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- Mehr Herz für Bauern und die ländlichen Räume
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Zuständigkeiten und Strukturen ihrer neuen Kommission benannt. Für den ländlichen Raum gibt es drei gute Nachrichten Die alte und neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Zuständigkeiten in ihrer neuen Kommission bekannt gemacht. Damit zeichnet sich ab, wer in der Politik für Landwirtschaft, Tier-, Arten- und Umweltschutz sowie ländlichen Raum bis 2029 die Strippen zieht. Die erste gute Nachricht ist: Von der Leyen hat aus dem Fehler gelernt, dass sie in ihrem ersten Mandat einen mächtigen Ideologen, den niederländischen Sozialisten und Kommissions-Vize Frans Timmermans, zum Aufseher über diese Politikbereiche gemacht hat. In den nächsten fünf Jahren sind Landwirtschaft und Umweltschutz voraussichtlich dem italienischen Vize-Kommissionspräsidenten Raffaele Fitto untergeordnet, ein ehemaliger Christdemokrat, der zur Partei der rechtsbürgerlichen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gewechselt ist. Im letzten Mandat hatte Timmermans Einfluss auf die umstrittenen Entwürfe wie Naturwiederherstellungsgesetz und Pestizidreduktion. Er hatte sich sogar in die informellen Verhandlungen zwischen Parlament und Rat bei den Themen eingemischt. All das dürfte es nun nicht mehr geben. Die zweite gute Nachricht ist: Ein Christdemokrat wird Agrarkommissar. Es war der Wunsch von Manfred Weber, Chef der sich als Bauernpartei verstehenden christdemokratischen EVP, dass der nächste Agrarkommissar ein EVP-Parteibuch hat. Der neue Agrarkommissar kommt nicht gerade aus einem landwirtschaftlich geprägten Land. Luxemburg, die Heimat von Christophe Hansen, zählt gerade einmal 1800 bäuerliche Betriebe mit 4600 Arbeitskräften. Der 42-Jährige ist auch kein klassischer Agrarpolitiker. Im Europaparlament, dem er für eine Wahlperiode angehörte, hatte er als Mitglied des Umwelt- und Handelsausschusses zwar mit Agrarpolitik zu tun. Sein Schwerpunkt lag aber bei Handel und Umwelt. So setzt er sich für das Mercosur-Handelsabkommen ein, das etwa bei den französischen Bauern abgelehnt wird. Hinzu kommt: Die Luxemburger Christdemokraten gehören eher zum linken Spektrum der europäischen Christdemokraten. Was wird aus den Direktzahlungen der EU? Im letzten Mandat war Hansen über den Umweltausschuss daran beteiligt, den Landwirten Umwelt- und Klimaauflagen als Bedingung vorzugeben, wenn sie weiterhin Direktzahlungen bekommen wollen. Als Kommissar wird er von den Bauern nun daran gemessen, ob er ihnen Erleichterungen beim Wirtschaften verschafft. Seine erste Aufgabe wird sein, in den ersten hundert Tagen des Mandates eine Vision für die Zukunft der EU-Landwirtschaft zu entwickeln. Ende nächsten Jahres sollte er einen Vorschlag für die nächste GAP-Förderperiode vorlegen. Dabei wird er auch einen Vorschlag machen müssen, wie es mit den Direktzahlungen weitergehen soll – in Schritten auslaufen lassen oder beibehalten. Und das ist die dritte gute Nachricht: Von der Leyen hat die personellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der strenge Artenschutz gelockert wird. Bisher torpedierte der grünennahe Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius aus Litauen alle Versuche, etwa den Schutzstatus des Wolfes zu lockern. Künftig hat die EU eine Umweltkommissarin, Jessika Roswall, die aus der christdemokratischen Parteienfamilie EVP kommt. Mehr noch: Schweden betreibt ein aktives Management der Wolfsbestände, „entnimmt“, also schießt, trotz des hohen Schutzstatus regelmäßig einzelne Beutegreifer, damit die Populationen nicht überhandnehmen. Womöglich kommt mit dieser politischen Konstellation bald etwas beim Artenschutz in Bewegung. Bis feststeht, ob die Kommission in dieser Formation im Dezember oder Januar ihr Mandat antritt, müssen noch die Anhörungen der Bewerber in den Ausschüssen des Parlaments abgewartet werden. Anders als in Deutschland, wo die Kabinettsliste nicht von der Legislative beeinflussbar ist, kann das Europaparlament Kommissare ablehnen. Es gehört zu den Ritualen, dass immer der eine oder die andere über die Klinge springt. Ein heißer Tipp: Ungarns Bewerber Olivér Várhelyi, der für das Tierwohl und die nächsten Auflagen für Viehtransporte zuständig ist, könnte stürzen. Erstens, weil er ein Parteigänger des ungarischen EU-Gegners Viktor Orbán ist. Zweitens, weil er dabei erwischt wurde, als er im Plenum über die Europaabgeordneten gesagt hat: „Alles Idioten.“
- Die SPD und viele vage Aussagen zum ländlichen Raum
In einem zehnseitigen Positionspapier beschreibt die SPD, wie sie die ländlichen Räume stärken will. Manche Forderungen sind sinnvoll, doch in vielen Punkten bleibt die Partei im Ungefähren Die Landwirtschaft in Deutschland braucht Unterstützung und Wertschätzung, das Auto ist das zentrale Fortbewegungsmittel auf dem Land und eine zukunftsfähige Infrastruktur ist entscheidend für die Attraktivität und Lebensqualität in ländlichen Regionen. Überraschend klingen solche Äußerungen wahrlich nicht für Dorf- und Kleinstadtbewohner, sondern eher selbstverständlich – falsch sind sie aber zweifellos auch nicht. Veröffentlicht hat diese Aussagen die SPD in einem bisher wenig beachteten zehnseitigen Positionspapier . Es trägt den Titel „Deutschlands ländliche Räume: Potentiale erschließen, Gemeinschaft stärken, Zukunft gestalten“. Im brandenburgischen Groß Behnitz, rund 50 Kilometer westlich vom Parlament in Berlin-Mitte, haben sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Anfang September darüber auf einer Klausurtagung beraten. Lobenswert ist auf jeden Fall, dass die Fraktion überhaupt auf die ländlichen Räume blickt und diese stärken will. Wobei realistischerweise eingeschränkt wird, dies geschehe „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“. Gleichwertige Lebensverhältnisse sollen nach Ansicht der SPD als Staatsziel stärker im Grundgesetz verankert werden. Ob dies allein die Situation bessert, darf allerdings bezweifelt werden. Ohne Zahlen und Zeitangaben Manche Passagen lesen sich wie aus einem Koalitionsvertrag, doch im Unterschied dazu bleiben sie im Ungefähren. Zahlen oder Zeitangaben finden sich keine in dem Papier, stattdessen vage Aussagen wie: „Wir wollen die ländlichen Räume durch gezielte Investitionen, strukturelle Reformen und die Förderung von Innovationen stärken.“ Ziel sei es, die Lebensqualität zu verbessern, wirtschaftliche Perspektiven zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Alles gut und richtig, aber was bedeutet das konkret? Darauf bleiben die Sozialdemokraten mehr als einmal eine klare Antwort schuldig. So heißt es außerdem, um hochwertige Bildung auch in abgelegenen Regionen zu erhalten, „müssen wir geeignete Lösungen gegen den Lehrkräftemangel, lange Schulwege, marode oder wegfallende Schulstandorte und schlechte Ausstattung finden“. Auch das ist richtig. Aber es wirkt hilflos, wenn Leserinnen und Leser dazu vergeblich überzeugende Lösungen suchen. Zu viel selbstverständliche Aussagen Richtigerweise werden im Positionspapier etliche Chancen und Probleme benannt – der Wert dualer Ausbildung, der Mangel an Fachkräften, der Mitgliederschwund bei Vereinen und vieles andere. Doch warum setzt die SPD zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements auf den Aufbau unbefristeter, aufsuchender, hauptamtlicher Strukturen? Warum muss immer der Staat alles lösen? Immerhin befürworten die Parlamentarier eine Entlastung der Ehrenamtlichen von bürokratischen Aufgaben. Das Positionspapier lässt durchaus Wertschätzung erkennen für die Menschen im ländlichen Raum, für Handwerker, Kleinunternehmer und andere, und es nennt auch zahlreiche Probleme. Aber insgesamt erschöpft es sich zu sehr in selbstverständlichen Aussagen wie der Forderung zur Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“, „dass die Mittel dort ankommen, wo sie benötigt werden“. Wer wollte das ernsthaft bestreiten? Mit solchen Formulierungen machen sich die Sozialdemokraten nicht angreifbar, doch solche Aussagen führen auch nicht weiter. Nötig sind direkte Antworten, um den Ärztemangel , den fehlenden Breitbandausbau , Probleme in der häuslichen Pflege oder mangelnden Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu beseitigen. Daher können die Überlegungen der SPD-Bundestagsfraktion allenfalls ein erster Schritt sein. Noch besser wäre es, für die Umsetzung in der Ampel-Koalition einzutreten. Überzeugend ist das Positionspapier so nicht.
