sinne ist also ein Lackmustest ein Ereignis, aus dem konkrete Rückschlüsse gezogen werden können. Wenn die Partei, die in Berlin regiert, bei Landtagswahlen ein schlechtes Ergebnis einfährt, sollte sie ihre bisherige Arbeitsweise überdenken.“ Wohl wahr, könnte man da mal sagen … Ein erster Blick auf die Europawahlen Halten wir zunächst bei dem Wählervotum inne, dessen Ergebnisse wahrscheinlich innenpolitisch zu dem zitierten bedeutenden Lackmustest werden. Und zu sicheren Prognosen für die politische Weiterentwicklung unseres Kontinents führen. Das ist die Europawahl vom 6. bis zum 9. Juni. Im Netz kursieren schon Aufrufe, sich an dieser wichtigen Wahl zu beteiligen. Es geht um die Zukunft Europas möglichst mit der Ukraine, neben dem weiter bedrohlichen Aggressor im Osten, möglichen Trump-USA, den Umgang mit Querköpfen wie unter anderem in Ungarn und der Slowakei: Und damit allen, die das wieder zerschlagen wollen, was in und mit der Europäischen Union geschaffen wurde. Direkte Auswirkungen der europäischen Politik werden in den ländlichen Regionen zu spüren sein. Dabei ist es gut zu wissen, dass die Kommission 2021 nach längeren Vorbereitungen eine längerfristige Vision für die Zukunft der ländlichen Räume formuliert und einen Pakt mit den ländlichen Gebieten geschmiedet hat. Das beschreibt und bewertet regelmäßig in unserem Blog unser Autor Ludwig Hintjens. Die Pläne zur Ertüchtigung der ländlichen Räume laufen bis 2040. Zu ihnen zählen 83 Prozent der Fläche in den 27 Mitgliedstaaten der EU. Statistisch gesehen lebt einer von drei EU-Bürgern auf dem Land. Es wurde ein Aktionsplan aufgestellt, der zu einer besseren digitalen Vernetzung führen, die Verkehrsanbindung verbessern und die Wirtschaftsstrukturen widerstandsfähiger machen soll – wohlgemerkt: immer auf dem Land. So sind etwa 23,5 Milliarden Euro reserviert für schnelles Internet.  Es wurden inzwischen 60 Forschungs- und Innovationszentren in ländlichen Räumen gegründet, die rund 250 Millionen Euro EU-Steuerzahlergeld bekommen haben. Was die Landwirte von Europa zu erwarten haben In den vergangenen Monaten haben die Bauernproteste einiges ins Rollen gebracht. Die Landwirtschaft wird auch bei Ursula von der Leyen inzwischen anders gewichtet, als sie noch Frans Timmermans als Vize und Kommissar für Klimaschutz an der Seite hatte. Die Ambitionen waren bei aller Einsicht in notwendige Klimaschutzmaßnahmen aus meiner Sicht zu sehr verbunden mit Realitätsverlusten. Was da gemacht werden muss, sollte auch auf realistische Zeitschienen gelegt werden. Das trifft nun einmal in hohem Maße insbesondere die Landwirtschaft mit ihren weit auseinanderklaffenden Größen- und Betriebsstrukturen in Europa. Übrigens: Die Kommissionspräsidentin äußert sich in jüngerer Zeit auffallend oft und auch proaktiv zur Landwirtschaft. Die Kommission ist den Landwirten in den letzten zwölf Monaten massiv entgegengekommen. Kritiker sprechen von einer umweltpolitischen Rolle rückwärts. Im Detail hat die Kommission den Vorschlag für nachhaltige Lebensmittelsysteme (FSFS) auf Eis gelegt. Sie hat ihren Vorschlag für den nachhaltigen Pflanzenschutz (SUR) mit ambitionierten Reduktionszielen zurückgezogen. Zuletzt hat sie die Umweltstandards zur Erhaltung der Ackerflächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) bis zum Ende der Förderperiode GAP massiv aufgeweicht oder komplett außer Kraft gesetzt. Außerdem hat sie die bürokratischen Lasten von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben gesenkt. Alle Höfe mit weniger als zehn Hektar sollen keine Kontrollbesuche der lokalen Behörden mehr bekommen. Damit würden für 65 Prozent der GAP-Begünstigten, die zehn Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen, die Kontrollen der Grundanforderungen an die Betriebsführung entfallen. Mal sehen, wie es nach der Europawahl dann