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- Arbeit, nein danke!
Die Co-Chefin der Grünen Jugend will lieber den Staat zahlen lassen Arbeit ist der Umweg zu allen Genüssen. Willy Brandt, der lebensnahe Sozialdemokrat und Bundeskanzler, hat das mal gesagt. Lang ist's her. Zumindest die Grüne Jugend mag keine Umwege. Und erst recht keine Arbeit. Wofür soll man sich in dieser kaputten Welt kaputt arbeiten, fragt ihre Co-Vorsitzende Katharina Stolla. Für eine sichere und gute Rente jedenfalls nicht. Denn die sei nicht in Sicht. Das ist eine interessante Sicht der Dinge. Landwirte, Handwerker, Selbstständige insgesamt, viele von ihnen im ländlichen Raum zu Hause und von öffentlichen Versorgungsposten weit entfernt, werden da mit den Augen rollen. Sie alle wissen: Arbeit und Wohlstand gehören zusammen. Und genügend Steuereinnahmen auch, um in Schulen und Infrastruktur investieren zu können. Nicht zuletzt: Dass Arbeit Spaß machen kann, ist nicht garantiert, aber nicht unmöglich. Man darf die grüne Arbeitsscheu sicher nicht verallgemeinern und auf die Sicht der ganzen jungen Generation übertragen. Aber dass ein wachsendes wohlstandsverwöhntes Selbstverständnis windigen Protest mit harter Arbeit verwechselt, steht außer Frage. Das Geld kommt schließlich aus dem Bankautomaten. Wie es da rein kommt, ist erst einmal egal. Fleißig erwirtschaftet werden muss es laut Stolla jedenfalls nicht. Blechen soll der Staat, soll Erbschaften, Vermögen und Schenkungen besteuern, um das Bürgergeld ins Uferlose zu erhöhen. Oder jenen Rentnern „einen Hunderter abdrücken“, die in ihrem arbeitsreichen Leben nach Stollas eigenem Ermessen zu viel Anspruch fürs Alter erworben haben. „Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“ Und die Wirtschaft, die ach so böse und gewinnorientiert menschenverachtende? Die soll schleunigst die 30-Stunden-Woche einführen. Bei vollem Lohnausgleich, logo. Danach peilt die Grüne Jugend die 20-Stunden-Woche an. Und die Jusos? Armer Willy Brandt. Der SPD-Nachwuchs ruft nach einer staatlichen Zahlung von 60.000 Euro für alle, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Da liegt die Frage „Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“ nahe. Aber so klingt das eben, wenn sich grüne und rote Rotzlöffel Gedanken über den Wirtschaftsstandort Deutschlands machen.
- Lokführer stoppen Bahnverkehr – Gefahren durch Wölfe und Bären
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, erinnern Sie sich noch an die Debatten um die Einführung und Finanzierung des Deutschlandtickets? Damals propagierten viele Klima- und Umweltschützer den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel als Allheilmittel gegen die Klimawende. In den städtischen Ballungsregionen, wo diese Aktivisten zumeist wohnen und den politischen Ton angeben, mag dies vielleicht in Ansätzen stimmen. Aber schon damals blieb in der Diskussion der ländliche Raum sträflich vernachlässigt. Denn dort sind Busse und Bahnen häufig kein für jedermann geeignetes Verkehrsmittel. Sie sind entweder kaum oder überhaupt nicht vorhanden. Oder der nächste Bahnhof und die nächste Bushaltestelle liegen kilometerweit entfernt. Anders und zugespitzt gesagt: Wer sich hier auf Bahn und Bus verlässt, ist verlassen. Diese für viele Landbewohner keineswegs neuen Erfahrungen müssen in diesen Tagen besonders diejenigen machen, die auf Busse (standen durch Verdi diese Woche teilweise ebenfalls still) und Bahnen angewiesen sind. Man mag dies unter Klimaschutzgesichtspunkten bedauern. Aber die Verantwortung hierfür tragen nicht zuletzt Gewerkschafter wie GdL-Chef Claus Weselsky, die die Lokführer in einen zunehmend ideologisch geprägten Arbeitskampf stürzen. So waren die Bahn-Arbeitgeber bereit, große Zugeständnisse bei der Arbeitszeit zu machen. Dass Weselsky hierauf in einer Pressekonferenz mit der falschen Behauptung reagierte, der Bahn-Vorstand wolle keine Zugeständnisse machen, ist bezeichnend. Der Gewerkschaftschef räumte später in einem Interview seinen „Denkfehler“ ein, doch der peinliche Vorgang zeigt: Hier wird fast schon in einem klassenkämpferischen Stil statt mit kühlem Verstand agiert, so wie es im Interesse der Bahnkunden und der Bahnmitarbeiter eigentlich notwendig wäre. Die Lage bleibt angespannt: Erst gestern schlug die GdL wieder ein Verhandlungsangebot der Bahn aus. „Ich finde, dieser Tarifkonflikt nimmt zunehmend Züge an, die nicht mehr nachvollziehbar sind. Die Bürgerinnen und Bürger leiden unter dieser Situation. Und auch die Art und Weise, wie jetzt ‚Wellenstreiks‘ angekündigt werden, hinterlässt ein merkwürdiges Gefühl. Wer vom Streikrecht Gebrauch macht, der muss auch Verantwortung übernehmen und das heißt: konstruktiv verhandeln. Hier entsteht der Eindruck, dass Gründe zum Streiken gesucht werden, anstatt Lösungen im Tarifkonflikt.“ Volker Wissing, Bundesverkehrsminister, in einem Interview mit tagesschau.de zum Thema Bahnstreik Ein ganz anderes Thema, das im ländlichen Raum immer wieder für große Aufregung sorgt, ist die zunehmende Verbreitung der Wölfe. So hat jetzt das Umweltministerium von Niedersachsen auf NDR-Anfrage bestätigt, dass mit einem weiteren Anstieg der Wolfspopulation in den nächsten Jahren zu rechnen sei. Nach Brandenburg gibt es in Niedersachsen bundesweit die größte Wolfspopulation. In insgesamt 55 Territorien leben dort schätzungsweise um die 260 Wölfe. Angesichts dieser Zahlen ist es kein Wunder, dass sich viele Weidetierhalter im Norden große Sorgen um ihre Schafe und Rinder machen. Denn diese sind für die Wölfe im wörtlichen Sinne ein gefundenes Fressen. So haben Wölfe im Jahr 2023 in Niedersachsen über 1400 Weidetiere gerissen. Laut niedersächsischem Umweltministerium war dies ein Anstieg von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotz hoher Zähne werden immer wieder Schafe und Rinder attackiert, aber auch andere Tiere sind bedroht. So wurden beispielsweise im vergangenen Jahr auf einem Hof im niedersächsischen Hinte zwei Pferde von einem Wolf schwer verletzt. Von Niedersachsen bis in die Pyrenäen Und Wölfe, denen es trotz der für sie idealen Bedingungen in Niedersachsen nicht mehr gefällt, machen sich eben auf in andere Gefilde. Und das gelegentlich sehr weit. So haben Forscher jetzt mithilfe von Gen-Analysen die nach ihren Angaben längste weltweit dokumentierte Wanderung eines Wolfs nachgewiesen: von Niedersachsen quer durch Frankreich bis in die katalanischen Pyrenäen. Insgesamt 1190 Kilometer legte der in Deutschland geborene Canis lupus zurück, wie das Zentrum für Wildtiergenetik am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt mitteilte. Dieser Rekord zeigt eindrucksvoll, wie schnell und weitreichend sich Wölfe unter Umständen ausbreiten können – eine Entwicklung, auf die Politiker und Behörden bislang unzureichend reagiert haben. Auch ein anderes großes Raubtier zwingt mancherorts in Europa zum Umdenken und zum harten Handeln, sprich zur Regulierung der Bestände. So dürfen jetzt im norditalienischen Trentino in diesem und im nächsten Jahr jeweils acht Bären getötet werden, die Menschen oder Ortschaften zu nahegekommen sind. Hintergrund der vom Trentiner Landtag abgesegneten Abschusserlaubnis ist, dass in der Region vor knapp einem Jahr ein Bär einen Jogger getötet hatte. Mit der neuen gesetzlichen Regelung sollen Bären unkomplizierter und ohne bürokratische Hürden erlegt werden dürfen. Aktuell werden im Trentino etwa 100 ausgewachsene Braunbären vermutet. Vor 25 Jahren galten die Tiere dort als nahezu ausgestorben, doch dann wurden Bären aus Slowenien