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- Chaotische Lebensmittelkennzeichnung
In Europa gibt es kein einheitliches System für Angaben auf Verpackungen von Lebensmitteln. 450 Millionen Verbraucher werden in die Irre geführt, rügt der Europäische Rechnungshof Die Verpackungen von fast jedem Lebensmittel tragen inzwischen eine Vielzahl von Labeln, Etiketten, Gütesiegeln und Nährwertkennzeichnungen. Zudem preist die Industrie vielfach vermeintliche Eigenschaften der Produkte an: „Bio“, „glutenfrei“ oder „gesund“. Wobei keine Behörde kontrolliert, ob es sich um eine haltbare Aussage handelt oder um Schönfärberei. Dieses Chaos rügt der Europäische Rechnungshof in einem Sonderbericht. So gebe es EU-weit mehrere Hundert unterschiedliche Kennzeichnungssysteme, moniert Keit Pentus-Rosimannus, der die Prüfung verantwortet. Die Rechtsvorschriften der EU seien mangelhaft: So sei es etwa durchaus möglich, Produkte mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt mit ernährungsbezogenen Angaben zu bewerben. Dann würden zuckerhaltige Riegel zum Beispiel als High-Protein-Produkt angepriesen. Völlig verwirrend sind die Systeme zur Kennzeichnung des Nährwerts. So werden dafür in der EU sechs unterschiedliche Systeme empfohlen. In Deutschland wird seit 2020 Nutri-Score verwendet wie auch in Belgien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden. Der deutsche Verbraucher mag sich an die farblich unterlegte ABCDE-Skala gewöhnt haben, bei den direkten Nachbarn sucht er häufig schon vergebens: In Dänemark gilt das Keyhole-Symbol, in Polen, Tschechien und Österreich gibt es gar kein empfohlenes Kennzeichnungssystem. Einen Grenzpfosten weiter wird schon wieder etwas anderes benutzt: In Italien Nutrinform Battery und in Slowenien das Protective Food Symbol. Der Verbraucher aus dem benachbarten EU-Mitgliedstaat kann damit nichts anfangen. Die EU leistet sich auf dem wichtigen Gebiet der Verbraucherinformation bei Lebensmitteln eine peinliche Kleinstaaterei. Ganz so, als müsste der Binnenmarkt erst erfunden werden. Tatsächlich gibt es ihn seit über drei Jahrzehnten. Noch schlimmer ist, dass die Kommission diese Missstände seit langem kennt. Sie hat sogar versprochen, für Abhilfe zu sorgen. So hat sie sich 2020 in einem Bericht dazu bekannt, es sei „angebracht“, für eine „harmonisierte und verbindliche Nährwertkennzeichnung“ auf der Vorderseite von Verpackungen zu sorgen. In der umfassenden Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ aus dem gleichen Jahr hat sie sogar angekündigt, bis 2022 einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen. Bald ist die Kommission drei Jahre überfällig, und ein Konzept ist immer noch nicht in Sicht. Die italienischen Behörden gingen 2022 so weit, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die das in Deutschland, Frankreich und Benelux gebräuchliche Nutri-Score-Label verwendet und in Italien ihre Produkte verkauft haben. Dieses Chaos ist dazu geeignet, die übelsten Vorurteile gegen EU-Bürokratie zu erhärten. Festzuhalten bleibt, dass die Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran haben, zu erfahren, welche Inhaltsstoffe Lebensmittel haben. Bislang sind die Kennzeichnungen nicht dazu geeignet, die Europäer bei Kaufentscheidungen zu beraten. Im Gegenteil, die Etiketten verwirren die Menschen mehr. Dabei ernähren sich zu viele Menschen, und hier gerade die Jüngeren, ungesund: zu fett, zu süß und zu salzig. Die Kommission ist gefordert, umgehend ein System der Lebensmittelkennzeichnung vorzulegen, das EU-weit benutzt wird, verständlich ist und dem Verbraucher wertvolle Informationen liefert. Hinzu kommt, dass es nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt. Verbraucher wollen nicht belehrt, sondern informiert werden.
- Erste Hoffnungszeichen in den Wäldern
Der Borkenkäfer ist der Schrecken eines jeden Waldbesitzers. In ganz Europa hat der Schädling Millionen Hektar Wald vernichtet. Doch ein positiver Trend aus Thüringen macht jetzt etwas Hoffnung Es ist nur ein erstes Hoffnungszeichen, mehr nicht. Die Landesforstanstalt in Thüringen meldet vor einer Woche einen Rückgang bei der Schadholzmenge. Im zuletzt bilanzierten September lagen die offiziell registrierten 255.000 Festmeter deutlich unter dem Wert des Vorjahresmonats von 700.000, teilte die Landesforstanstalt mit Sitz in Erfurt gerade mit. Es ist bereits der dritte Rückgang in diesem Jahr. Zufall? Oder doch ein Zeichen, dass das Schlimmste überstanden ist? Fest steht: Mit den aktuellen Angaben aus Thüringen setzt sich wenigstens dort der leicht rückläufige Trend der vergangenen Monate fort – wenn auch auf relativ hohem Niveau. Seit Jahresbeginn hat der Borkenkäfer in Thüringen den Angaben nach bislang etwa drei Millionen Festmeter Schadholz verursacht. Bis Jahresende gehen die Waldschutzexperten in Thüringen nunmehr von rund 3,5 Millionen Festmetern Schadholz aus. „Das ist ein Rückgang von fast 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum“, erklärte Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand von der Landesforstanstalt in Erfurt. Und er lobt: „Die unermüdlichen Bekämpfungsmaßnahmen der Waldbesitzenden und Forstleute scheinen zu greifen. Wurde in diesem Jahr terminlich sehr früh schon saniert, sollten die Maßnahmen jetzt über Winter unbedingt fortgesetzt werden, um die Käferpopulation weiter zu senken.“ Ein Vorhaben, das viele Waldbesitzer überfordern dürfte, da gerade diese Branche durch den Befall durch den Käfer und den Preisverfall beim Holz finanziell extrem belastet ist. Noch keine echte Trendwende Von einer echten Trendwende, die die großen Schäden der vergangenen Jahre auch nur ansatzweise ausgleichen kann, ist man wohl nicht nur in Thüringen weit entfernt. Die jetzt registrierte Menge an Schadholz „liege in etwa im Bereich des hohen Schadniveaus der Jahre 2020 bis 2022“. Regionale Borkenkäfer-Hotspots bleiben in Thüringen die Fichtenbestände in den Forstämtern Neuhaus, Gehren, Oberhof, Frauenwald und Schönbrunn. Um Wälder besser vor dem Klimawandel zu schützen, sollen bisherige Monokulturen zu Mischwäldern mit verschiedenen Baumarten umgebaut werden. Dazu werden in Fichtenwäldern bereits etwa Buchen oder – vereinzelt – auch Douglasien zugepflanzt. In den vergangenen Jahren litten vor allem Fichten an den Klimafolgen wie Dürre und damit verbundenem Befall durch den Borkenkäfer. Aber auch anderen Baumarten wie Buche oder Eiche setzt der Klimawandel zu. Nadelbäume wie Fichten haben gegenüber Laubbäumen den Vorteil, dass sie schneller wachsen. In deutschen Sägewerken werde derzeit überwiegend Nadelholz verarbeitet, das auch für langlebige Konstruktionen wie Möbel und den Hausbau genutzt wird. Feuchte Witterung hilft Noch ist es zu früh zu sagen, ob sich der Trend der vergangenen Monate wenigstens im Osten verfestigt. Die Schadholzmengen aus 2023 und 2024 zeigen nach Expertenbeobachtungen in den Wäldern Sachsen, Sachsen-Anhalts und Thüringens eine enorme Borkenkäferpopulation an, die 2024 immer noch genügend Brutraum vorfindet. Positiv dagegen: Die aktuell gute Wasserversorgung der Waldböden scheint die Abwehrkräfte der Fichte aber zu stärken. Allerdings stellte der Vegetationsstart in den beiden vergangenen Monaten eine enorme „Wasserpumpe“ dar, das Bodenwasser wurde für den Blatt- und Nadelaustrieb benötigt. Borkenkäfer sind weltweit verbreitet und kommen an vielen verschiedenen Baumarten vor. Die meisten Arten besiedeln vor allem Bäume, die bereits geschädigt oder abgestorben sind. Arten, die auch gesunde Bäume befallen und die sich unter günstigen Bedingungen massenhaft vermehren, können Wälder flächig zum Absterben bringen.
