Machen weitere Landkreise Straßen dicht?
- Wolfgang Kleideiter

- 8. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Den klassischen Ausweichrouten beim Stau auf der Autobahn geht´s mehr und mehr an den Kragen. Die bayerischen Landkreise Rosenheim und Berchtesgadener Land sperren Ausweichstrecken, um Menschen im Dorf vor Lärm und Abgas zu schützen.

Deutschland ist ein Stauland. Im Jahr 2024 – so weisen Statistiken es aus – erreichten stoppende und kriechende Autokolonnen auf deutschen Autobahnen eine Gesamtlänge von 859.000 Kilometern. Diese Staulänge entspricht in etwa der Hin- und Rückreise zum Mond. Kein Wunder, dass Lkw- und Pkw-Fahrer abseits der vielbefahrenen und überlasteten Hauptstrecken nach schnelleren Routen Ausschau halten. Moderne Navigationsgeräte und Apps, die jeden Feld- und Wirtschaftsweg in ihre Berechnungen einbeziehen, helfen dabei. Mit fatalen Folgen.
In manchen Regionen Deutschlands geht vor allem in den Hauptreisezeiten sowohl auf der Autobahn als auch abseits der Fernstraßen nichts mehr. Dann quält sich der Verkehr über Kreis- und Gemeindestraßen, zwängt sich durch enge Ortsdurchfahrten und hindert manchen Dorfbewohner daran, überhaupt noch das Grundstück verlassen zu können. Müllfahrzeuge stecken fest. Rettungswagen und Feuerwehr wissen im Notfall kaum noch, wie sie durchkommen sollen. Der Verkehrsinfarkt auf der Autobahn trifft mit voller Wucht auch die Landkreise.
Österreich Vorreiter bei Autobahn-Abfahrtssperren
Im österreichischen Tirol hat man schon vor geraumer Zeit gegengesteuert. Seit 2019 gelten an den Sommerwochenenden Abfahrtssperren auf der Inntalautobahn (A12). Die dortige Landesregierung spricht von einer „Notwehrmaßnahme“, um die Menschen vor dem Transitverkehr zu schützen. Gleiches wird an der Tauernautobahn (A10) im Land Salzburg praktiziert. Und diese Beispiele haben in Bayern, wo schon Seen und Berge für eine natürliche Enge sorgen, Schule gemacht.
Die zeitlich verhängten Abfahrts- und Durchfahrtsverbote im Berchtesgadener Land und im Raum Rosenheim haben in diesem Sommer zum ersten Mal für den gesamten Durchreiseverkehr gegolten. Die Sperrauflagen wurden von der Polizei mit Stichproben kontrolliert, zighundert Autofahrer, die dem Stau ausweichen wollten, mussten nach Angaben der Landratsämter zurück auf die Autobahn. Nur Reisende, die ein Ziel in der Region nachweisen konnten, durften ihren Weg fortsetzen.
Das veranlasste ein Motormagazin sogar dazu, zur Trickserei aufzurufen. In einer Tabelle wurden Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Hotels entlang der Stau-Strecken aufgeführt. Bei einer Kontrolle sollte man einfach ein solches Ziel nennen, um einem Bußgeld zu entgehen.
Rechtlich abgesichert
Die temporären Abfahrts- und Durchfahrtsverbote stehen rechtlich auf sicheren Füßen. Der Bund hat im Grundsatz Verständnis dafür, dass man vor Ort alles tut, um die Bürger zu entlasten. Gemeinden können also durchaus zu solchen Schutzmaßnahmen greifen. Eine Nachricht, die in vielen Rathäusern aufmerksam zur Kenntnis genommen wurde.
Die Abfahrtsverbote gelten in den beiden bayerischen Landkreisen jeweils von freitags bis sonntags sowie an Feiertagen. Die Entscheidung über die Aktivierung der Verbote trifft die Verkehrspolizei kurzfristig in Abstimmung mit der Autobahn GmbH und dem Landkreis. Betroffene Straßen werden beschildert mit dem Verkehrszeichen 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) und einem Zusatzzeichen mit dem Inhalt „für Ausweichverkehr bei Stau auf der Autobahn“.
Was in Tirol und Salzburg saisonale Praxis ist, erlebte in Deutschland eine Premiere. Und es ist durchaus denkbar, dass auch in anderen Bundesländern nach bayerischem Vorbild dieser Weg beschritten wird, um den Verkehr in den ländlichen Regionen bei einer drohenden Überlastung zu steuern und den Bewohnern ruhige Wochenenden zu garantieren.
Der ADAC beobachtet die Entwicklung ganz genau. Der Automobilclub hat durchaus Verständnis für die Maßnahmen, sieht in ihnen aber gerade in der Alpenregion keine dauerhafte Lösung. Der ADAC Südbayern fordert länderübergreifende Lösungen. Dazu gehört aus seiner Sicht zum Beispiel der überfällige Ausbau der A8 zwischen Rosenheim und der Grenze bei Piding/Walserberg.
Die Durchfahrtsverbote zeigen in Bayern gleichwohl Wirkung. Laut Magazin „Auto, Motor, Sport“ berichten Polizei, Gemeinden und Bürger nach den ersten Wochen von „spürbaren Verbesserungen“. Für manch einen staugeplagten Ort zwischen Hamburg und Konstanz könnte dies ein Signal sein.






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