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  • Damit Bauern in der Lieferkette nicht unter die Räder kommen

    Die Strohschneider-Kommission zur Zukunft der EU-Landwirtschaft will die Marktmacht der Erzeuger stärken Es ist bitter, wenn Bauern unter Produktionskosten Lebensmittel an den Großhandel und die Handelsketten verkaufen müssen. Das kommt vor, zumal in Deutschland, wo die Lebensmittelpreise niedrig sind. So ist hierzulande das Preisniveau niedriger als etwa in der Slowakei – und das, obwohl die Wirtschaftsleistung pro Kopf in Deutschland mehr als doppelt so hoch ist wie in der Slowakei. Der Grund, warum Erzeuger sich etwa gegenüber den Einkäufern der großen Discounter geschlagen geben müssen, ist ihre fehlende Marktmacht. Sie sind gegenüber oligopolartigen Strukturen auf der anderen Seite häufig buchstäblich ohnmächtig. Da wird immer wieder auch mit unfairen Tricks gearbeitet. Kurzfristig werden Bestellungen verderblicher Lebensmittel wie Gemüse oder Obst storniert, um die Erzeuger mürbe zu machen. Der Handel bezahlt viel zu häufig spät, 30 und mehr Tage nach der Lieferung. Geschäftsgeheimnisse werden missbraucht, um die Anbieter untereinander auszuspielen. Auch das passiert: Unverkäufliche Waren werden zurückgeschickt, Kosten für Lagerung, Platzierung und Listung der Produkte werden den Erzeugern aufgebürdet. Anfang des Jahres hat die Kommission einige dieser unfairen Handelspraktiken bereits verboten. Doch damit ist es nicht getan. Die Strohschneider-Kommission, die gerade ihren Bericht zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übergeben hat, macht darin auch Vorschläge, wie die Politik für mehr Fairness in den Lieferketten sorgen kann. Verhandlungsmacht stärken Es läuft im Grunde darauf hinaus, die Verhandlungsmacht der Erzeuger zu stärken. Sie sollen sich mehr als bisher zu Erzeugergemeinschaften, Kooperativen und sektoralen Branchenorganisationen zusammenschließen. Sie sollen sich besser vernetzen und Wissen austauschen über den Handel und Verhandlungsstrategien. Sie sollen zudem die Kosten für den Maschinenpark drücken, indem sie die Verwendung von Spezialgeräten besser untereinander aufteilen. Auch die Kommission soll behilflich sein, um für Transparenz zu sorgen. Sie kann Daten zum Markt und zu Käufertrends erheben und publik machen. Es soll eine Beobachtungsstelle für Produktionskosten, Preise, Gewinnspannen und Handelspraktiken geschaffen werden. Die Beobachtungsstelle sollte die durchschnittlichen Produktionskosten pro Sektor und Region beschreiben. Es gibt auf Ebene einiger Mitgliedstaaten gesetzliche Regelungen, die die Preise von Lebensmitteln kontrollieren und dafür sorgen, dass die Bauern nicht unter die Räder kommen. Die Kommission soll prüfen, ob die Erzeuger von diesen Maßnahmen profitieren. Wenn sie sich als geeignet herausstellen, soll die EU-Behörde eine Übernahme prüfen. Die Kommission soll zudem dafür sorgen, dass Landwirte und Erzeuger Hinweise auf neue unfaire Handelspraktiken vertraulich bei der Kommission platzieren können. Ein Patentrezept, um die Verhandlungsposition der Erzeuger aufzuwerten, haben die Experten auch nicht. Die Marktmacht der Erzeuger zu stärken, ist abstrakt ein einleuchtendes Ziel. Sehr wohl würde aber auch ein Blick auf die Strukturen bei den Einkäufern lohnen. Die nationalen Wettbewerbshüter sollten prüfen, ob es Anhaltspunkte gibt für den Missbrauch der Marktmacht in der Lebensmittel-Lieferkette. In Deutschland haben es die Erzeuger mit einer sehr überschaubaren Zahl von Unternehmen zu tun, die unter sich das Geschäft des Lebensmitteleinzelhandels ausmachen. Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe kontrollieren 80 Prozent des Marktes. In Belgien etwa mit seinen rund elf Millionen Einwohnern dominieren nur zwei Handelsketten. Mehr Vielfalt würde dazu beitragen, dass die Erzeuger nicht so leicht gegeneinander ausgespielt werden.

  • Woidke rockt es auf den letzten Metern

    Es war die letzte Wahl in einem Flächenland vor der Bundestagswahl. In Brandenburg siegte die SPD. Doch dieses Ergebnis dürfte kaum auf die Berliner Ampel einzahlen. Sondern Dietmar Woidke profitierte eindeutig von seiner Beliebtheit Das nennt man wohl Sieg auf den letzten Metern. Dietmar Woidke hat es offenbar geschafft, bei der Landtagswahl in Brandenburg seine Partei auf Platz eins zu bringen. Vor wenigen Monaten in Umfragen noch abgeschlagen bei unter 20 Prozent, liegt die SPD in Brandenburg jetzt vor der rechtspopulistischen AfD. Woidke und die SPD, das war und ist mehr denn je eine Schicksalsgemeinschaft. „Wenn ich es nicht schaffe, die SPD auf Platz eins zu bringen, trete ich ab“, hatte der im Land populäre Ministerpräsident vor der Wahl gesagt. „Ich oder die“ – das war die Botschaft, die die Menschen in Brandenburg offenbar dazu bewogen hat, die SPD zu wählen. Eine Personenwahl, wie es sie in einem Bundesland selten gegeben hat. Höchstens Woidkes Amtskollege Michael Kretschmer konnte sein persönliches Profil in Sachsen derart stark in die Waagschale werfen wie Woidke, der sogar seine Glatze auf Werbebanner ablichten ließ .   Für Woidke wird es für eine Koalition mit der CDU nicht reichen, da der dritte Koalitionspartner fehlt. Die Grünen scheitern klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Möglich, dass Woidke jetzt auf das BSW zugehen muss. Einen Unvereinbarkeitsbeschluss gibt es bei den Sozialdemokraten nicht. Scholz durfte nicht auftreten   Die Auswirkungen auf die Bundespolitik dürften eher begrenzt sein. Die SPD – nach all den verheerenden Niederlagen der vergangenen Monate und dem Verharren im Umfragetief – versuchte noch am Wahlabend, den Erfolg Woidkes bundespolitisch auszunutzen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bemühte ausdrücklich mehrfach das Wort „Aufholjagd“. Sein Wunsch: die Analogie zum Kanzler herzustellen, der in Berlin weiter mitsamt seiner Ampel im Umfragetief verharrt. Doch Woidke ist Woidke. Und genau dieser hatte sich ausdrücklich Wahlkampfauftritte von Scholz verbeten. Bösmeinende Strategen könnten nun daraus schließen, dass genau dieser Verzicht auf Scholz die entscheidenden Prozentpunkte gebracht hat. Doch diese Debatte dürfte es nur hinter den Kulissen der Parteibüros geben.   Komfortabler hat es dagegen die CDU-Führung. Natürlich lässt das schwache Abschneiden der Brandenburger CDU im Konrad-Adenauer-Haus keine Sektkorken knallen. Aber in der Parteiführung wird man froh sein, dass in Brandenburg jetzt die Sozialdemokraten die schwierige Aufgabe haben, eine Regierung zu bilden. Und zweites Argument: Bundesweit sorgen Umfragewerte von bis zu 36 Prozent für gute Stimmung rund um den frisch ausgerufenen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.   Hohe Erwartungshaltung im ländlichen Raum   Zurück zum 30 Kilometer entfernten Potsdam. Auch wenn Themen der Landespolitik bei dieser Wahl durchaus eine etwas gewichtigere Rolle als noch in Thüringen oder Sachsen gespielt haben, zeigt sich auch hier die gesellschaftliche und räumliche Trennung zwischen Stadt und Land. Rund um die Ballungszentren Potsdam und Berlin zeigte sich dies bei den Themen bezahlbarer Wohnraum, Infrastruktur und attraktive Angebote für junge Familien, die aus der Hauptstadt fortgezogen sind, um im Speckgürtel der Städte zu wohnen. „Das sind alles ganz andere Themen als in den Randgebieten zum Beispiel entlang der polnischen Grenze oder in den ländlichen Regionen im Norden oder Süden des Landes“, sagt ein Beobachter. Dort fühlt man sich nicht wahrgenommen, dort versucht man, den demografischen Niedergang zu gestalten und ein unverkrampftes Verhältnis zur Natur und zum ländlichen Raum zu bewahren. Das „Forum Natur“ hatte sich zuletzt in diesem Blog zu Wort gemeldet. „Macht endlich Politik fürs ganze Land, also auch für den Forstwirte, Jäger, Landwirte“, forderte Gernot Schmidt, Vorsitzender des „Forums Natur“ (FNB). Ob diese Forderung Gehör findet, werden die nächsten Jahre zeigen.

