Wie die Volksparteien den ländlichen Raum (fast) kampflos den Rechtspopulisten überlassen
Über Jahre flüchteten die Volksparteien (Grüne inklusive) in den Irrglauben, dass der Rechtspopulismus ein Problem alter Männer in den neuen Bundesländern sei. Ein fataler Irrtum, wie sich spätestens seit dem Wahlsonntag in Sachsen und Thüringen zeigt. Auch die Jungen wählen AfD und Wagenknecht. Wer genauer hinschaut, muss zudem feststellen: Nicht nur der Osten ist befallen. Im Rest der Republik ist die Erosion demokratischer Strukturen ebenfalls längst zu spüren.
Soziologen und sogar ein paar Kluge von SPD und Grünen sehen die Warnungen bestätigt, dass die Kluft zwischen großstädtischen Strukturen und ländlichen Räumen daran ist, die Republik zu spalten. Wohlfeile Vorurteile über den „braunroten“ Osten treffen das Problem nicht. Ein Flächenbrand droht ebenso im Westen, wenn unbeachtet bliebe, dass die Unzufriedenheit und die Ängste im ganzen Land wachsen.
Massiv verstärkt wird solches Unbehagen durch politische Instinktlosigkeit. Zuletzt etwa zu studieren am Deutschlandticket, das den Bund 2,5 Milliarden Euro kostete und seine umweltpolitischen Ambitionen deutlich verfehlte. Weit überwiegend gab´s Mitnahmeeffekte, unterm Strich eine weitere Subvention und noch mehr Überlastung für den Nahverkehr der Ballungsräume. Die Menschen im ländlichen Raum sind zwar an der Finanzierung beteiligt, mangels Bus- und Bahnverbindungen aber nicht am fragwürdigen Nutzen.
Bahnkunden denken verstärkt über die Alternative Auto nach
Besonders fatal: Fast zeitgleich mit dem teuren Geschenk ans Großstadt-Publikum versuchte die Ampel, die Milliarden bei den Bauern hereinzuholen. Die marode Bahn erhöht ihre Güterverkehrstarife so massiv, dass Wirtschaftsunternehmen in Scharen zum klimaschädlicheren Lastwagen-Transport zurückkehren. Unpünktlichkeit und Ausdünnung der Fahrpläne nehmen weiter zu. Der klassische Bahnkunde zahlt satte Preise und denkt nach, ob das Auto nicht doch das bessere Fortbewegungsmittel wäre.
Bemerkenswert, dass sich solche Denkfehler auch beim sattsam diskutierten Heizungsgesetz erkennen lassen: Dass die Kosten einer Öko-Heizung nebst Gebäudesanierung in so manchen ländlichen Regionen den Marktwert von Bestandsimmobilien übersteigen, haben die Klimaretter im Hause des Wirtschaftsministers nicht bedacht. Vielleicht war es ihnen auch nur schlicht egal. Es ist ja einfacher, die Welt in reiche Hausbesitzer und hilfsbedürftige Wohngeldempfänger zu spalten.
Die bestürzenden Folgen lassen sich an den Wahlergebnissen in Thüringen und Sachsen ablesen. In den Ballungsräumen von Dresden oder Leipzig behauptet sich weitgehend das gewohnte Parteienspektrum. In der Provinz und sogar unter jungen Leuten haben die Populisten das Sagen. Und immer mehr Menschen kein Problem damit, ihr abstruses Wahlverhalten vor laufenden Kameras zu offenbaren.
Kaum haben die Wahllokale geschlossen, setzt Berlin noch einen drauf: mit satten Abschreibungsmöglichkeiten für teure Elektroautos. Und der sicheren Aussicht, dass der notorisch klamme Staat die Steuerausfälle auch von Leuten eintreiben wird, die mit wachsender Verzweiflung fürchten, dass sie im ländlichen Raum zwar ein Auto brauchen, sich aber keines leisten können. Fehlt nur noch, dass sich Forderungen aus der linken Mottenkiste durchsetzen, die Pendlerpauschale zu streichen.
Wahr ist, dass sogar in der CSU lange die These existierte, Wahlen ließen sich nur in den Großstädten gewinnen. Schlimmeres verhindern in Bayern – und bisher nur dort – die Freien Wähler mit ihrer Präsenz in den Kleinstädten und Dörfern. Anderswo bleibt die Bodenhaftung Populisten überlassen, die zwar keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht haben. Aber ein feines Gespür für den Volkszorn, den ihnen die etablierte Konkurrenz allzu oft auf dem Silbertablett serviert.
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