dorthin gebracht und ausgewildert. Diese Tiere scheinen sich im Trentino offenkundig wohler als erhofft zu fühlen – etwas, was man wohl auch von Wölfen in Deutschland sagen kann. Billige Polemik gegen Jagd und Jäger Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zu einer Fernsehsendung im ZDF: Der öffentlich-rechtliche Sender wirbt für sich gerne mit dem Slogan „Mit dem Zweiten sieht man besser“. Oft stimmt dies, doch für das „ZDF Magazin Royale“ vom Freitag letzter Woche mit Jan Böhmermann lässt sich dies leider nicht sagen. Ganz im Gegenteil, diese Sendung war schlichtweg peinlich für Sender und Moderator. Es ging um Jagd, speziell um die im Ausland. Was dort von Böhmermann unter dem Etikett Satire gezeigt und geäußert wurde, war eine Aneinanderreihung von billigen Vorurteilen, verbunden mit Klamauk und inhaltlich sowie zeitlich unpassenden Beispielen. Zugegeben, ein Böhmermann in Hochform kann durchaus witzig und interessant sein. Bei seiner Sendung über die Jagd war weder das eine noch das andere der Fall. Wer die Böhmermann-Sendung verpasst und seine Zeit besser genutzt hat, sollte sich daher freuen. Und vielleicht einmal im Kalender auf die vielen Thementage schauen, die dort reihenweise auftauchen. Denn für nahezu alles in der Welt gibt es Erinnerungs-, Gedenk-, Aktions-, Motivations- und für Missionsbewegte auch PR- und Erziehungstage. International hatten wir so übrigens am 3. März den von der Unesco initiierten „World Wildlife Day“, am 4. März den „Internationalen Tag des Ingenieurwesens für nachhaltige Entwicklung“. National werden wir dann nach der Liste der Gedenk- und Aktionstage weitere besondere Ereignisse zu erwarten haben wie etwa am 24. Juli den Tag des Kusses und folgend andere Kuriositäten. Das richtige Essen Etwas ernster ging es bei einem weiteren Aktionstag zu, der in dieser Woche gerade hinter uns liegt: Am Donnerstag wurde in Deutschland der „Tag der gesunden Ernährung“ begangen. Dies heißt nicht, dass nur an diesem Tag mehr Obst und Gemüse und weniger Fleisch auf die Teller kommen sollten, sondern nach Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entsprechende Appelle generell zu gelten haben. Sie empfiehlt, „bunt und gesund zu essen und dabei die Umwelt zu schonen“. Dieser im Prinzip nur medial begangene Aktionstag macht den Einen oder Anderen schon stutzig, der da meint, sich auch mit etwas größeren Portionen Fleisch (idealerweise gesundes Wildbret als im Entstehen nachweisliches Bioprodukt) zu ernähren. Nach den überarbeiteten Richtlinien mit Appell-Charakter sollten wir die täglichen Portionen von Milch und Milchprodukten von drei auf zwei reduzieren, wöchentlich maximal 300 Gramm Fleisch sowie ein Ei essen; unverändert bleibt es bei zwei Portionen Fisch in der Woche. Strammer Max mit zwei Spiegeleiern gehören demnach der Vergangenheit mit großzügigeren tierischen Eiweiß-Regeln an. Da es nicht nur um Ernährung, sondern auch um unsere Umwelt(erziehung) geht, meldeten sich gleich dazu selbst berufene Organisationen wie WWF und Greenpeace zu Wort. Ihnen geht das alles nicht weit genug. Eine WWF-Sprecherin etwa merkt an: „Insbesondere unser zu hoher Verzehr von tierischen Lebensmitteln befeuert die Klima- und Biodiversitätskrise.“ So wird aus dem Tag der gesunden Ernährung mehr so etwas wie ein neuer Tag der Umwelt. Die im Januar von der Bundesregierung beschlossene Ernährungsstrategie mit gewünschten Auswirkungen auf Kantinen und andere Ernährungseinrichtungen hat bereits diesen Weg eingeschlagen. Irgendwie kann man da auch Bauchschmerzen kriegen, wenn man das alles liest … Gleichwohl wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende und einen guten Start in eine hoffentlich für Sie persönlich angenehme und erfolgreiche Woche. Mit besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Die Irrwege zur Energiewende
Wo die Anlieger mitverdienen, kommen regionale Windpark-Projekte besser voran. Sogar in Bayern und gegen ein „grünes“ Ministerium Die Energiewende wird groß gedacht. Und schlecht gemacht. Sie scheitert vor Ort allzu oft daran, dass die Anwohner (fast) nichts abbekommen von den satten Gewinnen der Windparks und der Photovoltaik-Felder. Zudem leistet ausgerechnet das Bundesumweltministerium einen verlässlichen Beitrag zur Verhinderung. Auch zum Schaden des ländlichen Raums. Wenn es in der eigenen Kasse klingelt, lautet ein böser Spruch, sind Windräder gar nicht mehr so hässlich. Und auch gar nicht mehr so laut. Es gibt reichlich Einzelbeispiele für Windkraftanlagen, die diesem Motto folgend ohne größeren Anwohner-Widerstand genehmigt und gebaut wurden. Vom Allgäu-Dorf Wildpoldsried im Süden bis nach Schülp bei Rendsburg im hohen Norden. Meist kleinere Gemeinden, die weit mehr Öko-Strom erzeugen, als ihre Bürger verbrauchen. Woran neben den örtlichen Energie-Genossen auch die Rathaus-Kämmerer gutes Geld verdienen. Dort, wo es mit den Genehmigungen allenfalls schleppend voran geht, bleibt der wirtschaftliche Nutzen für die direkt Betroffenen meistens außen vor. Wie zuletzt im Forst von Altötting im bayerischen Chemiedreieck. Dort wollte die Staatsregierung beweisen, dass Bayern auch beim Windstrom Spitze sein will. Und stieß erst mal auf heftigen Widerstand. Nun soll der Betreiber-Konzern sein Konzept hin zu mehr (auch finanzieller) Teilhabe der Bevölkerung öffnen. Zum wahren Boom, den die Öffnung für örtliche Genossenschaften in Bayern ausgelöst hat, und dazu, warum es nebenan im „grün“ regierten Baden-Württemberg noch immer schleppend voran geht, später mehr. Vorab noch ein Blick auf die Hindernisse, die sich ausgerechnet das „grün“ geführte Bundesumweltministerium einfallen lässt. Jüngstes Beispiel: Nachdem – vor allem durch das ZDF – die Mär widerlegt ist, dass der Rotmilan eine vom Aussterben und durch Windräder bedrohte Vogelart sei, haben die Experten im Umweltbundesamt das Auerhuhn als neuen Wappen-Vogel im Kampf gegen die Windmühlen entdeckt. Das Auerwild ist zwar tatsächlich eine massiv bedrohte Art. Aber in Schweden, wo die Vögel noch reichlich vorkommen, haben Forscher nachgewiesen, dass diese einen großen Bogen um Windräder fliegen – und so niedrig, dass ihnen die Rotoren nicht gefährlich werden. Im Blindflug gegen Betonmasten? Real, heißt es in ersten Reaktionen aus dem Bundesamt, sei aber die Gefahr, dass der seltene Hühnervogel im (Blind?-)Flug gegen die Betonmasten prallt. Was in Konsequenz bedeuten müsste, auch die Bäume in Auerwild-Revieren abzuholzen. Wer weiß, wie konsequent Frau Lemkes SPD-Vorgängerin Svenja Schulze Spitzenposten mit Vereinsfreunden aus dem NABU besetzt hat, kann sich – wie beim Thema Wolf – einen Reim auf die Hintergründe machen. Und darüber nachdenken, warum die Windräder in Bayern einen veritablen Bruderkrieg zwischen dem Bund Naturschutz und dem NABU entfacht haben. Bis hin zur Klage des BUND-Ehrenvorsitzenden Hubert Weiger gegen das BUND-Gründungsmitglied Enoch zu Guttenberg. Guttenberg, Vater des Kurzzeit-Bundesministers für Verteidigung, hatte dem Verein „beinahe hysterischen Klimaschutz“ und Vetternwirtschaft mit der „Windkraft-Lobby“ vorgeworfen. Die NABU-Konkurrenz (in Bayern: „Landesbund für Vogelschutz“) vernahm´s mit Freuden und mit weiter wachsendem Spendenaufkommen. Was den örtlichen Widerstand gegen Windparks deutlich beflügelt hat, auch in Guttenbergs Partei, der CSU. Die Energie-Konzerne hat es seinerzeit gefreut. Sie entdeckten erst Jahre später den Wind als kostengünstiges Geschäftsmodell. In diesen Tagen, da „Öko-Strom“ zur Image-Pflege vieler Firmen gehört, entwickelt sich