  • Union stellt Weichen für Bundestagswahl – ländliche Regionen unter Druck

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserin, lieber Leser, das Leid und die Schäden, die die Flutkatastrophe vorwiegend in unseren Nachbarländern im Südosten Europas mit sich gebracht hat, überlagern in Nachrichten und Bildern unsere politischen Themen in dieser Woche. Diese waren auch spannend genug. Die ersten Weichenstellungen zur in einem Jahr bevorstehenden Bundestagswahl sind in der Union erfolgt. Merz wird´s. Die große Frage bleibt, ob und wie die Ampel ihre verbleibende Zeit durchsteht – insbesondere gilt das für den Kanzler. Und in Brüssel sortiert sich das Personal um Ursula von der Leyen. Vielleicht erleben wir dort eine positive Überraschung beim Thema Wolf. Das Wasser fließt ab. Die sachlichen Schäden treten erst jetzt in ihrem vollen Ausmaß zu Tage. Die inzwischen mehr als 20 Opfer der Flutkatastrophen entlang der großen Flüsse in Mittel- und Südosteuropa überstrahlen alles, was in dieser Woche vielleicht wichtig ist. Wie schon an Ahr und Erft bei uns wird es Jahre dauern, bis aufgeräumt ist und Schäden beseitigt sind. Rund zwei Millionen Menschen sollen betroffen sein. Viele Ältere dort haben wahrscheinlich nicht die mentale und wirtschaftliche Kraft, selbst zu erleben, wie alles wieder hergestellt werden kann. Alleine sind die Folgen in den osteuropäischen Ländern nicht zu bewältigen. Es hat nun einmal strukturell und wirtschaftlich schwach entwickelte Regionen getroffen. Selbst wenn die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zehn Milliarden Hilfe aus Brüssel zugesagt hat, reicht das längst nicht aus. Es ist gut, dass es dafür in der Union einen Fonds gibt, aus dem sofort gezahlt werden kann. Die Verteilung vor Ort ist dann der zweite Teil. Hoffentlich gelingt es, dass dort die Hilfe an die Richtigen geht. Die Schäden in der Natur, auf den Feldern und in den Wäldern werden in der Gesamtbetrachtung eher an den Rand gedrückt. Es wird kaum zu beschreiben sein, in welcher Dimension auch Wildtiere betroffen sind. Weichenstellung zur Bundestagswahl in der Union Wechseln wir in den politischen Alltag bei uns. Geplant waren die Krönungsmessen zum Kanzlerkandidaten von CDU und CSU für kommenden Montag mit den getrennten und gleichzeitig terminierten Präsidiumstagungen – unmittelbar nach der dritten Ost-Landtagswahl. Es gab drei Namen, die als mögliche Bewerber und Herausforderer von Olaf Scholz (bleibt er das wirklich?) monatelang gehandelt wurden. Noch am letzten Sonntagabend hielt sich Hendrik Wüst diszipliniert und blieb in einem TV-Gespräch im Ungefähren und sagte nichts. Am Montag dann ließ er die Katze aus dem Sack und machte den Weg frei für Friedrich Merz. Am Dienstag unternahm er mit seinem Kabinett einen Ausflug nach Kiel und holte dort Daniel Günther mit ins Boot. Und Markus Söder war düpiert. Dieser hatte sich zuvor in Festzelten, vor Kameras und Mikrofonen und mit neuem Bart in Stellung gehalten. Auf Instagram gab es viel Zustimmung für sein Urlaubsmitbringsel im Gesicht. In der Schwesterpartei kam dagegen keine Neigung auf, ihn aufs Schild zu heben. Die vorzeitige Klärung kam doch wohl gezielt aus Nordrhein-Westfalen , dem stärksten Landesverband, dessen Chef Wüst und Nachfolger von Armin Laschet ist. Da war doch mal was vor vier Jahren… Nun sind also die Fronten klar. Friedrich Merz tritt an und bleibt bei seiner „heutigen Sicht“, dass Schwarz-Grün im Bund keine Option ist. Da ist er sich übrigens einig mit dem CSU-Chef. Er hat sich (wie auch Söder) gegen die Grünen eingeschossen. Dagegen werden Wüst und Günther nicht müde zu betonen, dass das in Berlin ungeliebte Bündnis in ihren Ländern sehr wohl funktioniere. Das passt zur verbreiteten Stimmung in den ländlichen Regionen. Nicht erst seit den Bauern-Protesten kommt weiter zunehmend Groll gegen grüne Regierungspolitik auf. Waldgesetznovellen voller Auflagen und gegen Eigentumsrechte, Jagdgesetze von sogenannten Tierrechten her formuliert, Gewässer-Debatten mit Schuldzuweisungen gegenüber Landwirten, geradezu an den Pranger gestellte Masttierhalter und zunehmend mit bürokratischen Auflagen überzogene Agrarbetriebe haben eine antigrüne Stimmungslage auf dem Lande wachsen lassen. Dazu kommt der untaugliche Versuch, Probleme der inneren Sicherheit über die Waffengesetzgebung zu lösen. Dies in Summe hat schon politische Relevanz. Die Grünen kommen zunehmend in die Defensive . Das zeigen die Zahlen der jüngsten Wahlen. Und das wird morgen in Brandenburg kaum anders werden als jüngst regelmäßig in der Demoskopie abgebildet. Habeck, Özdemir & Co. sind auf dem Weg in die Einstelligkeit. Nach dem neuen ZDF-Politbarometer Extra zu Brandenburg droht dort morgen sogar der Sturz unter fünf Prozent. Das muss ja Gründe haben. Weit weg von der Ampel Am Ende werden die Themen einer Politik für und nicht gegen den ländlichen Raum auch im Vorfeld der Bundestagswahl an Bedeutung gewinnen. In Brandenburg konzentriert sich der Wahlkampf-Endspurt auf ländlich geprägte Regionen wie zum Beispiel Oberspreewald-Lausitz, die Uckermark, Prignitz oder Elbe-Elster. Diese Landstriche kennen viele nicht, aber die Probleme werden bundesweit gerade durch die Fülle der Medienberichte präsent – trotzdem ist in vielen Köpfen alles weit weg. Wenig bekannt ist, wie sehr bisher in diesem traditionellen SPD-Land mit den bisherigen Ministerpräsidenten Stolpe, Platzeck und Woidke die Sozialdemokraten auch in der Landwirtschaft verortet waren – und zum Teil noch sind. Es muss ja einen Grund haben, warum Dietmar Woidke für seine SPD alles auf eine Karte setzt. Und das in sichtbarer Distanz zur Ampel und seinem Parteifreund Scholz. Das Ergebnis am Sonntagabend wird über Thüringen und Sachsen hinaus bundespolitische Auswirkungen haben. In Folge wird die Frage beantwortet, wie lange Scholz noch bei seiner Bemerkung bleiben kann „…ist mir recht, wenn Herr Merz der Kanzlerkandidat der Union ist“ . Oder sagt seine eigene Partei, ob es ihr recht ist, dass der Kanzler auch Kanzlerkandidat der SPD bleibt? Im Übrigen werden auch in einem Jahr im Bund am Ende Prozent- und Mandatszahlen bestimmen, wer mit wem überhaupt koalieren kann. Vielleicht braucht Merz in der Union nach einem möglichen Wahlsieg dann seine Rivalen von gestern als schwarz-grüne Steigbügelhalter. Wüst und Günther jedenfalls werden ihren schwarz-grünen Kurs weiter pflegen. Und Söder hat sich in erster Linie erst einmal um Bayern zu kümmern. Allerdings bleibt die Frage, wo er mit seiner bundespolitischen Bedeutungskraft bleibt. Die hat er jedenfalls systematisch bis zum zitierten Imagewandel aufgebaut. Und als CSU-Vorsitzender will er auch Player in Berlin bleiben – wie auch immer. SPD und Grüne lassen dabei südlich des Mains der CSU wieder mehr Luft, weil sie übrigens auch dort zunehmend unter Druck geraten. Ebenfalls spielt da der ländliche Raum eine entscheidende Rolle. In unserem Blog hatten wir darüber berichtet , dass sich unter den bayerischen Grünen über die Berliner Politik der eigenen Freunde mit ihren urbanen Denkansätzen insbesondere unter den Veteranen Frust breit macht, wenn sie unter anderem Habecks Heizungsgesetz erklären zu müssen. Der Miesbacher Grüne und Alt-Landrat Wolfgang Rzehak wurde so zitiert: „Es ist wichtig, dass wir Grünen auch für den ländlichen Raum in Bayern wählbar sind.“   Neue EU-Kommissarin und neue Wolfspolitik? Bleiben wir kurz in Bayern und blicken nach Europa. Mein Kollege Jürgen Wermser hat am letzten Samstag in seinem Wochenkommentar über die Riesenaufregung um die eigentlich legale „Entnahme“ einer vermeintlichen „Problemwölfin“ auf der bayerischen Rhön berichtet, wo aber das falsche Tier erlegt worden war. Nun klagt die „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe (GzSdW)“ gegen die Regierung von Oberfranken, die die Abschussgenehmigung erteilt hatte. Es geht wohl nicht um den Fehlabschuss, sondern die Nichtbeteiligung an der behördlichen Entscheidung. Das alles hilft aber zur Problemlösung nicht weiter. Vielleicht aber die in Brüssel mit der Parlamentszustimmung noch laufende Berufung der Kommissionsmitglieder. Das hat Ludwig Hintjens in dieser Woche in unserem Blog aufgegriffen. Er hat geschildert, dass mit den Personalentscheidungen von Ursula von der Leyen drei gute Nachrichten für die ländlichen Räume in Europa gibt . Künftig wird danach Jessika Roswall EU-Umweltkommissarin. Sie kommt aus Schweden und ist dann auch unter anderem für die Wolfspolitik zuständig. Mit Blick auf das schwedische Wolfsmanagement könnte sie somit betroffenen Weidetierhaltern, aber auch Revierinhabern Hoffnung geben, dass dieses Thema dann von Brüssel aus anders angefasst wird als bisher. Bei den Rissen in den Rotwildrevieren wird übrigens beobachtet, wie radikal Wölfe in den Nachwuchs eingreifen und auf Kälber gehen. Damit wachsen die ohnehin schon bestehenden Sorgen um die Zukunft der Rotwildbestände. Hinweis auf zwei laufende Petitionen Das passt zu einer der beiden laufenden Petitionen, auf die wir gern hinweisen. Sie beinhalten Themen, die wir in jüngster Zeit in Blogbeiträgen kritisch beleuchtet haben. Der Wildbiologe Frank Zabel wendet sich gegen die immer weiter um sich greifende Zerschneidung von Wildlebensräumen . Seine Petition fordert „die sofortige Umsetzung der in §21 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) definierten Maßnahmen zur Herstellung eines länderübergreifenden Biotopverbunds, den Schutz der für den Biotopverbund erforderlichen Flächen und die Vernetzung bereits getrennter Biotope“ . Knapp 30.000 Unterzeichner haben sich dem bereits angeschlossen. Noch erfolgreicher ist übrigens die Petition des BZL – Bundesverbandes zivile Legalwaffen gegen die geplante Verschärfung des Waffenrechts . Mehr als 65.000 Menschen haben innerhalb von vier Tagen bereits per Unterschrift ihren Unmut darüber ausgedrückt, dass die Ampelfraktionen gesetzestreue Legalwaffenbesitzer drangsaliert statt Kriminelle sowie politische und religiöse Extremisten zu entwaffnen. Gute Ideen braucht das Land Ideen, ländliche Regionen wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken, gibt es zuhauf. Sie müssen nur gepflegt werden und neue Impulse erhalten. Bei uns wird immer wieder über Initiativen nachgedacht. Und darüber, Wettbewerbe wie „Unser Dorf soll schöner werden“ oder „Unser Dorf hat Zukunft“ der Zeit anzupassen. Was aber machen, wenn sich die Dörfer leeren ? Oder wo sollen Jagdgesellschaften sich zu ihren traditionellen Schüsseltreiben treffen, nachdem sie jahrzehntelang diesen Teil des Brauchtums in ihrem Dorfgasthof gepflegt haben? Bei allen Versuchen, ländliche Regionen zu beleben, geht es um mehr. Beispiel könnte eine britische Initiative sein. Sie schreibt so etwas wie „ländliche Oscars“ aus, zu denen aufgerufen wird, Ideen und Aktivitäten zu nominieren, die ein ländliches Gebiet „zum blühenden, dynamischen Ort zum Leben und Arbeiten machen“ . Also nicht nur das gepflegte schöne Dorf, sondern der vitale Raum mit wirtschaftlichen Chancen. Als weiteres Beispiel des Gegenteils bei uns habe ich in dieser Woche gelesen: „Nach 334 Jahren gibt wieder eine kleine Brauerei im Süden auf. “ Schlössle-Bier aus Neu-Ulm wird ab Ende des Jahres nicht mehr produziert. Das reiht sich in eine Entwicklung ein, die uns Sorgen machen muss und weiter zum Niedergang kleinteiliger Wirtschaftsstrukturen führt. So wünsche ich dennoch auch im Namen unserer Autoren ein sonniges Spätsommerwochenende – vielleicht für einige unserer Leserinnen und Leser mit dem Erlebnis der Rotwildbrunft. Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

