Union und SPD müssen rasch Klarheit schaffen
- Jürgen Wermser
- 28. März
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar befassen wir uns mit den Koalitionsverhandlungen in Berlin, wo sich unter anderem bereits eine punktuelle Änderung des Bundesjagdgesetzes beim Thema Wolf abzeichnet. Auch geht es um die Attacken von radikalen Tierschützern gegen Hof und Familie des von der CSU als Bundeslandwirtschaftsminister vorgeschlagenen bayerischen Bauernpräsidenten Günther Felßner sowie dessen anschließenden Verzicht auf ein Amt in Berlin. Des Weiteren blicken wir ausführlich auf das jetzt beginnende Jagdjahr. Stichworte sind hier unter anderem die Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit, der Einsatz von Drohnen bei der Rettung von Rehkitzen und die Afrikanische Schweinepest.
Es wäre gut und verantwortungsvoll, Union und SPD würden sich zügig auf zukunftsweisende Kompromisse für eine Regierungskoalition einigen. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Mittwoch, den Solidaritätszuschlag nicht zu kippen, sind auch die finanziellen Spielräume weitestgehend klar. Denn wäre die Beschwerde mehrerer FDP-Politiker erfolgreich gewesen, hätte der Staat möglicherweise den Soli der vergangenen Jahre zurückzahlen müssen. Dies wären seit 2020 rund 65 Milliarden Euro gewesen – eine Summe, die für Union und Sozialdemokraten in Sachen Finanzen fast alles wieder über den Haufen geworfen hätte.
Dazu wird es nun nicht kommen. Die mutmaßlichen Koalitionäre wissen jetzt, womit sie finanziell agieren dürfen und das Land in wichtigen Bereichen neu aufstellen können – und vor allem auch müssen. Dazu gehört neben Steuersenkungen und vielem anderen auch das Thema Jagd. Dem Vernehmen nach hat man sich dort in einem wichtigen Punkt bereits geeinigt. So heißt es in einem Papier der zuständigen AG 11 Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt in Zeile 84 bis 87: „Wir unterstützen den Herdenschutz und setzen den Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes national um. Wir nehmen den Wolf umgehend ins Jagdrecht auf und erneuern dabei das Bundesjagdgesetz punktuell.“ So weit, so gut. Aber den schönen Worten müssen nun auch rasch praktische Ergebnisse folgen, um der Kritik von Naturnutzern vielerorts im ländlichen Raum tatsächlich Rechnung zu tragen.
CSU-Politiker verzichtet auf Wechsel nach Berlin
Für Deutschland stehen nicht nur außenpolitisch – Stichworte Trump und Putin – heftige Zeiten bevor. Auch innenpolitisch droht sich das Klima gefährlich aufzuheizen. Dies haben jüngst die üblen Attacken von Tierrechtsaktivisten gegen Hof und Familie von Günther Felßner gezeigt – siehe dazu auch den Beitrag unseres Autors Wolfgang Kleideiter: „Wenn Krawallmacher ihr Ziel erreichen“.
Felßner hatte nach den Vorstellungen der CSU neuer Bundeslandwirtschaftsminister werden sollen. Dass der bayerische Bauernpräsident angesichts der physischen Bedrohungen nun das Handtuch wirft und auf einen möglichen Kabinettsposten in Berlin verzichtet, mag menschlich nachvollziehbar sein. Gleichwohl ist dieser Schritt politisch heikel, denn durch ihn haben Politchaoten de facto eine demokratische Wahlentscheidung konterkarieren können. So etwas darf keinesfalls Schule machen. Sonst haben wir bald Zustände, wie sie sich momentan in den USA abzeichnen. Oder anders ausgedrückt: Der Staat muss die Volksvertreter besser – und natürlich auch alle anderen Bürger – konsequent vor gewalttätigen „Weltverbesserern“ schützen. Sonst wird das Wort Demokratie zu einer leeren Hülse.
