Das Thünen-Institut in Braunschweig hat in einer aufwändigen Studie die Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen in Deutschland ermittelt. Bestimmte Befürchtungen bewahrheiten sich dabei nicht
Wem gehören die landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland und wie ist deren Eigentum verteilt? Und stimmt die Vermutung, dass große Finanz- und Versicherungsunternehmen Agrarland in Deutschland aufkaufen? Antworten auf diese und weitere Fragen bietet eine aktuelle Studie des Thünen-Instituts in Braunschweig, betrieben im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
In einer methodisch komplizierten und statistisch aufwändigen Untersuchung haben die Wissenschaftler Andreas Tietz und Lena Hubertus stichprobenartig Grundbuchdaten aus den Liegenschaftskatastern von 388 Gemeinden ausgewertet. Auf der Basis von vier Prozent der Landwirtschaftsflächen in elf Bundesländern haben sie die Angaben auf ganz Deutschland hochgerechnet. Die knapp 100 Seiten umfassende, ausgefeilte Studie lässt sich hier kostenlos herunterladen und nachlesen: Thünen-Report 116.
Knapp 80 Prozent gehören natürlichen Personen
Man muss dabei eine Schneise durch den Dschungel von Zahlenangaben schlagen, um die interessantesten Ergebnisse zu erfahren. 79,7 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen gehören demnach natürlichen Personen, die im Durchschnitt 62 Jahre alt und überwiegend männlich sind. 8,9 Prozent sind privaten Unternehmen zugeordnet, etwa Genossenschaften oder GmbHs. Der überwiegende Anteil davon entfällt auf Ostdeutschland.
11,4 Prozent gehören der öffentlichen Hand. Darunter sind die Kommunen mit 3,8 Prozent, die Bundesländer mit 2,9 Prozent und die Kirchen mit 2,3 Prozent; der Rest entfällt auf Verbände oder Stiftungen (1 Prozent), den Bund (0,6 Prozent) und mit 0,5 Prozent auf die BVVG, das ist die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft, eine Nachfolgeorganisation der Treuhandanstalt. Naturschutzverbände, -vereine oder -stiftungen kommen auf einen Anteil von 0,4 Prozent. Ganz überwiegend ist die Agrarfläche weniger als zehn Kilometer vom Wohn- oder Unternehmenssitz entfernt.
In Ostdeutschland sind es weniger Familienbetriebe und mehr Unternehmen
Die größten Landeigentümer in einem Bundesland sind meistens das Land selbst und einzelne Kommunen – in den ostdeutschen Bundesländern aber auch landwirtschaftliche Unternehmen. Überhaupt zeigen sich große Unterschiede zwischen dem Osten und Westen Deutschlands: In den östlichen Bundesländern zählen meistens Genossenschaften oder GmbHs zu den Eigentümern von Landwirtschaftsfläche, weniger Familienbetriebe.
Die Unternehmen sind im Durchschnitt Eigentümer einer wesentlich größeren Fläche. Dies führt dazu, dass die Agrarflächen im Osten deutlich ungleicher verteilt sind. Ein Grund für die Abweichungen sind die Enteignungen von Großbetrieben nach 1945 und die Privatisierung ehemals volkseigener Landwirtschaftsfläche nach 1989.
2,3 Millionen Menschen verfügen über mehr als einen halben Hektar Agrarfläche
Insgesamt verfügen 2,3 Millionen Menschen in Deutschland über ein Eigentum von mehr als einem halben Hektar Landwirtschaftsfläche, was rund 2,7 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Nimmt man noch alle dazu, denen eine kleinere Fläche gehört, sind laut Studie sogar 5,9 Millionen Männer und Frauen als Eigentümer registriert. Das entspricht bei einer Bevölkerungszahl von 84 Millionen Menschen in Deutschland einem Anteil von rund sieben Prozent.
Bemerkenswert ist, dass die meisten privaten Eigentümer von Agrarflächen nicht mehr selbst in der Landwirtschaft aktiv sind: 83 Prozent der Haushalte haben ihre Flächen verpachtet, sofern sie ihr Land nicht anders nutzen. Die meisten Eigentümer von Landwirtschaftsfläche stammen jedoch von Vorfahren ab, die eine, zwei oder drei Generationen zuvor noch selbst als Bauern tätig waren. Jetzt wird das Land vererbt, verpachtet, aber selten verkauft – und wenn, dann für andere Zwecke, etwa als Bauland.
Empfehlung: Konzentration von Eigentum beobachten
Im Hinblick auf eine Konzentration von Landeigentum, die zu einer übergroßen Marktmacht führt, geben die Autoren der Studie Entwarnung. Zwar gebe es Befürchtungen, dass Landeigentümer zu groß werden könnten. Und die dann, wenn sie selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, ihre Geschäftsanteile verkaufen an ausländische oder andere Investoren, die nicht im Sinne des Allgemeinwohls handelten. Bisher entbehre diese Befürchtung allerdings jeder empirischen Grundlage. An anderer Stelle heißt es: „Für die häufig geäußerte Vermutung, dass überregionale Finanz- und Versicherungsunternehmen Agrarland in Deutschland aufkaufen, bietet diese Untersuchung keinen Anhaltspunkt.“
Dennoch empfehlen die Autoren, mögliche Tendenzen einer Konzentration von Eigentum zu beobachten, „da Boden eine nicht vermehrbare Ressource ist, deren Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll“. Für diese Beobachtung sollten nach ihrer Ansicht geeignete Datengrundlagen geschaffen werden.
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