weitergehen wird. Der Deutsche Bauernverband hat das zusammengefasst, was für unser Land dabei wichtig sein wird. Ernährungsgipfel und wie es mit der Fleischproduktion weitergehen soll Das Thema Fleisch als angeblicher „Klimakiller“ hatten wir am Donnerstag im Blog. Da geht es nicht nur darum, Vorurteile mit Fakten und Sachlichkeit zu widerlegen. Sondern: Unser Autor Michael Lehner schildert, wie Landwirten Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, selbst an der Stellschraube verminderter Treibhausgasemissionen zu drehen. Die Tönnies Unternehmensgruppe in Ostwestfalen hat den Startschuss gesetzt, favorisiert aber eine Branchenlösung. Sprich: eine Klimaplattform, die von der gesamten Branche getragen wird. Wie Tönnies gegenüber unserem Blog erklärte, laufen dazu bereits die Gespräche. Diese seien zielführend und vielversprechend. Apropos Fleisch: An Deutschlands Einkaufstheken bei Metzgern und in Supermärkten drohe der nächste Preisaufschlag. So war im Boulevard ein Vorbericht zum „Ernährungsgipfel“ beim Kanzler zu lesen. In einem Eckpunktepapier spreche sich die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ für eine schrittweise Anhebung der Mehrwertsteuer von derzeit sieben Prozent (reduzierter Satz) auf bis zu 19 Prozent (normaler Satz) aus. Im Gegenzug soll die Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse schrittweise auf null gesenkt werden, berichtete ergänzend die „Berliner Morgenpost“. Die Zustimmung der Kommission ist allerdings an eine Erwartung geknüpft: Das Geld aus dem Portemonnaie der Verbraucher soll dem Umbau der Tierhaltung und der Erhöhung des Tierwohls zugutekommen. Schon vor Jahren hatte das Gremium, dessen Mitglieder aus den Bereichen Landwirtschaft, Wirtschaft, Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz stammen, erklärt, dass nachhaltig produzierte Lebensmittel nach höheren Preisen verlangten. Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, zeigte sich vor dem Gipfel gegenüber der „Bild“ offen für den höheren Steuersatz: „Es ist der Wunsch der Gesellschaft, die Tierhaltungsbedingungen in Deutschland weit über die Standards anderer europäischer Länder hinaus zu verbessern. Daher sind wir für eine Mehrwertsteuer-Lösung.“ Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, wiederum hat dafür kein Verständnis: „Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab. Das Geld für den Tierwohlumbau muss aus dem Bundeshaushalt kommen. Zudem muss zuerst sichergestellt werden, dass die notwendigen Beträge bei den Landwirten ankommen“, erklärte er. Man erkennt an diesem Zwist deutlich, dass der Weg zum Ziel nach wie vor steinig ist. Die Landwirtinnen und Landwirte brauchen allerdings möglichst rasch eine verlässliche Perspektive. Meine Waidgenossen und -genossinnen sind in dieser Wochenbetrachtung etwas zu kurz gekommen. Was für uns Jäger relevant ist, wurden als wichtigste Forderungen für die sieben Millionen Jäger in Europa hier zusammengefasst. Wir kommen in unserem Blog darauf zurück. Uns ist es ein Anliegen, auch auf diese Interessen mit den Gesamtzusammenhängen der ländlichen Räume und ihren politischen und strukturellen Entwicklungen einzugehen. Dabei betonen wir die ganzheitliche Sicht auf das, was auf dem Lande geschieht; in der Landwirtschaft, im Forst sowie mit der Jagd – eingebunden in die gesamte ländlich verortete Wirtschaft und den besonderen gesellschaftlichen Strukturen. Genießen Sie das Wochenende, so vielleicht wie ich mit einem Jagdausflug mit und zu Freunden nach Thüringen! Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

  • Start-ups entdecken das Dorf