  • Zukunft in ländlichen Regionen: Arztbesuch per Video

    Bis 2035 werden deutschlandweit etwa 11.000 Hausarztstellen nicht besetzt sein. Rund 40 Prozent aller Landkreise droht Unterversorgung. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Robert Bosch Stiftung Die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist also nicht insgesamt bedroht. Sehr wohl aber gibt es eine regional ungleiche Verteilung. Vor diesem Hintergrund wächst in ländlichen Regionen die Sorge, dass Krankenhaus-Reformen und Landarztmangel die medizinische Versorgung der Bevölkerung vor Ort zunehmend verschlechtern. Die nun vorgelegte Machbarkeitsstudie, die das Softwareunternehmen BinDoc GmbH im Auftrag des Bosch Health Campus erstellt hat, legt nahe, dass Telemedizin mögliche Defizite weitgehend ausgleichen kann. Dabei geht es darum, Entfernungen zwischen Arzt und Patient virtuell zu überbrücken, um Diagnosen zu stellen, Behandlungen zu besprechen und medizinisches Fachwissen zu vermitteln. Auf diese Weise werden nicht nur Krankheiten schneller erkannt und behandelt. Sie verringert auch die Notwendigkeit langer Anreisen zum Mediziner, was Patienten mit Mobilitätseinschränkungen entgegenkommt. Die Studie zeigt auf, dass sich nach der geplanten Krankenhausreform in Baden-Württemberg die Zahl der Menschen, die eine Fahrtzeit von einer halben Stunde oder mehr zu einem Krankenhaus mit Fachabteilungen der Allgemeinen Inneren Medizin oder Allgemeinen Chirurgie haben, von derzeit mehr als 300.000 auf knapp 700.000 bis mehr als 860.000 Patienten erhöhen wird. Das sind bis zu acht Prozent der Bevölkerung. Die längsten Fahrtzeiten müssen dabei Menschen in ländlichen Räumen wie dem Schwarzwald oder der Schwäbischen Alb in Kauf nehmen. Eine telemedizinische Kompensation liegt vor, wenn beispielsweise Ärzte eines Krankenhauses bei komplexen Behandlungen digital von Spezialisten eines anderen Krankenhauses in sogenannten Telekonsilen beraten werden. Aus den modellhaft aufgezeigten Lösungsansätzen zur Vermeidung von Versorgungslücken folgert der Auftraggeber der Studie, es sei „an der Zeit, Telemedizin in Baden-Württemberg flächendeckender einzusetzen, die Einrichtungen telemedizinisch untereinander zu vernetzen und so das enorme Potenzial für die Gesundheitsversorgung auszuschöpfen. Dazu gehört auch, solche digitalen Ansätze den Menschen näherzubringen und greifbarer zu machen“. Fernbehandlung seit 2018 erlaubt Die Voraussetzungen für telemedizinische Angebote, bei denen digitale Hilfsmittel wie Apps, Telekonsilplattformen oder Videotechnologie genutzt werden, wurden 2018 mit der Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes in der Musterberufsordnung für Ärzte und Psychotherapeuten geschaffen. Im Oktober 2019 eröffnete dann in Spiegelberg bei Heilbronn offiziell deutschlandweit die erste „Ohne Arzt-Praxis“. Das Bundeslandwirtschaftsministerium begründete damals die Förderung über das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung (BULE) mit dem modellhaften Charakter des Projektes, das geeignet sei, Neues auszuprobieren und als Vorreiter dienen könne. An der grundsätzlichen Frage, wie digitale Lösungen die medizinische Versorgung unterstützen können, forscht das 2021 gegründete Fraunhofer-Zentrum für Digitale Diagnostik (ZDD) in Potsdam. Daneben gibt es inzwischen etliche weitere Pilotvorhaben. So hat das Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat den telemedizinischen Versorgungsansatz „Gesundheitsversorgung 4.0“ gefördert. Das Konzept soll sicherstellen, dass speziell die Bedürfnisse älterer Patienten, auch in stationären Pflegeeinrichtungen, berücksichtigt werden. Um die Umsetzung in die Praxis bemüht sich in den niedersächsischen Orten Drochtersen und Nordkehdingen das Projekt „Pflege und Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum stärken“ (PuG). Es wird im Rahmen der Richtlinie „Soziale Innovation“ über den Europäischen Sozialfonds gefördert. Das Vorhaben hat im März 2023 begonnen und läuft bis Februar 2026. Drei Monate später endet das Projekt „Digitalisierung von Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen“, mit dem das Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei (Johann Heinrich von Thünen-Institut) Chancen und Herausforderungen auf dem Feld der ärztlichen Versorgung ermitteln will. Es verbindet dabei eine Bestandsaufnahme mit der Ermittlung der Ressourcen, die nötig sind, „um effektive und wirksame digitale Lösungen zu entwickeln, umzusetzen und zu verbreiten“. Beantwortet werden soll auch, welche Bedeutung überregionale Schlüsselinstitutionen wie Gesundheitsministerien, Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen in diesen Prozessen haben. Telenotarzt als Sonderfall Ein Sonderfall der Telemedizin ist der Telenotarzt. So wie medizinisches Fachpersonal den Patienten bei der Kommunikation mit dem entfernten Arzt unterstützt, etwa durch die richtige Bedienung der Technik, so bedarf der Telenotarzt speziell geschulter Sanitäter, die am Einsatzort oder im Rettungswagen (RTW) seine Anweisungen umsetzen. Die technische Unterstützung besteht unter anderem aus audiovisueller Kommunikation, Echtzeit-Vitaldaten-Übertragung und ggf. Live-Videoübertragung aus dem RTW. Dass es dabei auch zu Kooperationen kommen kann, haben die Münsterlandkreise Steinfurt, Warendorf, Coesfeld, Borken sowie der Kreis Recklinghausen und die Stadt Münster gezeigt. Sie haben gemeinsam ein Rettungsdienst-Netzwerk aufgebaut, das im Juni den Probebetrieb aufgenommen hat. Zum Start sind zwölf Einsatzfahrzeuge mit der Telenotarzt-Zentrale verbunden, bis Sommer 2025 sollen es alle rund 150 Rettungswagen sein. Bei allem Nutzen der Telemedizin bleibt aber das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis unerlässlich. In ihm ist das Vertrauen oft über viele Jahre gewachsen, das dann die Basis sein kann, auf der der Hausarzt per digitaler Übertragung zu den Menschen gebracht wird. Um die Chancen der Digitalisierung patientengerecht zu nutzen, braucht es neben einer klaren politischen Strategie auch organisatorische Anpassungen und technische Voraussetzungen. Regulierungsbehörden müssen angemessene Rahmenbedingungen schaffen, um die rechtlichen, ethischen und datenschutztechnischen Aspekte der Telemedizin zu berücksichtigen. Gleichzeitig müssen Gesundheitseinrichtungen ihre Abläufe neu organisieren, um die Telemedizin in den Versorgungsprozess zu integrieren. Eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen lokalen Ärzten, medizinischen Fachkräften und Telemedizin-Spezialisten ist entscheidend, um eine umfassende und koordinierte Betreuung der Patienten sicherzustellen. Der Datenaustausch benötigt aber zuallererst eine stabile, leistungsfähige und vor allem eine flächendeckende Internet-Breitbandversorgung , die in vielen ländlichen Regionen immer noch fehlt.

