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Der Anfang ist gemacht

  • Autorenbild: Frank Polke
    Frank Polke
  • 15. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Der ländliche Raum soll mehr politische Aufmerksamkeit erhalten – auch und gerade durch die Bundespolitik. Doch das gestaltet sich nicht so einfach wie gedacht


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Foto: Heinrich Linse / pixelio.de
Foto: Heinrich Linse / pixelio.de

Die ersten Weichen in der neuen Berliner Regierungskoalition sind gestellt, die ersten Eindrücke, wie die Koalition aus Union und SPD die Themen ländlicher Raum, Jagd und Landwirtschaft inhaltlich und personell besetzen will, sind erkennbar. Ein Überblick, festgemacht an drei Ministern unterschiedlicher Parteien, die nun in der Regierungsverantwortung sind.


Landwirtschaft: Die Berufung des Bundestagsabgeordneten Alois Rainer zum neuen Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat kam selbst für Insider überraschend. Zuvor hatte der amtierende bayerische Bauernpräsident und Liebling von Markus Söder, Günther Felßner, das Handtuch geworfen, nachdem Aktivisten seinen Hof in Franken heimgesucht hatten. Die Trauer innerhalb der CSU hielt sich in Grenzen. Danach sagte die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber ab. Darüber waren mehr traurig. Also fiel die Wahl der Söder-Crew aus München auf den gelernten Metzgermeister Rainer. Ruhig, fachlich versiert, tief in der CSU sozialisiert, dem veganen Zeitgeist abhold – und einer mit Expertise aus der Ernährungsbranche. Seitdem hat Rainer die Erwartungen erfüllt. „Wir haben als Bundesregierung noch vor dem 100. Tag unserer Amtszeit den Ampel-Stopp der Agrardieselrückvergütung zurückgenommen“, sagte der Minister auf dem Deutschen Bauerntag. Mit der vollständigen Wiedereinführung der Rückvergütung zum 1. Januar 2026 unterstützt die Bundesregierung die Landwirtschaft mit rund 430 Mio. Euro jährlich.


Derzeit werden landwirtschaftliche Betriebe nur noch mit 6,44 Cent pro Liter steuerlich entlastet. Ab 1. Januar 2026 sollte die Entlastung komplett entfallen. Weiterer Pluspunkt: Rainer setzte das Aus der von Deutschland verschärft umgesetzten Stoffstrombilanzverordnung durch. Ein Wortungetüm und ein bürokratisches Monster, das die ohnehin hohe bürokratische Belastung für die Landwirte weiter verschärft hatte. Nicht durchsetzen konnte sich der Minister, dessen Bewährungsprobe auf europäischer Ebene noch kommen dürfte, beim Thema Mindestlohn. Landwirte fürchten die Verteuerung ihrer Produkte (bei den Erdbeeren war dies schon zu beobachten), sollte der Mindestlohn gerade für Saisonkräfte weiter steigen. Hier setzte sich die SPD durch – und auch der Widerstand der Union war hier eher protokollarischer Natur.

 

Fristversäumnis als peinlicher Fehler


Umweltschutz: Carsten Schneider ist neuer Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Viele gerade im Themenfeld Naturschutz und Umwelt sind schon mal froh, dass die beiden Fachgebiete nicht mehr in Zuständigkeiten grüner Minister fallen, sondern von einem Sozialdemokraten. Soweit ein Fortschritt, zeigte sich gerade die ehemalige Bundesumweltministerin Lemke schon früh als ideologisch festgefahren und – wie so viele ihrer Parteikollegen – für die Argumente von Fachverbänden aus dem Bereich Forstwirtschaft, Jagd und Landwirtschaft nicht zugänglich. Schneider, ein eher pragmatisch agierender Sozialdemokrat, hat bisher Akzente setzen wollen bei der Bekämpfung der Trockenheit und des Niedrigwassers. Hier will er auf die notleidenden Wirtschaftsbranchen zugehen und verspricht ihnen Hilfe. Negativ: Unter seiner Amtsführung ließ Deutschland in Brüssel eine Frist für den Klimasozialplan verstreichen – und damit für finanzielle EU-Hilfen für nationale Branchen, die unter dem Klimawandel bereits heute leiden wie zum Beispiel Winzer.


Reiches Probleme liegen woanders


Wirtschaft: Natürlich ist die Nutzung von Forst- und anderen landwirtschaftlichen Bereichen auch immer Wirtschaft. Vor allen Dingen dann, wenn die Flächen und Betriebe im privaten Eigenturm stehen. Das dürfte der neuen Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche viel klarer sein als zum Beispiel ihrem Amtsvorgänger Robert Habeck. Reiche, geboren in Luckenwalde und vor ihrer Rückkehr in die Politik Vorstandsvorsitzende bei der Westenergie AG mit Sitz in Nordrhein-Westfalen, ist sozialisiert auch dadurch, dass ihre Familie ein eigenes Unternehmen besaß und besitzt. Erlebt hat sie dabei Aufschwung und Abschwung, Erfolg und Fast-Insolvenz. Reiche also kennt die Nöte von kleineren Unternehmen, gerade auch in den bewegten Nach-Wende-Zeiten. Jetzt ist sie allerdings eher auf der Metaebene unterwegs, kämpft auf der Weltbühne um die Abmilderung der Auswirkungen des Zollstreits oder den Kurswechsel bei der Energiepolitik. Dabei dürfte wenig Zeit für die Nöte der heimischen Agrarbranche mit all ihren nachgelagerten Bereichen sein.

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