- A wie Ampel-Aus – Z wie Zukunftsfragen
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserin, lieber Leser, die Auswirkungen des Auseinanderfallens der vor drei Jahren von SPD, Grünen und FDP noch geplanten Zukunftskoalition beherrschen die innenpolitischen Debatten. Mehr gewagt haben die Ampel-Koalitionäre vielleicht, nur vieles ist buchstäblich gründlich in die Hose gegangen. Die Auswirkungen des Ampel-Aus haben wir bereits in der letzten Ausgabe behandelt . Jetzt geht es um die Frage, wie es weitergeht – vor allem in der SPD. Olaf Scholz will weitermachen, ob die Wählerinnen und Wähler das zulassen, werden wir sehen. Wir schauen auch, ob in der Agrar- und Natur-Politik der Alltag wieder einkehrt. Die EU hat sich nach der Wahl neu sortiert und wird wohl andere Schwerpunkte setzen. Wir wenden uns einem Thema zu, das nicht auf eine Woche zu reduzieren ist. In unserem Blog werden wir uns auch mit dem Zustand und der Entwicklung des Waldes beschäftigen. Hinter uns liegt mit dem Blick zurück und auf die Politik nicht gerade eine Woche der Harmonie. Eigentlich sollte es mehr um Themen gehen, die die zerbrochene Ampel mit ihrem einstigen Ziel „Mehr Fortschritt wagen“ unerledigt hinterlässt. Jetzt stehen wir erst einmal vor dem quälend festgelegten Neuwahltermin, der nach dem Jahreswechsel am 23. Februar stattfindet. Zunächst stehen Namen und Personen im Mittelpunkt . Vor allem bei der Regierungspartei SPD. Dem, was wir in Zeitungen gelesen, vor dem Fernseher gesehen und vor allem in den sozialen Medien erlebt haben, soll in diesem Wochenbrief nicht mehr viel hinzugefügt werden. Des Ergebnis Stand dieses Wochenende: Die SPD entscheidet die K-Frage von oben nach unten . Die Druckaufträge für die Plakate mit dem Kopf des Kanzlers können erteilt werden. Scholz bleibt. Als geschäftsführender Kanzler und Kandidat. Vorerst? Beim letzten Mal 2021 hat Lars Klingbeil als damaliger Generalsekretär das Motiv „Scholz packt das an“ mit der letztlich begründeten Hoffnung vorgestellt, dass die SPD den Kanzler als „Macher“ stellen wird. Damals lag der Hamburger knapp drei Monate vor der Wahl in den Umfragen 16 Prozent hinter Laschet. Die andere Seite tritt jetzt geschlossen hinter Merz auf. Das jetzt ähnlich wieder aufzuholen, wird wohl schwierig. Jedenfalls glauben unverändert viele Genossen in der SPD nicht an ein weiteres Kanzler-Wunder mit Olaf Scholz. Vielmehr wird es im Themenwahlkampf auch darum gehen, was der Kanzlerkandidat damals versprochen und kaum geliefert hat: nüchtern, sachlich, hanseatisch Führung zu zeigen und angeblich Liegengebliebenes zu lösen. „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch.“ Das ziehen im Ergebnis viele inzwischen in Zweifel. Ein Restrisiko bleibt für Klingbeil und Scholz. Wenn die Umfragewerte noch weiter sinken, könnte die Diskussion auf dem spät gelegten Nominierungsparteitag erst sechs Wochen vor der Wahl wieder aufleben. Erst dann wird der Kanzlerkandidat bei der SPD formell und bindend aufgestellt. Die vorher von der Partei vorgesehene „Wahlsiegkonferenz“ am 30. November hat dagegen unverbindlichen Charakter. Wenn die Basis der SPD-Führung auf dem Parteitag nicht geschlossen folgt, haben Klingbeil und Scholz zusammen und die SPD insgesamt ein Problem. Das ARD-Politbarometer dieser Woche, das allerdings vor dem Pistorius-Rückzug erhoben wurde, beschreibt die Ausgangssituation im Spiegel der Wählerschaft kritisch. Die Zustimmungsraten fallen für Scholz schlechter aus als 2021. Jedenfalls hat die Opposition mit der Neuwahl das bekommen, worauf sie gedrängt hat. Die Formation um Friedrich Merz bei CDU und CSU steht. Jedenfalls sieht es so aus, dass Markus Söder seinen Fehler von 2021 nicht wiederholt und den Spitzenkandidaten aus der Schwesterpartei nicht noch einmal beschädigt. Übrigens: Wer Laschet heute erlebt, muss feststellen, dass er in der Bundespolitik wieder eine beachtliche Rolle spielt und neue Perspektiven hat. Die Union konnte sich gut auf die Kampagne für Merz vorbereiten. Die Themen liegen auf der Hand. Auf den Teil, den unser Blog vor allem im Blick hat, werden wir uns in Wahlprogrammen und Äußerungen bis zur Wahl besonders konzentrieren. Der ländliche Raum ist in den letzten Jahren einfach zu kurz gekommen! Ein englischer Politiker sagte einmal, dass viele politischen Entscheidungen an Schmerzgrenzen fallen und die Regierungen fast immer den Weg wählen würden, der für sie am wenigsten weh tut. Das gilt wohl auch bei uns. Im Gegensatz zu allen Aufregungen in Berlin kann ein halbes Jahr nach der Wahl in der EU der Normalbetrieb der nächsten Legislaturperiode beginnen. Am Mittwoch stellt sich im Europaparlament in Straßburg die neue EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen zur Abstimmung. Unser Autor Ludwig Hintjens berichtet von dort mit Blick auf unsere bevorzugten Themen zum Leben und Arbeiten auf dem Lande. Erst einmal geht es um von der Leyens Kabinett. Die Latte liegt nicht so hoch wie im Juli, als sie selbst zur Wahl als Präsidentin 360 Stimmen brauchte, also von der Hälfte aller Sitze. Diesmal reichen die Stimmen der Hälfte der anwesenden Abgeordneten. Das dürfte ihr gelingen, zumal die 188 Christdemokraten recht geschlossen für sie stimmen werden, ebenso die 77 Liberalen, sogar die deutschen FDP-Abgeordneten wollen für sie die Hand heben. Von den 136 Sozialisten zieren sich gerade die deutschen Sozialdemokraten. Sie verübeln von der Leyen, dass sie Raffaele Fitto, der von den rechten Brüdern Italiens (Fratelli d'Italia) kommt, eine herausgehobene Position in der Kommission gegeben hat. Diese Empörung ist fehl am Platz: Er ist ein überzeugter Europäer, jeder Mitgliedstaat kann seinen Kandidaten in der Kommission frei bestimmen. Dass Italien als großer Mitgliedstaat ein verantwortungsvolles Portfolio bekommt, ist schlüssig. Man rechnet damit, dass die Kommission 320 von 719 Stimmen im Parlament für die Bestätigung braucht. Vermutlich wird sie die Stimmen bereits im Lager der Parteien einsammeln, die die informelle Koalition tragen: Christdemokraten, Sozialisten und Liberale. Darüber hinaus dürfte sie noch Stimmen von der konservativen Parteienfamilie EKR und von den Grünen bekommen. Ein Blick auf das große Thema Bürokratie Bleiben wir noch kurz bei der EU, wo für den Außenstehenden vieles sehr kompliziert abläuft . In diesen Tagen bin ich über eine der unzähligen Bekanntmachungen in EUR-Lex, dem elektronischen Amtsblatt aus Brüssel, gestolpert. Es ist die „Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Hartholzsperrholz mit Ursprung in der Volksrepublik China“. Wenn man sich das mal näher ansieht , betrifft das erstens unseren Interessenkreis, sofern es um die wirtschaftliche Nutzung unseres Waldes und um den Schutz vor Holz-Billigimporten von anderen Kontinenten geht. Zweitens beim Lesen der gesamten Bekanntmachung (was eigentlich bei gefühlt über 1000 Zeilen mit Tabellen kaum ein Mensch macht) ist das aber auch als ein plastisches Beispiel dafür zu nehmen, wie viel an Beamten-Energie in der Brüsseler Bürokratie verschwindet. Und das Thema Bürokratie, das auch bei uns zu allen Ministerien und Behörden gehört, ist aktuell eines der Kernpunkte vor der Wahl. Alle reden über Bürokratieabbau, viel Hoffnung auf Erfolg ist mit Blick auf die Belastungen unserer mittelständischen Wirtschaft kaum zu spüren. Das Thema Wald beschäftigt viele direkt und indirekt Betroffene Zurück zum Wald. In dieser Zeit beschäftigen sich viele Eigentümer, Verbände und Naturschutzorganisationen mit Fachleuten und Laien, Politiker, natürlich auch Nutzer wie Forstunternehmen, Jäger und Erholungssuchende mit diesem Thema. Die Analysen zu Ursachen für die Feststellungen in Waldzustandsberichten sind meist übereinstimmend, die diskutierten Lösungsansätze und Konzepte gehen weit auseinander. In unserem Blog haben wir mehrfach dieses Thema behandelt und darüber berichtet, wie sehr die deutschen Wälder geschädigt sind etwa durch Borkenkäfer, Dürre, Krankheiten und in Folge die Anfälligkeiten etwa bei Bränden oder Stürmen. Am Montag berichtet unser Autor Frank Polke über einen Hoffnungsschimmer an einem Beispiel: In Thüringen geht die Schadholzmenge langsam wieder zurück. Wir wissen, wie sehr der Klimawandel gerade den Wald trifft . Und dass dominierende Baumarten langfristig keine Zukunft in