  • Mehr Herz für Bauern und die ländlichen Räume

    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Zuständigkeiten und Strukturen ihrer neuen Kommission benannt. Für den ländlichen Raum gibt es drei gute Nachrichten Die alte und neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Zuständigkeiten in ihrer neuen Kommission bekannt gemacht. Damit zeichnet sich ab, wer in der Politik für Landwirtschaft, Tier-, Arten- und Umweltschutz sowie ländlichen Raum bis 2029 die Strippen zieht. Die erste gute Nachricht ist: Von der Leyen hat aus dem Fehler gelernt, dass sie in ihrem ersten Mandat einen mächtigen Ideologen, den niederländischen Sozialisten und Kommissions-Vize Frans Timmermans, zum Aufseher über diese Politikbereiche gemacht hat. In den nächsten fünf Jahren sind Landwirtschaft und Umweltschutz voraussichtlich dem italienischen Vize-Kommissionspräsidenten Raffaele Fitto untergeordnet, ein ehemaliger Christdemokrat, der zur Partei der rechtsbürgerlichen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gewechselt ist. Im letzten Mandat hatte Timmermans Einfluss auf die umstrittenen Entwürfe wie Naturwiederherstellungsgesetz und Pestizidreduktion. Er hatte sich sogar in die informellen Verhandlungen zwischen Parlament und Rat bei den Themen eingemischt. All das dürfte es nun nicht mehr geben. Die zweite gute Nachricht ist: Ein Christdemokrat wird Agrarkommissar. Es war der Wunsch von Manfred Weber, Chef der sich als Bauernpartei verstehenden christdemokratischen EVP, dass der nächste Agrarkommissar ein EVP-Parteibuch hat. Der neue Agrarkommissar kommt nicht gerade aus einem landwirtschaftlich geprägten Land. Luxemburg, die Heimat von Christophe Hansen, zählt gerade einmal 1800 bäuerliche Betriebe mit 4600 Arbeitskräften. Der 42-Jährige ist auch kein klassischer Agrarpolitiker. Im Europaparlament, dem er für eine Wahlperiode angehörte, hatte er als Mitglied des Umwelt- und Handelsausschusses zwar mit Agrarpolitik zu tun. Sein Schwerpunkt lag aber bei Handel und Umwelt. So setzt er sich für das Mercosur-Handelsabkommen ein, das etwa bei den französischen Bauern abgelehnt wird. Hinzu kommt: Die Luxemburger Christdemokraten gehören eher zum linken Spektrum der europäischen Christdemokraten. Was wird aus den Direktzahlungen der EU? Im letzten Mandat war Hansen über den Umweltausschuss daran beteiligt, den Landwirten Umwelt- und Klimaauflagen als Bedingung vorzugeben, wenn sie weiterhin Direktzahlungen bekommen wollen. Als Kommissar wird er von den Bauern nun daran gemessen, ob er ihnen Erleichterungen beim Wirtschaften verschafft. Seine erste Aufgabe wird sein, in den ersten hundert Tagen des Mandates eine Vision für die Zukunft der EU-Landwirtschaft zu entwickeln. Ende nächsten Jahres sollte er einen Vorschlag für die nächste GAP-Förderperiode vorlegen. Dabei wird er auch einen Vorschlag machen müssen, wie es mit den Direktzahlungen weitergehen soll – in Schritten auslaufen lassen oder beibehalten. Und das ist die dritte gute Nachricht: Von der Leyen hat die personellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der strenge Artenschutz gelockert wird. Bisher torpedierte der grünennahe Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius aus Litauen alle Versuche, etwa den Schutzstatus des Wolfes zu lockern. Künftig hat die EU eine Umweltkommissarin, Jessika Roswall, die aus der christdemokratischen Parteienfamilie EVP kommt. Mehr noch: Schweden betreibt ein aktives Management der Wolfsbestände, „entnimmt“, also schießt, trotz des hohen Schutzstatus regelmäßig einzelne Beutegreifer, damit die Populationen nicht überhandnehmen. Womöglich kommt mit dieser politischen Konstellation bald etwas beim Artenschutz in Bewegung. Bis feststeht, ob die Kommission in dieser Formation im Dezember oder Januar ihr Mandat antritt, müssen noch die Anhörungen der Bewerber in den Ausschüssen des Parlaments abgewartet werden. Anders als in Deutschland, wo die Kabinettsliste nicht von der Legislative beeinflussbar ist, kann das Europaparlament Kommissare ablehnen. Es gehört zu den Ritualen, dass immer der eine oder die andere über die Klinge springt. Ein heißer Tipp: Ungarns Bewerber Olivér Várhelyi, der für das Tierwohl und die nächsten Auflagen für Viehtransporte zuständig ist, könnte stürzen. Erstens, weil er ein Parteigänger des ungarischen EU-Gegners Viktor Orbán ist. Zweitens, weil er dabei erwischt wurde, als er im Plenum über die Europaabgeordneten gesagt hat: „Alles Idioten.“

