Ein erfahrener Pragmatiker aus Friesland regiert jetzt Niedersachsen
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Der bisherige Wirtschaftsminister Olaf Lies hat in Hannover den langjährigen Ministerpräsidenten Stephan Weil abgelöst. Lies ist ein Kenner des ländlichen Raumes und setzt vor allem auf Kontinuität

Der Wechsel in Hannover verlief reibungslos: Nach zwölf Jahren unter Stephan Weil als Ministerpräsident regiert nun sein Parteifreund Olaf Lies das acht Millionen Einwohner zählende Niedersachsen, Deutschlands zweitgrößtes Flächenland. Im ersten Wahlgang erhielt Lies 80 von 143 Stimmen und damit die volle Unterstützung von SPD und Grünen. Die größte Oppositionspartei CDU wäre chancenlos gewesen und stellte erst gar nicht einen Gegenkandidaten auf.
„Selbstbewusst und beliebt, aber auch amtsmüde“, beschrieb das niedersächsische Politikjournal „Rundblick“ vor einigen Wochen den scheidenden Ministerpräsidenten. Behutsam, nachdenklich und umsichtig führte Weil die Landesregierung und strebte nach Harmonie. Daher applaudierten bei seinem Abschied im Landtag auch CDU-Politiker mit Standing Ovations; nur die AfD blieb sitzen.
Seinem Nachfolger Lies verschafft Weil jetzt die Chance, sich bis zur Landtagswahl 2027 an der Spitze der rotgrünen Koalition einen Amtsbonus zu erarbeiten. Bis dahin wird der Schönheitsfehler vergessen sein, mit dem der Wechsel verbunden war: Weil hatte bei der Landtagswahl 2022 zugesagt, bis zum Ende der Wahlperiode im Amt zu bleiben und diese Aussage noch im Juli 2024 bekräftigt. Nun begründete der 66-Jährige seinen vorzeitigen Rückzug mit dem Alter, schwindender Energie und Schlafstörungen.
Weils einstiger Rivale Lies verfügt über langjährige Erfahrung als Wirtschaftsminister und kämpfte in dieser Funktion unter anderem für den Erhalt der Papenburger Meyer-Werft. Der Elektroingenieur wirkt pragmatisch und zupackend, er geht auf Menschen zu. Lies kommt aus Friesland nahe der Nordseeküste und kennt daher auch die Probleme des ländlichen Raums. Innerparteilich ist er beliebt: Mit einem Ergebnis von 96,4 Prozent der Stimmen wurde er zum Landesvorsitzenden der SPD gewählt.
CDU hofft auf einen Machtwechsel in zwei Jahren
Der CDU Niedersachsen fällt es schwer, sich gegen den erfahrenen und bekannten Landespolitiker zu profilieren, zumal ihr selbst eine charismatische Führungsfigur fehlt. Nach heutigem Stand dürfte den Christdemokraten in zwei Jahren kein Machtwechsel gelingen. Zu fest sitzen die Sozialdemokraten in ihrem Stammland im Sattel. Spitzenpolitiker aus Niedersachsen hat die SPD reichlich: Von hier stammen, um nur einige zu nennen, auch die Bundesminister Lars Klingbeil und Boris Pistorius, SPD-Fraktionschef Matthias Miersch und die ehemaligen Bundesminister Sigmar Gabriel und Hubertus Heil.
Inhaltlich setzt Lies weitgehend auf Kontinuität. Im NDR-Interview nannte der neue Ministerpräsident lediglich die Digitalisierung als Schwerpunkt. Ein Symbol der Erneuerung ist allerdings die überfällige Auflösung des 2017 geschaffenen Europaministeriums. Konkrete neue Ankündigungen blieben in seiner Regierungserklärung weitgehend aus. Die Landesregierung wolle sich weiter um die Regionen kümmern, die vom Arbeitsplatzabbau betroffen sind, bekamen die Abgeordneten zu hören. Und Allgemeinplätze wie „Wir werden uns weiter für Bildung engagieren“ oder, dass die wichtige Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte klare und verlässliche Rahmenbedingungen verdiene.
Für ein regional differenziertes Bestandsmanagement des Wolfes
Froh zeigte sich der neue Ministerpräsident über die jüngste Entscheidung von EU-Kommission und EU-Parlament bei der FFH-Richtlinie zum Wolf. „Wir werden die neuen Möglichkeiten für ein regional differenziertes Bestandsmanagement des Wolfes konsequent nutzen“, kündigte Lies an. „Darauf werden wir uns jetzt schon gemeinsam mit Landwirtinnen und Landwirten, Jägerschaft, Kommunen und Naturschutzverbänden vorbereiten.“ Ziel müsse es sein, den Weidetierhaltern die notwendige Sicherheit zu geben.
Zur Gesundheitsversorgung sagte Lies in seiner Regierungserklärung lediglich, sie stehe unter Druck, „insbesondere im ländlichen Raum“. Wichtig sei ihm die Notfall-Versorgung. „Das ist mein Hauptanliegen im Hinblick auf die Neuordnung der Krankenhauslandschaft.“ Man darf gespannt sein, wie er dies umsetzen wird.
Scharfe Worte fand die CDU für die Regierungserklärung: „Stillstand unter neuem Namen.“ Tatsächlich muss die rot-grüne Koalition noch einige Hausaufgaben erledigen: bei der Unterrichtsversorgung und den Kitas, bei der wirtschaftlichen Entwicklung, vor allem in der Autobranche, bei der Infrastruktur und im Wohnungsbau. Gleichzeitig ist die Union gefragt, überzeugende personelle wie inhaltliche Alternativen für Niedersachsen anzubieten.
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