- „Ökologisches Denken: Schalenwild nicht als Schädling sehen“
Harmonisierung von Konflikten zwischen Wildtier und Mensch: Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern und jahrzehntelange österreichische Erfahrungen in der Wildökologischen Raumplanung Mit einem Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern sollen in Deutschland erste Erfahrungen mit der Wildökologischen Raumplanung (WÖRP) gesammelt werden. Von der langfristigen Studie in einem Wildschwerpunktgebiet im Landkreis Vorpommern-Greifswald werden Erkenntnisse über die Vereinbarkeit von waldbaulichen und wildökologischen Faktoren erwartet. Was bei uns neu ist und auf freiwilliger Kooperation basiert, ist andernorts inzwischen ein alter Hut und gesetzlich verankert. 1989 aber schaute nahezu die gesamt internationale Forst- und Jagdszene nach Österreich. Denn dort geschah fast Revolutionäres. Erstmals wurde WÖRP für ein gesamtes Bundesland konzipiert und im Jagdgesetz verankert. Dessen wesentliche Teile, besonders jedoch Abschnitt 7 („Jagdwirtschaft“) bauen auf die WÖRP auf, die Professor Friedrich Reimoser von der Universität für Bodenkultur Wien in den 1980er-Jahren entwickelt hat. Wildbehandlungszonen, Wildräume, Wildregionen und Hegegemeinschaften, Mindest-, Höchst- und Mehrabschuss, Abschussaufträge und Freihaltungen, Wildruhezonen und jagdliche Sperrgebiete, Grünvorlage sowie behördliche Sanktionen bei Nichterfüllung von Mindestabschüssen stehen beispielhaft für den damals revolutionären Charakter dieses Gesetzes. Stets geht es bei WÖRP darum, Ansprüche von Wildtieren und menschliche Interessen in Einklang zu bringen. Also artgerechte Lebensraumsicherung einerseits und Wildschadensverhütung andererseits. Und das gleichzeitig. Als wenn das nicht bereits Anspruch genug wäre, besteht inzwischen die Gefahr, das Planungs- und Steuerungsinstrument zur Lösung von Nutzungskonflikten zwischen Wildtier und Mensch in der Kulturlandschaft zur eierlegenden Wollmilchsau umzudefinieren, die auch den Umbau zu klimaresilienten Mischwäldern sichert. Für jede Wildart möglich Klar ist, dass der Mensch in Wildlebensräume eingreift. Er betreibt Land- und Forstwirtschaft, nutzt die Natur für Jagd, Tourismus und vielfältige Freizeitaktivitäten vom Waldspaziergang bis zum alpinen Bergsteigen. Wild ist dabei elementarer Bestandteil aller Ökosysteme, an die auch der Mensch Ansprüche stellt. Grundsätzlich kann eine WÖRP für jede Wildart gemacht werden. Im Zentrum stehen dabei die großräumig lebenden Arten wie Rotwild, Gams, Steinbock, Muffelwild und auch Schwarzwild. Praktisch angewandt wurde es im Ausland bislang für alle heimischen Schalenwildarten ebenso wie für Auer-, Birk-, Hasel- und Schneehuhn. Auch für den Biber besteht ein interessanter Anwendungsbereich. Mit Blick auf den oft zitierten Wald-Wild-Konflikt bedeutet das Verfahren laut Reimoser „Wild mit als Standortfaktor zu sehen wie eben auch Sturm, Schnee, Trockenheit oder Borkenkäfer“. Land- und Forstwirtschaft aber hätten das „bis heute – von Ausnahmen abgesehen – nicht gelernt. Nach wie vor wird das Schalenwild oft nur als Schädling gesehen und der Abschuss und somit die Reduktion als einzige Schadenvermeidung betrachtet. Und genau das ist alles andere als ein ökologisches Denken.“ Diese Vorhaltung fordert indirekt einen waldbaulichen Ansatz, der weit über den Einsatz von Gewehr und Motorsäge hinausgeht. WÖRP ist ein Ausgleichs- und Abstimmungsinstrument, das einen Ist-Zustand ermittelt und einen Soll-Zustand definiert. Agiert wird auf drei Ebenen. Da ist zunächst eine großflächige Rahmenplanung, die die räumliche Verbreitung einer Art etwa auf Landesebene im Blick hat. Auf diese Basis baut die regionale Detailplanung auf, aus der sich dann spezifische lokale Gegebenheiten ableiten, etwa in einzelnen Jagdrevieren. Dabei ist klar, dass sich großräumige Planung und großräumige Kontrolle des Fortschritts bei gleichzeitigem regionalem und lokalem Umsetzen in einem Patentjagdsystem wie dem der Schweiz leichter realisieren lassen als im deutschen Reviersystem. Schon deshalb ist das Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern ein spannender Versuch. Es bedarf viel guten Willens Wenn dieser ganzheitliche Ansatz mit seinem dynamischen ökologischen Denken und Handeln gelingen soll, bedarf es viel guten Willens. Zunächst müssen alle Beteiligten sich ihren Einfluss auf die Wildlebensräume eingestehen und bei ihrem Handeln berücksichtigen. WÖRP erzwingt einen Kommunikationsprozess, in dem jeder seine Emotionen und individuellen Maximalvorstellungen zurückstellen muss. Im Extremfall zwingt das Verfahren im Interesse des Ganzen zur vollständigen Aufgabe von Gewohnheiten. Das fällt schwer. Im schlimmsten Fall aber steht WÖRP nur als Alibi gegenüber der Öffentlichkeit und Jagdkritikern auf dem Papier und die Fronten bleiben verhärtet.
- Endspurt mit Woidke-Glatze
Es ist die letzte Wahl in einem Flächenland vor der Bundestagswahl. Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Wieder droht ein Wahlsieg der AfD. Der SPD-Regierungschef Dietmar Woidke kämpft mit allen Mitteln dagegen an – sogar mit seiner fehlenden Haarpracht Jetzt soll es also Dietmar Woidke richten. Oder genauer gesagt: seine Glatze. Mit einer digitalen Animation des Kopfes des amtierenden Ministerpräsidenten will die Brandenburger SPD im Wahlkampfendspurt das Blatt noch wenden. Auf den letzten Metern zur stärksten Kraft werden. Man wolle keine „rechten Glatzen“, sondern wenn Glatze, dann Woidke, begründet SPD-Generalsekretär David Kolesnyk die ungewöhnliche Wahlkampfaktion. Auf einem Bildschirm oder im Internet ist erst nur der obere Teil des Kopfes von Woidke mit den Worten „Wenn Glatze“ zu sehen, dann bewegt sich das Bild von Woidke nach oben und die ganze Aufschrift „Wenn Glatze, dann Woidke“ erscheint – mit Hinweis auf die Wahl am 22. September. All das klingt sehr gewagt angesichts der letzten Umfragen, die in Brandenburg ein enges Rennen zwischen der rechtspopulistischen AfD und der SPD vorhersagen. Die seit der Wende in dem Bundesland regierende SPD kommt nach einer seriösen Umfrage auf 26 Prozent, die AfD auf 27 Prozent. Die CDU unter dem – um es höflich auszudrücken – glücklosen Spitzenkandidaten Jan Redmann kommt auf 17 Prozent. Platz drei, kein Ausreißer nach oben, aber kein Absturz, der die Bundespolitik beben lässt. Das links-nationalistische Bündnis Sahra Wagenknecht dürfte wieder ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Denn auch in Brandenburg (Potsdam und seine wunderschöne Umgebung waren immer ein bevorzugtes Wohngebiet erst der Nazi-Prominenz, dann der SED-Oberen) verfängt die gefährliche Friedens-Propaganda der ehemaligen SED-Politikerin, die in Wahrheit längst das Geschäft des Kriegstreibers Putin betreibt und die das „Wir da unten gegen die da oben“-Spiel in alter Kadermanier recht gut versteht. Große Impulse für die Landespolitik sind von Wagenknecht nicht zu erwarten, schon gar nicht für den ländlichen Raum. Scholz wurde rausgehalten Für die SPD in Brandenburg geht es am 22. September ums Ganze. Genauso wie für Dietmar Woidke, den im Land durchaus beliebten Ministerpräsidenten. Bundeskanzler Olaf Scholz, obwohl wohnhaft in der Landeshauptstadt, durfte gar nicht erst im Wahlkampf auftreten. Woidke und sein Team setzen auf die Zuspitzung: „Die oder ich“, so lautet die Botschaft. Für den Fall, dass seine Partei nicht stärkste Kraft im Landtag von Potsdam werde, kündigte er seinen Rückzug aus der Politik an. Genau deswegen sind jetzt die Trucks mit dem animierten Glatzen-Motiv auf der Straße unterwegs. In Potsdam, Falkensee, Teltow und Kleinmachnow – also im Berlin-nahen Raum. In dieser Auswahl rund um den Ballungsraum Berlin/Potsdam zeigt sich aber auch der große Fehler vieler politisch Handelnder nicht nur in Brandenburg: die Fokussierung der Politik auf die Ballungsräume. Oder umgekehrt: die Vernachlässigung des ländlichen Raums. Die Angst vor der nächsten Flüchtlingswelle gerade via polnischer Grenze aus der Ukraine, der nach wie vor ungebremste demografische Niedergang mit all seinen Folgen für die Infrastruktur, die Verunsicherung durch das Wärmepumpen-Gesetz für viele Hauseigentümer auf dem Land, deren Immobilien häufig aus den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen – das beschäftigt die Menschen etwa im Märkischen Oberland oder im Spree-Neiße-Kreis mehr als fehlende Kita-Plätze, Staus an der Radstation oder teure Latte-Macchiato-Preise auf dem Wochenmarkt in Wilmersdorf. Forum Natur bietet Zusammenarbeit an Zuletzt meldeten sich auch die im „Forum Natur“ in Brandenburg zusammengeschlossenen Verbände zu Wort. Ihre Forderung: Macht endlich Politik fürs ganze Land. Also auch für den ländlichen Raum, für Forstwirte, Jäger und Landwirte. „Es geht darum, endlich konkret Verbesserungen der Lebensbedingungen im ländlichen Raum anzupacken sowie die Konflikte zwischen Stadt und Land gezielt zu reduzieren“, sagte Gernot Schmidt, Vorsitzender des Forums Natur Brandenburg (FNB) in diesem Blog. Die Verbände stünden bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten. Welcher Regierung sich dann die Verbände gegenübersehen, ist völlig unklar. Möglich sind unsichere Regierungsbildungen wie in Sachsen und Thüringen. Aber vielleicht richtet es ja die „Glatze“ des Dietmar Woidke doch noch auf den letzten Metern.