  • Die SPD und viele vage Aussagen zum ländlichen Raum

    In einem zehnseitigen Positionspapier beschreibt die SPD, wie sie die ländlichen Räume stärken will. Manche Forderungen sind sinnvoll, doch in vielen Punkten bleibt die Partei im Ungefähren Die Landwirtschaft in Deutschland braucht Unterstützung und Wertschätzung, das Auto ist das zentrale Fortbewegungsmittel auf dem Land und eine zukunftsfähige Infrastruktur ist entscheidend für die Attraktivität und Lebensqualität in ländlichen Regionen. Überraschend klingen solche Äußerungen wahrlich nicht für Dorf- und Kleinstadtbewohner, sondern eher selbstverständlich – falsch sind sie aber zweifellos auch nicht. Veröffentlicht hat diese Aussagen die SPD in einem bisher wenig beachteten zehnseitigen Positionspapier . Es trägt den Titel „Deutschlands ländliche Räume: Potentiale erschließen, Gemeinschaft stärken, Zukunft gestalten“. Im brandenburgischen Groß Behnitz, rund 50 Kilometer westlich vom Parlament in Berlin-Mitte, haben sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Anfang September darüber auf einer Klausurtagung beraten. Lobenswert ist auf jeden Fall, dass die Fraktion überhaupt auf die ländlichen Räume blickt und diese stärken will. Wobei realistischerweise eingeschränkt wird, dies geschehe „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“. Gleichwertige Lebensverhältnisse sollen nach Ansicht der SPD als Staatsziel stärker im Grundgesetz verankert werden. Ob dies allein die Situation bessert, darf allerdings bezweifelt werden. Ohne Zahlen und Zeitangaben Manche Passagen lesen sich wie aus einem Koalitionsvertrag, doch im Unterschied dazu bleiben sie im Ungefähren. Zahlen oder Zeitangaben finden sich keine in dem Papier, stattdessen vage Aussagen wie: „Wir wollen die ländlichen Räume durch gezielte Investitionen, strukturelle Reformen und die Förderung von Innovationen stärken.“ Ziel sei es, die Lebensqualität zu verbessern, wirtschaftliche Perspektiven zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Alles gut und richtig, aber was bedeutet das konkret? Darauf bleiben die Sozialdemokraten mehr als einmal eine klare Antwort schuldig. So heißt es außerdem, um hochwertige Bildung auch in abgelegenen Regionen zu erhalten, „müssen wir geeignete Lösungen gegen den Lehrkräftemangel, lange Schulwege, marode oder wegfallende Schulstandorte und schlechte Ausstattung finden“. Auch das ist richtig. Aber es wirkt hilflos, wenn Leserinnen und Leser dazu vergeblich überzeugende Lösungen suchen. Zu viel selbstverständliche Aussagen Richtigerweise werden im Positionspapier etliche Chancen und Probleme benannt – der Wert dualer Ausbildung, der Mangel an Fachkräften, der Mitgliederschwund bei Vereinen und vieles andere. Doch warum setzt die SPD zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements auf den Aufbau unbefristeter, aufsuchender, hauptamtlicher Strukturen? Warum muss immer der Staat alles lösen? Immerhin befürworten die Parlamentarier eine Entlastung der Ehrenamtlichen von bürokratischen Aufgaben. Das Positionspapier lässt durchaus Wertschätzung erkennen für die Menschen im ländlichen Raum, für Handwerker, Kleinunternehmer und andere, und es nennt auch zahlreiche Probleme. Aber insgesamt erschöpft es sich zu sehr in selbstverständlichen Aussagen wie der Forderung zur Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“, „dass die Mittel dort ankommen, wo sie benötigt werden“. Wer wollte das ernsthaft bestreiten? Mit solchen Formulierungen machen sich die Sozialdemokraten nicht angreifbar, doch solche Aussagen führen auch nicht weiter. Nötig sind direkte Antworten, um den Ärztemangel , den fehlenden Breitbandausbau , Probleme in der häuslichen Pflege oder mangelnden Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu beseitigen. Daher können die Überlegungen der SPD-Bundestagsfraktion allenfalls ein erster Schritt sein. Noch besser wäre es, für die Umsetzung in der Ampel-Koalition einzutreten. Überzeugend ist das Positionspapier so nicht.

  • „Ökologisches Denken: Schalenwild nicht als Schädling sehen“

    Harmonisierung von Konflikten zwischen Wildtier und Mensch: Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern und jahrzehntelange österreichische Erfahrungen in der Wildökologischen Raumplanung Mit einem Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern sollen in Deutschland erste Erfahrungen mit der Wildökologischen Raumplanung (WÖRP) gesammelt werden. Von der langfristigen Studie in einem Wildschwerpunktgebiet im Landkreis Vorpommern-Greifswald werden Erkenntnisse über die Vereinbarkeit von waldbaulichen und wildökologischen Faktoren erwartet. Was bei uns neu ist und auf freiwilliger Kooperation basiert, ist andernorts inzwischen ein alter Hut und gesetzlich verankert. 1989 aber schaute nahezu die gesamt internationale Forst- und Jagdszene nach Österreich. Denn dort geschah fast Revolutionäres. Erstmals wurde WÖRP für ein gesamtes Bundesland konzipiert und im Jagdgesetz verankert. Dessen wesentliche Teile, besonders jedoch Abschnitt 7 („Jagdwirtschaft“) bauen auf die WÖRP auf, die Professor Friedrich Reimoser von der Universität für Bodenkultur Wien in den 1980er-Jahren entwickelt hat. Wildbehandlungszonen, Wildräume, Wildregionen und Hegegemeinschaften, Mindest-, Höchst- und Mehrabschuss, Abschussaufträge und Freihaltungen, Wildruhezonen und jagdliche Sperrgebiete, Grünvorlage sowie behördliche Sanktionen bei Nichterfüllung von Mindestabschüssen stehen beispielhaft für den damals revolutionären Charakter dieses Gesetzes. Stets geht es bei WÖRP darum, Ansprüche von Wildtieren und menschliche Interessen in Einklang zu bringen. Also artgerechte Lebensraumsicherung einerseits und Wildschadensverhütung andererseits. Und das gleichzeitig. Als wenn das nicht bereits Anspruch genug wäre, besteht inzwischen die Gefahr, das Planungs- und Steuerungsinstrument zur Lösung von Nutzungskonflikten zwischen Wildtier und Mensch in der Kulturlandschaft zur eierlegenden Wollmilchsau umzudefinieren, die auch den Umbau zu klimaresilienten Mischwäldern sichert. Für jede Wildart möglich Klar ist, dass der Mensch in Wildlebensräume eingreift. Er betreibt Land- und Forstwirtschaft, nutzt die Natur für Jagd, Tourismus und vielfältige Freizeitaktivitäten vom Waldspaziergang bis zum alpinen Bergsteigen. Wild ist dabei elementarer Bestandteil aller Ökosysteme, an die auch der Mensch Ansprüche stellt. Grundsätzlich kann eine WÖRP für jede Wildart gemacht werden. Im Zentrum stehen dabei die großräumig lebenden Arten wie Rotwild, Gams, Steinbock, Muffelwild und auch Schwarzwild. Praktisch angewandt wurde es im Ausland bislang für alle heimischen Schalenwildarten ebenso wie für Auer-, Birk-, Hasel- und Schneehuhn. Auch für den Biber besteht ein interessanter Anwendungsbereich. Mit Blick auf den oft zitierten Wald-Wild-Konflikt bedeutet das Verfahren laut Reimoser „Wild mit als Standortfaktor zu sehen wie eben auch Sturm, Schnee, Trockenheit oder Borkenkäfer“. Land- und Forstwirtschaft aber hätten das „bis heute – von Ausnahmen abgesehen – nicht gelernt. Nach wie vor wird das Schalenwild oft nur als Schädling gesehen und der Abschuss und somit die Reduktion als einzige Schadenvermeidung betrachtet. Und genau das ist alles andere als ein ökologisches Denken.“ Diese Vorhaltung fordert indirekt einen waldbaulichen Ansatz, der weit über den Einsatz von Gewehr und Motorsäge hinausgeht. WÖRP ist ein Ausgleichs- und Abstimmungsinstrument, das einen Ist-Zustand ermittelt und einen Soll-Zustand definiert. Agiert wird auf drei Ebenen. Da ist zunächst eine großflächige Rahmenplanung, die die räumliche Verbreitung einer Art etwa auf Landesebene im Blick hat. Auf diese Basis baut die regionale Detailplanung auf, aus der sich dann spezifische lokale Gegebenheiten ableiten, etwa in einzelnen Jagdrevieren. Dabei ist klar, dass sich großräumige Planung und großräumige Kontrolle des Fortschritts bei gleichzeitigem regionalem und lokalem Umsetzen in einem Patentjagdsystem wie dem der Schweiz leichter realisieren lassen als im deutschen Reviersystem. Schon deshalb ist das Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern ein spannender Versuch. Es bedarf viel guten Willens Wenn dieser ganzheitliche Ansatz mit seinem dynamischen ökologischen Denken und Handeln gelingen soll, bedarf es viel guten Willens. Zunächst müssen alle Beteiligten sich ihren Einfluss auf die Wildlebensräume eingestehen und bei ihrem Handeln berücksichtigen. WÖRP erzwingt einen Kommunikationsprozess, in dem jeder seine Emotionen und individuellen Maximalvorstellungen zurückstellen muss. Im Extremfall zwingt das Verfahren im Interesse des Ganzen zur vollständigen Aufgabe von Gewohnheiten. Das fällt schwer. Im schlimmsten Fall aber steht WÖRP nur als Alibi gegenüber der Öffentlichkeit und Jagdkritikern auf dem Papier und die Fronten bleiben verhärtet.