solche Realität zunehmend zu einem Kampf zwischen David und Goliath. Wenn lokale Bürger-Genossenschaften mit Branchenriesen um die raren Standorte konkurrieren, hat die gern beschworene Bürgerbeteiligung schon mal das Nachsehen. Viel mehr als die Hoffnung auf Gewerbesteuer-Einnahmen und zwei oder drei Prozent Gewinnabfuhr in die Gemeindekasse bleibt oft nicht übrig fürs lokale Publikum. Die nächste Konkurrenz entwickelt sich in der Ferne: Etwa, wenn sich die Stadtwerke München an einem Windpark in der Irischen See beteiligen. Was zugleich den Druck erhöht, sündteure Überlandleitungen kreuz und quer durch Europa zu verlegen. Möglichst besonders aufwändig unter der Erde, damit weder Rotoren noch Elektrosmog den umweltbewussten Komfort stören. Auch ein Grund dafür, dass Strom in Deutschland zu teuer ist, um damit ökologisch wünschenswerte Dinge wie Wärmepumpen oder Elektroautos ökonomisch sinnvoll zu betreiben. Nahversorgung durch regionale Erzeuger wäre wohl ein Ausweg. Wäre da nicht der organisierte Widerstand, oft genug betrieben von Menschen, die ihr „grünes Gewissen“ gern vor sich hertragen. Mit „Öko“ lässt sich viel verdienen Dabei ginge es auch anders. Im Münchner Süden etwa, wo ein Bürgerwindpark neben der Autobahn A95 entstehen soll. Auf den Info-Veranstaltungen interessiert vor allem die Frage, in welcher Höhe die Anlieger aus den Nachbar-Kommunen Anteile zeichnen dürfen. Zumal in Starnberg, dem reichsten Landkreis der Republik, hat sich wohl schnell herumgesprochen, dass sich auch in diesem Fall mit „Öko“ gutes Geld verdienen lässt. Seit Ministerpräsident Markus Söder verstanden hat, dass er auf diesem Geschäftsfeld die Anti-Windkraft-Politik seines Vorgängers Horst Seehofer beenden sollte, sprießen die Bürger-Energiegenossenschaften in Bayern nur so aus dem Boden. Dabei entstand das weltweite Musterbeispiel für lokale und umweltschonende Energieerzeugung schon vor Jahrzehnten im Freistaat, unter CSU-Regie. Im bereits erwähnten Dorf Wildpoldsried bestaunen Reisegruppen bis aus Japan, wie Klimaschutz, sichere Stromversorgung und ertragreiche Geschäfte zusammen gehen. Sie haben dort als Dorfgemeinschaft nicht nur Windräder gebaut, sondern auch ein eigenes Gasleitungsnetz für die Biogasanlagen der Milchbauern. Und „Dorfwärme“ für große Teile des Zentralorts. Es wurde schon geschrieben, dass sie das Achtfache ihres Energiebedarfs produzieren, das Fünffache ist es mindestens. Kein Geheimnis sind die guten Geschäfte mit dem sauberen Strom: Altbürgermeister Arno Zengerle, der den Kraftakt gegen anfängliche Zweifel durchgezogen hat, schätzt die Wertschöpfung auf 6,5 Millionen Euro im Jahr, „die in der Gemeinde bleiben“. Bis hin zum gut gebuchten „Energiehotel“ mit „Ökologischem Bildungszentrum“. Und auch zu den Forschungsprojekten, die der Siemens-Konzern, die Hochschule Kempten und die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen hier gemeinsam betreiben. Mitten in Bayern, unter glücklichen Weidemilchkühen. Und mit einer Dorfgemeinschaft, die bei der Bürgermeisterwahl schon wieder CSU gewählt hat. Diesmal eine junge Dame.
- Christdemokraten fremdeln mit ihrer Kandidatin
Ursula von der Leyen hat gute Chancen auf eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin. Es muss bezweifelt werden, dass sie die Erwartungen ihrer Unterstützer erfüllt In ihrer ersten Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin hat Ursula von der Leyen viele Entscheidungen zu verantworten, die die Zielgruppe der christdemokratischen Parteien verärgert haben. Etliche Gesetzesvorschläge ihrer Kommission zum Green Deal muten Bauern, Eigenheimbesitzern, kleinen Unternehmern und Beschäftigten der industriellen Kernbranche Deutschlands – Hersteller und Zulieferer von Autos – eine Menge zu. Und doch wird ihre christdemokratische Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) die 65-Jährige bei ihrem Kongress, wie Parteitage von den europäischen Parteien genannt werden, an diesem Donnerstag als Spitzenkandidatin für eine zweite Amtszeit nominieren. In den Meinungsumfragen stehen die Mitgliedsparteien der EVP etwa 100 Tage vor der Wahl gut da. Es ist also wahrscheinlich, dass die EVP mit Abstand stärkste Kraft im nächsten Europaparlament wird. Über den Chefposten an der Spitze der Kommission entscheiden aber, auch wenn das die Parlamentarier gern anders hätten, nicht sie, sondern die Staats- und Regierungschefs. Da wird es davon abhängen, ob Frankreichs Emmanuel Macron sie wieder unterstützt. Das wiederum dürfte davon abhängen, was in dem Personalpaket für Frankreich herausspringt. Aber die Chancen der Niedersächsin auf eine zweite Amtszeit stehen nicht schlecht. Um Kursbegradigung bemüht Von der Leyen hat in ihrer gesamten Laufbahn selten auf wirtschaftspolitische Argumente gehört. Seit etwa anderthalb Jahren ist sie zwar sichtlich um eine Kursbegradigung bemüht. Dies ist vor allem in der Landwirtschaftspolitik zu sehen. Sie betont nun auch, dass die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der Bürokratieabbau ihre großen Themen der nächsten Wahlperiode werden. Hier besteht in der Tat erheblicher Nachholbedarf. Der Binnenmarkt mit 450 Millionen Verbrauchern ist das wichtigste Kapital der EU. Hier ist noch eine Menge zu tun, um für die volle Freizügigkeit von Kapital, Arbeitskräften und Dienstleistungen zu sorgen. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass sie den Green Deal rückabwickeln wird. Eine Forderung, mit der etwa die CDU/CSU, immerhin die größte und zahlungskräftigste Mitgliedspartei und die politische Heimat von der Leyens, in den Wahlkampf ziehen wird, ist die Rückabwicklung des Verbrenner-Aus 2035. Von der Leyen laviert in diesen Tagen um dieses heikle Thema herum. Sie verweist auf die anstehende Überprüfung der CO₂-Flottengrenzwerte 2026. Darauf zu hoffen wäre ein Fehler. 2026 ist zu spät. Die deutsche Landschaft zur Forschung und Entwicklung von Verbrennungsmotoren ist keine Dorfdisko, in der die Politik das Licht an- und ausknipsen kann nach Belieben. Es bräuchte jetzt ein wuchtiges Signal, dass die Kommission umgehend den Irrweg bei der Dekarbonisierung der Antriebe korrigiert. Bezeichnend ist etwa, dass die Rückabwicklung des Verbrennerverbotes es noch nicht einmal in das Manifesto geschafft hat – das ist das 23 Seiten umfassende Wahlprogramm der EVP. Neue Schulden Von der Leyen lag richtig, als sie 2019 eine „geopolitische Kommission“ ankündigte. Seitdem Russland die Ukraine angegriffen hat, hat sie diese außenpolitische Dimension der EU konsequent vorangetrieben. Nach den Wahlen will sie hier weitermachen. Sie will erstmals formell einen Kommissar für Verteidigung ernennen. Seine Aufgabe soll es sein, die Beschaffung von Waffen EU-weit zu koordinieren und zu harmonisieren. Es zeichnet sich zudem ab, dass sie dafür erneut Schulden machen will. Diese Pläne sind aber sehr kritisch zu sehen. Schon jetzt ächzt die EU unter den Zinszahlungen für die 750 Milliarden Euro, die den EU-Steuerzahlern für den Corona-Wiederaufbaufonds aufgeladen wurden. Es gibt handfeste Zweifel, ob das viele Geld in den Mitgliedstaaten überall richtig angelegt wurde. Der Sündenfall der Verschuldung der EU war nach der Corona-Pandemie vielleicht noch zu rechtfertigen. Er muss aber eine einmalige Ausnahme bleiben. Die zugegeben enormen Herausforderungen, mehr für Europas Verteidigungsfähigkeit zu tun, kann nicht über eine weitere Schuldenfinanzierung geleistet werden. Da sind die Mitgliedstaaten gefragt, endlich mehr für Europa zu bezahlen. Die Sicherheit der Europäer wäre es wert.
