Wenn die Papenburger Meyer-Werft schließen müsste, wäre das eine Katastrophe für eine ländliche Region. Niedersachsens Landesregierung will helfen, stellt aber auch Forderungen

Es ist immer ein Ereignis, wenn sich ein rund 240 Meter langes Luxus-Kreuzfahrtschiff den 40 Kilometer langen Weg bahnt von der Papenburger Meyer-Werft über die Ems in Richtung Dollart und Nordsee. Zahlreiche Schaulustige stehen dann am Fluss, und auch die „Tagesschau“ hat von der spektakulären Überführung der Ozeanriesen schon oft Bilder gesendet. Doch wenn es schlecht läuft, könnte damit bald Schluss sein, denn die Werft steckt in finanziellen Schwierigkeiten.
Sollte es tatsächlich zum Konkurs kommen, wäre das eine Katastrophe für eine strukturschwache Region im Nordwesten Niedersachsens: für das nördliche Emsland und das angrenzende Ostfriesland – einst die Armenhäuser der Nation. Die Werft, einer der größten und innovativsten Schiffbauer in Europa, ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für ganz Niedersachsen.
Landeswirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), selbst aus dem Nordwesten des Landes stammend, nennt sie ein „industrielles Aushängeschild von Weltrang“. Rund 3300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, und es sichert geschätzt mindestens 10.000 weiteren Arbeitnehmern bei Zulieferern und Dienstleistern Aufträge.
Probleme wegen gestiegener Energie- und Rohstoffpreise
Die Auftragsbücher sind auch derzeit gefüllt, sechs Kreuzfahrtschiffe sind bestellt. Doch die Meyer-Werft benötigt bis 2027 finanzielle Mittel in Höhe von 2,77 Milliarden Euro. Das Liquiditätsproblem hat die Corona-Pandemie verursacht, denn die Verträge für die Kreuzfahrtschiffe sind zum Teil zuvor abgeschlossen worden.
Seitdem sind jedoch die Energie- und Rohstoffpreise, auch wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine, drastisch gestiegen. Und die Werft muss weitgehend vorfinanzieren, das ist im Schiffbau üblich. Sie erhält erst dann rund 80 Prozent des Kaufpreises, wenn die Kreuzfahrtschiffe fertig sind. Der Bau muss also mit Krediten zwischenfinanziert werden.
Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium
Und wegen der Bedeutung für die Region ist die Existenz der angeschlagenen Meyer-Werft aktuell eines der wichtigsten Themen für die niedersächsische Landespolitik. Auch die Bundesregierung prüft eine Rettung des Unternehmens; das Bundeswirtschaftsministerium steht in Kontakt mit dem Land Niedersachsen und der Werft.
Wie weit darf sich die Landes- und Bundespolitik einmischen?
In Hannover sind sich SPD, Grüne und die größte Oppositionspartei CDU einig, dass die Werft nur mithilfe staatlicher finanzieller Unterstützung, etwa in Form einer Bürgschaft, eine Zukunft hat. Und dass es ein tragfähiges Konzept braucht, damit das Traditionsunternehmen weiterhin erfolgreich agieren kann.
Unterschiedliche Ansichten bestehen jedoch in der Frage, wie weit sich die Politik in die Arbeit von Geschäftsführung und Betriebsrat einmischen darf. Die CDU und ihr Fraktionschef Sebastian Lechner lehnen dies ab, während Wirtschaftsminister Lies – wie die IG Metall und der Betriebsrat – den geplanten Abbau von rund 440 Stellen kritisiert. Der Ressortchef fordert, die Meyer-Werft müsse ihren Firmensitz wieder nach Deutschland verlegen. Seit 2015 sitzt die Holding in Luxemburg, wo sie keinen Aufsichtsrat braucht, es daher weniger Mitbestimmung gibt. Die Unternehmensleitung ist hier offenbar zum Einlenken bereit.
Die Hilfe des Staates ist übrigens ist nicht Neues in der fast 230-jährigen Firmengeschichte der Werft, bei der 1985 das erste Kreuzfahrtschiff vom Stapel lief. Heftige Diskussionen löste in den 1990er Jahren die Vertiefung der Ems aus. Es kam zum Bau des 2002 fertiggestellten Ems-Sperrwerks, an dem sich der Bund und das Land beteiligten.
Während CDU und SPD sich einig waren, leisteten die Grünen seinerzeit erbitterten Widerstand. Heute ist das anders: Auch dem Grünen-Politiker Gerald Heere, dem Chef des Finanzressorts in der Landesregierung, ist sehr an der Rettung der Werft gelegen.
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