Mitteleuropa haben. Besonders beklagen wir das für die in vielen unserer Mittelgebirgsregionen verbreiteten Arten Fichte und Buche. In vielen Forsten machen sie über die Hälfte der Bestände aus. Auch unsere Stiftung natur+mensch, die diesen Blog herausgibt, hat sich entschieden, sich an dieser gesellschaftlichen, politischen und fachlichen Diskussion zu beteiligen. Nach ihrer Satzung verfolgt sie diese Grundprinzipien: Schutz der Naturlandschaften, Pflege der Artenvielfalt, Erhalt artenreicher Kulturlandschaften. Damit wird sie auf dieses Thema künftig einen ihrer Projektschwerpunkte setzen. Zusammen mit forstwissenschaftlicher unternehmerischer Beratung hat die Stiftung natur+mensch ein konkretes Projektkonzept erarbeitet. Es beschreibt einen Zukunftswald, der wirtschaftlich betrieben werden kann und dabei jagdliche Perspektiven behält. Zum Themenkreis gehören als gesellschaftlicher Beitrag auch Aspekte wie Energieversorgung, Biodiversität, Gesundheits- und Erholungsfunktionen – sowie „Wald mit Wild“ statt „Wald vor Wild“ . Die Stiftung bezieht sich auf Praxisbeispiele , die z.B. in Revieren an Mosel und Rhein belegt werden können. Darauf werden wir an dieser Stelle gelegentlich zurückkommen. Als Indiz für den jeweiligen Zustand der Lebensräume wildlebender Tiere gilt die jährliche Erfassung der Jagdstrecken , die auf Kreis-, Landes- oder Bundesebene erhoben und veröffentlicht wird. Dokumentiert wird die Population der einzelnen Arten. Daraus ist auch abzuleiten, wie sich Vitalität und Qualität der Biotope entwickeln. Unser Autor Christoph Boll hat das gestern in unserem Blog zunächst für das Niederwild ausgewertet . In der nächsten Woche folgt Teil zwei für das Schalenwild – das vor allem trotz der Zunahme der Abschusszahlen für Rehe in seiner Dichte für einen Teil der Waldbewirtschafter bekannte Sorgen bei der Verjüngung bereitet. Bitte um Verständnis in der Zeit der Drückjagden Wer jetzt zum Wochenende seine Erholung in der Natur sucht, erlebt in diesen Wochen vielleicht auch etwas Unruhe in den Revieren . Es ist die Zeit der Bewegungsjagden, wo das Wild mit Hilfe von ausgebildeten Hunden aus Tageseinständen „herausgedrückt“ wird, um es waidgerecht und erfolgreich bejagen zu können. Drückjagden gehören zum Jagdbetrieb im Verlaufe eines Jagdjahres. Ohne sie könnten in vielen Revieren Wildschäden kaum niedrig gehalten werden . Zu hohe Wildbestände verursachen nun einmal wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe – ein immerwährendes Thema zwischen Jagdpächtern und Land- bzw. Forstwirtschaft. Unsere Jägerinnen und Jäger wünschen sich Verständnis bei den Erholungssuchenden und dort, wo in einer Begegnung Konflikte auftauchen, suchen sie in der Regel das Gespräch. Da kann es nur um gegenseitige Aufgeschlossenheit gehen. In meinem Niederwildrevier erleben wir übrigens eine besondere Harmonie, wie die Bilder vor dem Kamin eines Hofes in Hohenholte zeigt: Dackeldame Wilma und Kater Garfield. Sie sind ein Herz und eine Seele – anders als wir es nach dem Sprichwort wissen „Die sind ja wie Hund und Katz“, wenn zwei sich nicht leiden können. Sie knuddeln nicht nur, sondern knabbern vor dem Kamin am selben Knochen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein in jeder Beziehung harmonisches Wochenende Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Streckenstatistik verrät viel über Biotop und Wildvitalität
Die Erfassung der Jagdstrecke wird jeweils für das Jagdjahr vom 1. April bis 31. März ausgewiesen. Die Statistik dokumentiert die Population der einzelnen Arten. Sie dokumentiert auch Vitalität und Qualität ihrer Lebensräume. Teil 1: Niederwild Es geht mehr als um eine Selbstbeweihräucherung der Jäger, wenn die Jagdstrecken jeweils für ein Jagdjahr ausgewiesen werden. Die Statistik, die auf Kreis-, Landes- oder Bundesebene alle auf der Jagd erlegten Wildtiere sowie das sogenannte Fallwild erfasst, ist ein relatives Maß und Index der Populationsgröße einzelner Arten. Sie ist zugleich ein Indiz für den jeweiligen Zustand ihres Lebensraumes. Ist das Wild gesund und lebt es in einem optimalen Habitat, kommt es in größerer Zahl vor, als wenn es krank ist und aus Äsungsmangel kümmert. Wichtiger ist der mehrjährige Trend. Schwankungen von einem Jahr zum nächsten sind bei der Analyse wenig aussagekräftig, weil sie etwa durch eine intensivere Bejagung oder auch witterungsbedingt sein können. Nass-kalte Frühjahre und Frühsommer lassen bei vielen Offenlandarten kaum Nachwuchs groß werden. Bundesweit gibt es große Unterschiede der Entwicklungen bei Schalen- und Niederwild, bei Friedwild und Beutegreifern. Aber auch große Differenzen zwischen den einzelnen Bundesländern. Gämsen brauchen nun mal die Berge. Sie kommen in Deutschland vorrangig in den bayerischen Alpen und in geringerer Zahl auch im Schwarzwald und der Schwäbischen Alb, also in Baden-Württemberg, vor. Für die Zahlen bei Hase, Fasan, Rebhuhn und Kaninchen ist traditionell das norddeutsche Tiefland wichtig, also Niedersachsen und NRW, wo im vergangenen Jahr 72.737 Feldhasen erbeutet wurden. Das ist im Vergleich zum Vorjahr erneut ein leichter Anstieg, der fast immer nur möglich ist in Kooperation der Jäger mit der Landwirtschaft. Wo der Feldhase als Leittierart gute Lebensbedingungen vorfindet, fühlen sich auch andere Tier- und Pflanzenarten wieder wohl. Aber das Fünkchen Hoffnung auf eine Trendumkehr der seit Jahrzehnten sinkenden Besätze dürfte durch das seit einigen Monaten grassierende Myxomatose-Virus (siehe Blog-Beitrag „Myxomatose bedroht Meister Lampe“ vom 14. Oktober 2024) schnell erlöschen. Massiver Rückgang der Hasenstrecken Zuvor war die Hasenstrecke in NRW in zehn Jagdstrecken bis 2022 um etwa 77 Prozent von einst 127.000 auf 29.000 zurückgegangen, in Niedersachsen um 68 Prozent von 88.000 auf 28.000. Ursache war keineswegs ausschließlich jagdliche Zurückhaltung, sondern vielmehr auch auf die Zerstörung von Lebensräumen und Nahrungsgrundlagen durch Landwirtschaft und Versiegelung. 1981/82 wurden bundesweit noch 825.039 Mümmelmänner erlegt. 236.587 lautet die letzte vorliegende Zahl, die aus dem Jahr 2022/2023 stammt. Bei den Fasanen ist der Spitzenwert des Jagdjahres 1971/72 mit mehr als 1,3 Millionen auf 87.935 gesunken. Ganz ähnlich ist es beim Rebhuhn, das heute nur noch vereinzelt in bejagbarer Menge vorkommt. Zuletzt lagen noch 1.685 auf der bundesweiten Strecke. Bei den Kaninchen sank die Beute von 860.376 im Jahr 1990 auf zuletzt 63.856. Nicht ganz so dramatisch sind die Zahlen bei Waldschnepfe, Stockenten und Wildtauben. Aber auch sie sind im Sinkflug. Die Population der Beutegreifer wächst ständig Zum Niedergang des Niederwildes tragen ganz erheblich die Beutegreifer bei, deren Strecke kontinuierlich wächst. Zwischen 80.000 und 90.000 Dachse erlegen die Jäger pro Jahr, besonders im Süden der Republik. Es gibt Vermutungen, Meister Grimbart gehe es besonders dort gut, wo es etwas wärmer ist, und er könnte ein Gewinner des Klimawandels sein. Verglichen mit den Strecken von Hase und Fasan sind 412.245 erlegte Füchse immer noch viel. Aber es waren auch schon mal 250.000 Rotröcke mehr. Vielleicht fehlen Reineke doch die Kaninchen. Vergleichsweise neu bei uns ist der Marderhund. Die Enokstrecken haben sich in den vergangenen Jahren bei rund 30.000 eingependelt. Auffällig ist der hohe Anteil, der in Schleswig-Holstein erbeutet wird. Das nördlichste Bundesland hat die ehemaligen Hauptmarderhundländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg abgelöst. Es scheint, als fühle sich der Marderhund in kälteren Gefilden wohler. Jedenfalls schreitet die Besiedlung des Südens deutlich langsamer voran. Geradezu dramatisch ist die Ausbreitung des Waschbären. 2029/20 wurden erstmals mehr als 200.000 dieser Neubürger erlegt. Damit hatte sich die Strecke in nur sechs Jahren verdoppelt und in einigen Bundesländern wurden mehr Waschbären als Füchse erlegt. Das nährt die Prophezeiung, dass der Kleinbär in absehbarer Zeit zu Deutschlands häufigster Raubwildart aufsteigen wird. Er steht als invasive Art auch auf EU-Ebene auf der Liste der unerwünschten Arten, die intensiv gejagt werden sollen. Außerdem tragen Marderartige, Raben- und Greifvögel dazu bei, dass das Niederwild gezehntet wird. In einem weiteren Teil gehen wir in der kommenden Woche auf das Schalenwild ein.
