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- „Frost hat die Ernte vernichtet“
Noch liegen keine offiziellen Zahlen vor. Aber die ersten Meldungen aus den Ländern zeigen, dass die deutschen Landwirte mit einer höchst unterschiedlichen Ernte rechnen müssen. Regional und je nach Anbauart Glück oder Pech kann von wenigen Metern abhängen. Esther Wernien, Agrarwissenschaftlerin beim hessischen Landwirtschaftsverband, bringt es auf den Punkt. „Das Entscheidende ist, ob man in diesem Frühling noch einmal kräftigen Frost abbekommen hat. Oder ob man eben keinen Frost abbekommen hat und Glück gehabt hat." Teilweise kann die Ernte schon innerhalb eines Dorfes höchst unterschiedlich ausfallen. „Manche Betriebe werden eine recht normale Ernte haben, bei anderen kann der Frost zum Totalausfall führen“, erklärt Esther Wernien die Situation, die nicht für Hessen prägend ist. Auch in anderen Regionen ist das Bild ähnlich. Die Lage entscheidet über Ernte und Umsatz, über Gewinn oder Totalausfall. Das Hauptproblem für viele Betriebe sei der späte Frost Ende April gewesen mit Temperaturen von bis zu minus sieben Grad. Einen Unterschied macht etwa, ob die Obst-Bäume in Senken mit einem kühleren Mikroklima stehen oder weiter oberhalb. In den leichten Senken habe es große Schäden gegeben, „teils hängt dort kaum ein Apfel am Baum". Die schwersten Ernteausfälle drohen dabei den Obst- und Gemüsebauern im Osten. In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg berichten Betriebe vereinzelt von Ausfällen von bis zu 90 Prozent. Auch die Weinbauern in der Region stehen vielerorts vor dem Nichts. Für die Verbraucher schlägt sich das zunächst in höheren Preisen nieder, die im Supermarkt für Obst und Gemüse zu zahlen sind. Dort verdrängen Importe aus Chile, China oder Südtirol die heimischen Waren immer mehr. Verbraucher, die heimische Äpfel oder Birnen kaufen wollen, erhalten aktuell wenig bis nichts. „Wir haben nichts“, sagt ein Hof in Rathenow in Brandenburg. „Und das wird sich nicht so schnell ändern.“ Getreideernte zufriedenstellend Offiziell wird der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, die Bilanz für das Wirtschaftsjahr 23/24 erst in einigen Tagen bekannt geben. Dabei machen die ersten Meldungen aus den Ländern, die hier ausgewertet worden sind, beim Getreide durchaus Hoffnung. So haben zum Beispiel die Landwirte in Schleswig-Holstein bislang eine etwas größere Getreideernte eingefahren als im Vorjahr. Wie das Statistikamt in Kiel in dieser Woche bekannt gab, konnten die Landwirte im Norden ersten Schätzungen zufolge rund 2,2 Millionen Tonnen Getreide ernten – eine Steigerung der Erträge um ein Prozent. Im langjährigen Durchschnitt fällt die Ernte aber um fünf Prozent geringer aus. Ein Grund: Auch in Schleswig-Holstein geht die Fläche zurück, auf der Landwirte Getreide anbauen können und wollen. Rückgänge bei der Anbaufläche und dem Ernteertrag gab es bei Roggen, Winterweizen und Winterraps. Gleichzeitig aber steigt der Ertrag pro Hektar von 75 Dezitonnen im Vorjahr auf 82 Dezitonnen – auch durch den Einsatz neuer Technik und Verbesserung der Anbau- und Erntemethoden. Kampf gegen strengere Auflagen Doch genau diesem verantwortungsvollen Einsatz neuer Technik steht die heimische Politik entgegen. „Wir kämpfen zum Beispiel bei der aktuellen Rapsernte mit zunehmenden Beschränkungen im Pflanzenschutz“, sagt Karsten Trunk, Bauernpräsident von Mecklenburg-Vorpommern. „Unseren Bauern stehen immer weniger geeignete Spritzmittel zur Verfügung.“ Deutschland gehe auch in diesem konkreten Fall über Vorgaben der EU hinaus. Brüssel habe zum Beispiel die geplante Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln zurückgezogen, Deutschland nicht. „Deutschland steht einmal mehr auf der Bremse und bedroht mit dem ‚Zukunftsprogramm Pflanzenschutz‘ zunehmend den Anbau von Getreide und Ölfrüchten in Deutschland“, kritisierte Trunk. Landwirte brauchten wie auch Ärzte in der Humanmedizin aber eine breite Palette von Wirkstoffen, um ihre Ernte einfahren zu können. Genau dieses Vorgehen der in Berlin regierenden Ampel-Koalition bringt die Landwirte – landesweit sind beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern etwa 21.000 Menschen in der Land- und Ernährungswirtschaft beschäftigt, weitere 14.000 in Verarbeitungsbetrieben – auf die Palme. Beobachter gehen deswegen davon aus, dass die Protestwelle vom Frühling bald wieder aufleben könnte .