    Wirtschaftsförderer müssen einiges tun, um technologieorientierten Gründern den ländlichen Raum schmackhaft zu machen Wirtschaftsförderer Martin French, Senior Consultant im Landkreis Rostock, ist davon überzeugt: Ein Großteil der wirtschaftlichen Entwicklung wird sich wieder verstärkt im ländlichen Raum abspielen. Großstädte, so French, seien beispielsweise bei den Gewerbeflächen gar nicht mehr in der Lage, Neuansiedlungen von Unternehmen allein zu bedienen. Frenchs Landkreis kann mit über 50 Gewerbe- und Industriegebieten aufwarten – unterschiedlich groß, unterschiedlich ausgeprägt und strukturiert. In den letzten Jahren punktete der Kreis Rostock durch Neugründungen insbesondere in den Bereichen der maritimen Zulieferindustrie und der Medizintechnik. Letzteres passt gut zum ambitionierten Ziel Mecklenburg-Vorpommerns, Gesundheitsland Nr. 1 zu werden. Noch sind auch an der Ostsee High-Tech-Neugründungen eher in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock als auf dem Land angesiedelt. Denn meist handelt es sich wie an vielen anderen Standorten um Hochschul-Ausgründungen. Für Martin French macht die Nähe zu Forschung und Entwicklung durchaus Sinn. Doch auch in der Fläche sieht der Wirtschaftsförderer Potenzial. Er denkt hier unter anderem an Innovationsfelder wie die erneuerbaren Energien oder Smart Farming. „Ländlicher Raum ist Zukunftsraum“ heißt es analog Ende Mai im hessischen Fulda. Einen ganzen Tag dreht sich unter der Regie des Kompetenzzentrums für Digitalisierung im ländlichen Raum (KDLR) alles um die Frage, wie technologieorientierte Start-ups aufs Land geholt werden können. Wichtig sind diese Gründungen nicht nur für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Regionen, sondern sie gelten auch als probates Mittel gegen die Abwanderung der jüngeren Generation. Erfolgsbeispiel aus Nordhessen Ein Erfolgsbeispiel aus Nordhessen wird in Fulda in der Keynote eine Rolle spielen: die Shift GmbH aus Wabern. Gründer Samuel Waldeck hat mit seinem Bruder vor Jahren ein eigenes nachhaltiges Smartphone entwickelt, bei dem der Nutzer Reparaturen zum Beispiel selbst vornehmen kann. Die Design- und Entwicklungsabteilung des High-Tech-Unternehmens sitzt im kleinen Ortsteil Falkenberg. Waldecks Vortragsthema enthält eine klare Botschaft: „Wir bleiben auf dem Land“. Die Start-up-Tagung soll dabei helfen, Neugründungen zu holen und zu halten. Dafür ist aber auch einiges erforderlich, wie kürzlich im „StartupValley“, einem europaweiten Magazin für Start-ups, Gründer und Entrepreneure, zu lesen war. Chefredakteurin Sabine Elsässer beschrieb dort die einzigartigen Herausforderungen und unerwarteten Chancen eines Start-ups auf dem Land. Problematisch sei oft eine fehlende Infrastruktur, eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Breitbandinternet, Fachkräftemangel und der Zugang zu Kapital, da Investoren sich noch auf die Städte konzentrieren. Aber: In den ländlichen Regionen existieren Marktnischen, wenn es um innovative Lösungen von lokalen Problemen geht. Betriebs- und Lebenshaltungskosten sind deutlich geringer. Wer sich gut und lokal vernetzt, kann eine Grundlage für sein junges Unternehmen schaffen. Und die technische Entwicklung überwindet auch geografische Barrieren. Bundesländer nehmen agrarnahe Start-ups in den Blick „Ländliche Gebiete bieten ideale Voraussetzungen für Start-ups, die sich auf Nachhaltigkeit und ökologische Innovationen spezialisieren“, schreibt Elsässer. „Die Nähe zur Natur und regionalen landwirtschaftlichen Produkten bietet Potenzial für Geschäftsmodelle im Bereich erneuerbare Energien, ökologische Landwirtschaft und nachhaltiger Tourismus.“ Die Bundesländer reagieren bereits auf die Gründerszene außerhalb der urbanen Hotspots und bieten verschiedene Förderprogramme an. Und wer ein agrarnahes Start-up plant, das unmittelbar Bedeutung für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weinbau, Gartenbau, Fischerei oder Aquakultur hat, kann auf Zuschüsse aus dem Zweckvermögen des Bundes bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank hoffen.