- Der Hagel-Überflieger
Der 36-jährige Manuel Hagel hat allerbeste Chancen, dass 2026 in Baden-Württemberg nach 15 Kretschmann-Jahren wieder ein Christdemokrat Ministerpräsident wird Plötzlich trug Manuel Hagel eine Brille. Ein dunkles markantes Gestell. Eines, das den jugendlichen Eindruck des 36-Jährigen abfedert, Erfahrung und Kompetenz vermittelt, Seriosität nicht zuletzt. So was braucht einer, dessen Chancen prächtig stehen, 2026 Ministerpräsident in Baden-Württemberg zu werden und damit die lange Kretschmann-Schmach der über viele Jahrzehnte erfolgsverwöhnten CDU zu beenden. Dass glaubwürdige Parteifreunde tuscheln, Hagel würde nur durch Fensterglas schauen, was soll`s. Besser als kurzsichtig. Denn Hagel wird politischer, durchaus mit persönlichem Ehrgeiz gepaarter Weitblick attestiert. Der junge Mann sitzt seit 2016 im Landtag, ist seit 2021 Chef der zweitstärksten Landtagsfraktion und seit 2023 CDU-Landesvorsitzender. Ungewöhnlich geräuschlos hat Hagel die Stufen an die Spitze genommen, auch wenn seine Spitzenkandidatur gegen den Grünen Cem Özdemir von einem Parteitag erst in ein paar Wochen offiziell abgesegnet wird. Hagel steht für den Generationenwechsel, oft von den zaghaften Jungen der Landes-CDU verschlafen oder von den hartleibig Altväterlichen boykottiert. Mit 18 Jahren war er in die CDU eingetreten und bereits nach kurzer Ochsentour durch die Kommunalpolitik und die Junge-Union-Schule zehn Jahre später Generalsekretär der Südwest-CDU. Den wechselresistenten Fraktionschef Wolfgang Reinhardt hat er nicht ohne Raffinesse weggebissen, den angeschlagenen Parteichef Thomas Strobl zum Rückzug bewegt. 91,5 Prozent der Delegierten stimmten damals für den talentierten Nachwuchspolitiker. Hagel stammt unüberhörbar aus Ehingen an der Donau. Oberschwaben. Da ist Stuttgart weit. Als diplomierter Bankbetriebswirt ist ihm in der Politik der Blick auf die besten Zinsen und Anlagen nicht verloren gegangen. Seine Rede vom „Pflichten- und Lastenheft“, das es abzuarbeiten gilt, hat nicht nur unter den Häuslebauern in der Landespartei Kultstatus. Ein gepflegter Schwiegersohn vom Land statt ein freakiges Großstadt-Großmaul: Die Reden Hagels erinnerten dialektgefärbt „an eine vorderalpine Kreisbauernversammlung und inhaltlich an die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts“, schreibt die Stuttgarter Zeitung mit dem grün angehauchten Hochmut der Landeshauptstadt. Der Katholik ist verheiratet und Vater von drei Söhnen. Dialektgefärbt, konservativ und bodenständig Hagel gibt den Konservativen aus Überzeugung, wirft sich elegant in Trachtenjacken, lässt sich als aktiver Jäger ablichten und sucht vor allem dort wieder mehr Zuspruch, wo die Grünen fast alle der sicher geglaubten CDU-Direktmandate erobern konnten. Kretschmann sei`s gedankt. Warnungen vor dem Sozialismus verbinden sich da mit dem Ruf nach einem starken Sicherheitsstaat, ohne Umweltthemen, Infrastruktur und Gesellschaftswandel verständnisvoll außen vorzulassen. Laut einer Oktober-Umfrage liegt die CDU in Baden-Württemberg mit 34 Prozent (ein Plus gegenüber 2021 von zehn Prozent) weit vor den Grünen mit 18 Prozent (ein Minus von über 14 Prozent zu 2021). Das hört sich für Hagel gut an, auch wenn das Aus der Berliner Ampel neue Verschiebungen mit sich bringen könnte – und Cem Özdemir ohne die Last des Bundeslandwirtschaftsministers früher und 100-prozentig in die Landespolitik einsteigen dürfte. Hagel hat gegenüber Özdemir in Sachen Bekanntheit noch eine Menge Aufholarbeit zu leisten. In derselben Umfrage müssen zwei Drittel der Befragten passen, wenn sie nach ihm befragt werden. Für die meisten ist er ein unbeschriebenes Blatt. Dennoch halten laut einer anderen Umfrage 46 Prozent seine Wahl zum Ministerpräsidenten für wahrscheinlich. 55 Prozent dagegen glauben nicht an einen Sieg des bekannteren Özdemir. Aber wer weiß in diesen Tagen schon, was der Republik im nächsten Jahr noch alles blüht. Und ob Grün-Schwarz im Südwesten wirklich bis zum Frühjahr 2026 hält. Eines hat Hagel schon klargestellt: Einen Wechsel von Kretschmann zu Özdemir wird die CDU in dieser Legislaturperiode als Junior-Partner nicht mittragen. Wie auch immer: Die Chancen der CDU, nach 15 Jahren wieder den Ministerpräsidenten zu stellen, standen noch nie so gut. Hagel darf hoffen. Ganz nach einem Satz von Alexandre Dumas: Das Leben ist bezaubernd, man muss es nur durch die richtige Brille sehen.
- Das große Bangen um Northvolt
Schwedisches Unternehmen angeblich vor der Insolvenz Die Erdarbeiten waren in vollem Gang. Auch in der letzten Woche noch. Zwischen der Dithmarscher Kreisstadt Heide und dem Nordseebad Büsum soll die Northvolt-Batteriezellen-Fabrik auf einer Fläche von rund 170 Hektar entstehen. Batterie-Herstellung mit sauberem schleswig-holsteinischen Strom aus Wasser- und Windkraftwerken, wie geworben wurde. Aufbruchstimmung an der Westküste, von der Elbmündung hoch bis zur dänischen Grenze. Die größte Industrie-Ansiedlung in der Geschichte des Landes Schleswig-Holstein aber droht zu platzen. Wie die „Financial Times“ berichtet, steht die Insolvenz des schwedischen Unternehmens Northvolt kurz bevor. Dies wäre ein herber Schlag für Schleswig-Holstein und insbesondere für die Regionen an der Westküste. Rund 3000 neue Arbeitsplätze sollten schon bis 2026 entstehen. Wie die britische Zeitung unter Verweis auf Insider am Dienstag berichtet, erwägt das finanziell stark angeschlagene Unternehmen, Gläubigerschutz nach dem amerikanischen „Chapter 11“ anzumelden oder sogar in die Insolvenz zu gehen. Über die Zukunft von Northvolt und damit auch der geplanten Batteriefabrik im nördlichsten Bundesland werde „in den nächsten Tagen entschieden“, heißt es. Einer der Hauptinvestoren von Northvolt habe gegenüber der „Financial Times“ erklärt, dass er eine Insolvenz in „der nächsten Woche“ für wahrscheinlich hält. Er habe den Wert seiner Investition daher „auf Null“ abgeschrieben, wird hinzugefügt. Die Nachricht schlug gestern in der Kieler Staatskanzlei sowie bei zahlreichen mittelständischen Investoren, die bereits Land in der Nähe des geplanten Werkes gekauft haben, wie eine Bombe ein. Hatte Northvolt doch bislang trotz großer Finanzprobleme an den Plänen der Fabrik in Heide festgehalten. Bangen und Schweigen in der Politik Möglichst sollten derzeit keine Fragen zu Northvolt gestellt werden. Und wenn schon, dann bitteschön an Northvolt direkt. Die Kieler Landesregierung gibt sich zugeknöpft. Sie bangt, geht es doch schließlich um viel Geld. Bund und Land unterstützen den Bau der Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro, hinzu kommen Garantien von weiteren 202 Millionen Euro. Aus einer Vereinbarung geht hervor, dass demnächst Landesmittel in Höhe von 137 Millionen Euro fließen sollten, auf den Bund entfallen etwa 564 Millionen. Das hoch verschuldete nördlichste Bundesland will die Förderung über den Ukraine-Notkredit finanzieren. Ein politisch umstrittenes Finanzierungs-Modell. Ob die Auszahlung bis Jahresende erfolgen könne, sei „nicht belastbar vorhersehbar“, hatte Staatskanzleichef Dirk Schrödter (CDU) Mitte Oktober gesagt. Das schwer angeschlagene schwedische Unternehmen befindet sich nach eigenen Angaben von vor zwei Wochen in Verhandlungen über die weitere Finanzierung. Zuletzt hatte Northvolt die Entlassung von rund 1600 Mitarbeitern in seinem Heimatland angekündigt und mehrere Expansionspläne auf Eis gelegt. Steuerschulden von umgerechnet 25 Millionen Euro waren über Monate offen, wurden aber vor Kurzem an den schwedischen Staat beglichen. Die erst im Jahr 2018 gegründete Start-up-Firma verlor in diesem Jahr Großaufträge von BMW und der Volkswagen-Tochter Scania, weil Lieferzusagen nicht eingehalten worden seien, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Zudem bereiten die fehlenden Verkäufe an E-Autos in Europa Probleme. Dennoch hatte Northvolts Deutschlandchef Christofer Haux noch Mitte Oktober ein Bekenntnis zum Bau der Batteriefabrik in Heide abgegeben. Und doch gab es im Norden in den letzten Wochen erhebliche Zweifel an der Realisierung des Mammut-Projekts. In den Kreisen Dithmarschen, Steinburg und Nordfriesland ist es vorbei mit der Goldgräberstimmung. Die Preise für Ländereien fallen wieder, nachdem sie in den letzten beiden Jahren kräftig gestiegen waren. Spekulanten hatten auf eine Reihe von Zulieferern und private Hausbauer gesetzt. Von rund 3000 Arbeitsplätzen, die in der strukturschwachen Region entstehen sollten, war immer die Rede. Seit gestern glaubt kaum noch jemand im Norden daran.
