Weinanbau: „Schwierigste Lage der Nachkriegszeit“
- Frank Polke

- 3. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Die deutschen Weine sind von guter Qualität. Doch Klimawandel, teure Produktionskosten und die Zölle machen den Winzern das Leben schwer. Sehr schwer

Da klingt schon etwas wie Verzweiflung durch. „Es würde allen helfen, wenn die Deutschen pro Kopf eine Flasche Wein mehr trinken würden.“ Veröffentlicht wurde dieser Aufruf vom Verein der Zukunftsinitiative Deutscher Weinbau, einem Zusammenschluss von Winzerinnen und Winzern aus Deutschland. Dabei gehe es, so teilte der Verein mit, nicht darum, grundsätzlich mehr Wein zu konsumieren. Es geht um die Herkunft Made in Germany. „Es geht uns darum, dass der deutsche Verbraucher eine Flasche deutschen Wein pro Jahr und pro Kopf mehr kaufen und trinken soll – und zwar anstelle einer Flasche importierten Weins.“ Es geht um eine bewusste Kaufentscheidung, um heimische Betriebe zu stärken, präzisierte der Verein kurz vor der jetzt bundesweit beginnenden Weinlese seine Kaufempfehlung.
Ein Aufruf, der vor dem sehr ernsten Hintergrund einer bisher noch nie dagewesenen Krise des europäischen und damit des deutschen Weinanbaus erfolgt. Innerhalb der nächsten Wochen droht Hunderten Winzerbetrieben in allen Anbauregionen das wirtschaftliche Aus. Und das trotz einer qualitativ guten Trauben-Ernte und eines anerkannt guten Qualitätsstandards der heimischen Tropfen.
Verkaufspreise unter Erzeugerkosten
Die übervollen Rebstöcke sind für die Winzer also nicht nur gute Nachricht, denn eine Überproduktion bedroht auch die Qualität. Die Winzer müssten nun eingreifen und überzählige Trauben vorzeitig abschneiden. So könnten sich die Beeren am Stock besser entwickeln, ablesbar in höheren Mostgewichten, hieß es. Das Mostgewicht gibt den Zuckergehalt an. Die aktuelle Lage ist „dramatisch“, die Preise für Trauben- und Fassweine liegen aktuell bei nur 40 bis 60 Cent pro Liter und damit weit unterhalb der Produktionskosten. Bereits im vergangenen Jahr habe es ähnlich niedrige Preise gegeben; ein zweites Jahr in Folge auf diesem Verkaufsniveau bedeute für viele Betriebe das wirtschaftliche Ende.
Beispiel Rheinland-Pfalz: Auch die dortige Weinbauministerin Daniela Schmitt (FDP) sieht den Weinbau in einer existenziellen Krise und sagt das Verschwinden zahlreicher Betrieb voraus. „Ich glaube, wir werden eine massive Marktbereinigung bekommen, 20 bis 30 Prozent der Betriebe werden verschwinden, einige ganz still“, sagte die FDP-Politikerin. „Es ist die schwierigste Lage der Nachkriegszeit. Wir müssen von einer existenziellen Krise sprechen.“
Rheinland-Pfalz ist in Deutschland das Weinbauland Nummer eins, unter anderem mit den zwei großen Anbaugebieten Rheinhessen und Pfalz. Die Krise der Weinbranche beziehe auch andere Branchen mit ein. Gerade der Tourismus in der sonst eher strukturschwachen Mosel-Region lebe vom traditionell bewährten Zusammenspiel mit dem Weinanbau zum Beispiel an der Mosel. Viele Hotels und Gasthöfe locken ihre solvente Kundschaft gern mit Besuchen auf Weingütern – mitsamt Verkaufsveranstaltungen.
Dumpingpreise im Supermarkt
Die Gründe für den Absturz der heimischen Weinbranche sind weniger hausgemacht, haben sich doch gerade jüngere Winzer aufgemacht, verstärkt auf qualitativ hochwertige Weine zu setzen. Doch der Umstieg auch auf ökologische Erzeugung zum Beispiel ohne Pestizide ist teuer, der Verbraucher – wie in fast allen Bereichen gerade im landwirtschaftlichen Segment – goutiert das beim Kauf aber nur in geringem Maße. Die Zehn-Euro-Marke ist für viele Kunden immer noch eine Schallmauer, angesichts der steigenden Inflation gerade im Bereich Lebensmittel wird diese Grenze eher höher als niedriger.
Ein großer Teil der Weine auch aus deutscher Produktion wird nämlich über die Supermärkte verkauft. Hier geht es ums Prinzip Masse, nicht unbedingt Klasse. Gerade Discounter zahlen den Winzern für ihre Produkte aber eher Dumpingpreise. Stark gestiegene Kosten für Energie und Personal machen den Winzern zusätzlich zu schaffen. Den Rest dürften den europäischen Betrieben jetzt die hohen US-Zölle geben. Gerade in den Staaten war deutscher Wein in der Vergangenheit durchaus ein Verkaufsschlager.
Flexibilität ist jetzt gefragt, wieder einmal. Noch einmal die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Daniele Schmitt: „Viele Winzer haben nur auf einen Absatzmarkt gesetzt, vor allem an der Mosel. Es ist aber wichtig, neue Märkte zu erschließen.“ Als Beispiele für neue, interessante Märkte nannte die Ministerin Japan und Indien.






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