- Erste Planungssicherheit für 2025
Es bleibt ein zähes Verfahren: Kurz vor Torschluss – die Herbstaussaat steht bevor – haben sich Berlin und die EU auf die Regelungen zum Fruchtwechsel auf den Ackerflächen verständigt Landwirte müssen bei der Betriebsführung nicht nur Fruchtfolgen mit all ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit berücksichtigen, sondern dabei auch die GAP-Standards zu einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen – in diesem Fall GLÖZ 7 – mit in die Planung einbauen. Andernfalls, so will es die gemeinsame Agrarpolitik der EU, fließen keine Gelder. Umso größer war die Verärgerung darüber, dass bis Ende Juli die genauen Spielregeln für deutsche Landwirte nicht klar waren. Beginnt doch nach den anstrengenden Erntewochen unter anderem mit der Saatbestellung die Vorbereitung der wichtigen Herbstaussaat. Je nach Witterung und Region kann diese schon früh im Jahr erfolgen. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, drückte deshalb zurecht aufs Tempo. Denn während andere EU-Länder schon Regelungen vereinbart hatten, konnte das Bundeslandwirtschaftsministerium noch nichts Konkretes vorweisen. Krüsken wörtlich: „Während die EU bereits im Mai erste Signale in Richtung Vereinfachung und mehr Praktikabilität gesetzt hat, debattiert die Bundesregierung bis dato weiter mit der EU-Kommission und den Ländern über die Einzelheiten für die praktische Umsetzung der GAP ab nächstem Jahr. Es fehlen noch wichtige Signale in Richtung Regelungsklarheit, Planbarkeit und Rechtssicherheit für die verbleibende GAP-Förderperiode bis 2027.“ Nun gibt es zumindest in der Fruchtwechselfrage ein Ende der Hängepartie. Der GAP-Strategieplan 2025 des BMEL ist in Brüssel eingetroffen, und die jüngsten von vielen Gesprächen haben zu ersten Entscheidungen geführt. Zwar ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber es sieht nach einer Zustimmung der EU und der späteren Umsetzung durch den Bund aus. Es fehlen die letzten Schritte Am 30. Juli gab das Landwirtschaftsministerium offiziell bekannt, dass man versprochene Vereinfachungen bei der EU-Agrarförderung in den Verhandlungen mit der EU-Kommission erreicht habe. Die letzten Schritte zur Entbürokratisierung ist man in Brüssel allerdings wohl nicht mitgegangen. Aber die Betriebe können nun ihre Anbauentscheidungen für das Antragsjahr 2025 treffen. Und es dürfte ihnen etwas einfacher als zuvor fallen. So müssen zum Beispiel in drei Jahren – für das Antragsjahr 2025 ist dies der Zeitraum 2023 bis 2025 – auf jedem Schlag der Ackerflächen zwar mindestens zwei Hauptkulturen angebaut werden. Auf maximal zwei Drittel der Ackerflächen kann aber zwei Jahre hintereinander dieselbe Hauptkultur angebaut werden. Zuletzt war es noch so, dass auf zwei Dritteln der Fläche des betrieblichen Ackerlandes die Fruchtwechsel erfolgen musste. In diesem Punkt gibt es also eine Vereinfachung. Ökobetriebe erfüllen die Fruchtwechselvorgaben aufgrund ihrer Anbaurichtlinien automatisch. Betriebe mit bis zu 10,0 Hektar Ackerfläche sowie Betriebe mit hohem Grünland- bzw. Dauergrünlandanteil (über 75 Prozent) bleiben auch weiterhin von den Vorgaben ausgenommen. Und sicher ist nunmehr auch, dass die deutschen Landwirte ab 2025 nicht mehr verpflichtet sind, vier Prozent ihrer Ackerfläche stillzulegen. Sie müssen diese Pflichtbrache auch nicht durch Hülsenfrüchte oder Zwischenfrüchte ersetzen. In den Jagdrevieren wird das natürlich nicht so gern gesehen. Dabei geht es um Flächen, die auch als Kinderstube für Niederwild gelten. Auch nach dieser Vorentscheidung gibt es aber viele weitere Reglungen, Vorschriften und Ausnahmen. Ohne Bürokratie geht es in Europa beim Thema Boden nicht.
