top of page
Christian Urlage

Die Krankenhausreform schadet dem ländlichen Raum

Die nächste Bundesregierung korrigiert vermutlich Karl Lauterbachs umstrittene Krankenhausreform. Das wird im Interesse der Kliniken auf dem Land auch dringend nötig sein


Beitrag anhören (MP3-Audio)

Foto: by-sassi / pixelio.de

Dieses Gesetz trägt einen sperrigen Namen mit zwölf Silben und enthält eine der umstrittensten Gesundheitsreformen seit Jahren: das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, kurz KHVVG. Am 22. November passierte es den Bundesrat, da die Länder mit knapper Mehrheit darauf verzichteten, den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anzurufen. Nun ist es wahrscheinlich, dass die im Frühjahr gewählte künftige Bundesregierung nachbessert. Das wäre sinnvoll, denn die Reform-Bestimmungen schaden dem ländlichen Raum.


„Die Krankenhausreform rettet Kliniken auf dem Land“, behauptete Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Sommer vollmundig im Interview mit dem Fachmagazin „Kommunal“ und sagte: „Ohne die Reform würden sehr viele ländliche Krankenhäuser in den nächsten Jahren nicht mehr klarkommen, schon weil Personal und Inflation die Kosten erhöhen.“ Mit der Reform, so der Sozialdemokrat, blieben die auf dem Land benötigten Krankenhäuser in den schwarzen Zahlen. Er erwartet, dass die meisten Krankenhäuser im ländlichen Raum erhalten blieben. Mehr Qualität, weniger finanzieller Druck sei das Ziel.


Wartelisten, weite Wege und andauernde Verunsicherung


Viele Experten und Verbände bezweifeln jedoch diese Aussagen, allen voran die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die von einem untauglichen Reformgesetz spricht und mehr Bürokratie erwartet. Vorstandschef Gerald Gaß übte nach der Bundesrats-Entscheidung scharfe Kritik: „Viele Krankenhäuser stehen am Rand der Insolvenz und werden durch das KHVVG keine spürbare Entlastung erfahren.“


Gaß sagt voraus, dass die Notfallversorgung in Deutschland sich vielfach verschlechtern und in einigen Regionen sogar ganz wegbrechen wird. Es drohten Wartelisten, weite Wege und ständige Verunsicherung. Unter Berufung auf zahlreiche Studien und Experten erklärt die Krankenhausgesellschaft: „Die Vorhaltefinanzierung des Ministers sichert kein einziges Krankenhaus im ländlichen Raum und wird keine einzige Insolvenz vermeiden.“


Defizite der Krankenhäuser reißen Löcher in kommunale Haushalten


Ebenso heftig fiel das Urteil des Deutschen Landkreistages (DLT) aus: DLT-Präsident Achim Brötel warf dem Gesundheitsminister vor, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen und andere nicht mitzunehmen. Der Landkreistag befürchtet weitere Schließungen und erinnert daran, dass bereits 48 Kliniken in den vergangenen zwei Jahren Insolvenz anmelden mussten. Weitere Häuser würden folgen. „Vor allem wird dies wieder einmal in erster Linie die ländlichen Räume treffen“, sagt Brötel, hauptberuflich Landrat des Kreises Neckar-Odenwald. Eine aktuelle Studie der Vetebo GmbH bestätigt, dass die Reform die Existenz der ländlichen Kliniken nicht sichern kann. Zudem reißen die Defizite der Krankenhäuser in vielen Kommunen Löcher in die Haushalte.


Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, äußerte sich gemäßigter, sieht aber ebenfalls zahlreiche Leerstellen in der Reform hinsichtlich der flächendeckenden Grundversorgung und der nachhaltigen Finanzierung der Kliniken. Der Bund, so seine berechtigte Forderung, muss stärker auf Hinweise aus der Praxis hören.


NRW-Gesundheitsminister Laumann setzt auf Konsens


Mehr Zustimmung findet hingegen die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen, die Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann im Sommer auf den Weg gebracht hat. Der Krankenhausplan orientiert sich nicht an der Bettenzahl, sondern an klaren Qualitätsvorgaben. Laumann will Doppelstrukturen abschaffen, aber keine zu großen Lücken in der Versorgung reißen. „Wenn ich keine Notärzte mehr auf dem Land habe, gefährdet das auch Leben“, unterstreicht der Gesundheitsminister.


Positiv fällt auf, dass der CDU-Mann auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin maßgebliche Akteure mit im Boot hatte, so den Präsidenten der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, Ingo Morell, den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der AOK Rheinland/Hamburg, Matthias Mohrmann, und die Spitzen der Ärztekammer Westfalen-Lippe und der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen, Hans-Albert Gehle und Sandra Postel. Laumann betonte ausdrücklich, dass er auf Konsens statt auf Konfrontation setzt. Lauterbach sieht das offenbar anders, weshalb es viel Kritik an seiner Reform gibt.


Angesichts der Neuwahl des Bundestages am 23. Februar richten sich viele Hoffnungen auf die Union, von der erwartet wird, dass sie rasch die Krankenhausreform korrigiert. Sollte es eine Koalition unter ihrer Führung geben, wird Lauterbach wohl nicht Gesundheitsminister bleiben. Den Menschen auf dem Land, die Verschlechterungen bei den Krankenhäusern und der medizinischen Versorgung befürchten, kann das nur Recht sein.

Comments


bottom of page