- Heftiger Streit über Haushalt, Zuwanderung und Waffenrecht
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar ziehen wir eine erste Bilanz der jüngsten Auseinandersetzungen im Parlament über den neuen Bundeshaushalt sowie den Plan der Ampelkoalition, die illegale Zuwanderung einzudämmen. In diesem Zusammenhang geht es auch um eine Verschärfung des Waffenrechts, von der nicht zuletzt Jäger und andere Naturnutzer stark betroffen sein können. Des Weiteren gibt es reichlich Ärger um einen „falschen“ Wolf in der bayerischen Rhön. Migrationsgipfel, Sicherheitspaket, Haushaltsdebatte im Bundestag – in Berlin ging es diese Woche politisch hoch her. Mit viel Taktik und scharfer Rhetorik versuchten Regierung und Opposition, sich Vorteile in der öffentlichen Wahrnehmung zu verschaffen. Dies gilt mit Blick auf die Landtagswahl am nächsten Wochenende in Brandenburg und nicht zuletzt auch mit Blick auf die Bundestagswahl in einem Jahr. Doch der Erfolg dürfte begrenzt sein. Denn viele Bürger wissen kaum noch, was sie von all den Ankündigungen, Versprechen, Vorhaben zu halten haben. Dies gilt nicht zuletzt für die Menschen im ländlichen Raum , denn deren besondere Probleme spielten in Äußerungen – wenn überhaupt – nur eine sehr kleine Nebenrolle . Das Scheitern des Migrationsgipfels hat gezeigt, dass der Wunsch nach gemeinsamen Lösungen von Ampelkoalition und Union kaum noch verwirklicht werden kann. Dafür liegen die Vorstellungen zu weit auseinander. Man mag dies bedauern, aber sollte es auch nicht überbewerten. Denn die verfassungsmäßige Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition ist klar. Die Koalition hat Maßnahmen beschlossen, die sie auch ohne CDU/CSU umsetzen kann. Anders ausgedrückt: Die Regierung muss jetzt nachholen, was sie eigentlich schon in den letzten drei Jahren hätte machen müssen : jedes rechtlich zulässige Mittel einsetzen, um die irreguläre Migration nach Deutschland zu unterbinden. Ampelkoalition ist am Zug Oder anders ausgedrückt: SPD, FDP und Grüne sind hier am Zug. Und es ist die Aufgabe der Opposition, dieses Regierungshandeln kritisch zu begleiten und eigene Vorschläge zu machen. Und am Ende werden die Wähler das letzte Wort haben. So etwas ist der ganz normale demokratische Prozess. Nicht normal ist dagegen die Hektik, die innerhalb der Koalition jetzt beim Thema Migration sichtbar wird. Augenscheinlich hat sie die Brisanz nicht ernst genug genommen. Immer mehr Bürger haben den Eindruck gewonnen, dass der Staat die Kontrolle über seine Grenzen verloren hat. Dem daraus resultierenden Gefühl der Unsicherheit muss entgegengewirkt werden, nicht zuletzt um bedrückende Wahlerfolge von Extremisten wie jüngst in Sachsen und Thüringen in Zukunft zu verhindern. Ob der jüngst beschlossene Maßnahmenkatalog der Koalition hier für einen Stimmungsumschwung sorgt? Zweifel sind angebracht, denn allein durch Worte und Versprechungen werden sich die Bürger nicht mehr zufriedengeben. Zur ersten Nagelprobe werden am kommenden Wochenende die Wahlen in Brandenburg , bei denen das Thema Migration wie aktuell überall in der Republik eine zentrale Rolle spielt. Auch in Sachen Haushalt ist die Ampelkoalition – freundlich formuliert – aktuell nicht gerade auf Kurs. Nur mühsam konnte eine halbwegs gesichtswahrende Vorlage für den Bundestag erstellt werden. Doch es besteht weiterhin eine große Finanzierungslücke, die durch ungewöhnlich hoch angesetzte globale Minderausgaben geschlossen werden soll. Hier wird Etatpolitik nach dem Prinzip Hoffnung gemacht. Ein Ausweis von Solidität und Weitsicht ist das gewiss nicht. Und überhaupt: Es fehlen klare Akzentsetzungen bei den großen Zukunftsaufgaben Sicherheit, Wirtschaftswachstum, Klimakrise. Kurzum, dieser Etatentwurf ist eine vorläufige Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Gerichte und Behörden überlastet Beispiel innere Sicherheit, zu der SPD-Innenministerin Faeser in dieser Woche ein umfangreiches Paket vorgelegt hat. Dazu gehören auch Verschärfungen des Waffenrechts, auf die wir in unserem Blog im Vorfeld bereits mehrfach kritisch eingegangen sind. Auch nach Ansicht des Deutschen Richterbundes fehlt darin die wirksamste Maßnahme: eine bessere Rechtsdurchsetzung. Hier liege der Schlüssel zu mehr Sicherheit, betonte jüngst der Bundesgeschäftsführer der Organisation, Sven Rebehn, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Vielfach überforderte Behörden und überlastete Gerichte könnten mit ihren wachsenden Aufgaben immer weniger Schritt halten. „ Bundesfinanzminister Christian Lindner muss endlich den Fuß von der Bremse nehmen und den Weg für einen Investitionspakt der Ampel mit den Ländern frei machen“, sagte Rebehn. Mit Messerverboten und ein paar neuen Polizei-Befugnissen allein sei für die innere Sicherheit noch nicht viel gewonnen. Auch der Deutsche Jagdverband (DJV) betonte, es brauche eine Lösung für das bestehende Vollzugsproblem: Nötig seien besser ausgestattete Behörden, die überhaupt in der Lage seien, die Einhaltung bestehender Regeln zu kontrollieren. Der DJV forderte die sofortige Zurücknahme der geplanten Waffenrechtsverschärfung, da sie islamistischen Terror und Messerkriminalität nicht im Ansatz verhindere. Vielmehr enthalte das Paket erneut grundlose Verschärfungen für rechtstreue Bürger und belaste bereits überforderte Behörden weiter. Der Jagdverband rief die Ampelfraktionen und die Bundesregierung auf, endlich einen runden Tisch mit betroffenen Verbänden und Vollzugsbehörden des Waffenrechts in den Ländern und Kommunen einzuberufen. Wirbel um einen Wolf Momentan gibt es im Süden eine Riesenaufregung um die eigentlich legale „Entnahme“ einer vermeintlichen „Problemwölfin“ auf der bayerischen Rhön: DNA-Proben zeigen nach dem Abschuss, dass die behördlich beauftragten Jäger wohl das falsche Tier erlegt haben. Die wahre Missetäterin, die auch ordnungsgemäße Schutzzäune überwunden hat, um Rhönschafe zu töten, läuft noch frei herum. Und sie ist wohl erst mal vor Verfolgung sicher, weil die Abschussgenehmigung der Regierung von Unterfranken ausgeschöpft ist. Vielleicht auch, weil die Wutkommentare im Internet starke Nerven verlangen. So läuft das amtsbekannte Raubtier weiter frei herum und widerlegt so manche Schutzbehauptung: Allein beim letzten Riss in der Nacht zum 26. August wurden sechs Schafe getötet und