- So alt wie die Menschheit und gerechtes Waidwerk adelt
Von der Antike bis zur Urbanisierung, von der höfischen Angelegenheit zu aktuellen gesellschaftlichen Konflikten. Jagd und Jäger, Wild und Wald im Spiegel der Literatur im jeweiligen Zeitgeist und der Wirklichkeit. Eine Serie für „ natur + mensch “ Die Jagd ist so alt wie die Menschheit und hat ihren Niederschlag gefunden in allen künstlerischen Ausdrucksformen. Sie beschäftigt kreative Menschen seit der Höhlenmalerei in allen Facetten. Die antiken Göttermythen aus dem griechisch-römischen Kulturkreis kennen eigene Gottheiten für die Jagd, mal heißt sie Artemis, mal Diana. Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia führt 23 Einträge in der Kategorie Jagdgottheit auf. Jagd und Jäger, Wild und Wald sind bedeutsam für das Leben der Menschen und mannigfach Motiv in Musik, fiktionaler Literatur, Film und bildender Kunst. Sie spiegeln den Zeitgeist und die gesellschaftliche Wirklichkeit, sind beidem oft genug voraus und prägen sie mit. Dabei gilt: Je mehr die Menschen mit und von der Jagd leben, desto mehr wird sie als selbstverständlich dargestellt. Mit der Urbanisierung aber setzt ein Entfremdungsprozess ein. Vielfältig sind bis dahin die Kontinuitäten und Umbrüche in der deutschsprachigen literarischen Betrachtung des Waidwerks. Dabei leuchtet immer wieder auch ihre politische Relevanz auf. An die aber dachte Friedrich von Hardenberg nicht, besser bekannt unter seinem Dichternamen Novalis, als er sich fest überzeugt zeigte, es gebe einen anderen als den rein wissenschaftlichen Zugang zur Natur und damit auch zu Wild und Jagd. Er schrieb Ende des 18. Jahrhunderts: „Der Poet versteht die Natur besser, wie der wissenschaftliche Kopf.“ Da behauptet der Romantiker, es gebe jenseits der analytischen und vermeintlich mathematisch exakten Naturwissenschaft eine Sichtweise, die nicht nur anders, sondern sogar erkenntnisreicher ist. Sinnbildlicher Ort, diese andere Wahrheit zu erleben, ist lange Zeit der Wald. In ihm lässt sich die Macht des Mystischen und Mythischen erfahren, wie sie Novalis und Freunden auch in der einfachen Kunst des Volkes begegnet, die sie als ursprünglich verstehen. In der Literatur geht Jagdverstand einher mit edler Gesinnung Da ist nur konsequent, dass es die Spätromantiker Jakob und Wilhelm Grimm sind, die Anfang des 19. Jahrhunderts mehr als 200 Sagen und Erzählungen zusammentragen. Ihre literarische Sammlung der Volkskunst enthält Kinder- und Hausmärchen, also ausdrücklich eine Kunstform und nicht unmittelbares Erleben. Diese Bipolarität oder Dualität ist bereits damals nicht mehr zu überwinden. Das einst ungebrochene Verhältnis zur Umwelt ist auch in der Romantik längst zerstört. Das ist bis ins späte Mittelalter ganz anders. In der Literatur geht Jagdverstand einher mit edler Gesinnung. Der gemeine Mann versteht nichts von dieser Kunst. Jagd ist im Gegensatz zu einer heute weit verbreiteten Ansicht alles andere als schmuddelig. Sie wird vielmehr idealisiert, ist der standesgemäße Rahmen für lebenswichtige und staatstragende Entscheidungen. Die Autoren haben dabei seit der Frühzeit ein ungebrochenes Verhältnis zu ihrem Objekt. Erst in der Aufklärung, auf die die Romantik die direkte Antwort ist, ändert sich Mitte des 18. Jahrhunderts die Perspektive. Die bürgerliche Gesellschaft mit ihren sozialen Konflikten rückt zunehmend in das Zentrum der Betrachtung. Je weiter später die Industrialisierung und die Entwicklung der urbanen Gesellschaft voranschreiten, desto größer sind die Brüche und Widerstände in der Wertung des Waidwerks. Deshalb ist der schrittweise Abschied von der höfischen Dichtung zugleich zu verstehen als ein literarisches Abrücken von der höfischen Welt, zu der ganz selbstverständlich die Jagd gehört. Sie ist Teil der Gesellschaftsrituale. So wird Siegfried im Nibelungenlied hinterrücks während der Jagd ermordet. Dieser Gewaltakt stört nicht nur den gewohnten und routinemäßigen Ablauf der Jagd, sondern steht zugleich als Sinnbild für die Zerstörung der Gesellschaft. Die Welt gerät aus den Fugen. Beides, die Störung der Jagd und der gesellschaftlichen Ordnung, geht Hand in Hand. Das eine ist geradezu gleichbedeutend mit dem anderen. Dem königlichen Jägermeister überlegen Das zeigt sich bereits im ersten deutschsprachigen höfischen Roman des Mittelalters, dem gegen Ende des 12. Jahrhunderts von Heinrich von Veldeke