Die Politik und das Gasthofsterben auf dem Lande
- Frank Polke

- 8. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Der fehlende Fokus auf das Lebensgefühl im Dorf – beim Thema Gasthaussterben zeigen sich die politischen Versäumnisse exemplarisch. Doch es gibt Hoffnung

Die Zahlen sind das eine, auch wenn sie dramatisch sind: In den vergangenen drei Jahren haben bundesweit 50.000 gastronomische Betriebe aufgegeben. Zu geringe Margen, zu hohe Preise für Lebensmittel, Energie und Gehälter, Gästezurückhaltung angesichts der Inflation – viele Restaurants, Gasthöfe und Kneipen sind bereits von der gastronomischen Landkarte verschwunden. Dazu kamen noch die fehlenden Mitarbeiter, von denen Zehntausende in der Corona-Zeit der Branche den Rücken gekehrt haben. Und nie wiedergekommen sind.
Das Problem der wegsterbenden gastronomischen Infrastruktur trifft vor allem den ländlichen Raum. Dort, wo Mitarbeiter ohnehin rar gesät sind, wo es mangels Publikumsverkehrs keine durchgehenden Öffnungszeiten (und damit Verdienstmöglichkeiten) geben kann und wo sich die gesellschaftliche Struktur in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin weg von einer traditionellen Kneipenkultur entwickelt hat. „Wir beklagen immer, dass es weniger Treffpunkte für Menschen gerade im ländlichen Raum gibt. Dazu gehört auch die Tatsache, dass es immer weniger Gasthöfe und gute Restaurants gibt, wo Menschen sich treffen konnten“, sagt ein Gesellschaftsforscher der Berliner Denkfabrik Zukunft der Gastwelt. Dazu kommt, dass diese Kneipen oft Säle für Vereine, Gruppen oder Familienfeiern zur Verfügung gestellt haben. Und genau dies jetzt aber nicht mehr tun können, da viele Gastro-Unternehmer für immer den Schlüssel umgedreht haben.
Kneipensterben trägt auch zum Stadt-Land-Gefälle bei
Die Politik hat lange über dieses Thema weggeschaut. Düsseldorf und München, Hamburg und vor allem Berlin – dort sind die Kneipen in den In-Vierteln gut besucht. Dass diese vor allem von Firmen aus dem Bereich der Systemgastronomie betrieben werden, geschenkt. Und dass das Kneipen-Sterben auch seinen Beitrag zum soziologischen und gesellschaftspolitisch verhängnisvollen Stadt-Land-Gefälle (und damit auch zum Erstarken der Rechtspopulisten nicht nur im Osten) beiträgt, all dies scheint erst in den letzten Jahren Beachtung zu finden.
Die Union hatte schon nach der Corona-Zeit die Brisanz erkannt, machte sich vor allem im Bund für die steuerliche Entlastung der Gastronomie-Branche stark. „Wir dürfen nicht zulassen, dass wir noch mehr Betriebe und Strukturen verlieren. Dies wirkt sich auch auf den Tourismusstandort Deutschland aus“, erklärte die ehemalige tourismuspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und heutige Ausschussvorsitzende für Tourismus im Bundestag, Anja Karliczek. Denn was hilft der malerischste alte Stadtkern, der schönste Radweg oder das schönste Gebirgspanorama, wenn nicht wenigstens eine Ausflugsmöglichkeit in erreichbarer Nähe geöffnet hat. Ein Grund also, die von der Ampel-Koalition angehobene Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie wieder auf die früher geltenden sieben Prozent zu senken. So stand es im Wahlprogramm der Union, so steht es jetzt im Koalitionsvertrag. Die geringere Mehrwertsteuer soll zum 1. Januar 2026 kommen – und gleichermaßen die Betriebe wie die Verbraucher entlasten. Noch einmal Anja Karliczek: „Viele Gastronomen haben sich angesichts der Preissensibilität und der geringeren Nachfrage noch gar nicht getraut, ihre höheren Kosten auf die Speisekarte umzulegen.“
Natürlich kostet diese Senkung Geld. Drei Milliarden Euro, so schätzt man. Aber, und so ist es die Überzeugung der Tourismuspolitiker von Union und SPD, mehr Restaurantbesuche erwirtschaften auch mehr Einnahmen. Zudem bietet die Branche mit ihren 1,2 Millionen Arbeitskräften auch Menschen eine Chance, die sonst nicht zum Zuge kommen oder die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. „Bei uns wird Integration gelebt. Hier bekommt jeder eine Chance, ganz nach seinen Fähigkeiten“, erklärt ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA).
Mehr Umsatz, mehr Jobs, all das könnte die Steuereinnahmen wieder steigen lassen. Und könnte sogar noch besser klappen, da man sich im Koalitionsvertrag auch darauf verständigt hat, das in jedem Restaurant, Imbiss oder Café wenigstens die Möglichkeit angeboten werden muss, mit EC-Karte zu zahlen. So will man kundenfreundlicher und moderner werden. So will man aber auch Umsatzsteuerbetrug in der Branche verhindern. Die Schätzungen gehen in die Milliarden, die durch schwarze Schafe dem Fiskus entgehen.






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