vier weitere verletzt. Die eingezäunte und von Herdenschutzhunden bewachten Tiere hatten in Panik den Zaun durchbrochen. „Täter“ war laut DNA in diesem Fall aber wohl ein Rüde, Partner der „Problemwölfin“ und Vater einer neuen Generation von bayerischen Wölfen. Am Rande: Bayerns Wolfsverordnung, die besseren Schutz von Weidetieren ermöglichen sollte, droht zu kippen. Die damit befasste Verwaltungsrichterin stellte vorab schon mal fest, dass die Naturschutzverbände nicht ausreichend beteiligt wurden. Es hat sich hier wieder einmal gezeigt: Die Beziehungen zwischen Wildtieren, deren Lebensräumen und den verschiedensten menschlichen Nutzungsansprüchen werden immer komplexer und komplizierter. Die Wildökologische Raumplanung (WÖRP) soll als Planungs- und Steuerungsinstrument den Ausgleich schaffen zwischen den Nutzungskonflikten und einvernehmliche Lösungen herbeiführen. Erstmals wird das nun in Deutschland in einem Pilotprojekt im Landkreis Vorpommern-Greifswald versucht. In Österreich und der Schweiz ist dieses Verfahren bereits seit 35 Jahren bekannt und teilweise in den Jagdgesetzen verankert. Dort wird WÖRP verstanden als jagdgebietsübergreifende objektive fachliche Hilfestellung für den Abwägungsprozess zwischen den beteiligten Gruppen von der Land- und Forstwirtschaft über die Jagd und den Tourismus bis hin zu Freizeitaktivitäten in der Natur einerseits und den Bemühungen um die Sicherung des Lebensraumes für das Wild andererseits. Basis ist eine großflächige Rahmenplanung. Darauf baut eine regionale Detailplanung auf, aus der spezifische lokale Maßnahmen abgeleitet werden. Wild wird dabei nicht als Schädling oder Störenfried, sondern als integraler Bestandteil der Natur verstanden . Mehr dazu können Sie in der kommenden Woche bei „natur+mensch“ in einem Beitrag unseres Autors Christoph Boll lesen. Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Mehr Mittel und mehr Zusammenarbeit
Alle Jahre wieder: Das Saisonende läutet die Debatte ein, ob man sich den Freibad-Betrieb im nächsten Jahr noch leisten kann oder will. Doch wenn Bäder tatsächlich nur etwas für reiche Städte sein sollten, hätte der ländliche Raum das Nachsehen Zwangsschließung während der Corona-Pandemie, explodierende Energiekosten, anhaltender Fachkräftemangel, punktuelle Gewaltausschreitungen – die deutsche Bäderlandschaft ist in der Vergangenheit nicht aus den Schlagzeilen gekommen. Und immer wieder war parallel von einem „Bädersterben“ die Rede. So, als würde sich dieses Land bald komplett von der Bade- und Schwimmkultur verabschieden. Tatsächlich, so hat das Institut der deutschen Wirtschaft schon vor einem Jahr in einer Untersuchung festgestellt, fehlen für eine Bäderschließung im großen Stil belastbare Zahlen. Neben dem „Deutschen Bäderatlas“ gibt es nur das von Forschern der Hochschule Koblenz entwickelte Projektportal „ baederleben.de “, das alle öffentlichen Schwimm- und Bademöglichkeiten sowie Kurs- und Therapiebecken in schulischen oder medizinischen Einrichtungen in Deutschland sammelt. „Sammelt“ ist hier wörtlich zu verstehen, denn die Infos werden nach dem Wikipedia-Prinzip gebündelt. Aktuell gibt es laut „ baederleben.de “ in Deutschland 9619 Bäder. Der Bäderatlas liefert deutlich geringere Zahlen. Ob also hierzulande alle paar Tage ein Schwimmbad die Tore schließt, lässt sich nicht sagen. Klares Stadt-Land-Gefälle Fest steht aber, dass es bezüglich der Versorgung mit nutzbaren Schwimmbädern ein klares Stadt-Land-Gefälle gibt. In Städten beziehungsweise Ballungsgebieten können die Bewohner heute deutlich schneller ein Frei- oder Hallenbad erreichen. Auf dem Land ist der gerade an heißen Tagen begehrte Sprung ins kühle Nass erst nach einer längeren Anfahrt möglich. Früher hatten kleinere Gemeinden zumindest einen Ort, um auch das Schulschwimmen anzubieten. Heute gibt es die Schule nicht mehr – und dementsprechend weniger Bedarf für ein solches auch öffentlich zugängliches Becken. Neben Energiekosten und Personalbedarf drückt die allermeisten Bäder in Deutschland ein hoher Sanierungs- und Modernisierungsstau. Zwar gibt es in den Bundesländern Fördermittel für Kommunen, die ihr Bad zukunftsfest machen wollen, doch der Sanierungsstau beläuft sich nach Schätzungen inzwischen auf viele Milliarden Euro. Da sind die Millionen, die hier und dort bereitstehen, meist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Vor etwa einem Jahr hat die Bäderallianz Deutschland der Politik ein Positionspapier „Die Zukunft der deutschen Bäder“ überreicht. Der Zusammenschluss der führenden Verbände und Institutionen des Badewesens und Schwimmens listete viele Handlungsfelder auf, forderte neben Standards und deutlich mehr Mitteln auch eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit. Chance durch Kooperation Kooperation ist tatsächlich gerade in ländlichen Regionen ein Schlüssel, um eine Badschließung zu verhindern. Von der Küste bis zu den Alpen gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie es kleineren Orten gemeinsam mit einer engagierten Bürgerschaft gelungen ist, das Schwimmbad vor der Stilllegung zu schützen beziehungsweise wieder in Betrieb zu nehmen. So gelang es im oberbayerischen Wellheim vielen Engagierten, im Frühsommer ein vier Jahre lang zwangsweise geschlossenes Bad wieder zu eröffnen. Der Donaukurier schrieb von einem neunmonatigen „Kraftakt“. „Seit Monaten packen Rentner und junge Familien mit an. Sie schaufeln Bauschutt weg, baggern die Rasenfläche flach, pflastern die Wege rund um das Schwimmerbecken und für das Gerätehäuschen“, beschrieb der Bayerische Rundfunk die Situation. Hauptziel der Bürger war es, gerade der Jugend wieder das Bad zurückzugeben. Für eine fundierte Schwimmausbildung in der Stadt und auf dem Land wirbt unablässig die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). „Insbesondere die Sanierung der bestehenden Schwimmbadlandschaft sowie der Neubau von Bädern in Gegenden, wo Bedarf besteht, müssen auf allen politischen Ebenen eine höhere Priorität erhalten“, heißt es dort. Die DLRG fordert seit langem, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam einen bundesweiten Bäderbedarfsplan aufstellen und diesen dann abarbeiten. „Allem voran müssen wir den Trend zu immer mehr Nichtschwimmern und schlechten Schwimmern stoppen“, betonte kürzlich DLRG-Präsidentin Ute Vogt.