verfassten Eneasroman. Die Geschichte: Ein Unwetter beeinträchtigt den Jagdablauf derart, dass der Titelheld und die schöne Dido von den anderen getrennt werden und in der Folge miteinander Geschlechtsverkehr haben. Das ist der Ausgangspunkt etlicher Probleme, denn Dido ist bereits einem anderen Mann versprochen. Auch hier gilt: Ordnungsgemäßer Jagdablauf und Einhaltung der zwischenmenschlichen Normen und Konventionen sind eins. Sie können nur gemeinsam funktionieren oder beide scheitern. Auch Gottfried von Straßburgs Titelheld Tristan entdeckt die Minnegrotte während der Jagd, die in dem Versroman aus dem 13. Jahrhundert wie ein Leitmotiv das gesamte Werk durchzieht. Nicht durch seine Kriegs-, sondern durch seine Jagdkunst gewinnt Tristan die Sympathie des Hofes und die Zuneigung von König Markes. In diesen Kreis gelangt er während auf einen Hirsch gewaidwerkt wird. Mit seiner Fertigkeit des Entbästens – heute würden wir sagen: des Aus-der-Decke-Schlagens und Zerwirkens – erweist sich der Jüngling sogar dem königlichen Jägermeister überlegen. Das Beherrschen der Jagdkunst ist also Ausdruck von Bildung und vornehmen Verhaltens. Sie beeindruckt und lässt in Tristan, der sich als Kaufmannssohn ausgibt, den Edelmann durchscheinen.
- Sonderweg an der Küste: Längere Zeiten für die Gänsejagd
Wo hunderttausende Gänse rasten und brüten, entstehen Millionenschäden für die Landwirtschaft. Schleswig-Holstein reagiert und die Naturschutzverbände haben kein Verständnis Wenn es um die Jagd geht, nimmt Schleswig-Holstein gern einen Sonderweg. Sie genießt im nördlichsten Bundesland seit jeher einen besonderen Stellenwert mit hoher Zustimmung und Zuspruch. Sie gehört zum ländlichen Leben einfach dazu. Jetzt ist das Land wieder einmal vorgeprescht. Als erstes Bundesland hat das Kieler Landwirtschaftsministerium die Jagdzeiten für verschiedene Gänsearten ausgeweitet. Der zuständige Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) ist von Berufs wegen Bauer und passionierter Jäger. Als früherer Präsident des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes pflegt er auch heute noch eine besondere Nähe zu den Höfen auf dem Lande. Schwarz nimmt die Sorgen und Nöte der Betriebe ernst, er führt das Ministerium pragmatisch. Dazu gehört auch die Entscheidung, die Jagdzeiten für Grau-, Kanada- und Nilgänse in Zukunft vom 16. Juli bis zum 31. Januar um einen halben Monat zu verlängern. Zudem wurde die Jagdzeit für Nonnengänse angepasst. Zukünftig kann das Tier von Oktober bis Ende Februar bejagt werden. Gänse verursachen bei vielen Landwirten Schäden, weil sie sich von Feldfrüchten ernähren. Lenkende Wirkung durch Bejagung „Gänsefraß und Verkotung stellen die Bauern schon seit Jahren vor große Herausforderungen und wirken zum Teil existenzbedrohend“, sagte Schwarz und fügte hinzu: „Mit der neuen Regelung können unsere Jäger einen Beitrag dazu leisten, die immer größer werdenden Schäden durch Gänse wirksam zu bekämpfen.“ Aus seiner Sicht könne die Jagd „eine lenkende Wirkung entfalten“. Betroffen ist vor allem Nordfriesland. Nach Angaben des Präsidenten des Landesbauernverbandes, Klaus-Peter Lucht, hat sich der Bestand der Nonnengänse und generell der Wildgänse nicht reduziert. Im Gegenteil, so Lucht, er habe weiter zugenommen. Nach neuesten Schätzungen rasten annähernd 400.000 Nonnengänse und Graugänse auf schleswig-holsteinischen Flächen. Die Schadensschätzung des Bauernverbandes liegt über zehn Millionen Euro. Lucht verweist auf ein aktiveres Gänsemanagement in den Nachbarländern Dänemark und Niederlanden. Im Jahr 2018 seien rund 35.000 Nonnengänse in den Niederlanden und rund 16.000 Nonnengänse in Dänemark geschossen worden (wobei für alle Mitgliedstaaten das gleiche europäische Artenschutzrecht EU-Vogelschutzlinie gilt). In Schleswig-Holstein wurden 2023 an die 2500 Abschüsse registriert. Indes droht der Naturschutzbund (NABU) mit Klage. Minister Schwarz habe auf eine Abstimmung mit dem für den Artenschutz verantwortlichen Umweltministerium verzichtet, heißt es in einer Stellungnahme der Naturschützer. Es knirscht also in der Kieler schwarz-grünen Koalition. Und die Schutzstation Wattenmeer äußert erhebliche Bedenken und unterlegt nach einem Zeitungsbericht ihre Kritik mit dieser Begründung: Durch die Bejagung würden die Gänse durch Störungen auffliegen und bräuchten damit zusätzliche Energie und deshalb mehr Futter.
