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Wildnis oder Wirtschaftswald: Stadt und Land gemeinsam

Torben Hammer

Wälder sind für viele Menschen ein Sehnsuchtsort – besonders für Städter, die in der Natur Ruhe und Ausgleich suchen. Für Landbewohner hingegen sind Wälder häufig Arbeitsplatz, Wirtschaftsgut und kulturelles Erbe


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Foto: mariohagen
Foto: mariohagen

Unterschiedliche Perspektiven führen immer wieder zu Konflikten. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit unserem Wald. Soll er ein unberührter Rückzugsort sein oder eine Ressource, die genutzt werden darf? In Zeiten des Klimawandels und der Artenkrise ist klar: Wälder sind eine gemeinsame Verantwortung. Doch wie können Stadt und Land zusammenarbeiten, um ihre Zukunft zu sichern?


Wälder erfüllen viele Funktionen, die weit über das hinausgehen, was auf den ersten Blick sichtbar ist. Sie nehmen Kohlendioxid auf, speichern es und filtern Schadstoffe aus der Luft. Ohne diese „grünen Lungen“ würde sich der Klimawandel noch weiter beschleunigen. Gerade Städter nutzen Wälder zudem als Rückzugsorte für Sport, Spaziergänge und Entspannung. Studien zeigen, dass der Aufenthalt im Wald Stress abbaut und das Immunsystem stärkt. Gleichzeitig sind Wälder Lebensraum für mehr als 70 % aller terrestrischen Tier- und Pflanzenarten. Ihr Schutz ist essenziell, um das ökologische Gleichgewicht zu bewahren. Für viele Landbewohner stellen Wälder jedoch eine wirtschaftliche Grundlage dar: Die Forstwirtschaft schafft Einkommen und Arbeitsplätze, besonders in ländlichen Regionen. Ohne diese Einnahmen könnten viele Waldbesitzer ihre Flächen nicht erhalten. Doch während Städter häufig die ästhetischen und ökologischen Aspekte schätzen, stehen für Landbewohner oft die wirtschaftlichen Realitäten im Vordergrund.


Wild“ und unangetastet oder wertvolles Gut?


Diese unterschiedlichen Sichtweisen auf den Wald führen immer wieder zu Spannungen. Viele Städter wünschen sich Wälder, die „wild“ und unangetastet wirken. Sie fordern weniger Holzfällung und mehr Schutzgebiete. Dabei übersehen sie oft, dass ein ungenutzter Wald nicht automatisch gesund ist. Sturm-, Käfer- und Dürreschäden erfordern gezielte Pflege, die nur durch aktive Bewirtschaftung möglich ist. Für viele Waldbesitzer ist Holz ein wertvolles Gut, dessen Verkauf die Pflege und den Erhalt des Waldes finanziert. Der Druck, ökologisch nachhaltige, aber gleichzeitig rentable Forstwirtschaft zu betreiben, wächst durch die Erwartungen aus der Stadt und findet sich in Gesetzesvorschlägen wie dem Bundeswaldgesetz wieder. Besonders in der Nähe von Städten werden Wälder zudem stark für kostenfreie Freizeitaktivitäten genutzt. Wanderer, Mountainbiker und Hundebesitzer schaden oft unbewusst sensiblen Ökosystemen, die vor allem im Winter Schutz und Ruhe brauchen.


Verständnis und Abbau von Vorurteilen durch Bildungsprojekte


Anstatt in Gegensätzen zu denken, sollten Stadt und Land die Wälder als gemeinsames Gut betrachten. Ein Ansatzpunkt ist die Vermittlung von Waldwissen. Förster können Städtern in Workshops oder Führungen die komplexen Zusammenhänge des Waldmanagements erklären: Warum braucht ein Wald Pflege? Welche Rolle spielt Totholz? Solche Bildungsprojekte können Verständnis fördern und Vorurteile abbauen. Ebenso können Städter ihren Beitrag leisten, indem sie nachhaltige Holzprodukte kaufen oder ihren Papierverbrauch reduzieren. Regionales Holz ist ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Wirtschaft und entlastet globale Wälder. Gemeinsame Projekte wie Aufforstungsinitiativen, bei denen Städter und Landbewohner zusammenarbeiten, schaffen ein Bewusstsein für die Verantwortung aller. Auch politische Maßnahmen sollten Waldbesitzern Anreize bieten, nachhaltige Praktiken umzusetzen, und gleichzeitig Naturschutzmaßnahmen finanzieren, anstatt ihnen den politischen Willen Einzelner aufzuoktroyieren. Städte könnten durch Patenschaftsprogramme oder finanzielle Beiträge Verantwortung übernehmen.


Statt Wälder als getrennte Themen von Stadt und Land zu betrachten, sollten wir erkennen, dass sie uns alle verbinden. Der Schutz der Wälder ist keine Frage von „Wildnis oder Wirtschaftswald“, sondern eine Frage der Balance. Er erfordert Kompromisse und das Verständnis, dass Wälder vielfältigen Ansprüchen gerecht werden müssen – von Klimaschutz bis Freizeit, von Holzproduktion bis Biodiversität.


Wenn Stadt und Land gemeinsam Verantwortung übernehmen, können wir die Wälder als Lebensgrundlage für kommende Generationen bewahren. Denn ob wir in einer Millionenstadt oder in einem kleinen Dorf leben: Ein gesunder Wald ist unser gemeinsames Erbe – und unsere gemeinsame Zukunft.


Unser Gastautor Torben Hammer, studierter Forstwissenschaftler, berät private Forstbetriebe hinsichtlich innovativer Waldbewirtschaftungen und Märkte.

3 Comments


Guest
Jan 19

Die "Balance" zwischen Wildnis oder Wirtschaftswald ist im Privatwald eine Utopie. Kein Privatwaldbesitzer wird sich je hinreißen lassen, Komprisse für die Natur zu machen.

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Guest
Jan 26
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Da muss ich Ihnen widersprechen. Gern lade ich Sie in meinen Betrieb ein!

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Guest
Jan 18

Gemeinsam für den Wald Verantwortung übernehmen,auch bei gegensätzlichen Interessen, verringert Spannungen u fördert das Verständnis für einander. Das dient sowhl auch dem Ökosystem Wald als auch den Menschen.

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