Über die Idee eines Nationalparks Senne-Egge-Teutoburger Wald wird in NRW länger diskutiert als über den bestehenden Park in der Eifel. Das Thema weiterer Schutzgebiete steht unverändert auf der Agenda der Landespolitik

Bei den Befürwortern eines zweiten Nationalparks in Nordrhein-Westfalen glimmt noch ein Fünkchen Hoffnung. Am Niederrhein hat eine Initiative nach eigenen Angaben im Rahmen eines Bürgerbegehrens rund 15.000 Unterschriften gesammelt, um den Reichswald mit dem höchsten Schutzgebietsstatus zu versehen. Das sind deutlich mehr als die erforderlichen 10.601 Unterstützer. Die Zahl jedoch als Beleg für eine eindrucksvolle Beteiligung und einen enormen Zuspruch im Kreis Kleve zu deuten, wie es eine Sprecherin der Initiative tat, ist angesichts von rund 320.000 Einwohnern doch eher zu viel der Begeisterung.
Dabei ist die Idee eines – neben der Eifel – zweiten Nationalparks in NRW mit viel regierungspolitischem Rückenwind gestartet. CDU und Grüne haben ihn als Ziel für die laufende Legislaturperiode in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Es geht vor allem für den federführenden grünen Umweltminister Oliver Krischer und seine Parteifreunde um ein ökologisches Vorzeige- und Prestigeprojekt. Doch den von ihm initiierten Findungsprozess bezeichnen Kritiker als von vorneherein „verkorkst“. Er benannte sechs mögliche Standorte, darunter Hürtgen- und Arnsberger Wald, das Eggegebirge und der Rothaarkamm.
Vor Ort gab es wie bundesweit bei fast allen Schutzgebietsausweisungen gemischte Reaktionen. Mal war das Thema aus mangelndem Interesse schnell erledigt, mal kam es zu sehr emotionalen Auseinandersetzungen in aufgeheizter Stimmung. Wohl auch aus Sorge, es könnte sich ein neuer Stadt-Land-Konflikt entwickeln, bekräftigte Ministerpräsident Hendrik Wüst deshalb mehrfach, eine positive Entscheidung gebe es nur bei einem klaren regionalen Konsens.
Über die Egge wird länger diskutiert als über den Nationalpark Eifel
In Düsseldorf wurde zudem stets betont, die Landesregierung sei auch für andere Bewerbungen offen. Spürbar aber war, dass Krischer die Egge favorisierte. Er bezeichnet es als Ironie des Schicksals, dass in Ostwestfalen noch immer kein entsprechendes Schutzgebiet existiere, obwohl darüber bereits länger diskutiert werde als über den seit 2004 bestehenden Nationalpark Eifel. Das alles ließ bei den einen die Alarmglocken schrillen, während bei anderen pure Vorfreude herrschte.
Die folgenden Diskussionen ähnelten denen vor gut zehn Jahren, als die Idee eines Nationalparks Senne-Egge-Teutoburger Wald forciert worden war. Sie fußte auf einem 1991 einstimmig gefassten Landtagsbeschluss. Danach sollte der Truppenübungsplatz Senne südlich von Bielefeld zum Nationalpark werden nach der militärischen Nutzung. Die sollte damals im Jahr 2020 enden, hält aber heute auf unbestimmte Zeit an. Außerdem kam keine den rechtlichen Anforderungen für einen Nationalpark genügende Gebietskulisse zustande. Das Vorhaben war tot.
Die Düsseldorfer Koalitionäre bemühen sich also seit 2022 um die Reanimierung einer Leiche. Die Argumente sind die gleichen, mit denen auch in anderen Bundesländern über Planungen für einen strengeren Naturschutz gestritten wird. Die Befürworter, vor allem Naturschutzverbände, werben mit der Bewahrung der Artenvielfalt, einem ungestörten Naturraum und wirtschaftlich bedeutsamen Tourismus-Effekten. Auf der Seite der Skeptiker und Kritiker stehen die regionale Holzwirtschaft und Möbelindustrie, Jäger, Land- und Forstwirte. Sie befürchten massive Nutzungseinschränkungen, die die Bewirtschaftung von Wald und Feldern gefährden, und sehen keine wirkliche ökologische Verbesserung, weil meist schon hohe Standards gelten. Darüber hinaus monieren sie, dass der Großteil eines Nationalparks gesperrt würde und sich damit die Möglichkeiten zur Naherholung verschlechterten.
„Wenn die Region entscheidet, akzeptieren wir das“
Dieser Sicht schlossen sich deutliche Mehrheiten in allen zuständigen Kommunalparlamenten an. Sie sind nicht bereit, das schärfste Schwert des Naturschutzes zu ziehen. Einen kleinen Spagat muss dabei stets die CDU machen, die trotz des Düsseldorfer Koalitionsvertrages vor Ort mit der FDP auf Seiten der Ablehner steht. Für ihre Landtagsfraktion ist das kein Widerspruch, wie die stellvertretende Vorsitzende Bianca Winkelmann dem WDR erklärte: „Wir sitzen hier in Düsseldorf im Landtag nicht und sagen unseren Kommunalen vor Ort, wie sie reagieren und wie sie sich entscheiden sollen. Wenn eine Region entscheidet, dass sie ihre Region nicht für geeignet halten, dann akzeptieren wir das natürlich auch. Das gehört ja zu einem demokratischen Prozess dazu.“
Damit scheint das endgültige Aus für die Nationalpark-Pläne sicher, auch wenn sich nun der Kreistag in Kleve erneut mit dem Thema befassen muss. Doch es ist nicht anzunehmen, dass er von seinem bisherigen Votum abweicht. Als letzte Option bleibt dann ein Bürgerentscheid, bei dem die Wahlberechtigten das letzte Wort haben. In den Kreisen Höxter und Paderborn waren dabei die Entscheidungen mit 66,3 und 55,1 Prozent Nein-Stimmen eindeutig. Alles spricht für ein ähnliches Ergebnis am Niederrhein.
Doch noch bevor das endgültig klar ist, plant der Umweltminister eine neue Nationalparkbehörde. Die Opposition von SPD und FDP spricht von Geldverschwendung. „Der Leiter der Nationalparkbehörde bekommt mit Besoldungsstufe B2 so viel Geld wie die Bürgermeisterin einer Gemeinde bis 10.000 Einwohner – und das bei absehbar sehr viel weniger Verantwortung“, zitiert die Rheinische Post den umweltpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, René Schneider. „Sollte kein zweiter Nationalpark in NRW gefunden werden, würde die neue Premium-Behörde nur den Nationalpark Eifel verwalten.“ Auch der Bund der Steuerzahler blockt skeptisch auf das Aufblähen von Verwaltungsstrukturen. Krischer hingegen rechtfertigt sein Vorhaben mit der Neuordnung der Ministerien nach der Landtagswahl 2022. Damals wurden die bis dahin zusammengehörigen Bereiche Umwelt sowie Land- und Forstwirtschaft auf zwei Ministerien aufgeteilt. Das bedinge eine neue Organisationsstruktur.
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