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AutorenbildJürgen Wermser

Wir brauchen einen fairen Wahlkampf und keine Schlammschlacht

Aktualisiert: 21. Dez. 2024

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


in unserem vorweihnachtlichen Wochenkommentar analysieren wir die verlorene Vertrauensabstimmung des Bundeskanzlers und den beginnenden Bundestagswahlkampf vor dem Hintergrund großer Krisen und zunehmender Firmenpleiten in Deutschland. Des Weiteren geht es um die Chance von weißer Weihnacht in Zeiten des Klimawandels, um Fleisch von heimischen Wildtieren als Festmahl sowie das Engagement von Jägern beim Schutz von gefährdeten Arten am Beispiel von Rebhühnern in Nordrhein-Westfalen.


In den Tagen vor Weihnachten kehrt in der Politik üblicherweise relative Ruhe rein. Dieses Jahr kann davon keine Rede sein. Nicht nur der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Umbruch in Syrien sorgen für gespannte Aufmerksamkeit. Es ist vor allem der beginnende Wahlkampf, der in der deutschen Politik für hektische Betriebsamkeit sorgt. Endlich hat Kanzler Olaf Scholz das Unvermeidliche getan: die Vertrauensfrage im Bundestag gestellt, verloren und damit das Aus der faktisch längst gescheiterten Ampelkoalition auch formell besiegelt. Zugleich hat Scholz mit scharfen Attacken gegen die FDP und die Union die heiße Phase des Wahlkampfs eröffnet.


Der Vorgang hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits ist es positiv, dass nach dem politischen Konkurs der Koalition nun die Wähler das Wort bekommen. Andererseits ist erschreckend, mit welchen teils rüden Attacken Scholz den politischen Gegner angreift. Das ist ein Stil, der für einen Kanzler unangemessen ist und obendrein der politischen Kultur schadet. Die Töne, die Scholz angeschlagen hat, lassen Ungutes erwarten. Sie stoßen nicht zuletzt im ländlichen Raum vielerorts auf großes Unverständnis. Denn dort erwartet man keine Polemik, sondern dringend inhaltliche Lösungskonzepte, um die Kluft zwischen den Metropolen und den dünner besiedelten Regionen zu verkleinern.


Augenscheinlich versucht Scholz, seinen wichtigsten Kontrahenten, Friedrich Merz, zu provozieren und seinerseits zu verbalen Entgleisungen zu verleiten. Denn ein Ziel der sozialdemokratischen Wahlstrategie ist, den CDU-Vorsitzenden als regierungsunerfahren und als persönlich zu leicht reizbar erscheinen zu lassen. Kurzum, es geht hier darum, Merz als charakterlich und fachlich ungeeigneten Hitzkopf darzustellen. Im Kontrast dazu möchte sich Scholz gerne als kompetent, verlässlich und besonnen präsentieren. Doch mit seinen jüngsten Attacken und flapsigen Äußerungen über Merz erweckt er von sich genau den gegenteiligen Eindruck. Vor allem zieht Scholz damit das Niveau der Auseinandersetzung stark herunter – zum Schaden letztlich auch der Bürger. Denn solche Auseinandersetzungen drohen die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Parteien zu überlagern. Im Bundestagswahlkampf sollte es aber in erster Linie um Programme und nicht um Personen, um die Sache und nicht um Show gehen. Wir brauchen einen fairen Wahlkampf und keine Schlammschlacht.


Ganz abgesehen davon: Aus politischen Gegnern dürfen keine persönlichen Feinde werden. Denn wenn das Klima zwischen Parteien und führenden Politikern erst einmal vergiftet ist, werden sachgerechte Bündnisse und Entscheidungen nach der Wahl umso schwieriger. Gerade in der jetzigen Situation wäre dies fatal, denn Deutschland steht vor immensen Herausforderungen – von mehr Klimaschutz, stärkerer militärischer Friedenssicherung bis hin zur Überwindung der schon zu lange anhaltenden Wirtschaftsschwäche.


Hoher Anstieg bei Firmenpleiten


Wie wichtig gerade Letzteres ist, zeigt die Zunahme an Firmenpleiten. Sie steht auf dem höchsten Stand seit fast zehn Jahren. So hat sich die Anzahl der Insolvenzen nach Berechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform im Jahr 2024 mit 22.400 um über 24 Prozent erhöht. Auch im kommenden Jahr sei mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. „Der wirtschaftspolitische Stillstand und die rückläufige Innovationskraft haben den Wirtschaftsstandort Deutschland geschwächt“, sagte der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. Die Mehrheit der Insolvenzen im zu Ende gehenden Jahr betrifft den Angaben zufolge Kleinstunternehmen mit höchstens zehn Beschäftigten. Diese machten 81,4 Prozent aller Fälle aus. Auffällig sei jedoch der überdurchschnittliche Anstieg bei größeren Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Hier seien die Fallzahlen um 44,4 Prozent gestiegen. Die geschätzte Schadenssumme beläuft sich laut Creditreform auf 56 Milliarden Euro, nach 31,2 Milliarden im vergangenen Jahr. Die Zahl der bedrohten oder weggefallenen Arbeitsplätze dürfte von 205.000 auf rund 320.000 steigen.