- Ein Minister als Bremsklotz
Im Norden: Bauern contra Umweltminister Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Tobias Goldschmidt zieht sich mit seiner kritischen Grundhaltung gegenüber der Landwirtschaft zunehmend den Zorn der Bauern zu. Auf dem Landesbauerntag in Rendsburg wurde Goldschmidt laut vernehmbar als „Bremsklotz“ bezeichnet. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), seit jeher ein Verfechter der herkömmlichen Landwirtschaft, beruhigte mit dem Angebot an die Adresse der Bauern: „Bei Problemen sprechen Sie mich an.“ Was durchaus als interne Kampfansage an den grünen Koalitionspartner in Kiel gewertet werden kann. Im Rahmen der landwirtschaftlichen Messe „Norla“ wurde die Missstimmung zwischen Bauernverband, Agrarminister Werner Schwarz (CDU) und seinem Kollegen Goldschmidt überaus deutlich. Bis zuletzt habe das Umweltministerium versucht, das Entlastungspaket der Landesregierung zugunsten des Bauernstandes zu verhindern, hieß es. Dadurch sei es kleiner ausgefallen als von den Landwirten und Bauernverband gefordert. Den Vorwurf „Bremsklotz“ bezeichnet Goldschmidt als eine „Mischung aus Folklore und dem Versuch, große und teils hausgemachte Probleme der Landwirtschaft im Umwelt- und Naturschutz abzuladen“. Der grüne Minister fügte hinzu: „Die Nachfolge auf vielen Betrieben ist nicht geklärt. Es ergeben sich hohe Risiken für die Landwirtschaft aus der Klimakrise, wie die Erntebilanz zeigt. Fast ein Drittel weniger Winterweizen und Raps als vor einem Jahr.“ Goldschmidt sagte in einem Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (sh:z): „Wer übernimmt denn da einen Hof? Dazu kommen die Gefahren für die Produktionsbedingungen aus nicht mehr intakten Öko-Systemen und die internationalen Anhängigkeiten von Saatgutlieferanten, Absatzmärkten und Pflanzenschutzmittel-Herstellern.“ „Überzogen alarmistisch“ Im Landeshauptausschuss des Bauernverbandes stößt die „bauernfeindliche Haltung“ des Umweltministers auf heftige Kritik. Agrarminister Werner Schwarz soll Goldschmidt folgendermaßen charakterisiert haben: „Überzogen alarmistisch.“ Schwarz könne die Ausführungen seines grünen Kollegen nicht mehr hören. „Er stelle alles einfach nur als kaputt dar“, wird kolportiert. Goldschmidt macht die Landwirtschaft auch für schlechte Wasserqualitäten verantwortlich. Das Grundwasser sei zur Hälfte im Land zwischen den Meeren in einem schlechten chemischen Zustand. „Wir müssen unser Trinkwasser zunehmend aufbereiten, weil da Pflanzenschutzmittel und Nitrate aus Düngemitteln drin sind. Von 70 Seen im Lande haben nur zwei eine gute Wasserqualität“, so der Minister. Der Großteil der Stickstoff- und Phosphoreinträge seien auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Dies sei ein hohes Risiko für den Tourismus, zieht Goldschmidt eine alte grüne Kampfparole aus dem Hut. Dem widerspricht der Bauernverband in einer Mitteilung gegenüber unserem Blog „natur+mensch“: „Trinkwasseraufbereitung wegen Pflanzenschutzmitteln gibt es nicht und schon gar nicht zunehmend.“ Die Nährstoffeinträge aus Deutschland in die Ostsee machten zwei Prozent aus. Schleswig-Holstein, zumindest aber seine Landwirtschaft, dürfte demnach zu unter einem Prozent an den Einträgen beteiligt sein, schreibt Generalsekretär Stephan Gersteuer. In der Kieler Koalition schlagen die Wellen hoch. Die Vertreter der beiden grün geführten Sozial- und Umweltministerien gehören in der Staatskanzlei nicht zu den gern gesehenen Gästen.
- Das Dorf wartet weiter aufs Glasfaser
Immer mehr Menschen, ob alt oder jung, wollen aufs Land ziehen, dort arbeiten und leben. Eine der Voraussetzungen dafür ist aber ein leistungsfähiges Internet. Doch gerade daran mangelt es in vielen Regionen immer noch. Besonders schlecht ist die Versorgung mit Glasfaserkabeln in den kleinen Dörfern Die Chancen für eine Wiederbelebung des ländlichen Raumes wären da – aber es fehlt an der notwendigen Infrastruktur. Nur drei Prozent aller Dörfer sind in Deutschland vollständig ans moderne Glasfasernetz angeschlossen. Das ergab kürzlich eine Marktanalyse des Vergleichsportals Verivox. „Bisher sind wirklich nur 190 Dörfer komplett ans Glasfasernetz angeschlossen und verfügen so über eine schnelle Internetverbindung“, berichtete der zuständige Verivox-Telekommunikationsexperte Jörg Schamberg in einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Noch schlimmer: In sieben Flächenländern gibt es laut Analyse noch kein zu 100 Prozent mit Glasfaser ausgestattetes Dorf: in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Hessen und dem Saarland. Etwas besser sieht es im Norden des Landes aus: Die meisten vollversorgten Dörfer mit unter 3000 Einwohnern liegen den Angaben zufolge in Schleswig-Holstein (121), gefolgt von Niedersachsen (28) und Rheinland-Pfalz (20) im Südwesten der Republik. Datenbasis der Marktanalyse ist der aktuelle Breitbandatlas der Bundesnetzagentur. Dabei wäre gerade der Anschluss des ländlichen Raums ans moderne Glasfaser ein wesentlicher Entscheidungsgrund dafür oder dagegen, ob und wann Menschen – im Arbeitsleben stehend oder als Pensionäre – aus der überfüllten Großstadt raus aufs Dorf ziehen würden. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung hegt diesen Wunsch – aber nur dann, wenn man stabile Leitungen findet, die einem die Arbeit per Homeoffice ermöglichen oder den Online-Kontakt zu der Familie oder den Freunden beibehalten können. Auch der digitale Zugang zu Bildungseinrichtungen wie Schule, Volkshochschulen oder gar Hochschulen ist ein klares Argument, dass Menschen aus der teuren Stadt ins Umland ziehen würden oder eben nicht. Der technische Vorteil von Internet über Glasfaserkabel liegt darin, dass es deutlich weniger anfällig für Störungen ist als die Kupferkabel. Die Up- und Downloadraten können so konstant aufrechterhalten werden. Doch davon ist Deutschland vor allem in der Fläche weit entfernt. Nicht nur die baltischen Länder (die Glasfaserversorgung im ländlichen Raum liegt dort bei über 69 Prozent), sondern auch unsere Nachbarländer wie Österreich oder Frankreich geben beim Ausbau mächtig Gas. Die Ampelregierung in Berlin hatte im Koalitionsvertrag zwar das Ziel formuliert, Deutschland bis 2030 flächendeckend mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard zu erschließen. Klang gut, klappt aber offenbar nicht. Ein Vorhaben, das angesichts von drei Prozent Glasfaser auf dem Dorf nicht mehr zu erreichen sein wird. Denn auch bei der Versorgung mit Glasfaser hinken nicht nur die Dörfer hinterher, sondern es gibt erhebliche Unterschiede auch zwischen den Bundesländern: Während in der Großstadt Hamburg die Glasfaserversorgung bei zufriedenstellenden 68 Prozent liegt, müssen sich die Menschen im Saarland mit einem Anteil von 12,5 Prozent zufriedenstellen. „Oft konzentrieren sich die verfügbaren Anschlüsse noch auf Metropolregionen“, erklärte Verivox-Experte Schamberg. Der ländliche Raum ziehe nur langsam nach, obwohl der in puncto Bandbreite am meisten aufzuholen habe. Das ist ein klarer Standortnachteil zu Lasten des ländlichen Raumes. Verbraucherschützer sind genervt – und machtlos Zahlen, die auch Ramona Pop auf den Plan ruft: Die Vorständin der Bundesverbraucherzentrale fordert ebenfalls einen zügigen flächendeckenden Glasfaserausbau in den ländlichen Regionen. „Schnelles Internet ist kein Luxusgut, sondern eine Frage der Teilhabe – und die muss unabhängig vom Wohnsitz gewährleistet werden“, sagte Pop in einer Stellungnahme. Der Zugang zu schnellem Internet sollte im Jahr 2024 eine Selbstverständlichkeit sein. Die Wirklichkeit sieht anders aus, im Deutschland des Jahres 2024. Und diese verspielt aktuell viele Möglichkeiten für die Entwicklung und Wiederbelebung des ländlichen Raums in diesem Land.