  • Endspurt mit Woidke-Glatze

    Es ist die letzte Wahl in einem Flächenland vor der Bundestagswahl. Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Wieder droht ein Wahlsieg der AfD. Der SPD-Regierungschef Dietmar Woidke kämpft mit allen Mitteln dagegen an – sogar mit seiner fehlenden Haarpracht Jetzt soll es also Dietmar Woidke richten. Oder genauer gesagt: seine Glatze. Mit einer digitalen Animation des Kopfes des amtierenden Ministerpräsidenten will die Brandenburger SPD im Wahlkampfendspurt das Blatt noch wenden. Auf den letzten Metern zur stärksten Kraft werden. Man wolle keine „rechten Glatzen“, sondern wenn Glatze, dann Woidke, begründet SPD-Generalsekretär David Kolesnyk die ungewöhnliche Wahlkampfaktion. Auf einem Bildschirm oder im Internet ist erst nur der obere Teil des Kopfes von Woidke mit den Worten „Wenn Glatze“ zu sehen, dann bewegt sich das Bild von Woidke nach oben und die ganze Aufschrift „Wenn Glatze, dann Woidke“ erscheint – mit Hinweis auf die Wahl am 22. September. All das klingt sehr gewagt angesichts der letzten Umfragen, die in Brandenburg ein enges Rennen zwischen der rechtspopulistischen AfD  und der SPD vorhersagen. Die seit der Wende in dem Bundesland regierende SPD kommt nach einer seriösen Umfrage auf 26 Prozent, die AfD auf 27 Prozent. Die CDU unter dem – um es höflich auszudrücken – glücklosen Spitzenkandidaten Jan Redmann kommt auf 17 Prozent. Platz drei, kein Ausreißer nach oben, aber kein Absturz, der die Bundespolitik beben lässt. Das links-nationalistische Bündnis Sahra Wagenknecht dürfte wieder ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Denn auch in Brandenburg (Potsdam und seine wunderschöne Umgebung waren immer ein bevorzugtes Wohngebiet erst der Nazi-Prominenz, dann der SED-Oberen) verfängt die gefährliche Friedens-Propaganda der ehemaligen SED-Politikerin, die in Wahrheit längst das Geschäft des Kriegstreibers Putin betreibt und die das „Wir da unten gegen die da oben“-Spiel in alter Kadermanier recht gut versteht. Große Impulse für die Landespolitik sind von Wagenknecht nicht zu erwarten, schon gar nicht für den ländlichen Raum. Scholz wurde rausgehalten Für die SPD in Brandenburg geht es am 22. September ums Ganze. Genauso wie für Dietmar Woidke, den im Land durchaus beliebten Ministerpräsidenten. Bundeskanzler Olaf Scholz, obwohl wohnhaft in der Landeshauptstadt, durfte gar nicht erst im Wahlkampf auftreten. Woidke und sein Team setzen auf die Zuspitzung: „Die oder ich“, so lautet die Botschaft. Für den Fall, dass seine Partei nicht stärkste Kraft im Landtag von Potsdam werde, kündigte er seinen Rückzug aus der Politik an. Genau deswegen sind jetzt die Trucks mit dem animierten Glatzen-Motiv auf der Straße unterwegs. In Potsdam, Falkensee, Teltow und Kleinmachnow – also im Berlin-nahen Raum. In dieser Auswahl rund um den Ballungsraum Berlin/Potsdam zeigt sich aber auch der große Fehler vieler politisch Handelnder nicht nur in Brandenburg: die Fokussierung der Politik auf die Ballungsräume. Oder umgekehrt: die Vernachlässigung des ländlichen Raums. Die Angst vor der nächsten Flüchtlingswelle gerade via polnischer Grenze aus der Ukraine, der nach wie vor ungebremste demografische Niedergang mit all seinen Folgen für die Infrastruktur, die Verunsicherung durch das Wärmepumpen-Gesetz für viele Hauseigentümer auf dem Land, deren Immobilien häufig aus den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen – das beschäftigt die Menschen etwa im Märkischen Oberland oder im Spree-Neiße-Kreis mehr als fehlende Kita-Plätze, Staus an der Radstation oder teure Latte-Macchiato-Preise auf dem Wochenmarkt in Wilmersdorf. Forum Natur bietet Zusammenarbeit an Zuletzt meldeten sich auch die im „Forum Natur“ in Brandenburg zusammengeschlossenen Verbände zu Wort. Ihre Forderung: Macht endlich Politik fürs ganze Land. Also auch für den ländlichen Raum, für Forstwirte, Jäger und Landwirte. „Es geht darum, endlich konkret Verbesserungen der Lebensbedingungen im ländlichen Raum anzupacken sowie die Konflikte zwischen Stadt und Land gezielt zu reduzieren“, sagte Gernot Schmidt, Vorsitzender des Forums Natur Brandenburg (FNB) in diesem Blog. Die Verbände stünden bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten. Welcher Regierung sich dann die Verbände gegenübersehen, ist völlig unklar. Möglich sind unsichere Regierungsbildungen wie in Sachsen und Thüringen. Aber vielleicht richtet es ja die „Glatze“ des Dietmar Woidke doch noch auf den letzten Metern.

  • Heftiger Streit über Haushalt, Zuwanderung und Waffenrecht

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar ziehen wir eine erste Bilanz der jüngsten Auseinandersetzungen im Parlament über den neuen Bundeshaushalt sowie den Plan der Ampelkoalition, die illegale Zuwanderung einzudämmen. In diesem Zusammenhang geht es auch um eine Verschärfung des Waffenrechts, von der nicht zuletzt Jäger und andere Naturnutzer stark betroffen sein können. Des Weiteren gibt es reichlich Ärger um einen „falschen“ Wolf in der bayerischen Rhön. Migrationsgipfel, Sicherheitspaket, Haushaltsdebatte im Bundestag – in Berlin ging es diese Woche politisch hoch her. Mit viel Taktik und scharfer Rhetorik versuchten Regierung und Opposition, sich Vorteile in der öffentlichen Wahrnehmung zu verschaffen. Dies gilt mit Blick auf die Landtagswahl am nächsten Wochenende in Brandenburg und nicht zuletzt auch mit Blick auf die Bundestagswahl in einem Jahr. Doch der Erfolg dürfte begrenzt sein. Denn viele Bürger wissen kaum noch, was sie von all den Ankündigungen, Versprechen, Vorhaben zu halten haben. Dies gilt nicht zuletzt für die Menschen im ländlichen Raum , denn deren besondere Probleme spielten in Äußerungen – wenn überhaupt – nur eine sehr kleine Nebenrolle . Das Scheitern des Migrationsgipfels hat gezeigt, dass der Wunsch nach gemeinsamen Lösungen von Ampelkoalition und Union kaum noch verwirklicht werden kann. Dafür liegen die Vorstellungen zu weit auseinander. Man mag dies bedauern, aber sollte es auch nicht überbewerten. Denn die verfassungsmäßige Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition ist klar. Die Koalition hat Maßnahmen beschlossen, die sie auch ohne CDU/CSU umsetzen kann. Anders ausgedrückt: Die Regierung muss jetzt nachholen, was sie eigentlich schon in den letzten drei Jahren hätte machen müssen : jedes rechtlich zulässige Mittel einsetzen, um die irreguläre Migration nach Deutschland zu unterbinden. Ampelkoalition ist am Zug Oder anders ausgedrückt: SPD, FDP und Grüne sind hier am Zug. Und es ist die Aufgabe der Opposition, dieses Regierungshandeln kritisch zu begleiten und eigene Vorschläge zu machen. Und am Ende werden die Wähler das letzte Wort haben. So etwas ist der ganz normale demokratische Prozess. Nicht normal ist dagegen die Hektik, die innerhalb der Koalition jetzt beim Thema Migration sichtbar wird. Augenscheinlich hat sie die Brisanz nicht ernst genug genommen. Immer mehr Bürger haben den Eindruck gewonnen, dass der Staat die Kontrolle über seine Grenzen verloren hat. Dem daraus resultierenden Gefühl der Unsicherheit  muss entgegengewirkt werden, nicht zuletzt um bedrückende Wahlerfolge von Extremisten wie jüngst in Sachsen und Thüringen in Zukunft zu verhindern. Ob der jüngst beschlossene Maßnahmenkatalog der Koalition hier für einen Stimmungsumschwung sorgt? Zweifel sind angebracht, denn allein durch Worte und Versprechungen werden sich die Bürger nicht mehr zufriedengeben. Zur ersten Nagelprobe werden am kommenden Wochenende die Wahlen in Brandenburg , bei denen das Thema Migration wie aktuell überall in der Republik eine zentrale Rolle spielt. Auch in Sachen Haushalt ist die Ampelkoalition – freundlich formuliert – aktuell nicht gerade auf Kurs. Nur mühsam konnte eine halbwegs gesichtswahrende Vorlage für den Bundestag erstellt werden. Doch es besteht weiterhin eine große Finanzierungslücke, die durch ungewöhnlich hoch angesetzte globale Minderausgaben geschlossen werden soll. Hier wird Etatpolitik nach dem Prinzip Hoffnung gemacht. Ein Ausweis von Solidität und Weitsicht ist das gewiss nicht. Und überhaupt: Es fehlen klare Akzentsetzungen bei den großen Zukunftsaufgaben Sicherheit, Wirtschaftswachstum, Klimakrise. Kurzum, dieser Etatentwurf ist eine vorläufige Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Gerichte und Behörden überlastet Beispiel innere Sicherheit, zu der SPD-Innenministerin Faeser in dieser Woche ein umfangreiches Paket vorgelegt hat. Dazu gehören auch Verschärfungen des Waffenrechts, auf die wir in unserem Blog im Vorfeld bereits mehrfach kritisch eingegangen sind. Auch nach Ansicht des Deutschen Richterbundes fehlt darin die wirksamste Maßnahme: eine bessere Rechtsdurchsetzung. Hier liege der Schlüssel zu mehr Sicherheit, betonte jüngst der Bundesgeschäftsführer der Organisation, Sven Rebehn, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Vielfach überforderte Behörden und überlastete Gerichte könnten mit ihren wachsenden Aufgaben immer weniger Schritt halten. „ Bundesfinanzminister Christian Lindner muss endlich den Fuß von der Bremse nehmen und den Weg für einen Investitionspakt der Ampel mit den Ländern frei machen“,  sagte Rebehn. Mit Messerverboten und ein paar neuen Polizei-Befugnissen allein sei für die innere Sicherheit noch nicht viel gewonnen. Auch der Deutsche Jagdverband (DJV) betonte, es brauche eine Lösung für das bestehende Vollzugsproblem: Nötig seien besser ausgestattete Behörden, die überhaupt in der Lage seien, die Einhaltung bestehender Regeln zu kontrollieren. Der DJV forderte die sofortige Zurücknahme der geplanten Waffenrechtsverschärfung, da sie islamistischen Terror und Messerkriminalität nicht im Ansatz verhindere. Vielmehr enthalte das Paket erneut grundlose Verschärfungen für rechtstreue Bürger und belaste bereits überforderte Behörden weiter. Der Jagdverband rief die Ampelfraktionen und die Bundesregierung auf, endlich einen runden Tisch mit betroffenen Verbänden und Vollzugsbehörden des Waffenrechts in den Ländern und Kommunen einzuberufen. Wirbel um einen Wolf Momentan gibt es im Süden eine Riesenaufregung um die eigentlich legale „Entnahme“ einer vermeintlichen „Problemwölfin“ auf der bayerischen Rhön: DNA-Proben zeigen nach dem Abschuss, dass die behördlich beauftragten Jäger wohl das falsche Tier erlegt haben. Die wahre Missetäterin, die auch ordnungsgemäße Schutzzäune überwunden hat, um Rhönschafe zu töten, läuft noch frei herum. Und sie ist wohl erst mal vor Verfolgung sicher, weil die Abschussgenehmigung der Regierung von Unterfranken ausgeschöpft ist. Vielleicht auch, weil die Wutkommentare im Internet starke Nerven verlangen.   So läuft das amtsbekannte Raubtier weiter frei herum und widerlegt so manche Schutzbehauptung: Allein beim letzten Riss in der Nacht zum 26. August wurden sechs Schafe getötet und vier weitere verletzt. Die eingezäunte und von Herdenschutzhunden bewachten Tiere hatten in Panik den Zaun durchbrochen. „Täter“ war laut DNA in diesem Fall aber wohl ein Rüde, Partner der „Problemwölfin“ und Vater einer neuen Generation von bayerischen Wölfen. Am Rande: Bayerns Wolfsverordnung, die besseren Schutz von Weidetieren ermöglichen sollte, droht zu kippen. Die damit befasste Verwaltungsrichterin stellte vorab schon mal fest, dass die Naturschutzverbände nicht ausreichend beteiligt wurden. Es hat sich hier wieder einmal gezeigt: Die Beziehungen zwischen Wildtieren, deren Lebensräumen und den verschiedensten menschlichen Nutzungsansprüchen werden immer komplexer und komplizierter. Die Wildökologische Raumplanung  (WÖRP) soll als Planungs- und Steuerungsinstrument den Ausgleich schaffen zwischen den Nutzungskonflikten und einvernehmliche Lösungen herbeiführen. Erstmals wird das nun in Deutschland in einem Pilotprojekt im Landkreis Vorpommern-Greifswald versucht. In Österreich und der Schweiz ist dieses Verfahren bereits seit 35 Jahren bekannt und teilweise in den Jagdgesetzen verankert. Dort wird WÖRP verstanden als jagdgebietsübergreifende objektive fachliche Hilfestellung für den Abwägungsprozess zwischen den beteiligten Gruppen von der Land- und Forstwirtschaft über die Jagd und den Tourismus bis hin zu Freizeitaktivitäten in der Natur einerseits und den Bemühungen um die Sicherung des Lebensraumes für das Wild andererseits. Basis ist eine großflächige Rahmenplanung. Darauf baut eine regionale Detailplanung auf, aus der spezifische lokale Maßnahmen abgeleitet werden. Wild wird dabei  nicht als Schädling oder Störenfried, sondern als integraler Bestandteil der Natur verstanden . Mehr dazu können Sie in der kommenden Woche bei „natur+mensch“ in einem Beitrag unseres Autors Christoph Boll lesen. Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination

  • Mehr Mittel und mehr Zusammenarbeit

    Alle Jahre wieder: Das Saisonende läutet die Debatte ein, ob man sich den Freibad-Betrieb im nächsten Jahr noch leisten kann oder will. Doch wenn Bäder tatsächlich nur etwas für reiche Städte sein sollten, hätte der ländliche Raum das Nachsehen Zwangsschließung während der Corona-Pandemie, explodierende Energiekosten, anhaltender Fachkräftemangel, punktuelle Gewaltausschreitungen – die deutsche Bäderlandschaft ist in der Vergangenheit nicht aus den Schlagzeilen gekommen. Und immer wieder war parallel von einem „Bädersterben“ die Rede. So, als würde sich dieses Land bald komplett von der Bade- und Schwimmkultur verabschieden. Tatsächlich, so hat das Institut der deutschen Wirtschaft schon vor einem Jahr in einer Untersuchung festgestellt, fehlen für eine Bäderschließung im großen Stil belastbare Zahlen. Neben dem „Deutschen Bäderatlas“ gibt es nur das von Forschern der Hochschule Koblenz entwickelte Projektportal „ baederleben.de “, das alle öffentlichen Schwimm- und Bademöglichkeiten sowie Kurs- und Therapiebecken in schulischen oder medizinischen Einrichtungen in Deutschland sammelt. „Sammelt“ ist hier wörtlich zu verstehen, denn die Infos werden nach dem Wikipedia-Prinzip gebündelt. Aktuell gibt es laut „ baederleben.de “ in Deutschland 9619 Bäder. Der Bäderatlas liefert deutlich geringere Zahlen. Ob also hierzulande alle paar Tage ein Schwimmbad die Tore schließt, lässt sich nicht sagen. Klares Stadt-Land-Gefälle Fest steht aber, dass es bezüglich der Versorgung mit nutzbaren Schwimmbädern ein klares Stadt-Land-Gefälle gibt. In Städten beziehungsweise Ballungsgebieten können die Bewohner heute deutlich schneller ein Frei- oder Hallenbad erreichen. Auf dem Land ist der gerade an heißen Tagen begehrte Sprung ins kühle Nass erst nach einer längeren Anfahrt möglich. Früher hatten kleinere Gemeinden zumindest einen Ort, um auch das Schulschwimmen anzubieten. Heute gibt es die Schule nicht mehr – und dementsprechend weniger Bedarf für ein solches auch öffentlich zugängliches Becken. Neben Energiekosten und Personalbedarf drückt die allermeisten Bäder in Deutschland ein hoher Sanierungs- und Modernisierungsstau. Zwar gibt es in den Bundesländern Fördermittel für Kommunen, die ihr Bad zukunftsfest machen wollen, doch der Sanierungsstau beläuft sich nach Schätzungen inzwischen auf viele Milliarden Euro. Da sind die Millionen, die hier und dort bereitstehen, meist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Vor etwa einem Jahr hat die Bäderallianz Deutschland der Politik ein Positionspapier „Die Zukunft der deutschen Bäder“ überreicht. Der Zusammenschluss der führenden Verbände und Institutionen des Badewesens und Schwimmens listete viele Handlungsfelder auf, forderte neben Standards und deutlich mehr Mitteln auch eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit. Chance durch Kooperation Kooperation ist tatsächlich gerade in ländlichen Regionen ein Schlüssel, um eine Badschließung zu verhindern. Von der Küste bis zu den Alpen gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie es kleineren Orten gemeinsam mit einer engagierten Bürgerschaft gelungen ist, das Schwimmbad vor der Stilllegung zu schützen beziehungsweise wieder in Betrieb zu nehmen. So gelang es im oberbayerischen Wellheim vielen Engagierten, im Frühsommer ein vier Jahre lang zwangsweise geschlossenes Bad wieder zu eröffnen. Der Donaukurier schrieb von einem neunmonatigen „Kraftakt“. „Seit Monaten packen Rentner und junge Familien mit an. Sie schaufeln Bauschutt weg, baggern die Rasenfläche flach, pflastern die Wege rund um das Schwimmerbecken und für das Gerätehäuschen“, beschrieb der Bayerische Rundfunk die Situation. Hauptziel der Bürger war es, gerade der Jugend wieder das Bad zurückzugeben. Für eine fundierte Schwimmausbildung in der Stadt und auf dem Land wirbt unablässig die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). „Insbesondere die Sanierung der bestehenden Schwimmbadlandschaft sowie der Neubau von Bädern in Gegenden, wo Bedarf besteht, müssen auf allen politischen Ebenen eine höhere Priorität erhalten“, heißt es dort. Die DLRG fordert seit langem, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam einen bundesweiten Bäderbedarfsplan aufstellen und diesen dann abarbeiten. „Allem voran müssen wir den Trend zu immer mehr Nichtschwimmern und schlechten Schwimmern stoppen“, betonte kürzlich DLRG-Präsidentin Ute Vogt.

