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Es wird reibungslos verhandelt

  • Autorenbild: Frank Polke
    Frank Polke
  • 1. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktuell laufen die Koalitionsverhandlungen in Berlin. Während es an anderen Stellen knirscht, gibt es beim Thema ländlicher Raum wenig öffentlichen Streit


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Foto: Kamyq
Foto: Kamyq

Das genaue Hinsehen lohnt sich. Das gilt besonders für die Arbeitsgruppe elf der in Berlin laufenden Koalitionsverhandlungen. Unter der Überschrift „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt“ verhandeln 16 Vertreter von CDU, CSU und SPD aktuell den Koalitionsvertrag, der die Zukunft der ländlichen Räume wenigstens für die nächsten vier Jahre regeln soll. Dabei geht es natürlich um klassische Themen wie die Nutztierhaltung, die Zukunft der Landwirtschaft und der Jagd, aber auch um das ganz große Thema Abbau der überbordenden Bürokratie. Andere Bereiche, die für die Zukunft der ländlichen Räume ebenfalls wichtig sind wie zum Beispiel der Öffentliche Nahverkehr oder die Versorgung mit Glasfaser, werden allerdings in anderen Arbeitsgruppen verhandelt.


Auch wenn bisher sehr wenig aus der Arbeitsgruppe elf an die Öffentlichkeit gedrungen ist, gibt es zwischen Union und SPD ein hohes Maß an Schnittmengen. Beispiel Abbau der Bürokratie: So soll die Stoffstrombilanz offenbar gänzlich entfallen. Diese wurde auf Druck der EU-Kommission 2017 in Deutschland eingeführt und war ein Lieblingskind vor allem des jetzt abgewählten grünen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir. Gedacht als gesetzliches Mittel, Nährstoffflüsse in landwirtschaftlichen Betrieben transparent und überprüfbar abzubilden, entwickelte sich diese Stoffstrombilanz zu einem bürokratischen Monster. Nicht nur Landwirtschaftsverbände beklagten, dass es für fast alle Betriebe ohne externe (und damit teure) Beratung unmöglich war, diese Formulare korrekt auszufüllen. „Diese Vorgabe zwingt mich noch länger an den Schreibtisch“, schimpfte ein Landwirt. „Zeit, die ich viel besser in meinem Betrieb und Stall verbracht hätte.“


Die Grünen vermisst keiner


Doch nicht nur beim Thema Stoffstrombilanz bzw. dem übergeordneten Projekt Bürokratieabbau vermisst keiner der 16 Verhandler von Union und SPD in Berlin aktuell die Grünen. Ganz im Gegenteil: Hier kann die neue-alte „Groko“ zeigen, dass was geht. So ist man sich offenbar wohl einig darüber, die volle Agrardiesel-Rückvergütung wieder einzuführen. Diese Kürzungspläne hatten für die größten Proteste der Landwirte in den vergangenen 20 Jahren in der Bundesrepublik gesorgt. Nach Meinung von Beobachtern haben diese sehr bilderstarken Proteste ganz erheblich mit dazu beigetragen, dass die Ampel-Koalition im Herbst zerbrochen ist.


Mindestlohn ist umstritten


Ebenfalls einig sind sich die Verhandler darüber, die Nutztierhaltung in Deutschland zu fördern. Im Gespräch sind 1,5 Milliarden Euro Förderung allein für Betriebe, deren wirtschaftlicher Mittelpunkt die Schweinehaltung ist. Dazu soll ein langfristiger Finanzplan aufgestellt werden, um den durch Turbulenzen auf den Agrarmärkten zusätzlich verunsicherten Landwirten Planungssicherheit im nationalen Rahmen zu gewähren. Auch bei der Umsetzung der Naturwiederherstellungsverordnung und der Nationalen Biodiversitätsstrategie liegen die Positionen nicht weit auseinander – anders als beim Mindestlohn. Hier zeigt sich die SPD nicht kompromissbereit und segelt auf SPD-Linie. Diese setzt sich bisher für ein baldiges Steigen des Mindestlohnes ohne Ausnahme auf 15 Euro ein. Die Verhandlungsführerin der SPD, die Bundestagsabgeordnete Franziska Kersten aus Sachsen-Anhalt, dürfte außerhalb der Kommission „Ländliche Räume“ aber nicht das politische Gewicht auf die Waage bringen, um sich offen gegen den Kurs der Bundes-SPD zu stellen. Auch der einflussreiche Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus – er amtiert seit 26 Jahren in Schwerin – dürfte dieses Thema gegenüber Klingbeil und Esken nicht „eskalieren“ lassen.


Auf der Seite der Unions-Verhandler gelten die beiden Bundestagsabgeordneten Albert Stegemann (Niedersachsen) und Steffen Bilger (Baden-Württemberg) als höchst einflussreich. Stegemann führt im Nebenerwerb selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb, gilt als fachkundig und holt regelmäßig im Emsland tolle Erststimm-Ergebnisse. So wurde er nach dem erzwungenen Rückzug des CSU-Kandidaten Georg Felßner mehrfach als möglicher Landwirtschaftsminister gehandelt. Ob allerdings die CSU auf das für sie extrem wichtige Amt auf Bundesebene verzichtet, ist eher ungewiss.


Bis es zu dieser Entscheidung kommt, dürfte noch ein wenig Zeit vergehen. Die Arbeitsgruppe elf dürfte ihre Ergebnisse aber dann schon vorgelegt haben.

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