Seit Mai steht die Notifizierung des Solarpakets I aus. Bauern, die in Agri-PV-Anlagen investieren wollen, sind verzweifelt

Landnutzung auf zwei Etagen. Das ist die Idee, die hinter dem Konzept von Agri-PV steht. Konkret sieht das etwa so aus: Auf dem Boden wachsen Apfelbäume. Direkt darüber in 2,10-Höhe sind Sonnenkollektoren, Photovoltaikanlagen (PV), aufgeständert und produzieren elektrische Energie aus der Sonneneinstrahlung. Landwirte praktizieren so nicht nur den Anbau von Sonderkulturen, sondern werden auch zu Energiewirten und Pionieren der Energiewende auf dem Land.
Sie fahren auf doppeltem Wege Ernte ein. Wenn es gut läuft, schützen die Sonnenkollektoren auch noch die Nutzpflanzen vor zu starker Sonneneinstrahlung. Schutz können die PV-Anlagen auch Wein und Obst vor Starkregen, Hagel und Frost geben. Das ist gut für viele Pflanzen, es mindert ihren Stress, weswegen der Bauer mit weniger Pflanzenschutz auskommt.
Die Ampel-Koalition wollte die doppelte Nutzung anschieben. Die Investitionskosten der Agri-PV-Anlagen sind besonders hoch. Die Bundesregierung hat daher das Solarpaket I vom Bundestag beschließen lassen. Das war bereits im Mai. Es sieht vor, dass die Investoren auch bei Agri-PV-Anlagen eine höhere Einspeisevergütung für den geernteten Solarstrom bekommen. Darüber soll sich ihre Anschaffung schneller rechnen. In der EU muss aber jede staatliche Beihilfe von der Europäischen Kommission in Brüssel notifiziert werden. Zur Verzweiflung von Bauern, die etwas Neues wagen wollen, und Projektentwicklern, deren Aufträge stocken, hakt es aber seit Mai bei der Notifizierung. Kreditfinanzierungen bei den Banken drohen zu scheitern. Ausschreibungen platzen. Ohne grünes Licht von der EU kann das Solarpaket I nicht in Kraft treten.
Rückschlag für Innovation
Norbert Lins (CDU), Vize im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments, spricht von einer Blockadehaltung sowohl in Brüssel als auch in Berlin, wo die Beamten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die notwendigen Unterlagen für die Kommission beibringen müssen: „Das ist nicht nur ein politisches Versagen, sondern auch ein Schlag ins Gesicht für all jene, die mit Innovation und Engagement den Ausbau von erneuerbaren Energien vorantreiben wollen.“ Solange die Genehmigung aus Brüssel auf sich warten lasse, blieben die Potenziale ungenutzt.
Vermutlich ist es dem grünen Wirtschaftsminister nicht so wichtig, dass die Energiewende auf dem Land angeschoben wird. Bauern gehören nicht gerade zur Stammwählerschaft der Grünen. Die Grünen sind eher Anhänger von Freiflächen-Photovoltaik und äußern bisher wenig Bedenken dagegen, wenn fruchtbare Ackerböden ungenutzt bleiben für die Produktion von Nahrungsmitteln. Ernährungssicherheit war noch nie ein Kriterium, was den Grünen wichtig war. Vielleicht nimmt Habeck auch ganz gern mit, dass durch die Hinhaltetaktik der Bund Geld spart, weil die zugesagten Subventionen noch nicht fließen müssen.
In den Medien taucht die Misere bei der Agri-PV bislang so gut wie gar nicht auf. Bei den Menschen auf dem Land ist sie indes ein großes Aufreger-Thema. Der Ärger der Leidtragenden richtet sich leicht gegen „die Regierenden“, unabhängig davon, wer den Schwarzen Peter tatsächlich hat. Vertrauen in die Politik geht verloren – angesichts des bevorstehenden Termins für die Bundestagswahl ist das für alle Demokraten keine gute Nachricht.
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