- Waffenrechtsänderung: Aus Fehlern nichts gelernt
Bundesinnenministerin Nancy Faeser wollte das Waffenrecht mit aller Macht ändern. Trotz massiver Bedenken vieler Fachleute Seit gut zwei Wochen ist die umstrittene Gesetzesnovelle zum Waffengesetz in Kraft – und bringt offenbar erhebliche Vollzugsprobleme. Der Deutsche Jagdverband (DJV) spricht von einem „Chaos bei den Waffenbehörden“. Ursache sei die überstürzt geänderte Prüfung von waffenrechtlicher Zuverlässigkeit und persönlicher Eignung. Das führe „derzeit bundesweit zu massiven Schwierigkeiten bei der Erteilung von Jagdscheinen und waffenrechtlichen Erlaubnissen“, die auch dem Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB) sauer aufstoßen. Unklar ist wohl, wie die zusätzlichen Zuverlässigkeitsanfragen bearbeitet werden sollen. Der VDB hat bei den Waffenbehörden in allen Bundesländern erfragt, wie sie sich verhalten. Ergebnis: Knapp 40 Prozent „machen (…) erstmal nichts“, will sagen: Es werden Anträge einfach nicht bearbeitet und somit keine Erlaubnisse erteilt. Betroffen sind Jäger und Sportschützen ebenso wie jeder Bürger, der den sogenannten kleinen Waffenschein erwerben möchte, der Volljährige berechtigt, Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (PTB-Waffen) außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume und des befriedeten Besitztums zu führen. Hintergrund der Probleme ist die Neuregelung, dass nun auch die Bundespolizeibehörde, das Zollkriminalamt und die Polizeidienststellen, die in den letzten zehn Jahre für den Antragsteller zuständig waren, in die Abfragen einbezogen werden. Damit begründet auch der niedersächsische Landkreis Harburg auf seiner Internetseite sein Vorgehen: „Gleichzeitig wurde aber noch nicht festgelegt, wie diese Behörden die nun gesetzlich verpflichtend vorgeschriebenen Zuverlässigkeitsanfragen der Waffenbehörden – in Niedersachsen sind das die Landkreise – bearbeiten sollen.“ Außerdem werden mehr Behörden nachberichtspflichtig, müssen also beim Vorliegen von Erkenntnissen umgehend die Waffenbehörden informieren. Die Informationen müssen zudem so aufbereitet sein, dass die Waffenbehörde konkrete und verwertbare Erkenntnisse erhält. Von Beginn an gab es massive Kritik an den waffenrechtlichen Regelungen des sogenannten Sicherheitspaketes. Vertreter fast aller Bundestagsfraktionen, vor allem aber zahlreiche namhafte Experten waren sich einig, dass die Gesetzesänderung nicht das bringt, was sie verspricht, nämlich mehr Sicherheit und Schutz der Bevölkerung vor extremistischen und kriminellen Gewalttaten. Besonders deutlich wurde das bei der Anhörung im Innenausschuss des Parlaments. Dabei ist nach Einschätzung des VDB auch deutlich geworden, „dass hier eine Vereinfachung der Strukturen möglich gewesen wäre, um bürokratische Hürden und unnötige Mehrarbeit abzubauen“. Derzeit gebe es durch die Kombination aus regelmäßigen Zuverlässigkeitsprüfungen und der Nachberichtspflicht beständig doppelte Abfragen – in Millionenhöhe pro Jahr. Anstatt einer Entlastung stelle diese Ausweitung eine weitere bürokratische Belastung dar, die die Prozesse verlangsame. Fehlende digitale Vernetzung Eigentlich hätte SPD-Ministerin Faeser wissen können, wie nötig es ist, vor der Rechtsnovelle eine digitale Vernetzung aller beteiligten Behörden zu schaffen. Weil das nicht erfolgt war, gab es bereits bei Einführung der Verfassungsschutzabfrage im Jahr 2020 deutliche Verzögerungen bei der Antragstellung einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Insofern kann man auch sagen: Aus Fehlern nichts gelernt. Der DJV hatte im Gesetzgebungsverfahren auf die zu erwartenden Schwierigkeiten hingewiesen und gefordert, Änderungen erst dann in Kraft treten zu lassen, wenn in der Verwaltung die Voraussetzungen für eine zügige, möglichst automatisierte Abfrage geschaffen sind. „Das Chaos bei der Zuverlässigkeitsprüfung war vorhersehbar“, kommentiert deshalb auch DJV-Geschäftsführer Olaf Niestroj die jetzige Situation. In einem Protestschreiben fordert der Verband die Bundesinnenministerin auf, unverzüglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Jagdscheine und waffenrechtliche Erlaubnisse bundesweit wieder zeitnah in der üblichen Frist von zwei bis vier Wochen erteilt werden. In der Zwischenzeit müssten die Behörden die Erlaubnisse vorübergehend nach dem bisherigen Verfahren prüfen, fordert der DJV. Denn verspätet erteilte Jagdscheine können für Jäger massive Auswirkungen haben: Pächtern droht der Verlust ihres Jagdreviers, und ohne Jagdschein entfällt das Bedürfnis für den Besitz von Waffen. Der DJV weist außerdem darauf hin, dass die Waffenbehörden schon jetzt ausreichend Abfragemöglichkeiten und sogar die Pflicht haben, waffenrechtliche Erlaubnisse sofort zurückzunehmen, wenn sich herausstellt, dass diese nicht hätten erteilt werden dürfen. Die Behörden könnten also nach der Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die bislang nicht mögliche Prüfung fortsetzen und bei negativem Ausgang die Erlaubnis zurücknehmen. Der Verband betont darüber hinaus, dass es sich bei der Jagdscheinerteilung und der waffenrechtlichen Überprüfung um zwei unterschiedliche Prüfungen handelt. Bislang haben in vielen Bundesländern die Jagdbehörden die waffenrechtliche Zuverlässigkeit eigenständig geprüft. Dies muss nach Ansicht des DJV auch weiterhin möglich sein – gerade, wenn sich Waffenbehörden zu Zuverlässigkeit und persönlicher Eignung auf Grund fehlender Verwaltungsabläufe gar nicht äußern. Dies haben auch die gerade auf dem Deutschen Jagdrechtstag in Sundern (NRW) geführten Expertendiskussionen gezeigt.
- Das Menschenrecht auf warmes Wasser
Die Redaktion hat sich entschieden, mit einem seiner prägnanten Texte an unseren vor gut einer Woche verstorbenen Autoren Michael Lehner zu erinnern Den folgenden Beitrag hat Michael Lehner mit seinem Blick auf die Lebenswirklichkeiten in entlegenen Regionen und mit Beschreibung der Wahrnehmung von Ansichten in städtischem Zeitgeist beschrieben. Daraus zog er im Juli des Trockensommers 2022 in einem seiner Kommentare für unseren Blog mit bemerkenswerter Beobachtungsgabe sein Fazit: „Der akute Zwang zu mehr Bescheidenheit muss nicht den Verzicht auf Lebensqualität bedeuten.“ Im Erzgebirge stellt eine Wohnungsgenossenschaft ihren Mietern stundenweise das warme Wasser ab. Der Aufschrei geht quer durch die Republik. Und lenkt den Blick auf die Wehrlosigkeit einer an Komfort gewöhnten Gesellschaft. Wenn die Politik – nicht nur beim Heizen – zugleich Verzicht einfordert, zeigt sich die Dimension der Herausforderungen durch Krieg und Klimawandel. Und die Notwendigkeit, Bescheidenheit nicht als überholte Tugend zu begreifen. Sondern als Überlebensstrategie, die den ländlichen Raum in neues Licht rückt. Wandel ist schon zu spüren: Urlaub in der Heimat zum Beispiel hat wieder Konjunktur. Nicht nur wegen Warteschlangen-Stress in den Flughäfen. Sondern auch wegen einer wiederentdeckten Landlust. Ein zunehmend nachdenklich gewordenes Bürgertum beginnt (in Teilen) zu akzeptieren, dass gesundes Essen nicht aus fernen Ländern kommen muss. Städter balgen sich um Schrebergärten und bauen Hochbeete auf Balkon und Dachterrassen. Wie es scheint, haben sie gelernt, dass Nahrungsmittel nicht im Supermarkt wachsen. Gewünschte Bescheidenheit hat bereits begonnen Dass von Rind und Schwein nicht nur die Bratenstücke für den Teller taugen, predigen selbst Sterneköche. An der neuen Wertschätzung tierischer Nahrung ist – womöglich ungewollt – auch der Veganer-Trend beteiligt. So wahr, wie Schuhe aus Kunstleder und Gummi nicht für gesunde Füße sorgen. Selbst der Wahnsinn, regelmäßig intakte Kleidung zu entsorgen, kommt aus der Mode. Alles Hinweise darauf, dass die aktuell gewünschte Bescheidenheit längst begonnen hat, Realität zu werden. Das ist kein Armutszeugnis. Die Frage nach den beheizten Schwimmbädern Zurück nach Dippoldiswalde und zum Streit ums warme Wasser. Nicht erst ein Blick nach Südeuropa zeigt, wie wichtig und wertvoll Wasser selbst im kalten Zustand ist. Auch in reichlich deutschen Regionen sind die Folgen von Dürre und Wasserknappheit kaum zu übersehen. Als weiterer Hinweis für die Einsicht, dass Lebensmittel keine Nebensache sind und lange Hitzeperioden nicht nur Grund zur Freude übers Freibad-Wetter. Was zur Frage führt, ob wir uns beheizte Schwimmbecken in flächendeckender Dichte leisten müssen, wenn nicht nur Energie, sondern auch Wasser knapp ist. Noch lernen Dorfkinder, dass ein Bad im nächsten See mindestens so erfrischend ist wie eine Dusche. Zumal viele Seen dank Kläranlagenbau weit sauberer sind als in den Nachkriegsjahren. Der Streit um Verunreinigung durch Düngemittel dürfte obendrein an Schärfe verlieren, wenn die Landwirtschaft dereinst nicht mehr gezwungen wird, zum Überleben im Discounter-Preiskampf Masse zu produzieren. Und wenn steigende Energiekosten verhindern, dass selbst Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln oder Zwiebeln rund um den Planeten transportiert werden. Ernüchternd wirkt in solchen Zeiten des Wandels jedoch die Blauäugigkeit mancher Talkshow-Klimaaktivisten, die einen Stillstand der Industrie für eine Lösung der Probleme halten. Und nicht begreifen, wie wenig ihre Position mit der gebotenen Bescheidenheit zu tun hat. Da muss sich wohl noch herumsprechen, dass das Geld für gut gemeinte Öko-Wünsche nicht auf den Bäumen wächst. Sondern von Menschen erwirtschaftet wird, die sich momentan mehr um ihre Arbeitsplätze sorgen als ums warme Duschwasser.
