Die EU überzieht, wenn sie dem Nikotinkonsum nun auch im Freien den Kampf ansagen will

Bislang hat die EU-Kommission die Zigarette als Produkt reguliert. Die Schockfotos auf den Packungen etwa sollten die Menschen auf die Gefahren des Rauchens hinweisen und Raucher zum Aufhören motivieren. Es wurden auch weitreichende Werbeverbote erlassen. Bis 2040 soll es die erste „Generation rauchfrei“ geben und der Anteil der Nikotinabhängigen EU-weit unter fünf Prozent fallen. Der Weg dahin ist jedoch noch weit: In Deutschland etwa rauchen oder dampfen derzeit knapp 30 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre (Stand Juli 2024). Das ist ein höherer Anteil als etwa vor vier Jahren (26,5 Prozent).
Jetzt will die Kommission neue Maßnahmen ergreifen. Sie möchte, dass die Mitgliedstaaten der EU die Raucher und Dampfer an öffentlichen und halb-öffentlichen Orten vergrämen. Der Nichtraucherschutz soll gestärkt werden. An Orten, wo sich Kinder, Jugendliche und besonders Schutzbedürftige viel aufhalten, sollen die Verbotsschilder kommen. Wohl gemerkt: Es geht nicht um geschlossene Räume, es geht ums Rauchen und Dampfen draußen und im Halbfreien, etwa unter Vordächern.
Die Pläne sind bereits recht detailliert ausformuliert: Ungemütlich werden soll es für Nikotin-Konsumenten auf öffentlichen Spielplätzen, in Freibädern, Vergnügungsparks, an Stränden und in Zoos. In Außenbereichen von Restaurants, Bars und Cafés soll Rauchen und Dampfen auch tabu werden. Ebenso an Bushaltestellen, Flughäfen und auf den gesamten Grundstücken von Bahnhöfen. Die Raucherecke von Unternehmen, Krankenhäusern, Gesundheitszentren und Pflegeheimen soll es künftig nicht mehr geben – alles im Außenbereich oder unter einem Vordach, versteht sich. Auch Bereiche mit viel Fußgängerverkehr sollen betroffen sein, wie Eingänge zu Shoppingcentern und Innenhöfe von öffentlichen Gebäuden.
Noch ist kein EU-Gesetz in der Planung. Die EU-Kommission hat lediglich eine Ratsempfehlung beschlossen. Den 27 Mitgliedstaaten wird damit nahegelegt, die genannten Maßnahmen zu ergreifen. Sollten sie es nicht tun, hätte dies noch keine rechtlichen Konsequenzen. Das Gremium der Mitgliedstaaten hat aber jetzt die Ratsempfehlung erstmals in der Arbeitsgruppe Gesundheit diskutiert und sie mit einigen kosmetischen Änderungen gutgeheißen. Dies ist der erste Schritt für ihre Annahme.
Draußenrauch- und -dampfverbote mit Berufung auf die EU sind also keineswegs ausgeschlossen, sondern durchaus wahrscheinlich. Derartige Beschlüsse wären ein großer Fehler. Viele Europäer hätten kein Verständnis dafür, wenn die EU ihnen auch noch das Rauchen am Strand und anderswo im Freien verbieten wollte. Ein solcher Schritt würde Stereotype gegen Europa mobilisieren. Den Eurokraten würde Übergriffigkeit und kleinteilige Regelungswut vorgeworfen. Hinzu kommt: Für eine Kontrolle und Durchsetzung der Verbote hätte wohl kein Mitgliedstaat das Personal. Ein Gesetzgeber sollte nur Vorschriften beschließen, die er auch durchsetzen kann.
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