  • Fleisch ist kein Klimakiller

    Nicht nur in der Wald-Debatte haben Halbwahrheiten Konjunktur. Noch mehr ist die Landwirtschaft davon betroffen. Nun sorgt ein Fleisch-Konzern für Fakten Vorab aktuelle News zum Stil der Auseinandersetzung. PETA beruft sich in der neuesten Kampagne gegen Milchbauern zwar auf den Talkshow-Unsinn durch Behauptungen eines prominenten Schauspielers Ende 2022, dass für Milch und Käse massenhaft Kälber sterben müssen. Nun geht es um die „Vergewaltigung“ der Mutterkühe, Grammatik-Fehler inklusive: „Weiblichen Kälber werden ihren Müttern kurz nach der Geburt entrissen und sobald sie etwas über ein Jahr alt sind, zum ersten Mal auf gewaltsame Weise künstlich befruchtet. Dieser Vorgang wiederholt sich meist jährlich, um den Milchfluss konstant hoch zu halten. Entscheidet euch für pflanzliche Milchalternativen!“ In Österreich erinnern Tierrechtler derweil daran, dass die Nation in diesem Jahr bereits am 7. April die jährlich empfohlene Fleischmenge konsumiert hat – das sei alarmierend. Dass solche Kampfansagen die Bauern aufschrecken, von denen dieselbe Szene wie selbstverständlich horrende Investitionen in Tierwohl-Stallungen und für Renaturierung erwartet, zeigt den Widersinn und erklärt neben anderen Faktoren, warum die Suche nach Hof-Nachfolgern so schwer geworden ist. Neuerdings gibt es jedoch gut organisierte Gegenwehr: Fleischmarktführer Tönnies hat eine digitale Plattform eingerichtet, die Viehhaltern den Nachweis ihres Öko-Fußabdrucks ermöglicht und zugleich verlässliche Daten zum Anteil der Branche an der Umweltbelastung liefern wird. Unbestritten ist jetzt schon, dass die Viehhaltung seit 1990 mehr als 20 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart und zugleich die Produktion erhöht hat. Nun soll die Daten-Basis noch breiter werden. Und konkrete Hilfestellung für weitere Verbesserungen damit einhergehen. „Fleisch ist kein Klimakiller“ lautet die Kampfansage aus Westfalen „Die Klimaplattform Fleisch bietet Landwirten die Möglichkeit, eigene Betriebsdaten zu erfassen und anhand von einfachen Fragen den individuellen CO₂-Fußabdruck pro Kilogramm Schlachtgewicht beziehungsweise je Tier auswerten zu lassen. Anhand der Ergebnisse und Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Betriebsdaten können Stellschrauben zur Minderung der Treibhausgasemissionen identifiziert werden.“ Auch die beliebte Methode, die positiven Leistungen von Land- und Forstwirtschaft in Klima-Bilanzen zu ignorieren, will das Unternehmen auf den Boden der Tatsachen holen: „Klimaplattform Fleisch ist der erste Schritt zu einer Branchenlösung, mit der zukünftig eine flächendeckende und repräsentative Treibhausgasbilanz auf den fleischerzeugenden Betrieben erstellt werden kann. Ziel ist es, die Klimaleistung der deutschen Landwirte valide zu berechnen und transparent zu machen.“ Unverdächtige Studien dazu gibt zwar schon genug. Wie jene der schwedischen Landwirtschaftsuniversität, dass Forstwirtschaft auch fürs Klima besser ist als im Wald verrottendes Totholz. Oder die eindeutigen Ergebnisse zur Artenvielfalt auf Viehweiden, die auch reichlich Kohlendioxid binden. Aber es ist sicher kein Schaden, wenn es bald auch eine Bilanz auf breiter Datenbasis geben wird. Zunächst sind alle Rindermastbetriebe und schweinehaltenden Betriebe – von der Ferkelerzeugung bis zur Schweinemast – zur Teilnahme eingeladen. Die Landwirte sehen dort nach Eingabe der Daten ihren individuellen CO₂-Fußabdruck und den Referenzwert der anderen teilnehmenden Betriebe. Tönnies: „Die Vergleichszahlen dienen als Hilfestellung zur Einordnung des individuellen CO₂-Fußabdrucks. Zugleich zeigt das System übersichtlich all jene Hebel auf, die Einflüsse auf die Emissionen des Betriebs haben. Die wesentlichen Einflussfaktoren wie Futter oder Dunganfall werden nach ihrer Bedeutung grafisch dargestellt.“

  • Spreewald bald ohne Spree