- Die Bezahlkarte – hilfreich für Kommunen und gegen die AfD
Nachdem die Grünen keinen Widerstand mehr leisten, wird die Bezahlkarte wohl bundesweit eingeführt. Landräte dürften erleichtert sein Am Ende kommt sie nun doch bundesweit (bis auf Bayern und Mecklenburg-Vorpommern) – vorausgesetzt, dass auch der Deutsche Bundestag wie erwartet zustimmt: die Bezahlkarte für Asylbewerber. Für die Kommunen auch im ländlichen Raum ist das eine gute Nachricht, denn auf diese Weise wird der Verwaltungsaufwand erheblich vereinfacht. Weniger Bürokratie ist allerdings nicht der einzige Grund, warum die Bezahlkarte zu begrüßen ist. Denn zugleich ist sie „ein Baustein gegen die AfD“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ formulierte. Ein Baustein neben weiteren wie der nun von Kommunen zum Teil umgesetzten Arbeitspflicht für Flüchtlinge. AfD-Forderungen nach einem Ende des Asylrechts lösen keine Probleme Mit dem Megathema Migration ist es der AfD gelungen, Stimmung zu machen und gerade im Osten Deutschlands Höchstwerte in den Umfragen zu erhalten, auch in dünn besiedelten Regionen. Doch radikale Forderungen der rechtsextremen Protestpartei nach einem Ende des Asylrechts lösen keine Probleme. Seriösen Politikern geht es darum, das bestehende Asylrecht zu erhalten, aber Missbrauch beim Asylbewerberleistungsgesetz zu verhindern. Denn Geld, das der deutsche Steuerzahler Asylbewerbern für ihren täglichen Bedarf zur Verfügung stellt, sollte auch hier in Deutschland verwendet werden. Zwar blockierte die Bundestagsfraktion der Grünen lange die Bezahlkarte, anders als etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die hessischen Grünen und zuletzt Wirtschaftsminister Robert Habeck. Nun zeigt sich die Politik reichlich spät, aber nicht zu spät endlich handlungsfähig. Zur Erinnerung: Schon im November hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Einführung der bundesweiten Bezahlkarte verkündet, erst jetzt ist der Widerstand der Grünen vorbei. Eine Bezahlkarte ist nicht diskriminierend Die Entscheidung, die Bezahlkarte einzuführen, kommt den Kommunen zugute. Gerade die Landkreise und Städte sind herausgefordert durch die hohe Zahl von Asylbewerbern, insbesondere bei deren Unterbringung. Kein Wunder, dass deshalb Landräte in Thüringen bei der Geldkarte vorgeprescht sind und jetzt vor der bundesweiten Einführung bereits eine Zwischenlösung bieten können. Da die Bezahlkarte ähnlich aussehen soll wie eine EC-Karte, ist es unverständlich, weshalb sie diskriminierend, stigmatisierend und integrationsfeindlich sein soll, wie Flüchtlings- und Wohlfahrtsverbände behaupten. Die ausgezahlten Mittel an Flüchtlinge sind ja nicht weniger, nur das Bargeld ist weniger. Warum soll dies gegen die Menschenwürde verstoßen?
- In der Gastronomie gehen immer mehr Lichter aus – vor allem in den Dörfern
Immer mehr traditionelle Gasthäuser und Restaurants schließen. Das stille Sterben der Gastronomie trifft vor allem den ländlichen Raum. Was tut die Regierung? Die Öffentlichkeit reagierte geschockt: Starkoch Steffen Henssler musste im Dezember seine Sushi Bar „Happi by Henssler“ in Bremen wieder schließen. In Dortmund erwischte es sogar zwei Sterne-Restaurants – in einem Jahr. Bitter für die Spitzengastronomie. Doch unbeobachtet von der Öffentlichkeit oder den Medien gibt es in Deutschland flächendeckend ein gravierendes Restaurant- und Gastronomiesterben. Im Stillen, unbeobachtet, weil viele Betriebe weit weg von den Metropolen ihren Sitz haben. Seit Jahrzehnten. Der Prozess ist schleichend, trifft vor allem Familienunternehmen, die ihre Betriebe oft über Generationen führen. Nach Angaben des Branchenverbandes Dehoga sorgten massive Umsatzeinbrüche allein in den Jahren 2020 und 2021 dafür, dass über 36.000 Unternehmen von der gastronomischen Landkarte verschwunden sind. Für immer. Ein Beispiel: Allein in Sachsen mussten 1452 Gasthöfe Lichter und Herde ausschalten. Im Schnitt waren dies drei pro Gemeinde. In Baden-Württemberg waren es 5000 Betriebe, in Nordrhein-Westfalen 5000 von 50.000. Einfach weg, geschlossen, mit einem Schild versehen: „Wir verabschieden uns von unseren Gästen.“ Das Gefühl des „Es-wird-alles-schlechter“ – gerade im ländlichen Raum des Ostens schlägt sich das nicht nur gesellschaftlich-sozial nieder. Sondern in Umfragen, bald wohl auch in Wahlen. Ein Grund für das massive Restaurant- und Gastrosterben war natürlich die Pandemie. Die Lockdowns sorgten in der Branche für Umsatzeinbrüche von bis zu 95 Prozent. Viele Mitarbeiter verloren ihren Job, wanderten ab in andere Branchen, die sich besser durch Corona retten und höhere Gehälter zahlen konnten. Der plötzlich boomende Außer-Haus-Verkauf rettete einige Betriebe zwar. Doch das klappte zumeist in den Ballungszentren, weniger gut im ländlichen Raum. Dort waren und sind Restaurants und Gasthäuser oder Kneipen immer mehr als pure Essens-Orte gewesen, sondern zum Teil mit Saalbetrieb Orte der Geselligkeit und des sozialen Miteinanders. Für Vereine, Familien, Generationen. Scholz erinnert sich nicht Die damalige Bundesregierung stützte in den dunklen Jahren der Pandemie die Tourismus- und Gastronomiebranche mit insgesamt 24,5 Milliarden Euro – knapp die Hälfte der ausgezahlten Überbrückungshilfen. Ein ungeheurer Kraftakt. Doch irgendwann drehte sich der Wind, wurde die Solidarität mit der Gastronomie-Branche, die immerhin über zwei Millionen Menschen beschäftigt, brüchig. Ende des vergangenen Jahres stand in Berlin die Entscheidung an, ob die im Zuge der Corona-Hilfen eingeführte Mehrwertsteuersenkung auf Speisen in der Gastronomie weiter beibehalten wird. Sieben Prozent oder 19 Prozent? Ein Schnitzel für 25 Euro oder für 28 Euro? Das Versprechen war gegeben, amtlich vom damaligen SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz in der ARD-Wahlarena: „Das schaffen wir nie wieder ab.