- Ein denkbar schlechter Abgang
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar befassen wir uns mit der Rolle und dem Stil von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Auseinanderbrechen der Berliner Ampelkoalition, der Entwicklung der deutschen Wirtschaft und den Auswirkungen des Ampel-Aus auf die Agrarpolitik und Forstwirtschaft. Weitere Themen sind das Chaos bei der Umsetzung des neuen Waffenrechts, der anhaltende Unmut über das neue rheinland-pfälzische Landesjagdgesetz sowie eine aktuelle und erfreuliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Jagd- und Schonzeiten für Schalenwild in Bayern. Endlich will Olaf Scholz den Weg zu baldigen Neuwahlen frei machen. Nichts ging mehr. Seine Regierung bot zuletzt ein Trauerspiel. Die Partner waren zerstritten, überzogen sich gegenseitig mit Vorwürfen und kamen inhaltlich in keiner Weise voran. Und der Kanzler selbst machte beim großen Finale auch eine denkbar schlechte Figur. Sein persönliches Nachkarten gegen Finanzminister Christian Lindner war eines Bundeskanzlers unwürdig. So etwas macht man nicht, wenn sich ein Regierungschef von einem Minister trennt. Doch Scholz ist augenscheinlich sofort von der Rolle des Amtsinhabers in die des schmutzigen Wahlkämpfers geschlüpft. Das passt eigentlich nicht zu der vornehmen hanseatischen Art, die der frühere Hamburger Bürgermeister so gern für sich reklamiert. Im Übrigen sagte Scholz nur, was Lindner angeblich alles falsch oder nicht gemacht habe. Was er selbst und die Sozialdemokraten dagegen besser machen wollten, verschwieg der Kanzler. Wen wundert es da, wenn selbst in der SPD mittlerweile öffentlich die Frage immer lauter gestellt wird, ob Scholz tatsächlich noch ein geeigneter Spitzenkandidat sei oder man nicht doch besser in quasi letzter Minute auf den viel beliebteren Boris Pistorius setzen sollte. Für einen amtierenden Kanzler, der wieder gewählt werden möchte, sind solche Äußerungen aus der eigenen Partei schlicht ein Armutszeugnis. Positiv bleibt, dass Regierung und Opposition in bestimmten Teilbereichen noch vor den Wahlen gemeinsam Klarheit schaffen. Dies betrifft etwa die Höfeordnung, die die Übergabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg regelt. Die Höfeordnung soll grundsätzlich eine Zerschlagung von familiengeführten Bauernhöfen verhindern, indem lediglich ein Familienmitglied den Betrieb erbt und alle anderen eine Abfindung erhalten. Mit der jetzt vom Bundestag beschlossenen Neuregelung beträgt die Mindestabfindung künftig das 0,6-Fache des Grundsteuerwerts A. Note ungenügend Es wird höchste Zeit, dass auch wirtschaftlich nach Neuwahlen wieder ein klarer Kurs gefahren wird. Die deutsche Wirtschaft stagniert . Nach der aktuellen Prognose des Sachverständigenrats schrumpft sie in diesem Jahr leicht und im nächsten Jahr wächst sie kaum. Der Vergleich gegenüber 2019 sieht noch düsterer aus. In diesem Zeitraum ist die deutsche Wirtschaft nur um 0,1 Prozent gewachsen . Bei den Euro-Ländern waren es im Schnitt vier Prozent und bei der amerikanischen Wirtschaft zwölf Prozent. Das sei überhaupt nicht zufriedenstellend, kritisierte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer jetzt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Man könnte es auch noch drastischer formulieren: Note ungenügend in der Wirtschaftspolitik. Im Bereich Agrarpolitik und Forstwirtschaft hat die gescheiterte Ampelregierung ebenfalls reichlich Arbeit liegen gelassen, wie unser Autor Frank Polke am Freitag bereits thematisierte . In der Branche löst dies keinesfalls Bedauern aus, ganz im Gegenteil. So hatte es beim Bundeswaldgesetz Kritik sowohl an inhaltlichen Einzelheiten als auch an einem erneuten Bürokratiemonster für Waldbesitzer und Forstwirte gehagelt. Das höchst umstrittene Tierschutzgesetz gilt ebenfalls als gescheitert. Und mit einem neuen Düngegesetz muss sich nun die künftige Regierung nach den Wahlen befassen. Gewiss keine leichte Aufgabe, die aber hoffentlich besser und unbürokratischer als von der Ampel angegangen wird. Stichwort überbordende Bürokratie. Sie kostet Deutschland jährlich bis zu 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung, wie aus einer jüngst veröffentlichten Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts hervorgeht. Einer der Gründe für die hohen Kosten liegt den Angaben zufolge an der mangelnden Digitalisierung des Staates und seiner Behörden. „Würde Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auf das Niveau von Dänemark aufschließen, wäre die Wirtschaftsleistung um 96 Milliarden Euro pro Jahr höher“ , sagte der Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, Oliver Falck. Diese Zahlen zeigen einmal mehr, wie dringend geboten der Abbau von unsinnigen und viel zu komplizierten Vorschriften ist. Zurück zur zerbrochenen Berliner Ampelkoalition. Zu dem Chaos, das diese in vielen Bereichen hinterlassen hat, gehört das neue Waffenrecht. SPD-Innenministerin Nancy Faeser wollte mit der Neuregelung Handlungsfähigkeit des Staates demonstrieren und die Sicherheit der Bevölkerung erhöhen. Beides ist ihr gründlich misslungen. In Sachen Sicherheit gibt es keinerlei Fortschritte, denn das Problem sind nicht die legalen, sondern die illegalen Waffen. Und gegen sie hat Faeser keine neuen wirksamen Maßnahmen ergriffen. Sie wären wohl aus ihrer Sicht zu teuer und auch nicht plakativ genug gewesen. Stattdessen werden jetzt Jäger, Angler und viele andere Naturnutzer sowie unbescholtene Bürger in die Nähe von Kriminellen gerückt – eine fatale Entwicklung für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Große Probleme in der Verwaltung Hinzu kommen noch erhebliche Vollzugsprobleme in der Verwaltung. Hier gehören Jäger ebenfalls zu den Hauptleidtragenden. Im ländlichen Raum wichtige Organisation wie der Deutsche Jagdverband (DJV) oder auch der Verband deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB) kritisieren, dass es derzeit bundesweit zu massiven Schwierigkeiten bei der Erteilung von Jagdscheinen und waffenrechtlichen Erlaubnissen kommt. Hintergrund ist schlechtes Regierungshandwerk. Denn es blieb unklar, wie die drastisch erweiterten Zuverlässigkeitsanfragen bearbeitet werden sollen. Das führt zu großer Unsicherheit in der ohnehin völlig überlasteten Verwaltung und zu entsprechenden zeitlichen Verzögerungen bei der Erteilung der Dokumente . Nahezu alle Experten hatten im Vorfeld immer wieder vor solchen negativen Auswirkungen gewarnt. Die Ministerin zeigte sich leider beratungsresistent. Unser Autor Christoph Boll wird auf das Thema in der kommenden Woche noch mal ausführlich eingehen. Anhaltend großen Unmut gibt es weiter unter Jägern in Rheinland-Pfalz. Dort hatte das zuständige Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität im August einen überarbeiteten Entwurf für das neue Landesjagdgesetz vorgelegt. In dieser Fassung sollten eigentlich Verbesserungsvorschläge der betroffenen Verbände eingearbeitet sein. Der rheinland-pfälzische Landesverband deutscher Berufsjäger (BDB) etwa gab 2023 dazu eine 100-seitige Stellungnahme ab. Genutzt hat es offenbar wenig. Die fachlichen Verfehlungen des Ministeriums seien in Teilen noch gravierender als die Unzulänglichkeiten des ersten Regierungsentwurfs, kritisierte der Verband in einer Pressemitteilung. Die wesentlichen Kritikpunkte seien eine Verschlechterung des Tierschutzes, die Verstaatlichung verschiedener Entscheidungen, die eigentlich Akteuren in den Jagdrevieren treffen sollten, der schädlingsähnliche Umgang mit einigen Tierarten und die Unterwerfung des Wildes unter die Maßgaben von Forstideologen. Die Verbesserungsvorschläge, die der Verband eingebracht habe, würden sich im neuen Entwurf „in keiner Silbe“ wiederfinden, kritisiert der stellvertretende Landesvorsitzende des Verbandes, Revieroberjäger Nico Schulze. In Anspielung auf die Zentralisierung der Jagd und die Ermächtigung der Forstbehörde zum Erlassen von Vorschriften für die Jagd meinte Schulze, dies sei, als ob ein Urologe bestimme, wie ein Zahnarzt seine Patienten behandeln müsse: „Jedem ist klar, dass beide Ärzte sind, der Urologe aber von Zähnen keine Ahnung hat.“ Richter geben Jägern Recht Doch es gibt auch positive Nachrichten und Entwicklungen beim Thema Jagd. Anfang diesen Monats ist das Bundesverwaltungsgericht der Argumentation des Verein Wildes Bayern e.V. gefolgt und hat die Verordnung zur Änderung der Jagd- und Schonzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern für nicht rechtskonform erklärt. Seit über 20 Jahren war das Wild auf Dutzenden Flächen in den oberbayerischen Gebirgswäldern auch im Winter und im Frühjahr nicht mehr zur Ruhe gekommen. Alle fünf Jahre – und aktuell wieder – hob die Regierung von Oberbayern per Verordnung großräumig die Schonzeit für Rehe, Gämsen und Hirsche auf. Ausgerechnet die überlebenswichtigen Winterlebensräume des Gamswildes werden dann zu Todeszonen. Der Verein Wildes Bayern e.V. hielt diese Praxis nicht für rechtskonform und hat schon vor 2019 Klage gegen die damals aktuelle Verordnung eingereicht – zunächst erfolglos. Bis jetzt. Man freue sich riesig über diesen Sensationserfolg, der sich möglicherweise auch auf das gesamte Schutzwaldmanagement der Staatsforstverwaltung auswirken werde, verlautete von Seiten Wildes Bayern e.V. Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Niederwild: Hand in Hand den Lebensraum gestalten