    Es könnte trocken werden, im Spreewald, an den Ufern der Elbe und in der Lausitz Ein malerisches Gebiet ist entstanden, im Lausitzer Bergland. „Wo sich der Wald im Wasser spiegelt“ heißt es selbstbewusst auf der Homepage spreewald.de über den Einklang zwischen Natur und Mensch, zwischen Stadt und ländlichem Raum. Seit 1990 ist die Region, die nur 100 Kilometer von Berlin und 100 Kilometer von Dresden entfernt ist und die den meisten Westdeutschen nur durch die feinschmeckenden Spreewald-Gurken bekannt sein dürfte, Biosphärenreservat. Zahlreiche Schutzprogramme tragen zum Erhalt des einmaligen Tier-, Pflanzen- und Landschaftsbildes bei. So weit, so gut. Aber seit einiger Zeit leidet die malerische Region unter Wasserknappheit. Dabei geht es nicht um die geringen Niederschlagsmengen, die fast allen Regionen in Deutschland zu schaffen machen. Dabei geht es merkwürdigerweise um die Folgen des Ausstiegs aus dem Braunkohletagebau in der Lausitz, der gerade den Spreewald ökologisch zu neuem Leben erweckt hat. Pumpen stehen bald still Denn für den Kohleabbau wurde Wasser gebraucht, sehr viel Wasser. Und das seit 120 Jahren. Dafür genügte nicht das Sümpfungswasser aus den Gebieten der Braunkohletagebaue, sondern es musste Wasser in die Spree gepumpt werden, „um trocken an die Kohle zu kommen“, wie der MDR berichtete. Genau dieses Wasser aus dem Braunkohletagebau in der Lausitz wird es bald nicht mehr geben, wenn die letzten Bagger und die letzten Wasserpumpen stillstehen. Drei Viertel des Wassers werden dann fehlen, frühestens 2026, spätestens aber ab 2029, wie die Wissenschaftler des Umweltbundesamtes (UBA) in einer Berechnung ermittelten. Der Spreewald, das einmalige UNESCO-Biosphärenreservat, lebt aber nun einmal naturgemäß vom Wasser der Spree. Auwälder, Wiesen, Teiche sowie der Wassertourismus – all das hätte wohl keine Zukunft mehr. Hier geht es also nicht um grün motivierte – wie beim Umweltbundesamt schon geschehen – Vorzeigeprojekte, sondern um eine Entwicklung, die erst die Natur in der Lausitz und im Spreewald in Mitleidenschaft ziehen könnte, dann auch das Ökosystem der Elbe in Sachsen und Sachsen-Anhalt treffen dürfte. Und die mittelfristig auch die Trinkwasserversorgung und Verdünnung der Abwässer des Großraums Berlin/Potsdam gefährden wird. Laut unabhängiger Wissenschaftler benötigt die Spree künftig 60 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Mehr als ein Latte-Macchiato-Problem für die hoch urbanisierten Menschen in Charlottenburg oder am Prenzlauer Berg! Wachsender Wasserbedarf entlang der Elbe Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Das fragen sich nicht nur Politiker und Regionalplaner, sondern auch Förster, Tourismusmanager und Naturschützer. Sie alle denken an eine recht unkonventionell klingende Art, Wasser aus der Elbe mittels Rohrleitsystem für die Spree umzuleiten. Noch ist alles in der Denk-Phase, wenig konkret und nichts geplant. Laut MDR soll jetzt eine Untersuchung starten, die das ungewöhnliche Rohrleitungssystem aus der Elbe in die Spree auf Fragen der Realisierung und Machbarkeit hin prüft. Städte und Dörfer zwischen Elbe und Lausitz, dazu viele natürliche Hindernisse. Und auch die Elbe, die seit dem letzten Jahrhunderthochwasser 2013 eher zu wenig als zu viel Wasser mit sich führt und an deren Ufern schützenswerte Ökosysteme wie zum Beispiel der Auwald entstanden sind, kann unmöglich die 60 Millionen Kubikmeter Wasser ersetzen, die der Spree fehlen. Das UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe mit der größten zusammenhängenden Hartholzaue Mitteleuropas ist nach übereinstimmenden Medienberichten durch zu wenig Wasser „schon jetzt in seinem Fortbestand gefährdet“. Dazu kommt noch ein steigender Wasserbedarf durch die Ansiedlung neuer High-Tech-Werke in Dresden, Magdeburg und anderen Städten. Auch von Tschechien ist keine Hilfe zu erwarten, da das Land selbst das Wasser benötigt, um Stauseen, Landwirtschaft und Bevölkerung ausreichend mit Wasser zu speisen. Dabei drängt die Zeit. Hitze- und Dürreperioden würden das Problem schnell akut werden lassen. Ob es allerdings gelingt, das Plan- und Fertigstelltempo für ein so grandioses mögliches Rohrleitungssystem schnell oder wenigstens irgendwie durchzuziehen, ist fraglich. Zu viele Beteiligte wollen auch hier mitreden.