Derweil bereitet man sich überall in den Revieren des ländlichen Raums auf das neue Jagdjahr vor, das am 1. April beginnt. Über 460.000 Jägerinnen und Jäger gibt es mittlerweile bundesweit. Dies ist ein Drittel mehr als vor 30 Jahren, wie der Deutsche Jagdverband kürzlich mitteilte. Unser Autor Christoph Boll wird sich vor diesem Hintergrund in der kommenden Woche in einem Blogbeitrag mit den vielen ungeschriebenen und geschriebenen Regeln der Jagd befassen, kurzum mit den Grundsätzen deutscher Waidgerechtigkeit. Dabei geht es auch um die weitere technische Entwicklung in Zeiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz, die an den Reviergrenzen nicht haltmachen wird. Vieles davon kann nützlich sein, etwa der Einsatz von Drohnen mit Wildkameras zur Rettung von Rehkitzen vor der Wiesenmahd. Doch bei alledem sollte man sich an den Jagdbegriff des spanischen Philosophen Ortega y Gasset erinnern: „Zwischen Mensch und Tier gibt es eine feste Grenze, wo die Jagd aufhört, Jagd zu sein, und zwar dort, wo der Mensch seiner ungeheuren technischen Überlegenheit über das Tier freien Lauf lässt.“
Jäger mit vielfältigen Aufgaben in der Natur
Die Jägerinnen und Jäger haben vielfältige Aufgaben, darunter Schutz der Artenvielfalt, Mithilfe bei der Eindämmung von Tierseuchen und der Reduzierung von Wildschäden. Auch helfen sie gegebenenfalls mit speziell ausgebildeten Hunden bei der Suche nach verletzten Wildtieren. Dazu gehört die Rettung insbesondere von Rehkitzen bei der Wiesenmahd. Wenn im Frühjahr Rehkitze, Junghasen, am Boden brütende Vögel und andere Tiere Schutz im hohen Gras suchen, werden sie immer wieder durch Mähwerke verletzt oder getötet. Aus der Fahrerkabine sind die Wildtiere häufig nicht oder erst zu spät zu sehen. Umso wichtiger ist hier der Einsatz von Drohnen mit Wärmebildtechnik, um die Tiere im hohen Gras zu finden. Auf diese Weise lassen sich Rehkitze zumeist effektiver retten als durch das Absuchen der Wiesen mit dem Hund oder andere traditionelle Methoden.
Laut Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung werden für die Anschaffung von Drohnen zur Tierrettung in diesem Jahr erneut 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die entsprechenden Anträge können bis zum 17. Juni 2025 gestellt werden. Antragsberechtigt sind beispielsweise eingetragene Kreisjagdvereine, Jägervereinigungen auf Kreisebene. Auch bei der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) dürfen die so angeschafften Drohnen eingesetzt werden, um nach verendeten Wildschweinen zu suchen.

Das Thema ASP bleibt weiterhin akut. So ist jetzt bei einem Wildschwein im Landkreis Märkisch-Oderland die Afrikanische Schweinepest nachgewiesen worden. Das Tier sei vor etwa zwei Wochen bei Kienitz erlegt worden, teilte eine Sprecherin der Kreisverwaltung Anfang dieser Woche mit. Eine Tupferprobe habe den Befund ergeben. Zunächst hatte die Märkische Oderzeitung berichtet. Demnach wird innerhalb des Hochrisikokorridors eine Sperrzone II errichtet. Sie umfasst gut zehn Orte oder Teile davon. Der Landkreis hatte sich nach eigenen Angaben jedoch bewusst dagegen entschieden, über den aktuellen Fall zu informieren. Es sei der einzige Fund seit Monaten gewesen, erklärte die Sprecherin laut Märkischer Oderzeitung. Zudem sei das Tier noch vor dem ersten Schutzzaun gegen die Schweinepest aufgefunden worden, direkt an der Grenze zu Polen. „In Polen ist das Vorkommen von ASP-Fällen weiterhin sehr stark“, erläuterte die Sprecherin. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wildschweine über die Oder in den Brandenburger Landkreis gelangen, sei hoch. Das Land Brandenburg hatte erst wenige Tage vor dem erneuten Fund Entwarnung gegeben und eine Schweinepest-Sperrzone im Landkreis Oberhavel aufgehoben.
Kritische Morgendämmerung
Auch für die Nicht-Jäger unter uns wird das Thema Wild in den kommenden Tagen und Wochen immer wichtiger. Denn in den Monaten April und Mai passieren laut Deutschen Jagdverband die meisten Unfälle mit Rehen auf Deutschlands Straßen. Jede Dritte übers Jahr gemeldete Kollision falle in diesen Zeitraum. Besonders kritisch sei der Zeitraum um die Morgendämmerung. Ein Grund hierfür ist laut DJV auch die Zeitumstellung am letzten Sonntag im März. Denn dadurch fällt der Berufsverkehr von einem Tag auf den anderen wieder in die Dämmerung und somit in die Rushhour vieler Wildtiere. Diese suchen nach den oft kargen Wintermonaten wieder verstärkt nach frischem Grün und überqueren dabei häufiger Straßen. Und bei den Rehböcken würden zudem die Hormone verrückt spielen, heißt es beim DJV. Sie würden ihre Reviere gegen Kontrahenten verteidigen oder sich gegebenenfalls eine neue Bleibe suchen. Rehe sind nach den Zahlen des DJV mit 53 Prozent die häufigsten Verkehrsopfer. Danach folgen mit weitem Abstand Hase und Kaninchen sowie noch knapp dahinter Fuchs, Waschbär und Marderhund.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und eine gute, für Sie positive und trotz vermehrter Wildwechsel unfallfreie Woche.
Mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
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