Europa nach den Wahlen: Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Europaparlament haben sich verschoben. Dadurch ergeben sich neue Spielräume in der Agrar- und Umweltpolitik
Die Grünen sind die größten Verlierer der Europawahl. Sie haben rund ein Drittel ihrer Sitze im Europaparlament eingebüßt. Diese Niederlage kommt nicht von ungefähr. Die Partei, die Namensgeberin für den Green Deal war, hat dafür einen Tribut leisten müssen. Der Umbau der Volkswirtschaft nach Kriterien wie Klima- und Artenschutz sowie Nachhaltigkeit, wie ihn die Von-der-Leyen-Kommission angepackt hat, ist bei den Wählern nicht gut angekommen. Die starren Vorgaben wie Sanierungspflicht, Glyphosatverbot sowie die Umwandlung von fruchtbarem Ackerland in Brachflächen haben viele Menschen verärgert.
360 Millionen Europäer waren zu den Wahlen zum zehnten Europaparlament aufgerufen. Gerade einmal die Hälfte von ihnen hat ihre Stimme abgegeben. Als Fazit kann man festhalten: Die Volksvertretung der Europäer ist konservativer geworden. Wahlgewinner sind die Christdemokraten, die zehn Abgeordnete dazu gewonnen haben und mit 185 von 720 Sitzen ihren Vorsprung vor den Sozialisten mit 134 Sitzen ausbauen konnten. Gewonnen haben auch die rechts von der christdemokratischen EVP stehenden Konservativen von der EKR (73 Sitze) sowie die rechtsradikale Fraktion ID, die von 49 auf 59 Sitze zugelegt hat.
Noch weiter rechts außen ist die deutsche AfD zu verorten. Hinweise auf Korruption für China und Russland, Verharmlosung der Nazi-Verbrechen, ja selbst vom Rauswurf der AfD aus der Fraktion durch Frankreichs Rechtsextreme Marine Le Pen ließen sich die Anhänger der AfD nicht von ihrer Wahlentscheidung abbringen. Rund 20 Prozent der Abgeordneten im Europaparlament sind nun sehr rechten und rechtsextremen Parteien zuzuordnen. Die EKR-Fraktion sollte man nicht über einen Kamm scheren. Europahasser gibt es hier etwa in den Reihen der polnischen PiS. Rund die Hälfte der Fraktion arbeitet aber konstruktiv mit. Eine Zustimmung des Parlaments zu dem Entlastungspaket für die Landwirte hätte es beispielsweise ohne ihre Stimmen nicht gegeben.
Unter den neuen Mehrheitsverhältnissen wären etliche unpopulären Beschlüsse des Green Deals aus der vergangenen Wahlperiode künftig nicht mehr möglich. Die Zusammensetzung des künftigen Europaparlaments bietet Perspektiven für eine weniger ideologiebehaftete Politik. Bislang war die Volksvertretung der Europäer für die linke Schlagseite bekannt. Gesetzgebungsvorschläge der Kommission in der Umwelt- und Agrarpolitik wurden vom Parlament regelmäßig angeschärft. Und es war den Mitgliedstaaten im Ministerrat vorbehalten, für Mäßigung zu sorgen.
Das könnte in Zukunft anders werden. Schon jetzt ist absehbar, dass auf das Europaparlament wichtige Entscheidungen zukommen. So steht die Neuausrichtung der Agrarpolitik an. Die Kommission dürfte 2025 einen Vorschlag für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) machen, der dann danach in beiden Kammern verhandelt wird. Das Parlament dürfte nun eher den Schwerpunkt auf Wahrung der Einkommen der Landwirte, Nahrungsmittelsicherheit und Handelsverträge legen, ambitionierte Ausbauziele für den Ökolandbau sowie Pestizidverbote könnten hintangestellt werden. Auch in der Verkehrspolitik wird es neue Spielräume geben. Wenn die Kommission das Wahlversprechen von CDU und CSU einlöst und den Ausstieg aus dem Verbrenner-Ausstieg vorschlägt, könnte es dafür diesmal eine Mehrheit geben.
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