- Der Glanz reicht nur bis zur Promenade
Der Tourismus gerade an den deutschen Küsten boomt. Doch hinter den oftmals schönen Kulissen ist die Lage für die Menschen eher bescheiden. Auch bisher gesunde Regionen müssen um den Anschluss ans Wachstum kämpfen Die Gründerzeit-Villen sind fein herausgeputzt, über die Promenade in Binz und Sassnitz auf der Insel Rügen flanieren Touristen. Urlaub an den Küsten in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein boomt gerade in diesem Jahr. Zuwachsraten von bis zu 25 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum freuen nicht nur die örtlichen Tourismusmanager und Gastronomen, sondern auch Vermieter von Wohnungen und Hotels. „Urlaub in Deutschland ist sehr attraktiv. Die Menschen wissen die Schönheiten der Regionen nicht nur an den Küsten zu schätzen, sondern auch die unkomplizierte Erreichbarkeit“, sagt ein Sprecher des Deutschen Tourismusverbandes. Nach den schweren Corona-Jahren tut das nicht nur den Bilanzen der Tourismusregionen gut, sondern dürfte auch dem ländlichen Raum insgesamt Auftrieb geben. Tourismus als wichtigster Wirtschaftszweig Dennoch: Der Tourismus gerade in ländlichen Räumen wie im nördlichen Mecklenburg-Vorpommern, in Schleswig-Holstein und Bayern ist ein immer bedeutsamer werdender Wirtschaftszweig. Beispiel Mecklenburg-Vorpommern: Mit einem Bruttoumsatz von über 5,1 Milliarden Euro im Jahr und einem geschätzten Anteil von rund zehn Prozent am Primäreinkommen ist diese Branche ein überlebensnotwendiger Teil der Wertschöpfung. Bis zu 30 Prozent der Jobs hängen in diesem Bundesland direkt vom Geschäft mit den Urlaubern ab. Im Allgäu sind es sogar 65 Prozent. Doch – und genau das ist das Problem – abseits der touristischen Hotspots dünnt der ländliche Raum immer weiter aus. Geringes Steueraufkommen, sinkende Bevölkerungszahlen, unattraktive öffentliche Angebote setzen eine Abwärtsspirale in Gang. Konsequenz: Junge Leute ziehen nicht nur mehr in der Urlaubssaison in die Hotspots an den Küsten, um Arbeit, buntes Leben und eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur zu genießen. „Die gehen für immer nach Stralsund, nach Greifwald oder nach Rostock, um sich dort eine Existenz aufzubauen“, weiß ein örtlicher Regionalplaner. Die 35 Kilometer lange Pendelstrecke ist für viele kein Problem. Zurück bleiben die, die nicht gehen wollen. Oder die keiner haben will. „Menschen fühlen sich nicht ernst genommen“ „Viele der Menschen, die in den ländlichen Räumen leben, fühlen sich nicht ernst genommen und schlichtweg abgehängt. Das ist eine fatale Entwicklung“, sagt zum Beispiel der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, anlässlich einer Aktuellen Stunde zur Situation des ländlichen Raums in Schwerin. Der SPD-Politiker forderte verstärkte Investitionen in den ländlichen Raum. „Wichtige Förderschwerpunkte sind die Flurbereinigung, die Dorfentwicklung und die Schaffung und Sicherung von Schulen und Kindertagesstätten.“ Dabei ist die Diskrepanz zwischen rausgeputzten und pulsierenden Tourismus-Zentren und dem sogenannten „Hinterland“ nicht nur auf Mecklenburg-Vorpommern beschränkt. Auch Schleswig-Holstein, Bayern und Brandenburg kämpfen darum, Investitionen auch in bisher eher vernachlässigte Regionen zu locken. Das klappt manchmal gut – manchmal eher schlecht. Doch der Sog der Gäste und Touristen in die touristischen Hochburgen sowie der Zuzug der Menschen in diese Städte und Regionen birgt auch Gefahren – gerade für die ortsansässige Bevölkerung, die sich seit Jahren einem harten Verdrängungswettbewerb auf dem heimischen Immobilienmarkt ausgesetzt sieht. Als Synonym für diesen Exzess bei Preisen für Wohnraum und Eigentum gilt einmal mehr die Insel Sylt, die von reichen Immobilienkäufern oder Investoren quasi aufgekauft worden ist. Aber auch auf Rügen werden Preise zum Beispiel für neu sanierte und renovierte Eigentumswohnungen im ehemaligen KdF-Komplex Prora von bis zu 8000 Euro pro Quadratmeter aufgerufen. Diese werden dann an solvente Kundschaft vermietet – für ein paar Wochen im Jahr. Oder als Spekulationsobjekt mit der Hoffnung, dass der Preisboom weitergeht. Keinen Platz finden die Menschen, die dort dringend nach Wohnraum suchen.