Im Spätsommer kommt der Ernteschock fürs Niederwild. Das Futterangebot wird deutlich knapper. Und spätestens wenn der Mais geerntet ist, ist in der modernen Agrarlandschaft auch die Deckung weitgehend verschwunden Das Leid von Hase und Fasan ist die Freud´ von deren Fressfeinden. Deshalb ist eine scharfe Prädatorenbejagung im Niederwildrevier unerlässlich. Denn richtig ist zwar: „Nicht gefressen werden“ kommt vor „Schöner wohnen“. Aber die Bewirtschaftung der Ackerlandschaft hat erheblichen Einfluss auf deren Qualität als Lebensraum für viele Offenlandarten über das Niederwild hinaus. Das vielfache Wehklagen über die ausgeräumte Feldflur und das Erinnern an die vermeintlich gute alte Zeit ist nur die halbe Wahrheit. Ausgeblendet werden dabei positive Aspekte der Entwicklung. Richtig ist, dass Maschinen immer schneller und ebenso wie die Schläge immer größer geworden sind. Vergessen wird jedoch oft, dass damit auch neue Bewirtschaftungsformen entstanden sind, nicht zuletzt auch, um rechtliche Vorgaben des Boden- und Gewässerschutzes erfüllen zu können. Dazu zählt auch der Zwischenfruchtanbau. Zwischenfruchtanbau und Reviergestaltung Gerade im Herbst können deshalb die Grundbesitzer als Inhaber des Jagdrechts, das sind in aller Regel Landwirte, und die Jäger ihrer gemeinsamen Verantwortung für das Wild gerecht werden. Am besten geht das in Kooperation miteinander. Deren Rahmenbedingungen formuliert die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Die fordert vom Landwirt eine Mindestbodenbedeckung auf 80 Prozent der gesamten Ackerfläche inklusive Brachen. Als solche gelten Winterkulturen, mehrjährige Kulturen, unbearbeiteter (Stoppel-)Acker und Strohmulch mit Mulchauflage. Selbst Erntereste von Kartoffeln oder Zuckerrüben reichen aus. Unter jagdlichen Gesichtspunkten besonders interessant ist die Option des Zwischenfruchtanbaus. Über ihn kann der Landwirt auch seine Pflicht zur Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche erfüllen. Spätestens an diesem Punkt wird es für die Reviergestaltung interessant. Auch wenn kein fester Termin für die Einsaat vorgeschrieben ist und der Zwischenfruchtbestand erst am 31. Dezember auf dem Acker vorhanden sein muss, ist es für das laufende Jahr sicher zu spät. Aber die Bedingungen gelten für die gesamte bis 2027 laufende GAP-Antragsperiode und beinhalten unter anderem ein Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln ab Ernte der Vorfrucht. Am besten wird bis August ausgesät, um die gewünschte positive ackerbauliche Wirkung zu erfüllen und gleichzeitig einen hochwertigen Wildtierlebensraum zu schaffen. Gewünschte Abstimmung zwischen Landwirten und Jagdausübenden Der Landwirt kann bei der Saatgutwahl frei entscheiden und wird sich unter pflanzenbaulichen Gesichtspunkten an der guten fachlichen Praxis orientieren. In der Folge greift er oft zu Ölrettich oder Senfsaaten. Da gibt es reichlich Auswahl mit Wuchshöhen von unter einem Meter bis deutlich über 1,5 Meter. Bei der Winterfestigkeit ist oft das Ziel, dass die Pflanzen bei Frost absterben und der Aufwuchs nur noch als Strukturelement erhalten bleibt. Revierinhaber sollten jedoch darüber mit den Bewirtschaftern sprechen. Denn für das Niederwild gibt es deutlich bessere Saatmischungen. Sie bieten gute Deckung und Äsung, die dann noch um das in den Zwischenfruchtflächen oft reichlich vorhandene Ausfallgetreide ergänzt wird. Allerdings sind diese Mischungen mit rund 100 Euro je Hektar etwa doppelt so teuer wie reine Senfsaaten. Im Sinne der Hege ist die Investition allemal lohnenswert. Da ist es also durchaus sinnvoll, wenn Revierpächter und Landwirt über dieses Thema ins Gespräch. Hand in Hand können sie den Lebensraum aufwerten und für einen ackerbaulichen Gewinn sorgen. Wenn dann noch der Zwischenfruchtanbau gefördert wird, wie es einige Jagdgenossenschaften beim Einsatz hochwertiger Mischungen tun, tritt die Kostenfrage schnell in den Hintergrund. Zudem lässt sich mit einem klugen Zwischenfruchtanbau das Rehwild lenken und der Verbiss von Forstkulturen senken. Die Rehe nutzen nämlich dann auch im Winter die Feldflur als Einstand, weil es dort mehr Ruhe und Äsung gibt als im Wald.
- „Diesen Gesetzen weint keiner eine Träne nach“
Die Ampel-Regierung ist Geschichte. Jedenfalls bald. Doch seit dem Ende der Koalition dürften auch zahlreiche Gesetze aus dem Bereich Land- und Forstwirtschaft endgültig ad acta zu legen sein Die Parteien im politischen Berlin belauern sich aktuell. Vertrauensfrage im Dezember, Neuwahlen im Februar. Hinter den Kulissen geht es aber vor allem darum, sich die beste Ausgangslage für die Wahlen am 23. Februar zu verschaffen. Auf der einen Seite steht in Berlin die Rumpfregierung von SPD und Grünen, die seit dem Ausscheiden der FDP (bis auf Verkehrsminister Volker Wissing, der geblieben ist im Amt) keine Regierungsmehrheit mehr hat. Auf der anderen Seite die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die gern so schnell Neuwahlen gehabt hätte. So schnell wie möglich den Move des Niedergangs der Ampel ausnutzen. Man weiß im Umfeld von Friedrich Merz, dass die Zeit drängt. Auch für das Land. Agrarvorhaben sind vom Tisch Der Wahltermin steht jetzt: Es ist der 23. Februar. Bis zur Auflösung des Bundestages könnten entscheidende Gesetze wie zum Beispiel die Ukraine-Hilfe oder Unterstützung für die kriselnde Wirtschaft möglicherweise mit den Stimmen der Union doch noch verabschiedet werden. Für alle agrar- oder forstwirtschaftlichen Vorhaben der gescheiterten Ampel-Regierung gilt dies nicht. Sie dürften endgültig gescheitert sein. „Große Tränen weint diesen Vorhaben in der Forst- und Agrarbranche niemand nach“, sagt ein Insider. Eine Auswahl: Zum Bundeswaldgesetz hatten Verbände und Bundesländer Anfang November auf Einladung des zuständigen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir (Grüne) die Möglichkeit, Stellung zu beziehen. Es hagelte Kritik sowohl an inhaltlichen Einzelheiten als auch an dem erneuten „Bürokratiemonster“ für Waldbesitzer und Forstwirte. Auch die FDP – damals noch in der Ampel – war zu dem geplanten Gesetz auf Distanz gegangen, die CDU/CSU war ohnehin dagegen. „Mit dem Aus der Ampel-Koalition ist aus unserer Sicht auch das forstpolitische Kern-Projekt der Koalitionäre, die Novellierung des Bundeswaldgesetzes , beendet“, erklärte der Präsident der AGDW, Prof. Andreas Bitter. Konkret erhofft man sich in allen Verbänden rund um die Waldbewirtschaftung Hilfe bei der Wiederaufforstung, beim Umbau des Waldes, bei einer Reduzierung der Bürokratie. Auch die – ohnehin auf Druck der EVP auf Ebene der EU ausgesetzte – Neugestaltung der EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR) dürfte in der Form keine Unterstützung aus Berlin mehr erfahren. Das höchst umstrittene Tierschutzgesetz ist gescheitert. Einst das Vorzeigegesetz der beteiligten Minister Cem Özdemir und Steffi Lemke (beide Grüne), wird es in der Form wohl nie einen neu zusammengesetzten Bundestag verlassen. Vor allem die Verschärfungen beim Schwänzekupieren von Ferkeln oder beim Enthornen von Kälbern hatten Bedenken der „Praktiker“ hervorgerufen. Die Union nannte das Gesetz besonders „handwerklich schlecht“ gemacht, die FDP-Agrarpolitikerin Karina Konrad war ebenfalls von Anfang an skeptisch. Auch das Düngegesetz muss in der neuen Wahlperiode neu geregelt werden. Um die genaue Ausformulierung gibt es seit Jahren Debatten auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene. Zwar hatte der Bundestag den Änderungen zugestimmt, doch neben erheblichem Widerstand aus den Bundesländern kam die Kritik auch von Verbänden aus Landwirtschaft und Naturschutz. Vor allem die Änderungen bei der Stoffstrombilanz sorgen für Unmut . Bei der Stoffstrombilanz oder Nährstoffbilanz geht es um eine Auflistung der Zufuhr und Abfuhr von Nährstoffen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Mehr Betriebe sollen nach den neuen Regeln Aufzeichnungen darüber führen, wie viele Nährstoffe dem Boden durch die Bewirtschaftung entzogen werden und wie viele ihm durch Düngen zugeführt werden, um so das Verursacherprinzip bei der Nitratbelastung umzusetzen. Der Bundesrat kippte das Gesetzesvorhaben. CSU hat Interesse am Landwirtschaftsministerium Viele Gesetze – darunter auch die komplette Neuregelung des Umgangs mit dem Wolf – dürften also ab Frühling 2025 neu verhandelt werden. Dabei ist mit Spannung abzuwarten, welche Regierungskoalition eine Mehrheit haben wird. Es gilt als wahrscheinlich, dass die CSU im Fall eines Wahlsieges das Landwirtschaftsministerium für sich beanspruchen wird.