“ Beständig ermahnte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Ampel, sich im Sinne der beschäftigungsintensiven Branche daran zu erinnern. Argumente für den ermäßigten Steuersatz gab es jede Menge: 2022 und 2023 verteuerte die Inflation die Kosten für Lebensmittel (plus 20 Prozent), Energie (15 Prozent) und Gehälter (12 Prozent) immens. In 23 von 27 EU-Staaten gilt der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Essen. „Hier stehen gerade grenznahe Betriebe und Regionen unter erheblichem Konkurrenzdruck. Wir wollen nicht, dass noch mehr Betriebe den Schlüssel umdrehen müssen. Wenn die letzte Kneipe stirbt, wird es still im Dorf“, begründete die Unions-Opposition ihren Gesetzesantrag. Besonders widersinnig: Die Restaurants und Gasthöfe müssen für ihr Essen im Raum 19 Prozent Steuern zahlen (und berechnen), Lieferdienste, die vor allem in den Städten boomen, unterliegen für ihr Angebot „Essen-to-go“ dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Neben den schlechteren Arbeitsbedingungen produzieren diese Lieferdienste Unmengen an Verpackungsmüll. Tag für Tag. Wirte haben Angst vor Preiserhöhungen Doch die Ampel lehnte trotz Protests der Branche den Antrag der Opposition im Bundestag kalt ab. Auch hier grassierte eigene Vergesslichkeit – auch und gerade bei der FDP, die noch wenige Wochen zuvor im bayerischen Landtagswahlkampf proaktiv erklärt hatte, die Mehrwertsteuer bei sieben Prozent belassen zu wollen. Nach der Landtagswahl war auch dies vergessen. Die Regierenden beriefen sich nun in ihrer Ablehnung jammernd auf das von ihnen selbst verursachte 60-Milliarden-Haushaltsloch, das ihnen vor dem Bundesverfassungsgericht schonungslos um die Ohren gehauen wurde. Die Gastronomiebranche kämpft nun sein Jahresbeginn mit diesen Konsequenzen – und einem Preisschock. Das Schnitzel für 30 Euro, der Flammkuchen für 18 Euro, das können oder wollen sich immer weniger Menschen leisten. 12.000 weitere Betriebe stehen laut Branchenverband bundesweit vor dem Aus. Viele Restaurants haben sich noch gar nicht getraut, die höheren Preise auf ihre Speisekarte zu drucken, um nicht Kunden und Gäste zu verschrecken. „Ich merke schon heute, dass Gäste seltener kommen, weniger bestellen oder gar nicht mehr. Das wird sich im Jahr noch verschärfen“, erklärt ein Gastwirt aus Thüringen. Das dicke Ende kann also noch kommen. Und dann könnten weitere Lagerfeuer für die dörfliche Gemeinschaft ausgehen.
- Mehr Platz, mehr Licht – mehr Tempo
Die Zukunft steht in Bad Sassendorf in NRW. Auf Haus Düsse wurden zwei neue Demonstrationsställe für die Schweinehaltung von morgen in Betrieb genommen Natürlich überwiegt momentan die Freude. Endlich, so muss man sagen, kann auf dem Gelände des Versuchs- und Bildungszentrums Haus Düsse im Kreis Soest nicht nur interessierten Praktikern gezeigt werden, wie Ställe der Haltungsformen 3 (Frischluftstall) und 4 (Auslauf/Weide) bestenfalls aussehen können. In einer Zeit, in der Schweinehalter laut nach Planungssicherheit rufen, ist so ein Anschauungsobjekt allemal sinnvoll. In der schwierigen Tierwohl-Debatte können Musterställe auch zur Versachlichung beitragen. Auf Haus Düsse, einem Standort der Landwirtschaftskammer NRW mit Ausstrahlung auch auf die anderen Bundesländer, hofft man darauf, dass sich hier traditionelles Wissen und moderne Technologien vereinen. So formulierte es Kammerpräsident Karl Werring, der gemeinsam mit NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) den „Stall der Zukunft“ eröffnete. Mehr Platz, mehr Licht, mehr Tierwohl – so lautet das griffige Motto für die zwei Stallanlagen, die mit viel Hightech ausgestattet wurden, damit bekannte und neue Techniken erprobt werden können. Bürokratische Belastungen: Vier Jahre Planung und Umsetzung Gewünscht hätte man sich aber auch mehr Tempo. Denn vom Projektstart bis zur Einweihung und Inbetriebnahme sind vier Jahre vergangen. Als man im Frühjahr 2022 endlich den Grundstein legte, wurde noch mit einer einjährigen Bauzeit gerechnet. Am Ende dauerte es zwei Jahre, weil auch das Modellvorhaben mit der boomenden Baukonjunktur und vor allem den rechtlich komplizierten Regelungen zu kämpfen hatte. Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, Vergaberichtlinien, Ausschreibungsregeln – offen wird auf Haus Düsse davon gesprochen, dass man deshalb nicht nur wertvolle Zeit verloren hat, sondern die bürokratische Belastung auch Nerven kostete. Betriebsinhabern ist diese Klage nicht unbekannt. Die beiden Modellställe, die in ihrer Art noch einzigartig in Deutschland sind, sollen aufzeigen, dass bei der Schweinehaltung mehr Tierwohl, mehr Nachhaltigkeit und weniger Emissionen möglich sind. Dies, so hoffen die Initiatoren, soll auch die gesellschaftliche Akzeptanz für die im Rückzug befindliche Schweinehaltung in Deutschland wieder erhöhen. Zurzeit baut kaum noch jemand einen neuen Stall. Im Gegenteil: Nach letzten Untersuchungen ist die Zahl der schweinehaltenden Betriebe in den vergangenen zehn Jahren um über 40 Prozent gesunken. Mit den entsprechenden Folgen für die Struktur der ländlichen Regionen. Wissenschaftlich fundierter Lösungsvorschlag liegt auf dem Tisch Es wird also allerhöchste Zeit, wie beim „Stall der Zukunft“ noch mehr in die Forschung der Nutztierhaltung zu investieren und Haltungsbedingungen weiterzuentwickeln. Seit vielen Jahren liegt mit der Nutztierstrategie der Borchert-Kommission auch vor, was zu tun ist. Auf Haus Düsse gibt es jetzt eine „evolutionäre“ Weiterentwicklung eines Musterstalls mit Außenklimakontakt für Schweine mit bis zu 400 Mastplätzen und eine „revolutionäre“ Stallanlage mit bis zu 270 Schweinemastplätzen, um Tieren noch mehr Platz zur Bewegung und zum Auslauf zu geben. Hinzu kommen laut Landwirtschaftsministerium noch verschiedene Lösungen für die Ausbildung tiergerechter Funktionsbereiche im Stall. Im „revolutionären Stall“ ist dies beispielsweise eine innovative Dachkonstruktion – ein Gewächshausdach aus Glas, das sich öffnen lässt. Die Tiere finden dort Wühlgärten, Stroh und Holzhackschnitzel auf dem Boden. Moderne technische Verfahren sollen zur Lärmminderung oder zur Trennung von Kot und Harn beitragen. Die Ställe dienen darüber hinaus der Aus- und Weiterbildung und sollen Erkenntnisse über den Betrieb und das Management von Außenklimaställen liefern. Am 5. und 6. März finden auf Haus Düsse deshalb auch gleich die ersten Praktikertage zum „Stall der Zukunft“ statt.