- Behörde warnt Wanderer – Wolf greift Kinder bei Utrecht an
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in der Bundespolitik geht es momentan vergleichsweise ruhig zu. Die parlamentarische Sommerpause zeigt Wirkung. Viele Politiker machen Urlaub, genauso wie zahlreiche Bürger. Auch in meiner Heimatregion, der Lüneburger Heide, sind überall Erholungssuchende anzutreffen. Aber anders als in den großen Zentren des Massentourismus im Süden Europas und in Übersee gibt es in der Natur der Lüneburger Heide reichlich Platz, um die schöne Natur zu genießen und Kraft zu tanken. Hinzu kommt: Die immer wieder spektakuläre Heideblüte beginnt in diesem Jahr rund zwei Wochen früher als üblich. Doch zunächst ein Blick zu unseren niederländischen Nachbarn und einem Thema, das uns in unserem Blog immer wieder bewegt hat: die zunehmende Ausbreitung von Wölfen und die damit verbundenen Gefahren. Nach mehreren mutmaßlichen Wolfsangriffen auf Kinder haben niederländische Behörden jetzt vor dem Besuch eines beliebten Wander- und Waldgebiets nahe der Stadt Utrecht gewarnt. Die Provinz Utrecht rufe „alle Besucher dazu auf, beim Besuch des Utrecht-Ridge-Hills-Gebietes äußerst vorsichtig zu sein “, hieß es in einer Erklärung. Es werde dringend davon abgeraten, diese Wälder mit kleinen Kindern zu besuchen. Am Mittwochmorgen hatte nach diesen Angaben ein „großes Tier“, bei dem es sich vermutlich um einen Wolf handelte, ein Kind in der Nähe des kleinen Dorfes Austerlitz, etwa 16 Kilometer östlich von Utrecht, umgestoßen. Das Kind blieb demnach unverletzt. Vor zehn Tagen sei allerdings in der gleichen Gegend ein junges Mädchen auf einem Schulausflug gebissen worden. Ein DNA-Test hatte ergeben, dass es sich bei dem Tier um einen Wolf handelte. Anfang Juli hatte zudem eine Frau berichtet, dass ihr Pudel von einem Wolf getötet worden sei. 2015 waren in den Niederlanden erstmals nach 150 Jahren wieder Wölfe aufgetaucht. Seitdem wurden Dutzende gesichtet. Millionen Besucher in blühender Heide Zurück in die Lüneburger Heide . Dort stehen erste Flächen bereits in voller Blüte . Über die aktuelle Entwicklung informiert die Lüneburger Heide GmbH in ihrem Heideblüten-Barometer . In diesem Jahr gab es bei mir in der Heide genug Regen und Sonnenschein, sodass man allgemein von einer guten Blüte ausgeht. Während dieser Zeit in den Monaten August und September erwartet die Tourismus-Organisation in der Region 15 Millionen Tagesbesucher und mehr als zwei Millionen Übernachtungsgäste. Diese Zahlen können sich sehen lassen. Sie zeigen, wie attraktiv die Natur im ländlichen Raum insbesondere für Städter sein kann. Weniger erfreulicher sieht es momentan in Niedersachsen in den Höhenlagen des Harzes aus. Denn auch dort greift der Borkenkäfer mittlerweile die Nadelbäume an. Bisher habe man gedacht, dass es dem Borkenkäfer in den Höhenlagen über 650 Metern nicht so gut gefalle, heißt es beim Institut für Waldschutz am Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg im Harz. Es habe dort zwar immer mal Borkenkäfer gegeben, aber keine Massenvermehrung. Doch Hitze und Dürren hätten immer wieder zu Trockenstress geführt, und durch Sturm umgeworfene und geschwächte Bäume würden leichte Angriffsflächen bilden. Aus Sicht der Niedersächsischen Landesforsten hat die gerade im Harz so verbreitete Fichte nur in Mischwäldern eine Zukunft. Aber der Waldumbau dauere lange. Deshalb lasse man erst einmal jede Fichte stehen, der es gut gehe. „Jeder lebende Fichtenbaum wirft noch Schatten, wir sind dankbar für jeden alten Baum, der noch ein paar Jahre durchhält.