  • Der Zeitgeist spaltet das Land

    Dass die Gesellschaft in den USA auseinanderbricht, ist deutsche Medien-Wirklichkeit. Über die Brüche im eigenen Land wird nicht so gern gesprochen Es gibt viele Felder, auf denen die Meinungsvielfalt zur Meinungseinfalt zu verkommen droht. Zumal in der urbanen „Blase“. Wo Lastenfahrräder zum Status-Symbol werden. Wo vom kostenlosen Nahverkehr mit Bus und Bahn geträumt wird. Wo horrende Mieten die Geringverdiener aus den Szene-Vierteln vertreiben. Und wo sich der Kultur-Begriff auf hoch subventionierte Theater und Konzerthäuser verengt. Wo „Freiwillige Feuerwehr“ zum Fremdwort wird. Und Nachbarschaft oft nur noch unter Gleichgesinnten stattfindet. Auf dem Land ist manches noch anders. Laien machen die Musik und spielen Theater. Freiwillige löschen Brände und bergen Unfallopfer. Am Stammtisch herrscht noch Meinungsvielfalt. Äußerst selten, dass Menschen über Wochen tot in ihrer Wohnung liegen, ohne dass die Nachbarn es bemerken. Und kein Grund für schiefe Blicke, wenn Nachbarn auf ihr Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu fahren und ihre Sprösslinge an Sport und Spiel zu beteiligen. Noch kommen Normalverdiener mit dem Geld über die Runden, auch weil die Ansprüche sich (noch) an den eigenen Möglichkeiten orientieren. Aufs Land gezogene Großstädter beklagen neben Glockengeläut und Misthaufen-Geruch oft auch den Dorf-Tratsch. Aber der sorgt wie nebenbei für sozialen Frieden und dafür, dass die Fürsorge-Ausgaben im Dorf-Haushalt überschaubar bleiben. Kaum einer bleibt lang anonym, wenn er Mitmenschen aus Faulheit auf der Tasche liegt. Logisch, es gibt Denkverbote. Etwa das verbreitete Unverständnis für die Idee, dass das Holz im Wald verrotten soll, statt verheizt zu werden. Oder die Angst, dass Weide-Vieh das Klima kaputtfurzen könnte. Wie sehr die größeren Städte den Menschen in der Provinz auf der Tasche liegen, zeigt beispielhaft der öffentliche Personennahverkehr, von dem das flache Land nur marginal profitiert. Zur Verschuldung der öffentlichen Hände hat allein dieser Posten im vergangenen Jahr neun Milliarden Euro beigetragen. Die Etats für Wohngeld zur Finanzierung astronomisch hoher Mietzinsen oder von Jugendhilfe haben ebenfalls ein steiles Stadt-Land-Gefälle. Auch das erklärt die Wut über urbanes Unverständnis für die Traktor-Proteste zum Erhalt der Agrardieselsubvention von jährlich rund 440 Millionen Euro. Zum Vergleich: Insgesamt kalkuliert der Bund mit Subventionen von fast 66 Milliarden Euro, die Löwenanteile für Gewerbe und Industrie, Wohnen und Verkehr. Wirklichkeitsfremde Stadtmenschen ereifern sich Während sich wirklichkeitsfremde Stadtmenschen über vermeintlich horrende Bauern-Einkommen ereifern, finden