- Hohe Mieten als Standortnachteil
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist in vielen Großstädten prekär. Im Wettbewerb um Nachwuchskräfte kann der ländliche Raum mit erschwinglichen Mieten punkten Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in zwölf deutschen Großstädten sind die hohen Mieten mittlerweile für die dortigen Unternehmen eine Hürde, um neue Fachkräfte zu gewinnen. Das teure Wohnen gilt vielen Beschäftigten als Manko für das Leben in der Großstadt. Laut PwC denkt sogar ein Drittel über einen Wechsel des Jobs wegen der hohen Mieten nach. Noch ist es eine eher kleine Minderheit, die deswegen tatsächlich umzieht. Aber die Möglichkeit eines Trends zeichnet sich bereits deutlich ab. Laut PwC wird es für Arbeitgeber in Ballungsräumen immer schwieriger, Fachkräfte zu finden und zu halten. Zudem sei die Erwartung von Beschäftigten an die Firmen hoch, wegen der hohen Wohnkosten finanzielle Hilfe – sprich ein höheres Gehalt oder sonstige Vergünstigungen – zu bekommen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann dies für Unternehmen kostenmäßig durchaus zum Problem werden. Laut der PwC-Studie gilt der Wohnungsmarkt in Stuttgart und München als besonders schwierig. Manche Beschäftigte ziehen für sich berufliche Konsequenzen. So haben bereits elf Prozent der Befragten wegen zu hoher Mieten in der Region den Job gewechselt. Bei den 18- bis 34-Jährigen sind es immerhin 17 Prozent. Ein Drittel hat einen entsprechenden Umzug bereits erwogen, bei den Jüngeren (18-34 Jahre) sind es sogar 41 Prozent. In Berlin wollen besonders viele wechseln Besonders hoch sei die Wechselbereitschaft in Berlin, berichtet PwC. Dort hätten sich 18 Prozent der Befragten wegen zu hoher Mieten einen neuen Arbeitsplatz gesucht. 36 Prozent dächten darüber nach. Noch höher sei der Anteil nur in Stuttgart mit 38 Prozent gewesen. Natürlich können die hohen Wohnkosten nicht der alleinige Grund sein, um seinen Job inklusive Wohnort zu wechseln. Hinzukommen muss eine attraktive Perspektive für die berufliche und persönlich-private Zukunft. Und da können mittelständische Unternehmen gerade im ländlichen Raum häufig einiges in die Waagschale werfen. Lange galt es als Standortnachteil, weit vom Großstadtleben entfernt zu sein. Doch genau daraus könnte sich nun ein Vorteil entwickeln. „Im Wettbewerb um passende Nachwuchskräfte können sie mit erschwinglichen Mieten punkten“, sagt Bernd Roese, Leiter des PwC-Standorts Frankfurt. Das gelte aber nicht für alle Großstädte. So sei in München oder Berlin der sogenannte Speckgürtel fast ähnlich teuer wie die Metropolen selbst. Umso wichtiger ist es, dass auch in etwas weiter entfernten Regionen attraktive Lebensverhältnisse und Verkehrsanbindungen geschaffen werden, damit die dortige Wirtschaft im Wettbewerb um Fachkräfte erfolgreicher wird. Auch Bund und Land sollten daran interessiert sein. Denn eine Stärkung des ländlichen Raumes kann zugleich soziale und wirtschaftliche Alternativen zum Leben in Großstädten schaffen und somit dort indirekt sozialen Druck mindern helfen. Gewiss, Wohnen und Arbeiten in Metropolen haben auch ihre Vorzüge. So bewertet die große Mehrheit der Menschen laut PwC das Leben in der Großstadt als angenehm. Dies gilt etwa für Jobchancen, kurze Arbeitswege, Einkaufsmöglichkeiten sowie Bildungs- und Kulturangebote. Rund neun von zehn Berufstätigen würden sich demnach an ihrem Wohnort wohlfühlen. Wären da nicht die allzu hohen Wohnkosten. Eigene Vorzüge herausstellen Hier sollten die Kommunen im ländlichen Raum gegenhalten, indem sie ihre eigenen Vorzüge stärker herausstellen, von Naturnähe bis zu attraktiven Freizeitmöglichkeiten. Und zugleich gilt es, zentrale Standortfaktoren wie schnelles Internet und gute Verkehrsanbindungen konzentriert zu verbessern. All dies sind keine Punkte, die nur Neuankömmlingen zugutekommen. Davon profitiert jeder in der Region: von den alteingesessen Bewohnern bis hin zu den Unternehmen, die sich auf dem nationalen und internationalen Markt behaupten wollen. Für die PwC-Studie wurden im Herbst 4.200 Berufstätige in Deutschland zwischen 18 und 65 Jahren aus zwölf Großstädten im Auftrag von PwC online befragt – darunter Berlin, Hamburg, München, Essen, Leipzig und Hannover. Den Angaben nach war die Studie repräsentativ.
- Die EU und der Führerschein
Im Europaparlament kursierten ebenso weltfremde wie altersdiskriminierende Vorschläge. In den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten gibt es weiteren Änderungsbedarf Die Erlaubnis, ein Kraftfahrzeug zu führen, verleiht dem Menschen Freiheit. Stadtbewohner können Wege per Rad, zu Fuß oder mit Bus und Bahn zurücklegen. Wer aber auch nur wenige Kilometer von der nächsten U- oder Stadtbahnstation entfernt wohnt, der weiß: Gesellschaftliche Teilhabe, soziale Kontakte, Sportaktivitäten und der Besuch von Kulturveranstaltungen sind häufig nur dann möglich, wenn man sich mal eben ins Auto schwingen darf. Im Zuge der Verhandlungen zum Vorschlag der EU-Kommission über die neue Führerscheinrichtlinie gab es den Versuch der grünen sogenannten Verkehrsexpertin Karima Delli aus Frankreich, die individuelle Mobilität der Europäer massiv einzuschränken. Die Parlamentarierin, die seit fünf Jahren den Verkehrsausschuss leitet, wollte sich zum Ende ihrer Laufbahn als Abgeordnete noch ein unrühmliches Denkmal setzen. Als Berichterstatterin des Parlaments wollte sie zahlreiche Verschärfungen durchsetzen, die sowohl älteren Verkehrsteilnehmern als auch Fahranfängern das Steuern eines Kraftfahrzeugs enorm erschwert hätten. Das Horrorkabinett der lebensfremden wie altersdiskriminierenden Vorschläge sah unter anderem vor: Ältere sollten ab einem bestimmten Alter zu verpflichtenden Fitnesstests vorgeladen werden. Nachtfahrverbote sollten für jüngere Fahranfänger gelten, Tempolimits durch die Hintertür und SUV-Führerscheine eingeführt werden. Außerdem sollte das begleitende Fahren ab 17 abgeschafft werden. Mitgliedstaaten sollen selbst entscheiden Nun hat das Parlament seine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten abgestimmt. Dabei erlitt die grüne Berichterstatterin mit vielen ihrer erzieherischen Vorschläge Schiffbruch. Das Parlament will sich jetzt dafür starkmachen, dass die Behörden der Mitgliedstaaten selbst entscheiden können, ob bei der Erneuerung eines Führerscheins ein Fitnesstest angezeigt ist. Das ist bereits jetzt gängige Praxis so in manchen Mitgliedstaaten und soll auch so bleiben. Zu loben ist, dass die Ausbildung zum Lastwagen-Fahrer attraktiver werden soll. So sollen EU-weit Auszubildende bereits ab 17 auf schweren Nutzfahrzeugen Gebrauch machen können vom begleitenden Fahren. Bislang brachen viele Lehrlinge etwa in Deutschland die Ausbildung ab, weil sie erst mit Erreichen des 18. Lebensjahres erste Erfahrungen hinter dem Steuer sammeln konnten. Leider ist es nicht gelungen, deutsches Recht beim Steuern von Traktoren auf die gesamte EU auszuweiten. Hierzulande dürfen Jugendliche bereits mit 16 den Traktorführerschein machen. In Nachbarländern ist das erst ab einem Alter von 18 Jahren möglich. Gerade in grenznahen Gebieten, wo längst Landwirte Felder in unterschiedlichen Mitgliedstaaten bestellen, wäre es wichtig gewesen, das deutsche Recht auszudehnen. Die neuen Regeln im Zusammenhang mit der Führerscheinrichtlinie sind noch nicht endgültig. Nach den Europawahlen muss der Verhandlungsführer des Europaparlaments mit den Mitgliedstaaten eine politische Einigung aushandeln. Dabei sollten dann weitere Verbesserungen im Interesse der Mobilität erzielt werden. Die Chancen dafür stehen umso besser, da die ideologiebehaftete grüne Abgeordnete Delli dann nicht mehr dem Parlament angehört und das Dossier an einen anderen Verhandlungsführer übergeben muss. Wer das sein wird, das lässt sich jetzt noch nicht sagen. Dass das wichtige Dossier dort in besseren Händen ist, davon kann man getrost ausgehen.