- „Plietsches Dörp“ mit Rathaus auf Rädern
Die Stadt Geestland bei Bremerhaven kommt mit einem Rathaus auf Rädern auf seine Bürgerinnen und Bürger zu und hat dafür einen Preis des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes erhalten Fast 32.000 Einwohner in 16 Ortschaften zählt die nordniedersächsische Stadt Geestland – eine Kleinstadt in der Nähe zur Nordsee, die mit 357 Quadratkilometern eine der flächengrößten Städte in Deutschland ist, größer als München (311 Quadratkilometer) oder Frankfurt am Main (248 Quadratkilometer). Angesichts der Entfernungen haben es viele Bürgerinnen und Bürger in Geestland schwer, ihre Verwaltung zu erreichen. Darüber jammert die Kommune an der Wesermündung aber nicht, sondern schlägt den umgekehrten Weg ein und kommt zu den Menschen: Ein elektrisch betriebener VW-Bus, bunt bemalt im Graffiti-Stil, fährt einmal im Monat eine Ortschaft an: mal den Supermarkt Tante Enso in Sievern, die Wochenmärkte in Bad Bederkesa oder Langen, die Dorfgemeinschaftshäuser in Imsum, Köhlen und Krempel oder eine Grundschule. Ein serviceorientiertes Vorgehen. Bürgermeisterin will Sorge und Nöte der Menschen erfahren In dem farbenfrohen Fahrzeug lassen sich zum Beispiel Personalausweise und Reisepässe beantragen. Gerade für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist das hilfreich, denn es erspart ihnen weite Wege für Behördengänge. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen nicht mehr zu uns kommen – sondern wir kommen zu ihnen“, wird Projektleiterin Britta Murawski in einer Pressemitteilung zitiert. Zugleich nutzt die Kommune das auffällige Gefährt, um zu erfahren, welche Sorgen und Nöte die Bewohner gerade bewegen. Auch Bürgermeisterin Gabi Kasten (CDU) ist regelmäßig mit dem Bus unterwegs. Der Bus trägt die Aufschrift „Von der Zukunft angetrieben“ auf der Schiebetür und dient ausdrücklich dazu, ins Gespräch zu kommen. An seinen Haltestationen will die Verwaltung für das Modellprojekt „Smart Cities“ werben, einem Konzept der Städtebauentwicklung, um den Alltag zu erleichtern. Dazu soll digitale Technik beitragen. So arbeitet man in Geestland an einem Funknetzwerk für Schulen, Kindergärten und andere Gebäude der Stadt. Mithilfe dieses Netzwerkes werden die von Sensoren gemessenen Verbrauchswerte von Strom, Wasser und Wärme an die Stadtverwaltung übertragen. Englischsprachigen Begriff durch plattdeutschen Ausdruck ersetzt Der Begriff „Smart Cities“ kam in der Kleinstadt in der Nähe der Nordseeküste allerdings nicht überall gut an. Daher wurde er umgetauft in „Dat plietsche Dörp“, wie Bürgermeisterin Kasten in einem Bericht für das Portal www.butenunbinnen.de von Radio Bremen erklärte. Der plattdeutsche Ausdruck steht für das schlaue, intelligente Dorf – und ist eindeutig besser vermittelbar. Für das Rathaus auf Rädern nahm Geestlands Bürgermeisterin kürzlich den mit 5.000 Euro dotieren Thorsten-Bullerdiek-Zukunftspreis des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes entgegen, der benannt ist nach dem 2021 verstorbenen ehemaligen Sprecher des Verbandes. Warnung vor einem Ungleichgewicht zu Lasten der ländlichen Räume Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund sieht das „Rathaus auf Rädern“ als zukunftsweisend an. Das Projekt zeige, dass auch große Flächenkommunen Lösungen für eine gute Erreichbarkeit der Verwaltungsdienstleistungen finden könnten und „Smart Cities“ nicht allein ein Modell für Großstädte seien. Ausdrücklich warnt der Dachverband der niedersächsischen Kommunen vor einem Ungleichgewicht zu Lasten der ländlichen Räume. Sie würden mit dem Anlagen- und Leitungsbau die Hauptlasten der Energiewende tragen, könnten aber vom 49-Euro-Ticket aufgrund fehlender Vernetzung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nur bedingt profitieren . Positionspapier zu vielen Themen auf dem Land Erforderlich sei eine ganze Reihe von Maßnahmen, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen herzustellen, heißt es in einem 28-seitigen Positionspapier . „Ländliche Räume sind das Rückgrat unseres Landes – die Politik muss sie stärker in den Fokus nehmen!“, ist der Text überschrieben. Angesprochen wird eine ganze Reihe von Themen, die auch in diesem Blog immer wieder zur Sprache kommen. Dazu gehören die Gesundheitsversorgung und die Energiewende, der Breitbandausbau und die Digitalisierung , Tourismus, Zuwanderung und Integration, Fragen der Mobilität und kindlichen Bildung sowie das Thema Verwaltung und Ehrenamt .
- PV-Freiflächenanlagen – Fluch oder Segen?
Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird massiv vorangetrieben. Agri-PV-Anlagen auf aufgeständerten Solarpanelen – ein Eingriff mit Folgen für das Wild und die Jagd. Klimawandel und Biodiversität sind zwei politische Schlagworte, die gesellschaftliche Herausforderungen benennen. Bis spätestens 2025 soll Deutschland klimaneutral sein. Deshalb wird der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv vorangetrieben. Neben der Windkraft hat dabei die Solarenergie besondere Bedeutung. Das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz der Bundesregierung sieht vor, dass die installierte Photovoltaik-Leistung bis zum Jahr 2030 von derzeit etwa 90 auf 215 Gigawatt steigt. Das geht nur mit großen Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA), seien es konventionelle oder sogenannte Agri-PV-Anlagen, also aufgeständerten Solarpanelen, unter denen das Land weiterhin landwirtschaftlich genutzt wird (siehe unseren Blog-Beitrag vom 19. August). Die Rede ist von einem Flächenbedarf von bis zu 70.000 Hektar, wobei Einzelanlagen von bis zu 300 Hektar vorgesehen sind. Der Solar-Boom geht also einher mit enormen Eingriffen in die Natur und das Landschaftsbild. Denn längst werden die Anlagen nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, vorrangig entlang von Autobahnen, Bundesstraßen, Bahntrassen und auf Konversionsflächen wie vormaligen Militärgeländen und Flugplätzen geplant. Das hat auch bei der naturverträglichsten Standortwahl massive Auswirkungen auf Wildlebensräume. Äsungs- und Einstandsflächen werden entzogen, wandernde Arten stoßen auf neue Hindernisse, die althergebrachte Routen blockieren. Denn die Areale sind in aller Regel aus versicherungsrechtlichen Gründen eingezäunt, um ein Betreten durch Menschen zu verhindern. Da geht es um den Schutz vor Stromschlägen oder vor Vandalismus und Diebstahl ebenso wie um Zwecke der Nutztierhaltung. Das bedeutet letztlich auch fast immer ein Schrumpfen der bejagbaren Fläche des jeweiligen Reviers. Hohe Pachtpreise lösen Goldgräberstimmung aus Die größten PV-Parks entstehen derzeit in den östlichen Bundesländern, weil dort deutlich größere zusammenhängende Flächen verfügbar sind. Die Rede ist von einer „Goldgräberstimmung“. Den Landeigentümern werden Pachtpreise geboten, die weit über den mit Landwirtschaft erzielbaren Erlösen liegen. Sie sollen zwischen 1.000 und 3.000 Euro je Hektar liegen. Eine regelrechte Antragsflut gibt es in Brandenburg, wo der Landesbauernverband den Flächenfraß als „lukrative zusätzliche Einnahmequelle für Landwirte“ sieht und daher „deren Bestrebungen der Diversifizierung als Bestandteil unternehmerischen Handelns“ goutiert. Vögel können von oben in die PV-FFA einfliegen, und Kleintiere wie Igel und Hasen können unter den meist mit einigem Bodenabstand installierten Zäunen passieren. Deshalb sind mit den Anlagen durchaus Hoffnungen auf positive Effekte für die Niederwildhege, speziell bei Fasan und Rebhuhn, verbunden. Doch ist bislang nur wenig über das Meideverhalten bestimmter Arten, wie etwa von Bodenbrütern, bekannt. Da liegt noch ein weites Forschungsfeld brach. Für unsere kleinsten Cerviden gibt es inzwischen Rehschlupfe, aber man sieht sie nur selten eingebaut. Für alle anderen Hirsche bleibt der Zaun eine unüberwindliche Barriere. Energiewende und Folgen für unser Wild Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat bereits vor gut zwei Jahren angesichts der Bedeutung und der Konfliktträchtigkeit der Handlungsfelder gefordert, die Energiewende dürfe nicht einseitig zu Lasten des Wildes vorangetrieben werden. Natur- und Klimaschutz müssten vielmehr in der Form vereinbart werden, dass Politik, Planungs- und Genehmigungsbehörden die PV-FFA wildtierfreundlich planen, errichten und gestalten. Dies schließt auch den Rückbau mit ein. „Naturschutzfachlich sinnvoll gestaltet können PV-FFA zur Sicherung der biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft beitragen. Letztlich bedarf es der Einführung gesetzlicher Standards für die Planung und Genehmigung großflächiger PV-FFA. Diese sollten auch eine wildbiologische Begleitplanung beinhalten. Entsprechende Standards führen zu mehr Planungssicherheit und zu einer Vereinfachung der Verwaltungspraxis. Die dadurch erzielte Verfahrensbeschleunigung darf jedoch nicht zu Lasten des Artenschutzes sowie des Biotopverbundes gehen“, heißt es in der Erklärung des DJV-Präsidiums. Zwingend ist die Erhaltung von Fernwechseln, also den Routen für weite Wanderungen des Wildes, um den genetischen Austausch nicht zu behindern. Dazu sollen sie auf einer Breite von mindestens 300 Metern von PV-FFA freigehalten werden. Große Solarparks sollten mindestens alle 500 Meter von 50 bis 60 Meter breiten Querungskorridoren mit Gehölzbestand durchzogen sein. Sie dürfen zudem nicht als Wander-, Reit- oder Fahrradweg genutzt werden. Insgesamt gilt es, Lebensraumkorridore als Achsen des Biotopverbunds sowie deren Funktion bundes-, landesweit und regional zu ermitteln und zu sichern. Bejagung sollte möglich bleiben Zahlreich sind auch die Vorschläge zur inneren wildtierfreundlichen Gestaltung der PV-FFA, die aus DJV-Sicht stets in Absprache mit dem jeweiligen Jagdausübungsberechtigten erfolgen sollte. Dabei geht es darum, die überbaute Gesamtfläche des Solarparks auf höchstens 70 Prozent zu begrenzen und die Anlagen unter den Aspekten Form, Farbe und reflektierende Eigenschaften bestmöglich in das Landschaftsbild einzubinden. Wichtig ist ein ausreichender Abstand von mindestens drei Metern zwischen den Modulreihen. Zu einer naturschutzfachlich angemessenen Gestaltung können zudem die Einfriedung mittels standortgerechter Niederhecken, die Förderung eines artenreichen Unterwuchses, die Anlage von Feuchtbiotopen mit Freiwasserzone oder Refugien für Reptilien, Vögel und Insekten beitragen. „Zudem sollte der Ausgleich des Eingriffs entweder auf der Fläche selber oder im unmittelbaren Umfeld stattfinden, z.B. durch zusätzliche Strukturen oder mehrjährige Blühbrachen, um die Funktionalität der Maßnahmen im Solarpark zu gewährleisten. Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität, der ökologischen Umfeldgestaltung sowie ein Pflegekonzept (u.a. Vermeidung von Stoffeinträgen, standortangepasstes Mahd- oder Beweidungsmanagement) müssen verbindlich in die Plangenehmigung aufgenommen werden“, fordert der DJV. Letztlich müsse eine ordnungsgemäße, auch der Landeskultur dienende Bejagung der Reviere möglich bleiben. Deshalb seien entsprechende Abstände von PV-FFA vom Waldrand einzuhalten und Wechselmöglichkeiten für Wildtiere zu erhalten. Eine durch den Bau der PV-FFA potentiell erhebliche Minderung des Jagdwertes und die erschwerte Bejagbarkeit der Flächen müsse in angemessener Weise ausgeglichen werden.