selbst kinderreiche Landwirtsfamilien keine Hofnachfolger. Die Sehnsucht nach angenehmer Work-Life-Balance geht auch an Dörfern nicht schadlos vorüber. Nur selten Freizeit am Wochenende und kaum Chancen auf eine Sommer-Urlaubsreise, das passt irgendwie nicht mehr in die Welt, die TV und Internet bis in abgelegene Winkel tragen. Vorurteile inklusive. Manche flüchten in die Bio-Nische und merken nun entsetzt, dass der Discounter-Preiskampf mit den Erzeugern längst auch dort angekommen ist. Wer sich für den Tierwohl-Stall verschuldet hat, muss den veganen Zeitgeist fürchten. Pendler haben das Problem, dass die heimische Industrie viele Jahre lieber Luxusschlitten produzierte – statt Autos für Normalverdiener, die nun der Elektroauto-Preisschock endgültig in die Umweltsünder-Ecke treibt: Weiter den alten Diesel fahren? Oder statt zur Arbeit zu pendeln, lieber daheim bleiben und von Bürgergeld und Schwarzarbeit leben? Statt brav Steuern zu zahlen und dem Wirtschaftsminister zu helfen, dass er die Industrie-Subventionen nicht komplett auf Pump finanzieren muss? Wo doch längst am Sozialen gespart wird und das versprochene Klimageld wie auch die Kindergrundsicherung wohl noch länger auf sich warten lassen. Kulturlandschaft meint die von Menschenhand gemachte Natur Die beteiligten Wirtschaftszweige mitgerechnet, ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln nicht nur nach Arbeitsplätzen mindestens so wichtig wie die Autoindustrie. Und im gern beschworenen Krisenfall weit weniger entbehrlich als Batterie-Fabriken oder Mikro-Chips. Ganz nebenbei sollte auch Stadtmenschen klar sein, dass Land- und Forstwirtschaft der Umwelt mehr nützen als schaden. Mit nachgewiesener Artenvielfalt in der Kulturlandschaft und der massenhaften Verwandlung von Kohlendioxid in Biomasse. Wobei in Vergessenheit gerät, dass Kulturlandschaft die von Menschenhand gemachte Natur meint  – und nicht den Urwald, der die meisten Menschen beim Überleben überfordert. Wie schon angedeutet, ist die Provinz der Großstadt auch beim gängigen Kulturbegriff durchaus ebenbürtig. Parade-Beispiel sind die Passionsspiele von Oberammergau. Vom heimischen Feuilleton lange belächelt, bis die halbe Welt entdeckte, was da im engen Tal der Ammer abgeht: ein Orchester von Rang. Ein Herrgottsschnitzer als Regisseur, der die Feier zur Fußball-Weltmeisterschaft inszenierte und in Salzburg den „Jedermann“. Der in München das Volkstheater so auf Vordermann brachte, dass es ohne Subventionen auskommt. Sicher ist dieser Christian Stückl mit seinen Laien-Künstlern herausragend, aber weitere Beispiele für gelebte Dorf-Kultur gibt’s reichlich. Es gilt vor lauter Naserümpfen über Stallgeruch und Volksgläubigkeit die Augen nicht zu schließen.