“ Doch nicht nur Wetter und Klima setzen den Wald unter Stress. Auch Freizeitsportler wie Mountainbiker oder Radler können vielfach das Leben im Wald stören. So berichtete jüngst die Wermelskirchener Forstgesellschaft , dass Mountainbiker in einem Waldstück über 350 frisch gepflanzte Bäume rausgerissen hätten, um ihren Trail anzulegen. Nicht selten würden Sportlerradler auch mit Baggern in den Wald fahren, um spezielle Wege mit Sprungschanzen und künstlichen Hügeln anzulegen. Hier wird offenbar kein Gedanke an den Schutz von Natur und Wildtieren verwendet. Und dass man sich an fremdem Eigentum vergreift, scheint manchem Übereifrigen auch nicht klar zu sein. Da fehlen einem fast die Worte. Auch Hundebesitzer und Spaziergänger können im Wald zum Problem werden, wenn sie die ausgewiesenen Wege verlassen und Wild aufscheuchen. Manchmal geschieht so etwas ohne bösen Willen. Die Betreffenden wissen schlicht und einfach nicht, was sie wo dürfen. Hier will seit März 2020 der neu gegründete gemeinnützige Verein „Digitze the Planet e.V.“ Abhilfe schaffen. Sein Ziel ist die digitale Besucherlenkung für die Sport- und Freizeitnutzung der Natur. Er will so die Zusammenarbeit von Akteuren aus den Bereichen Naturschutz, Outdoor, Sport und Tourismus unterstützen. Dafür sammelt der gemeinnützige Verein auf internationaler Ebene Informationen zu Regeln und Gesetzen für die Nutzung in der Natur, strukturiert und digitalisiert sie. Ziel ist, auf Basis von Informationen verantwortungsvolles Handeln zu möglichen und Outdoor-Aktive bereits bei der Routenplanung auf die richtigen Wege und Gebiete zu lenken. Gefahren durch Waldbrände steigen Unseren Wäldern und den dort lebenden Wildtieren droht zunehmend noch eine andere Gefahr. Gemeint sind Waldbrände. Momentan im Sommer steigt das Risiko, durch Leichtsinn und Unachtsamkeit wie weggeworfene Zigarettenkippen oder auch durch Feuer im Freien große Brände auszulösen. Hinzu kommt eine klimatisch bedingte Erhöhung der Waldbrandgefahr – Stichwort lange Hitzeperioden und Trockenphasen. Forscher berichten jetzt in dem Fachmagazin „Nature Ecology & Evolution“, dass sich zwischen 2003 und 2023 die Häufigkeit und Intensität extremer Waldbrände auf der Erde etwa verdoppelt habe . Für den ansteigenden Trend sind der Modellrechnung zufolge hauptsächlich die Wälder auf der Nordhalbkugel verantwortlich. So sei die Anzahl extremer Brände in Nadelwäldern in den gemäßigten Breiten um etwa das Elffache auf 67 im Jahr 2023 gestiegen. Die Forscher führen diese Entwicklung auf die vermehrten Trockenperioden infolge des Klimawandels zurück. Die Schäden gingen in die Milliarden, so die Wissenschaftler. Außerdem seien zahlreiche Opfer und Menschen in der Tier- und Pflanzenwelt zu beklagen. Die Erkenntnisse der Wissenschaftler gehen einher mit den praktischen Erfahrungen, die jeder von uns in der heißen Sommerzeit machen kann. Viele Flächen, insbesondere Wälder, sind extrem trocken. Da genügt ein Funken, um unter Umständen verheerende Folgen anzurichten. Man kann nur hoffen, dass sich alle Naturliebhaber dessen gerade in den Hitzeperioden bewusst bleiben. Zum Schluss ein inhaltlicher Ausblick auf die kommende Woche. Konkret geht es um Jagd und Jäger, Wild und Wald im Spiegel der Literatur im jeweiligen Zeitgeist und der Wirklichkeit. Von der Antike bis zur Urbanisierung, von der höfischen Gesellschaft bis hin zu aktuellen gesellschaftlichen Konflikten. In der nächsten Woche beginnen wir mit einer Serie in unserem Blog „natur+mensch“. Unser Autor Christoph Boll beschreibt „Jägerbilder“ in der Literatur im Spannungsbogen zwischen jeweiligem Zeitgeist und der jeweils entsprechenden gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die Jagd ist so alt wie die Menschheit und hat ihren Niederschlag gefunden in allen künstlerischen Ausdrucksformen. Sie beschäftigt kreative Menschen seit der Höhlenmalerei in allen Facetten. Jagd und Jäger, Wild und Wald sind bedeutsam für das Leben der Menschen und mannigfach Motiv in Musik, fiktionaler Literatur, Film und bildender Kunst. Der Bogen wird von der Antike bis zur Urbanisierung mit aktuellen gesellschaftlichen Konflikten gespannt und wie sie sich in der Literatur spiegeln. „Jägerbilder I bis IV“ wird auch für Sie spannend zu lesen sein – so hoffen und erwarten wir es wenigstens. Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Der Tierwohl-Mode fehlt die Glaubwürdigkeit