- Zwischen politischem Umbruch und Energiewende: Auswirkungen auf den ländlichen Raum
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in dieser Woche können wir, trotz unserer Themenschwerpunkte für den ländlichen Raum mit seinen Zusammenhängen, nicht umhin, zunächst allgemein auf die politische Landschaft zu blicken. Sie hat sich am Wochenende gravierend verändert. Am Ende machen wir einen kleinen Ausflug zur EU mit Erwartungen an die Agrarpolitik in der neuen Legislaturperiode. Wir schließen mit einem besonderen Aspekt beim Ausbau der erneuerbaren Energien und wie sich dies auf Wildlebensräume im Zusammenhang mit der Photovoltaik auswirken könnte. Nach einer relativ klaren Prognoselage in den Umfragen der Wochen und Monate zuvor war es dann nicht mehr überraschend, mit welchen Wahlergebnissen am Sonntagabend die politische Landschaft in Deutschland durchgeschüttelt wurde . Nicht nur in Thüringen und Sachsen hat sich offensichtlich die politische Enttäuschung in großem Maße aufgestaut, sondern wir müssen mit weiteren Entwicklungen rechnen. Das wird dann wohl in zwei Wochen in Brandenburg, nach der nächsten Landtagswahl, noch sichtbarer werden. Gestern veröffentlichte die Bild-Zeitung eine Insa-Umfrage, wonach sich der Trend mit dem Zulauf zur AfD (27 Prozent) und BSW (15 Prozent) bestätigt. Zur Vollständigkeit: SPD 23 Prozent und CDU 18 Prozent. Damit wird dies der dritte Problemfall für unsere demokratische Stabilität. Es lässt vermuten, wie sich dieser Trend auch über die östlichen Bundesländer hinaus fortsetzen könnte. In Thüringen jedenfalls scheint es ein Drittel der Wählerinnen und Wähler relativ wenig zu kümmern, dass die AfD vom Verfassungsschutz „als erwiesen rechtsextremistisch“ eingestuft wird. In Sachsen ist das nicht viel anders, und warum sollte sich der Blick auf die anstehende dritte Landtagswahl im September gravierend ändern? In unserem Blog hat gestern unser Autor Michael Lehner darauf hingewiesen, dass der Rechtspopulismus in den inzwischen nicht mehr ganz so neuen Bundesländern längst nicht mehr nur von enttäuschten älteren Männern ausgeht. Auch die Jungen wählen AfD und Wagenknecht. Ein Thema, das uns seit längerem beschäftigt, ist die Offensichtlichkeit, mit der in der großen Politik die Provinz abgehängt wird. Da lassen sich genügend Beispiele anführen, wie tief sich die zitierte Kluft zwischen großstädtischen Strukturen und ländlichen Räumen in Herzen und Köpfen verfestigt. (Siehe den Beitrag in der unten aufgeführten Themenliste unseres Blogs). Versuche der Regierungsbildung auch als Horrorszenarien? Eine Betrachtung, die wenig oder nur hinter vorgehaltener Hand in den etablierten demokratischen Parteien diskutiert wird, wäre die gewohnte Übung, wonach die stärkste Partei den Auftrag zur Regierungsbildung hätte. Immerhin scheint es der Wählerwille zu sein, dass dies auf die AfD zufallen könnte. Für alle überzeugten Demokraten wäre das mit guten Gründen ein Horrorszenario. Was wäre, wenn? Höcke und Co. müssten in Thüringen auf Partnersuche gehen. Nach den Erklärungen aller anderen in den Landtag gewählten Parteien müsste dies für ihn oder wen er vorschickt aussichtslos bleiben. Wie hitzebeständig sind die erklärten Brandmauern? Wahrscheinlich haben diejenigen recht, die trotz aller Versicherungen der Wagenknecht-Partei dann ein Bündnis unter Extremisten befürchten. Die Schnittmengen AfD-BSW sind erschreckend: außenpolitisch (für die Landespolitik im Prinzip irrelevant) Raketen, Russland und Ukraine, und innenpolitisch Migration, Wirtschaft ohne Klimaziele. Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt hat vielleicht in seiner Einschätzung recht, dass das BSW trotz aller Festlegungen die Option einer Zusammenarbeit mit der AfD als letzten Pfeil doch im Köcher hält. So versuchen Voigt und Kretschmer, ohne Aussicht auf verlässliche Parlamentsmehrheiten , aus Positionen der Schwäche Regierungen zu bilden. Wenn aber schon ein Dreier-Bündnis wie in Berlin versagt, wie soll so etwas für die CDU mit dem BSW und dann den Resten von SPD und Grünen (nur in Thüringen) funktionieren? Eine leistungsfähige Regierungsarbeit ist einfach nicht zu erwarten. Da bleibt die Frage, was die Wählerinnen und Wähler eigentlich wollen. Kompetentes Personal auch für die Administration haben die Extremisten wohl kaum. Das zeigt sich schon im thüringischen Sonneberg, wo der dort gewählte AfD-Landrat gemessen an seinen Ankündigungen große Lieferschwierigkeiten hat. Als einer der letzten (!) Landkreise in Thüringen hat er die Bezahlkarte für Flüchtlinge eingeführt. Vor seiner Wahl hatte er zudem versprochen, den Euro abzuschaffen und die Grenzen dichtzumachen. Das ist selbstverständlich nicht passiert – wie auch? Trotzdem hat die AfD in Sonneberg wieder viele Stimmen bei den Europawahlen im Juni erhalten. In Raguhn-Jeßnitz hat der erste AfD-Bürgermeister im Wahlkampf angekündigt, die Kita-Gebühren zu senken. Tatsächlich stiegen sie. Dennoch landete die AfD wieder auf Platz 1. In Umfragen werden ihr stets nur niedrige Kompetenzwerte bescheinigt. Das hält die Wählerinnen und Wähler aber offenbar nicht davon ab, sie zu wählen. Unsere Redaktion stimmt ihre Themen wöchentlich in Video-Konferenzen ab. Nach dem letzten Wahlsonntag hat unser Autor Christian Urlage an geschichtliche Erfahrungen mit einem Zitat erinnert, das zeigt, wie schwierig auch historisch der Umgang mit Rechtsextremen und Populisten ist. Bevor Adolf Hitler an die Macht kam, gingen auch Paul von Hindenburg und Franz von Papen davon aus, Hitler zähmen zu können. Wörtlich sagte Papen: „In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht.“ Tatsächlich war die Demokratie dann sehr schnell am Ende. Auch wenn die AfD nicht mit Nazis gleichzusetzen ist, würde sie bei der Bildung einer Landesregierung wichtiges Personal austauschen und den Rechtsstaat aushöhlen . Solche Versuche würden also aller Voraussicht nach im Desaster enden. Nur die Wählerinnen und Wähler würden sehen, was sie gewählt haben. Das Risiko des Praxisbeispiels wäre für unser Allgemeinwohl einfach zu hoch. Wir haben es, wie Thomas de Maizière sagte, mit „demokratiegefährdenden“ Wahlergebnissen zu tun. „Wir brauchen jetzt den großen Wurf“ – wer soll ihn liefern? In den bundespolitischen Reaktionen blickt alles auf die Ampel. Sie steht in breiter Kritik und gilt besonders in Bezug auf die bisherige Migrationspolitik als Auslöser dessen, was wir am Wahlsonntag erlebt haben. Nach dem gestern veröffentlichten Deutschlandtrend ist die Dreier-Koalition in Berlin so „unbeliebt wie nie“ und hat kaum noch Vertrauen. Der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, sagte in dieser Woche dem Handelsblatt, er sei natürlich traurig, dass in einem Land mit unserer Vorgeschichte so etwas passieren kann. Dann seine Forderung: „Wir brauchen jetzt den großen Wurf“ . Wir erleben in diesen Zeiten allerdings das Gegenteil von Wirkungen eines Wumms oder Doppel-Wumms. Mehrere Wirtschaftsinstitute sind in Alarmstimmung. Nur: Wer soll jetzt liefern? Das Kabinett? Der Kanzler macht sich mit Erklärungen rar und sein Kabinett übt sich in „Business as usual“. Es tagte am Mittwoch und fasste folgende Beschlüsse: Ältere erhalten