Weiße Weihnachten immer seltener


Vorweihnachtliche Stimmung kann unter diesen Umständen in Berlin kaum aufkommen. Das sollte Sie, liebe Leserinnen und Leser, aber nicht davon abhalten, sich auf die kommenden Festtage zu freuen. Weiße Weihnachten wird es allerdings für die meisten von uns wohl nicht geben. Auch dies wird von der zunehmenden Erderwärmung befördert. So hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) jüngst festgestellt, dass knackige Kälte und Schnee im Zuge der Klimakrise vom 24. bis 26. Dezember in den meisten Regionen Deutschlands immer seltener werden.


Foto:Andreas Hermsdorf / pixelio.de

Die meisten Menschen können sich demnach im Mittel nur noch alle zehn Jahre über Schnee an den drei Festtagen freuen. Im Vergleich der Referenzperioden 1961 bis 1990 und 1991 bis 2020 ist die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten mit einer Schneedecke an allen drei Tagen im bundesweiten Durchschnitt prozentual um gut die Hälfte gesunken. Besonders betroffen sei der Süden. In München zum Beispiel habe die Wahrscheinlichkeit für den ersten Zeitraum noch bei gut 33 Prozent gelegen, danach nur noch bei knapp 14 Prozent, in Freiburg zunächst bei fast 17 und danach bei deutlich unter fünf Prozent. Laut DWD gab es in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland im Durchschnitt jeweils 18 Wintertage mit Mindesttemperaturen über null Grad mehr als in einer Welt ohne Klimawandel.


Kristina Dahl, Vizepräsidentin und wissenschaftliche Leitung bei der gemeinnützigen US-Organisation Climate Central in Princeton, sagt dazu: „Laut unserer Analyse gehört Deutschland zu den zehn Ländern, die am stärksten vom Verlust kalter Wintertage betroffen sind.“ Dies hat Auswirkungen nicht nur für die sprichwörtliche weiße Weihnacht oder die Wintersportindustrie. Auch die Landwirtschaft ist davon laut Climate Central betroffen. So könnten zunehmend wärmere Winter die Schneedecke in den Bergen verringern, eine wichtige Quelle für das Schmelzwasser im Frühjahr – mit negativen Folgen etwa für die Bewässerung von Feldfrüchten.


Wildfleisch besonders gesund


Doch kommen wir zurück zu den Weihnachtstagen. Ein wichtiger Programmpunkt dabei ist ein schönes und festliches Essen. Die meisten von uns dürften davon feste Vorstellungen haben. Wer noch keine Idee hat: Wie wäre es einmal mit Fleisch von heimischem Rotwild, Wildschwein oder Reh zum Festmahl? Ein solches Gericht schmeckt nicht nur, sondern ist auch besonders gesund. Denn Wild aus der Region verbringt sein ganzes Leben in der Natur, lebt frei und artgerecht, sucht sich seine Nahrung und ist ständig in Bewegung. Entsprechend gut ist die Qualität des Fleisches, das auf den Tisch kommt.


Stichwort Jagd. Bei allzu vielen Menschen gerade außerhalb des ländlichen Raums besteht immer noch das Vorurteil, bei der Jagd gehe es vor allem um das Töten von Tieren. Wie falsch dies ist, kann jeder wissen und erleben, der sich näher mit dem Thema beschäftigt. Ein Beispiel von vielen ist der verstärkte Schutz von Rebhühnern, die in Deutschland auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Arten stehen. Hierzu haben in dieser Woche die NRW-Landesregierung und die nordrhein-westfälische Jägerschaft eine entsprechende Schonzeitregelung verlängert. Ziel ist, den Rebhuhnbestand wieder zu erhöhen und die Biodiversität zu schützen. Rebhühner dürfen weiterhin ganzjährig nicht bejagt werden. Stattdessen helfen Jäger Landwirten unter anderem bei der Anlage von Brachen im Revier und schützen die Rebhuhngelege durch die Bejagung von Prädatoren. Nicole Heitzig, Präsidentin des Landesjagdverbandes NRW: „Gelegentlich erzählen mir Revierinhaber von ihren Erfolgen bei der Hege. Die Begeisterung, die sie dabei ausstrahlen, ist ansteckend.“


Genießen Sie die Festtage. Das gesamte Team unseres Blogs natur+mensch und ich persönlich wünschen Ihnen und Ihren Familien frohe Weihnachten.


Mit den besten Grüßen

Ihr Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

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