- Das Ländle leben lassen
Jeden Tag werden in Deutschland 55 Hektar Fläche zubetoniert. Ein Bündnis von Naturschützern, Bauern, Jägern und Fischern will in Baden-Württemberg den weiteren Raubbau verhindern Bald ist es so weit. Ende Februar werden die Initiatoren von „Ländle leben lassen“ 50.000 Unterschriften an den Landtag von Baden-Württemberg übergeben. Ihre Forderung: Statt täglich wie bisher fünf bis sechs Hektar Natur in Siedlungs- oder Verkehrsflächen zu versiegeln, sollen es demnächst nur noch 2,5 Hektar, bis 2035 sogar null Hektar sein. Das Problem gibt es nicht nur im Südwesten. Laut der Flächenstatistik des Bundes liegt der Verbrauch insgesamt bei etwa 55 Hektar am Tag, wenn auch 74 Hektar weniger als noch 2000. Die Bundesregierung will bis 2030 den Flächenverbrauch auf 30 Hektar am Tag reduzieren. Das Ziel bis 2050 heißt laut Klimaschutzplan sogar null. Die baden-württembergische Initiative – ein Bündnis aus Natur- und Klimaschützern Seit an Seit mit Bauern, Jägern und Fischern – findet starken Rückhalt: 40.000 Unterschriften hätten gereicht, damit sich das Parlament in Stuttgart laut Verfassung mit dem Antrag befassen muss. Am Ende waren es gedeckelte 50.000. Dabei hat die Landesregierung in ihrem grün-schwarzen Koalitionsvertrag seit 2021 dieselben Ziele zum Flächenverbrauch stehen, wenn auch ohne größere Konsequenzen und weitgehend folgenlos. Unbestreitbar ist es ökologisch sinnvoll, den wirtschaftsorientierten Flächenfraß wenn zu nicht zu stoppen, so doch wenigstens spürbar zu beschränken. Die Initiatoren stehen mit ihrer Feststellung, der voranschreitende Flächenfraß sei „eines der gravierendsten Umweltprobleme unseres Bundeslandes und bedroht nicht nur die hiesige Natur und Landwirtschaft, sondern auch die Lebensqualität in unserer Heimat“, nicht allein. Ihr Beispiel alarmiert: In den vergangenen 50 Jahren haben danach zwei Generationen so viel neue Siedlungsflächen in Anspruch genommen wie zuvor 80 Generationen zusammen. Zu viele Neubauten an Ortsrändern Auch in Baden-Württemberg hatten sich viele Kommunen auf den 2017 beschlossenen Paragrafen 13b im Baugesetzbuch berufen, der bei Neubauten an Ortsrändern vorübergehend keine Umweltprüfung mehr vorsieht. Folge: Überall wuchsen neue Wohngebiete aus dem Boden. Dass das Bundesverwaltungsgericht im August 2023 den Paragrafen als mit dem Europarecht unvereinbar bezeichnete, ist da nicht nur für die Initiatoren „der erfolgreichste Rechtsbruch der Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte“. Es geht schließlich um viel Geld: Die Gewerbesteuer fließt direkt in die meistens klamme Gemeindekasse. Da ist die Frage vieler Bürgermeister, woher die nötigen Mehrausgaben für Kitas oder schulische Ganztagsbetreuung ohne flächenmäßige Expansion herkommen sollen, ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Das Zauberwort heißt „Flächenmanager“. Oder weniger individuell: Flächenverdichtung im Ortskern. Denn es gibt überall viele Häuser und Wohnungen, die unbewohnt sind sowie zahlreiche Grundstücke, die unbebaut bleiben. Das Bundesumweltministerium glaubt, dass in vielen Städten und Gemeinden Baulandreserven „in erheblichem Umfang“ vorhanden sind. Doch es gibt wie immer auch die andere Seite der Medaille: Allein in Baden-Württemberg werden laut Gemeindetag durch Zuzug 485.000 neue Wohnungen gebraucht sowie zusätzliche Flächen für Windräder und Solaranlagen, für Pflegeheime, Krankenhäuser, Sportplätze, Schulen und Kindergärten. Der Gemeindetag stellt nüchtern fest: Wer eine pauschale Begrenzung der Flächeninanspruchnahme oder gar perspektivisch eine Netto-Null wolle, müsse auch sagen, was dann in Baden-Württemberg nicht mehr möglich sein wird. Auch deshalb bleibt die Suche nach den Innerort-Lücken ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch wenn der kommunale „Flächenmanager“ bei den Eigentümern nachhakt und versucht, ins Gespräch zu kommen: Zwingen kann eine Gemeinde niemanden, den Umgang mit seinem Eigentum neu zu überdenken. Zudem eignen sich längst nicht alle Flächen und Gebäude für eine sinnvolle wohnbauliche Nachnutzung und gewerbliche Expansion. Und doch: Der Kampf gegen den bequemen kommunalen Flächenfraß lohnt. Nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Erhalt der Lebensqualität vor allem in den ländlichen Regionen.
- Angst vor den Wahlen im Herbst
Die Landtagswahlen im Osten könnten auch die Machtverhältnisse in Berlin verändern – und zeigen, wie sich der demografische Wandel auf die politische Landkarte auswirkt Die Umfragen sagen nichts Gutes voraus: SPD und Grüne müssen zum Beispiel bei den Landtagswahlen in Sachsen zittern, überhaupt wieder in den Landtag einzuziehen. Umfragen sehen vor allem die Grünen dort deutlich unter der Drei-Prozent-Marke, die Kanzlerpartei bei knapp unter fünf Prozent. Ausgerechnet die SPD, die 1863 in Leipzig gegründet wurde, könnte damit erstmals in einem Flächenland aus einem Parlament rausfliegen. Generalsekretär Kevin Kühnert fällt zu diesem drohenden Desaster wenig Neues ein. Natürlich müsse man die Gefühle der Ostdeutschen ernst nehmen. Und ihnen nicht das Gefühl vermitteln, dass sie abgehängt seien, sagt Kühnert wohl fast schon ein wenig hilflos. Die SPD hat sich in den neuen Bundesländern trotz einiger Erfolge in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg nie flächendeckend als Anwalt gerade der Arbeiterschaft etablieren können. Es fehlt an Bindung, an Verwurzelung, an Personal. In der CDU bemüht sich vor allem der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer aktuell redlich, all die erodierenden Gruppen und Stimmungen in seinem Bundesland einzufangen. Viele Erklärungen für diese Entwicklungen sind bekannt: In der Nach-Wende-Zeit kam es im sozialen, gesellschaftlichen und vor allem im wirtschaftlichen Bereich zu gravierenden Umwälzungen. 65 Prozent der Erwachsenen mussten sich beruflich neu orientieren, verloren ihre Jobs. Die Treuhand spielte nicht überall eine gute Rolle, auch und gerade bei der Privatisierung der ehemaligen LPG-Betriebe in der Nach-Wende-Zeit. Nach wenigen Jahren vereintes Deutschland verschwand auch die geliebte D-Mark, die für die Ostdeutschen immer eine Verheißung war. Der Euro wurde eingeführt. Die Flüchtlingskrise gab den nächsten Schub: Eine verborgene Ablehnung von Fremden, von Ausländern hatte es auch zu DDR-Zeiten schon gegeben. Angolaner oder Vietnamesen waren nie integriert, wurden sogar attackiert – die DDR-Propaganda verschwieg das. Nach 2015 kamen Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan nach Eisleben und Pirna, nach Görlitz und Gera. Gern gesehen waren die nicht. Heizungsgesetz verstärkt Verunsicherung Aktuell tut die in Berlin regierende Ampel-Koalition vieles dafür, diese Verunsicherung wachsen zu lassen. Jüngstes Beispiel: Das von Bundesumweltminister Robert Habeck geplante Heizungsgesetz hat die im Osten ohnehin ausgeprägte Verlustangst erheblich vergrößert. Viele befürchten, bald ihre Wohnung, ihr Haus zu verlieren. Viele Immobilien – gerade im ländlichen Raum, in den dünn besiedelten Räumen – dort stammen nämlich noch aus der Vor-Kriegszeit, wurden in der DDR-Zeit mangels Material und Kapital auch kaum oder ungenügend saniert. In