  • Ein Minister als Bremsklotz

    Im Norden: Bauern contra Umweltminister Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Tobias Goldschmidt zieht sich mit seiner kritischen Grundhaltung gegenüber der Landwirtschaft zunehmend den Zorn der Bauern zu. Auf dem Landesbauerntag in Rendsburg wurde Goldschmidt laut vernehmbar als „Bremsklotz“ bezeichnet. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), seit jeher ein Verfechter der herkömmlichen Landwirtschaft, beruhigte mit dem Angebot an die Adresse der Bauern: „Bei Problemen sprechen Sie mich an.“ Was durchaus als interne Kampfansage an den grünen Koalitionspartner in Kiel gewertet werden kann. Im Rahmen der landwirtschaftlichen Messe „Norla“ wurde die Missstimmung zwischen Bauernverband, Agrarminister Werner Schwarz (CDU) und seinem Kollegen Goldschmidt überaus deutlich. Bis zuletzt habe das Umweltministerium versucht, das Entlastungspaket der Landesregierung zugunsten des Bauernstandes zu verhindern, hieß es. Dadurch sei es kleiner ausgefallen als von den Landwirten und Bauernverband gefordert. Den Vorwurf „Bremsklotz“ bezeichnet Goldschmidt als eine „Mischung aus Folklore und dem Versuch, große und teils hausgemachte Probleme der Landwirtschaft im Umwelt- und Naturschutz abzuladen“. Der grüne Minister fügte hinzu: „Die Nachfolge auf vielen Betrieben ist nicht geklärt. Es ergeben sich hohe Risiken für die Landwirtschaft aus der Klimakrise, wie die Erntebilanz zeigt. Fast ein Drittel weniger Winterweizen und Raps als vor einem Jahr.“ Goldschmidt sagte in einem Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (sh:z): „Wer übernimmt denn da einen Hof? Dazu kommen die Gefahren für die Produktionsbedingungen aus nicht mehr intakten Öko-Systemen und die internationalen Anhängigkeiten von Saatgutlieferanten, Absatzmärkten und Pflanzenschutzmittel-Herstellern.“ „Überzogen alarmistisch“ Im Landeshauptausschuss des Bauernverbandes stößt die „bauernfeindliche Haltung“ des Umweltministers auf heftige Kritik. Agrarminister Werner Schwarz soll Goldschmidt folgendermaßen charakterisiert haben: „Überzogen alarmistisch.“ Schwarz könne die Ausführungen seines grünen Kollegen nicht mehr hören. „Er stelle alles einfach nur als kaputt dar“, wird kolportiert. Goldschmidt macht die Landwirtschaft auch für schlechte Wasserqualitäten verantwortlich. Das Grundwasser sei zur Hälfte im Land zwischen den Meeren in einem schlechten chemischen Zustand. „Wir müssen unser Trinkwasser zunehmend aufbereiten, weil da Pflanzenschutzmittel und Nitrate aus Düngemitteln drin sind. Von 70 Seen im Lande haben nur zwei eine gute Wasserqualität“, so der Minister. Der Großteil der Stickstoff- und  Phosphoreinträge seien auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Dies sei ein hohes Risiko für den Tourismus, zieht Goldschmidt eine alte grüne Kampfparole aus dem Hut. Dem widerspricht der Bauernverband in einer Mitteilung gegenüber unserem Blog „natur+mensch“: „Trinkwasseraufbereitung wegen Pflanzenschutzmitteln gibt es nicht und schon gar nicht zunehmend.“ Die Nährstoffeinträge aus Deutschland in die Ostsee machten zwei Prozent aus. Schleswig-Holstein, zumindest aber seine Landwirtschaft, dürfte demnach zu unter einem Prozent an den Einträgen beteiligt sein, schreibt Generalsekretär Stephan Gersteuer. In der Kieler Koalition schlagen die Wellen hoch. Die Vertreter der beiden grün geführten Sozial- und Umweltministerien gehören in der Staatskanzlei nicht zu den gern gesehenen Gästen.

  • Das Dorf wartet weiter aufs Glasfaser

    Immer mehr Menschen, ob alt oder jung, wollen aufs Land ziehen, dort arbeiten und leben. Eine der Voraussetzungen dafür ist aber ein leistungsfähiges Internet. Doch gerade daran mangelt es in vielen Regionen immer noch. Besonders schlecht ist die Versorgung mit Glasfaserkabeln in den kleinen Dörfern Die Chancen für eine Wiederbelebung des ländlichen Raumes wären da – aber es fehlt an der notwendigen Infrastruktur. Nur drei Prozent aller Dörfer sind in Deutschland vollständig ans moderne Glasfasernetz angeschlossen. Das ergab kürzlich eine Marktanalyse des Vergleichsportals Verivox. „Bisher sind wirklich nur 190 Dörfer komplett ans Glasfasernetz angeschlossen und verfügen so über eine schnelle Internetverbindung“, berichtete der zuständige Verivox-Telekommunikationsexperte Jörg Schamberg in einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Noch schlimmer: In sieben Flächenländern gibt es laut Analyse noch kein zu 100 Prozent mit Glasfaser ausgestattetes Dorf: in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Hessen und dem Saarland. Etwas besser sieht es im Norden des Landes aus: Die meisten vollversorgten Dörfer mit unter 3000 Einwohnern liegen den Angaben zufolge in Schleswig-Holstein (121), gefolgt von Niedersachsen (28) und Rheinland-Pfalz (20) im Südwesten der Republik. Datenbasis der Marktanalyse ist der aktuelle Breitbandatlas der Bundesnetzagentur. Dabei wäre gerade der Anschluss des ländlichen Raums ans moderne Glasfaser ein wesentlicher Entscheidungsgrund dafür oder dagegen, ob und wann Menschen – im Arbeitsleben stehend oder als Pensionäre – aus der überfüllten Großstadt raus aufs Dorf ziehen würden. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung hegt diesen Wunsch – aber nur dann, wenn man stabile Leitungen findet, die einem die Arbeit per Homeoffice ermöglichen oder den Online-Kontakt zu der Familie oder den Freunden beibehalten können. Auch der digitale Zugang zu Bildungseinrichtungen wie Schule, Volkshochschulen oder gar Hochschulen ist ein klares Argument, dass Menschen aus der teuren Stadt ins Umland ziehen würden oder eben nicht. Der technische Vorteil von Internet über Glasfaserkabel liegt darin, dass es deutlich weniger anfällig für Störungen ist als die Kupferkabel. Die Up- und Downloadraten können so konstant aufrechterhalten werden. Doch davon ist Deutschland vor allem in der Fläche weit entfernt. Nicht nur die baltischen Länder (die Glasfaserversorgung im ländlichen Raum liegt dort bei über 69 Prozent), sondern auch unsere Nachbarländer wie Österreich oder Frankreich geben beim Ausbau mächtig Gas. Die Ampelregierung in Berlin hatte im Koalitionsvertrag zwar das Ziel formuliert, Deutschland bis 2030 flächendeckend mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard zu erschließen. Klang gut, klappt aber offenbar nicht. Ein Vorhaben, das angesichts von drei Prozent Glasfaser auf dem Dorf nicht mehr zu erreichen sein wird. Denn auch bei der Versorgung mit Glasfaser hinken nicht nur die Dörfer hinterher, sondern es gibt erhebliche Unterschiede auch zwischen den Bundesländern: Während in der Großstadt Hamburg die Glasfaserversorgung bei zufriedenstellenden 68 Prozent liegt, müssen sich die Menschen im Saarland mit einem Anteil von 12,5 Prozent zufriedenstellen. „Oft konzentrieren sich die verfügbaren Anschlüsse noch auf Metropolregionen“, erklärte Verivox-Experte Schamberg. Der ländliche Raum ziehe nur langsam nach, obwohl der in puncto Bandbreite am meisten aufzuholen habe. Das ist ein klarer Standortnachteil zu Lasten des ländlichen Raumes. Verbraucherschützer sind genervt – und machtlos Zahlen, die auch Ramona Pop auf den Plan ruft: Die Vorständin der Bundesverbraucherzentrale fordert ebenfalls einen zügigen flächendeckenden Glasfaserausbau in den ländlichen Regionen. „Schnelles Internet ist kein Luxusgut, sondern eine Frage der Teilhabe – und die muss unabhängig vom Wohnsitz gewährleistet werden“, sagte Pop in einer Stellungnahme. Der Zugang zu schnellem Internet sollte im Jahr 2024 eine Selbstverständlichkeit sein. Die Wirklichkeit sieht anders aus, im Deutschland des Jahres 2024. Und diese verspielt aktuell viele Möglichkeiten für die Entwicklung und Wiederbelebung des ländlichen Raums in diesem Land.

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