durch die Rentenversicherung Anreize (Heil: „Späterer Rentenbeginn soll sich lohnen, länger zu arbeiten“); eine Vereinfachung des Baurechts wurde beschlossen, um dem Ziel von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr näherzukommen; E-Autos werden wieder gefördert, weil die politisch in diese Richtung gedrängte Autoindustrie hustet – bekommt das Land Fieber. Allein bei VW ist das mehr als ein Husten. „Business as usual“ reicht wohl nicht mehr … Messerkriminalität und Waffengesetzgebung Eines der untauglichen Rezepte dieser Regierung zur Bekämpfung der schon fast täglich gemeldeten Fälle der Gewaltkriminalität treibt die Innenministerin voran. Es bleibt meiner Meinung nach ein Irrglaube, das Problem durch weitere Veränderungen der Waffengesetzgebung zu lösen . Das läuft auf die immer wieder diskutierte Grundsatzfrage hinaus, ob das durch neue Gesetzgebungen oder die Anwendung vorhandener Regelungen besser wird. In Münster z.B. hat sich in diesen Tagen die Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf dazu geäußert, wie auf der Ebene der Exekutive die Messerkriminalität bekämpft werden kann: „Rechtsmittel ausschöpfen, Kontrolldruck erhöhen, Prävention und Fortbildung intensivieren.“ Prävention und Aufklärung seien wichtige Bausteine ihres neuen Konzepts zur Bekämpfung der Messerkriminalität. Das könnte als Praxisbeispiel Schule machen. Blicken wir noch kurz auf die EU . In Brüssel und Straßburg beginnt nach der Europawahl und der folgenden Sommerpause wieder langsam der politische Betrieb. Unser Autor Ludwig Hintjens hat am Donnerstag im Blog (siehe unten „Weg von der Gießkanne“) beschrieben, was in der nächsten Legislaturperiode zu erwarten ist. Die wiedergewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will bis März ihre Vision für Landwirtschaft und Ernährung vorstellen. Dabei lässt sie sich von Experten leiten. Diese empfehlen die Abschaffung der Direktzahlungen. Unterstützungsleistungen sollen demnach nur noch diejenigen erhalten, die aktiv als Landwirte arbeiten und es wirklich nötig haben. Mal sehen, was daraus wird und wie sich dieser Bereich in der EU verändert, wenn die agrarstarke Ukraine einmal beitreten sollte. Und am Montag werden wir uns im Blog unter www.blog-natur-und-mensch.de wieder mit einem Thema beschäftigen, das auch im Zusammenhang der Nutzung alternativer Energiequellen und der Jagd zu betrachten ist. Unser Autor Christoph Boll bezieht sich aktuell auf Hinweise des Deutschen Jagdverbandes (DJV) von vor gut zwei Jahren. Danach entstehen Konfliktfelder, weil die Energiewende auch zu Lasten des Wildes vorangetrieben werden kann. Diese Betrachtung konzentriert sich auf den Solar-Boom. Die Flächenauswahl für Photovoltaikanlagen in großem Ausmaß hat massive Auswirkungen auf Wildlebensräume. Jetzt geht es um Vorschläge für wildtierfreundliche Planungs- und Gestaltungsmaßnahmen. Unter anderem wird auch ein aktuell viel diskutiertes Thema aufgegriffen: die Erhaltung von Fernwechseln, also den Routen für weite Wanderungen des Wildes, um den genetischen Austausch nicht zu behindern. Mit diesen Hinweisen, Gedanken und Lesetipps wünsche ich auch im Namen unserer Autoren ein gutes Wochenende, an dem sich noch Sommerstimmungen mit herbstlichen Aussichten mischen. Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Alarmsignal aus der Provinz
Wie die Volksparteien den ländlichen Raum (fast) kampflos den Rechtspopulisten überlassen Über Jahre flüchteten die Volksparteien (Grüne inklusive) in den Irrglauben, dass der Rechtspopulismus ein Problem alter Männer in den neuen Bundesländern sei. Ein fataler Irrtum, wie sich spätestens seit dem Wahlsonntag in Sachsen und Thüringen zeigt. Auch die Jungen wählen AfD und Wagenknecht. Wer genauer hinschaut, muss zudem feststellen: Nicht nur der Osten ist befallen. Im Rest der Republik ist die Erosion demokratischer Strukturen ebenfalls längst zu spüren. Soziologen und sogar ein paar Kluge von SPD und Grünen sehen die Warnungen bestätigt, dass die Kluft zwischen großstädtischen Strukturen und ländlichen Räumen daran ist, die Republik zu spalten. Wohlfeile Vorurteile über den „braunroten“ Osten treffen das Problem nicht. Ein Flächenbrand droht ebenso im Westen, wenn unbeachtet bliebe, dass die Unzufriedenheit und die Ängste im ganzen Land wachsen. Massiv verstärkt wird solches Unbehagen durch politische Instinktlosigkeit. Zuletzt etwa zu studieren am Deutschlandticket , das den Bund 2,5 Milliarden Euro kostete und seine umweltpolitischen Ambitionen deutlich verfehlte. Weit überwiegend gab´s Mitnahmeeffekte, unterm Strich eine weitere Subvention und noch mehr Überlastung für den Nahverkehr der Ballungsräume. Die Menschen im ländlichen Raum sind zwar an der Finanzierung beteiligt, mangels Bus- und Bahnverbindungen aber nicht am fragwürdigen Nutzen. Bahnkunden denken verstärkt über die Alternative Auto nach Besonders fatal: Fast zeitgleich mit dem teuren Geschenk ans Großstadt-Publikum versuchte die Ampel, die Milliarden bei den Bauern hereinzuholen. Die marode Bahn erhöht ihre Güterverkehrstarife so massiv, dass Wirtschaftsunternehmen in Scharen zum klimaschädlicheren Lastwagen-Transport zurückkehren. Unpünktlichkeit und Ausdünnung der Fahrpläne nehmen weiter zu. Der klassische Bahnkunde zahlt satte Preise und denkt nach, ob das Auto nicht doch das bessere Fortbewegungsmittel wäre. Bemerkenswert, dass sich solche Denkfehler auch beim sattsam diskutierten Heizungsgesetz erkennen lassen: Dass die Kosten einer Öko-Heizung nebst Gebäudesanierung in so manchen ländlichen Regionen den Marktwert von Bestandsimmobilien übersteigen, haben die Klimaretter im Hause des Wirtschaftsministers nicht bedacht. Vielleicht war es ihnen auch nur schlicht egal. Es ist ja einfacher, die Welt in reiche Hausbesitzer und hilfsbedürftige Wohngeldempfänger zu spalten. Die bestürzenden Folgen lassen sich an den Wahlergebnissen in Thüringen und Sachsen ablesen. In den Ballungsräumen von Dresden oder Leipzig behauptet sich weitgehend das gewohnte Parteienspektrum. In der Provinz und sogar unter jungen Leuten haben die Populisten das Sagen. Und immer mehr Menschen kein Problem damit, ihr abstruses Wahlverhalten vor laufenden Kameras zu offenbaren. Kaum haben die Wahllokale geschlossen, setzt Berlin noch einen drauf: mit satten Abschreibungsmöglichkeiten für teure Elektroautos. Und der sicheren Aussicht, dass der notorisch klamme Staat die Steuerausfälle auch von Leuten eintreiben wird, die mit wachsender Verzweiflung fürchten, dass sie im ländlichen Raum zwar ein Auto brauchen, sich aber keines leisten können. Fehlt nur noch, dass sich Forderungen aus der linken Mottenkiste durchsetzen, die Pendlerpauschale zu streichen. Wahr ist, dass sogar in der CSU lange die These existierte, Wahlen ließen sich nur in den Großstädten gewinnen. Schlimmeres verhindern in Bayern – und bisher nur dort – die Freien Wähler mit ihrer Präsenz in den Kleinstädten und Dörfern. Anderswo bleibt die Bodenhaftung Populisten überlassen, die zwar keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht haben. Aber ein feines Gespür für den Volkszorn, den ihnen die etablierte Konkurrenz allzu oft auf dem Silbertablett serviert.