- Mehr Profil geht nicht
Michael Lehner war seit über 15 Jahren Autor, Ideen- und Ratgeber der Jägerstiftung natur+mensch. In dieser Woche hat uns die erschütternde Nachricht von seinem Tod erreicht Er wird uns fehlen – in der wöchentlichen Zoom-Redaktionskonferenz unseres Blogs und natürlich vielen unserer inzwischen monatlich über 120.000 Nutzer seiner Texte. Sie waren geschliffen, kenntnisreich, meinungsfreudig innerhalb fester Grundsätze – auch zum Thema Jagd, wie Sie unten unter diesem persönlichen Text zum Abschied lesen. Seiner Biografie unter uns Autoren des Blogs müssen wir zunächst ein Kreuz hinzufügen, bevor an seiner Stelle ein anderer Name zu setzen ist. In der Kurzbiografie ist bei uns über ihn zu lesen: „ Jahrgang 1948, geboren und aufgewachsen in München. Die Provinz hat er als Redakteur großer Regionalzeitungen lieben gelernt. Deshalb ist er nach drei Jahrzehnten in der bayerischen Landespressekonferenz zum Unruhestand wieder aufs Land gezogen. Von dort kümmert er sich weiter um ‚sein‘ Thema: Politik für (und gegen) den ländlichen Raum. Er ist Fliegenfischer, Jäger seit 40 Jahren und Träger der Bayerischen Umweltmedaille – vor allem wegen seines Engagements für intakte Fließgewässer.“ Das alles beschreibt nur einen Teil dessen aus der beruflichen Biografie von Michael Lehner, von dem die Jägerstiftung über 15 Jahre profitieren konnte. Er war davor einer der profiliertesten und meistgefragten Landeskorrespondenten. Er schrieb fundierte Beiträge für die „Schwäbische Zeitung“ und gleichzeitig Korrespondenten-Texte für große Regionalzeitungen von Flensburg (SHZ), Münster (Westfälische Nachrichten), Köln (Kölnische Rundschau) bis Karlsruhe (Badische Neueste Nachrichten). Dabei vermittelte er Außenstehenden seinen lebensnahen und treffsicheren Blick auf landestypische Eigenarten in der Politik seiner Heimat. Damit sind auch Namen mit tiefgehend ins Persönliche führenden Kenntnissen verbunden wie etwa Strauß, Stoiber, Seehofer oder aktuell Söder; auch entscheidende bayerische Köpfe in der Bundespolitik wie Waigel, Ramsauer oder zu Guttenberg. Michael Lehner war ein durch und durch politischer Mensch. Das erlebte schon Ende der 70er Jahre die Leserschaft der damaligen Zeitschrift Weltbild. Dort profilierte er sich als Chefreporter. Seine Texte waren stets gehaltvoll und immer lesenswert. Er schrieb kenntnisreich, detailgenau und wertete insbesondere in seinen vielen Kommentaren faktensicher und meinungsfreudig. Das Gespür für gesellschaftliche Strömungen zeichnete seine journalistische Arbeit aus. Seine Liebe galt der Jagd, dem Fliegenfischen, der Natur und der bayerischen Heimat. Zusammen mit dem profilierten Schweizer Buchautoren Hans-Ruedi Hebeisen („Faszination Fliegenfischen“ ) schrieb er Texte über diese besondere Angel-Spezies. Hebeisen beschreibt das Entstehen eines Kochbuchs für und von Fliegenfischern: „Michael Lehner war dabei, Fliegenfischer und Journalist aus München. Er half mir schon entscheidend, das Buch ‚Faszination Fliegenfischen‘ zu einem Erfolgstitel zu machen.“ Neben der Zusammenarbeit während meiner fast 25 Jahre als Chefredakteur haben wir auch in der Jagd tiefe Freundschaft gefunden. In Revieren bei mir im Münsterland, bei Freunden mit faszinierenden Hasenjagden von Bongsiel (Nordfriesland) aus im Hauke-Haien-Koog, in Tschechien und vor allem über zwei Jahrzehnte bei der Jagd auf Elch, Auer- und Birkhahn in der schwedischen Provinz Dalarna. Dort fand Michael Lehner seine zweite Landschaftsliebe, gute Freunde und eine weitere Heimat. Wer Lehner bei uns im Blog gelesen hat, erlebte zu vielen Themen vom Wolf bis zum Waldbau immer wieder Ausflüge dorthin. 2011 haben wir gemeinsam die Öffentlichkeitsarbeit der Jägerstiftung mit der Kampagne „Natürlich Jagd“ im Rahmen jagdkritischer Gesetzgebungsverfahren in verschiedenen Bundesländern entwickelt; beginnend in NRW mit Remmels Zielsetzungen. Dazu hatte Michael Lehner mit mir vorab bereits 2011 folgende Grundsätze für uns und unsere Arbeit aufgeschrieben: Jagd und Öffentlichkeit Grundlagen, inhaltliche Positionen + Botschaften Jagd ist die älteste Form menschlicher Naturnutzung. Jagd hat den Menschen bis in die Genstrukturen geprägt. Jagd gehört zur Natur des Menschen und damit zur Natur. Jagd ist Emotion und weckt Emotionen. Auch bei ihren Gegnern. Jagd ist nicht allein mit Argumenten der Vernunft zu erklären. Jäger und ihre Beute sind auf möglichst intakte Natur angewiesen. Jäger und Wildtiere sind deshalb eine Schicksalsgemeinschaft. Nachhaltig schützt der Mensch in erster Linie das, was ihm nutzt. Lebensfeindliche Umwelt ist immer auch jagdfeindlich – und umgekehrt. Jagd bedingt deshalb Emotionen zum Nutzen der Natur. Die Konfliktlinie verläuft nicht zwischen Natur und Jägern. Sie verläuft zwischen Naturferne und Naturnähe. Jagd und Raubbau sind natürliche Gegensätze. Jagd und Landwirtschaft sind im Prinzip eine Interessengemeinschaft. Der Gegensatz zwischen Jagd und bäuerlicher Tierhaltung ist künstlich. Jagdliche Öffentlichkeitsarbeit muss Standortbestimmung sein. Sie verzichtet auf anbiedernde Selbstverleugnung. Sie bekennt sich selbstbewusst zu Emotion und Tradition. Sie leugnet in solchem Selbstbewusstsein die Konsequenz des Tötens nicht. Sie versteht sich vielmehr als Bestandteil natürlicher Abläufe. Sie verzichtet auf Anbiederung und wehrt sich gegen Bambi-Mentalitäten. Sie verweist offensiv auf die gesellschaftliche Bedeutung der Jagd. Sie weckt Verständnis für die natürliche Freude an der Jagd. Sie ist im Zweifel konfliktbereit und niemals anbiedernd. Jägerinnen und Jäger haben keinen Anlass, in Sack und Asche zu gehen. Gerade das öffentliche Bild der Jägerin bietet Sympathie-Chancen. Vorurteile gegen eine verschworene Männergemeinschaft sind zu widerlegen. Jagd ist eine immer moderne und anspruchsvolle Form der Naturnutzung. Sie vermittelt Werte wie Zusammengehörigkeit über Standesgrenzen hinweg. Das Waidwerk braucht ein sympathisches und kompetentes Gesicht. Moderne Kommunikation lebt von Identitätsträgern. Wirksame Kampagnen leben von der Popularität ihrer Protagonisten. Die Jägerschaft schätzt den Naturschutz als natürlichen Verbündeten. Beißreflexe sollten schlecht geführten Hunden überlassen bleiben. Jagd wird ihrem Anspruch gerecht, wenn sie auf Anpassung verzichtet. Jäger sind weit mehr als Naturschützer im Lodenrock. Sie sind Naturschützer aus ureigenem Interesse und damit authentisch. Jagd gelingt erfüllend nur im Einklang mit der Natur. Dieser Kompetenzanspruch muss gelebt und nicht nur gepredigt werden. ML/JS 21.11.2011