  • Macht das Landleben reaktionär? Steile Thesen eines Philosophen

    Einen negativ-kritischen Blick auf das Leben in den Dörfern wirft Björn Vedder in seinem neuesten Buch. Gut vermarktet hat er seine kruden Thesen jedenfalls Zwei Gummistiefel zieren das Cover von Björn Vedders neuem Buch: ein dreckiger schwarzer und ein glänzender roter. Sein Werk „Das Befinden auf dem Lande – Verortung einer Lebensart“ enthält steile Thesen und produziert Schlagzeilen. Zum Beispiel: „Philosoph Björn Vedder: Landleben macht reaktionär“. So ist in der Audiothek ein Beitrag des Radiosenders SWR2 überschrieben. „Ich lebe im Dorf, holt mich hier raus“, titelte faz.net griffig, und die Süddeutsche Zeitung zitierte ihn mit dem Satz „Ich hadere mit der Mentalität“. Zwar findet der Autor das Landleben nicht nur schlecht, und Vedder erkennt durchaus praktische Vorteile und genießt die frische Luft. Doch er beklagt eine starke soziale Kontrolle, eine Ausgrenzung und Verachtung derjenigen, die sich nicht einfügen wollten. Und er wirft Dorfbewohnern vor, sie würden sich zu sehr in das Leben anderer einmischen. Mit seinem Essay, so behauptet er, habe er nur darauf hinweisen wollen, dass es in der deutschen Gesellschaft eine Tendenz zur „mentalen Verdörflichung“ gebe. Und diese „Selbstprovinzialisierung“ sei es wert, dass man sie sich genauer anschaue. Oha. Da blickt jemand von oben reichlich blasiert herab auf die Bewohner in den Dörfern. Diese schlichte negative Sicht unterscheidet sich jedenfalls erheblich von Sachbüchern, in denen Autoren das Leben auf dem Land in Vergangenheit und Gegenwart in weitaus differenzierteren Farben zeichnen – etwa Ewald Frie in seinem Bestseller „Ein Hof und elf Geschwister“, der eine präzise, erfahrungsgesättigte Beschreibung des Landlebens liefert, ohne sie zu romantisieren. Von der Mietwohnung in München ins Haus am Ammersee Björn Vedder ist in den 1980er Jahren in der Nähe von Höxter im Weserbergland aufgewachsen und muss in dieser Zeit wohl ganz schlimme Erfahrungen gemacht haben, die bis heute nachwirken. Lange hat er mit seiner Frau in einem Münchener Altbau gelebt und als Journalist Kritiken über Opern, Konzerte und Theateraufführungen geschrieben. Dann hat er mit seiner Familie die Metropole verlassen und ist in einen wohlhabenden Ort gezogen, in ein ehemaliges Fischerdorf am oberbayrischen Ammersee, der Kinder wegen: Die sollten raus aus der Enge der Mietwohnung und im Garten toben können. „Ich bin aufgrund meiner Erfahrungen zu der Überzeugung gekommen, dass das Landleben die Niedertracht nährt, die Verspottung der vermeintlich Schwächeren begünstigt und ihrer öffentlichen Beschämung Vorschub leistet, weil es ein Leben der Gemeinschaft ist.“ Wer so einseitig und pauschal das Landleben skizziert, muss sich vorwerfen lassen, dass er einfach nur polemisiert, ohne den Alltag in den Dörfern, ohne seine Nachbarn wirklich zu kennen. Dass dort nicht überall Idylle herrscht und eine romantische Verklärung nicht angebracht ist, das wird in diesem Blog Woche für Woche hinlänglich beschrieben. Zahlreiche prominente Schriftsteller erwähnt Vedder erwähnt in seinem Buch zahlreiche prominente Schriftsteller, womöglich, um Belesenheit zu demonstrieren. Die Schriftstellerin Annette von Droste Hülshoff ist beispielsweise erwähnt, Theodor Storm, der Philosoph Immanuel Kant und der Dramatiker Botho Strauß. Dessen Aufsatz „Anschwellender Bocksgesang“ zeige, „welcher Geist in der rechten Landlust weht“, nämlich der Geist der Abspaltung von der modernen Gesellschaft. Mit derartigen Behauptungen schafft man es, auch in überregionalen Medien vorzukommen und sich selbst geschickt zu vermarkten. Aber man hat den Eindruck, dass der Autor seinen eigenen Vorurteilen erlegen ist. Und fragt sich, ob ihm „das“ Landleben wirklich vertraut ist, zumal die Urlaubsregion Ammersee nicht gerade typisch ist für ein ländliches Gebiet in Deutschland und es in Mecklenburg, in der Lüneburger Heide oder Süd-Thüringen ganz anders aussehen kann. Ebenso stellt sich die Frage, ob Björn Vedder in seiner neuen Heimat schon mal länger mit Bauern, Handwerkern oder einem Schützenkönig, mit Jägern oder Müttern gesprochen hat. Im Buch kommen sie jedenfalls kaum vor. Die Rezensentin in der Frankfurter Allgemeinen monierte daher zu Recht, man ärgere sich teilweise „über die enge Perspektive, die am eigenen Tellerrand endet“.

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