der Nach-Wendezeit passierte ebenfalls wenig: Investoren haben in Leipzig und Dresden, vielleicht noch in Magdeburg oder Schwerin in Wohnungen investiert. Im Erzgebirge, in Brandenburg oder südlich des Küstenstreifens in Mecklenburg-Vorpommern geschah dies nicht. Das Heizungsgesetz bereitete vielen einen Schock. Rentner erhalten im Osten durchschnittlich 1380 Euro Rente. Bausparverträge gab es in der DDR ebenfalls nicht, auch Erbschaften wie im Westen nach den Wirtschaftswunderjahren sind nicht flächendeckend zu erwarten. Wie soll man da Investitionen für eine Wärmepumpe und Sanierung finanzieren? „Das ist vollständig unmöglich und überfordert viele Menschen im Osten. Und schon wieder ist bei den Menschen die Angst, aus dem eigenen Haus ausziehen zu müssen. Da kommen Erinnerungen an Nach-Wendezeiten hoch“, sagt ein Soziologe. Auf dem Land sorgten ungeklärte Eigentumsrechte für Flächen, die nach 1945 zwangskollektiviert wurden, für weitere Hürden sowohl bei der eigenen wirtschaftlichen Nutzung als auch bei Investitionen. Osten hat Millionen Menschen durch Wegzug verloren Neben dieser Verlustangst, die die Hinwendung zu radikalen Parteien wie der AfD oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht mit ihren einfachen Parolen ausdrückt, verstärkt auch die demografische Entwicklung im Osten die Schwäche der politischen Mitte. Insgesamt haben vier Millionen Menschen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges die ehemalige DDR oder die neuen Bundesländer verlassen. Viele gingen nach dem niedergeschlagenen DDR-Volksaufstand von 1953, als die letzte Hoffnung auf das bessere Deutschland brutal von sowjetischen Panzern niedergerollt wurde. Dann wurde es durch Mauerbau im Jahr 1961 und Schießbefehl weniger (knapp 300.000 gelang Flucht, Übersiedlung oder Freikauf in den Westen dennoch). Danach gingen noch einmal 2,3 Millionen Menschen in den 90er Jahren. Ein ungeheurer Aderlass. Nach einer aktuellen Studie des Info-Instituts leben in Ostdeutschland so wenige Menschen wie seit 1905 nicht mehr. Der Studienautor Felix Rösel sagte Zeit Online: „Die anhaltende Wucht der deutschen Teilung wird bis heute in der Öffentlichkeit völlig unterschätzt. Dieser Aspekt wird häufig übersehen und bedarf besonderer politischer Berücksichtigung.“ Noch eklatanter wirkt sich der Bevölkerungsschwund in den ländlichen Räumen aus, wenn man sieht, dass Städte wie Dresden, Leipzig oder Magdeburg durchaus wachsen und Ostdeutschland wirklich zu einem konkurrenzfähigen Standort für die Halbleiterindustrie wird. Doch – und das macht es wirtschaftlich und politisch so gefährlich – durch die Abwanderung Hunderttausender vor allem jüngerer und weiblicher Fachkräfte in fast allen Epochen der Geschichte Ostdeutschlands entweder in die Städte des Ostens oder in den Westen aus den ländlichen Räumen fehlt nicht nur das Fachpersonal. Sondern es fehlen auch Wähler, die mit ihrer Stimme die politische Mitte stabil halten. Und kommt es so, wie die Demoskopen vorhersagen, könnte der Wahlausgang genau diese Tendenz weg aus dem Osten, weg vom ländlichen Raum im Osten noch dramatischer ausfallen lassen. Denn wer will schon in einem Land leben, in dem Radikale die Mehrheit haben …
- Von der Leyen entmachtet EU-Agrarkommissar
Kommissionspräsidentin macht Agrarpolitik zur Chefsache und reagiert auf Bauernproteste Von Ludwig Hintjens In der Landwirtschaftspolitik auf EU-Ebene gibt es Bewegung. Es sind zwei Entwicklungen zu beobachten, die miteinander in Beziehung stehen. Zum einen verliert der zuständige Kommissar, Janusz Wojciechowski, zunehmend an Einfluss. Zum anderen ergreift die Kommission immer mehr Maßnahmen, um den Unmut der Landwirte zu dämpfen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Agrarkommissar Janusz Wojciechowski weitgehend aus dem Verkehr gezogen und die Agrarpolitik zur Chefsache gemacht. Sie sorgte etwa dafür, dass der Pole Anfang Februar nicht im Europaparlament in der Debatte zur Lage der Landwirtschaft sprach, sondern Maroš Šefčovič. Dieser ist Vize-Präsident der Kommission und, wenn man so will, der Vorgesetzte des Agrarkommissars, der früher einmal Christdemokrat war, dann aber wohl aus Karrieregründen in die PIS gewechselt ist. Von der Leyen wollte verhindern, dass Wojciechowski Dinge äußern würde, die er später zurücknehmen müsste. Genau das passierte dann dieser Tage. In einem Brief an den Chef des Agrarausschusses, Norbert Lins (CDU), schrieb Wojciechowski: Die Bauern gingen nicht wegen der EU-Agrarpolitik auf die Straße, sondern wegen der Freihandelsabkommen und des Green Deal. Postwendend musste er sich dafür entschuldigen und richtigstellen, dass dies nicht seine Meinung sei. Er habe vielmehr die Sorgen der Farmer wiedergegeben. Man kann sicher davon ausgehen, dass es anders war: Vielmehr hat die Kommissionspräsidentin empört, dass sich der Kommissar vom Green Deal und der Ukraine-Politik distanziert – zwei Grundkonstanten ihres Mandats. Abbau von Bürokratie Der Kommissar ist kaltgestellt und die Kommission sendet Signale an die unzufriedenen Bauern. Es geht um Abbau von Berichtspflichten, überflüssiger Bürokratie und um konkrete Erleichterungen bei den sogenannten Konditionalitätsanforderungen, die die Bauern erfüllen müssen, um die Direktzahlungen zu bekommen. Die Kommission verspricht etwa, dass die Besuche der nationalen Behörden auf den Höfen zur Kontrolle zahlenmäßig halbiert werden sollen. Sie stellt weitere Lockerungen bei den Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand der Flächen (GLÖZ) in Aussicht. Diese neun Standards gelten eigentlich seit 2023. Die Pflicht, einen Prozentsatz der Ackerfläche wegen des Artenschutzes brachliegen zu lassen, hatte die Kommission schon für 2023 außer Kraft gesetzt. Jetzt hat sie es gerade wieder für 2024 getan. Und sie will auch Viehhalter entlasten, die ihre Herden reduzieren und Dauergrünland in Ackerfläche umwandeln wollen. Auch bei den Regeln, um vegetationslose Böden zu bedecken und so der Erosion entgegenzuwirken, zeigt sie sich kompromissbereit. Die Kommission hat zudem eine große Online-Befragung angekündigt. Dabei soll jeder Landwirt in der EU die Chance bekommen, überflüssige Bürokratie zu benennen. Die Linie der Kommission ist also: Zug um Zug werden Gesetze des Green Deal zurückgedreht oder gar nicht erst beschlossen. Und sie verspricht den Landwirten Entlastung bei der Bürokratie. Unter dem Strich muss man einräumen, dass der Green Deal für die Bauern bislang weitgehend glimpflich verläuft. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Maßnahmen ausreichen, um den Zorn der Landwirte zu zügeln. Längst fordern sie, dass für Importe aus Nicht-EU-Ländern die gleichen Spielregeln gelten wie in der EU. Für Tomaten aus Marokko sollen die gleichen Pflanzenschutzregeln gelten wie für Tomaten aus Spanien. Rindfleisch aus Argentinien soll unter den gleichen Regelungen zur Belüftung und Größe der Ställe produziert werden wie Rindfleisch aus Frankreich. So verständlich aus wirtschaftlicher Sicht die Forderung der europäischen Bauern ist: Das ist Sprengstoff für die Freihandelsagenda der EU und dürfte der künftigen Kommission noch heftige Kopfschmerzen bereiten.












