Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert einen EU-Kommissar als Anwalt für die seit langem sträflich vernachlässigten kommunalen Interessen
Wenn das mal keine gute Idee ist! Und die Zeit nach der Europawahl dafür wie geschaffen. Der Deutsche Städte- und Gemeindetag schlägt vor, ein neues Aufgabenfeld für einen EU-Kommissar zu definieren – eines, das sich um die Belange, Interessen und finanziellen Mittel der Kommunen in Europa kümmert. Mit anderen Worten: eine Person, die sich speziell mit den kommunalen Interessen und ihrer finanziellen Ausstattung befasst.
Europa, das haben die Wahlen gezeigt, braucht mehr Bürgernähe, mehr Transparenz, mehr Fassbares, braucht mehr konkretes Handeln und praktikables Denken, das nicht im Brüsseler Bürokraten-Dickicht ausgeheckt wird, sondern dort, wo Beschlüsse und Verordnungen folgenreich umgesetzt werden müssen, akzeptiert und gestemmt werden kann. Andre Berghegger, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindetags, bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: Die Kommunen brauchen einen Vertreter in der Kommission, der vom Ende her denkt und die Folgen europäischer Entscheidungen abschätzt.
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Der Beispiele, wie über die Köpfe der Kommunen entschieden wird, mehr noch, bei denen sie als Betroffene gar keine Rolle spielen, sind genug. Da ist etwa jene Datenschutzgrundverordnung, mit der sich jeder kleine Verein beschäftigen muss und damit in den tiefsten Bürokratiemorast gezogen wird. Was das vor Ort bedeutet, war der Kommission offensichtlich weder bekannt noch wichtig. Die EU als Bürokratieungeheuer bis in das letzte Dorf: So macht Europa keinen Spaß.
Proporz statt Bürgernähe
Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die gute Idee nicht Wirklichkeit wird. Die Besetzung der Kommission und ihre Schwerpunkte gehorchen anderen Regeln. Proporz statt Bürgernähe, so war es und so wird es bleiben. Nicht zuletzt, weil der Vorschlag des Städte- und Gemeindebundes eine weitreichende finanzielle Neubesinnung erforderte. Und beim Geld hört bekanntlich nicht nur in Brüssel der Spaß auf.
Auf sieben Milliarden Euro beziffert Berghegger das jährliche Defizit der deutschen Kommunen, auch weil Teil- und Anschubfinanzierungen durch die EU ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Sein Vorschlag: Das in Artikel 104a des Grundgesetzes als Grundsatz des deutschen Staatsrechts verankerte Konnexitätsprinzip zwischen Bundesländern und Kommunen solle auf die EU-Ebene übertragen werden. Das heißt im Prinzip: Aufgabenwahrnehmung und Finanzverantwortung gehören grundsätzlich zusammen. Diejenige Ebene im föderalistischen Staat, der die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe obliegt, ist für die damit verbundene Finanzierung verantwortlich. Kurz gesagt: Wer die Musik bestellt, zahlt auch die Kapelle.
Zu schön, um wahr zu sein? Zu schlüssig, um in Europa auf Gegenliebe zu stoßen? Wer sich über das Image der EU Sorgen macht, wird schnell eine Antwort finden.
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