Wie Jäger um den Fortbestand der Waidgerechtigkeit kämpfen Während sich Tierwohl in aller Munde und in jeder Supermarkt-Reklame findet, haben Jäger alle Mühe für die bewährten Regeln der Waidgerechtigkeit zu kämpfen. Obwohl die Jagd nach gutem Brauch gelebter Tierschutz ist. Mit zweifelhaftem Erfolg versuchen Tierschützer die wachsende Schar der Natur-Touristen wenigstens zur Aufzuchtzeit der Wildtiere von den Kinderstuben in Wald und Flur fernzuhalten. Jeder Jäger kennt das Unverständnis, mit dem tierliebe Hundehalter allzu oft auf Bitten reagieren, ihre Lieblinge an die Leine zu nehmen. Wir staunen über fast schon religiösen Widerwillen gegen die Sterilisierung von Hauskatzen. Und über die Affenliebe zu Schädlingen wie den Waschbären. Jägern schlägt solche Tierliebe oft in Form von Hass entgegen. Weil sie Tiere töten. Nicht nur um diese zu verspeisen, sondern auch um für Gleichgewicht in einer weitgehend von Menschen gemachten Natur zu sorgen. Ihrem Handeln wird gern eine gewisse Rückständigkeit nachgesagt. Wenn diese mit Respekt vor Gottes Natur und unseren Mitgeschöpfen einhergeht, ist nichts dagegen zu sagen. Deshalb berichten wir regelmäßig über Gruppen, die sich unermüdlich mühen, die Waidgerechtigkeit in unsere Zeit zu retten. Zum Beispiel die „Gesellschaft für Tierschutzgerechte Jagd und Hege“ vereint mit den „Hirschgerechten Jägern“ die unermüdlich daran erinnern, dass das Bundesjagdgesetz schon im ersten Paragraphen auf die guten jagdlichen Bräuche verweist: Mit der „Verpflichtung zur Hege, Sicherung der Lebensgrundlage des Wildes sowie der Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit.“ Von der breiten Öffentlichkeit kaum bemerkt, drohen einst „eiserne Regeln“ wie der Schutz von Muttertieren während der Aufzuchtzeit oder das Verbot „unfairer“ technischer Hilfsmittel wie Nachtsichtgeräten aufzuweichen. Dies in einer Zeit, zu der Tierwohl zum mächtigen Marketinginstrument geworden ist. Und alles unter dem Irrglauben, dass wir den Wald im Klimawandel retten, wenn wir die Wildtiere als seine angestammten Bewohner vernichten. Zeitgeist richtet viel Leid an Ein Zeitgeist, der zunehmend nicht wahr haben will, wie viel Leid so manche „Reduktionjagd“ anrichtet. Und was so manche Strecken-Fotos auf Jungjäger-Handys bei den Älteren bewirken, die sich für Fehlabschüsse noch richtig schämten. Vieles erinnert dabei an die Parforce-Jagden feudaler Zeiten – in Deutschland seit Menschengedenken geächtet und seit 1936 auch gesetzlich verboten. Und klammheimlich wieder salonfähig im Rahmen der Klimarettung. Ausgewiesene Experten werden nicht müde, diesem Zeitgeist entgegenzutreten. Immer wieder nachlesenswert ist da „Wildtiermanagement“ (Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2019) von Sven Herzog. Der Professor für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Technischen Universität Dresden bringt es auf den Punkt: „Jagd wird in einer offenen Gesellschaft, die durch ein zunehmendes Grundmisstrauen gekennzeichnet ist, nur eine Zukunft haben, wenn sie in vorbildlicher Weise die ethischen Anforderungen erfüllt und sich in der Öffentlichkeit entsprechend aktiv positioniert. Gelingt das nicht, ist abzusehen, dass noch innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahrzehnte das vom Wesen her absolut demokratische, in zahlreichen Revolutionen erkämpfte Jagdrecht als Teil des Eigentumsrechtes verloren geht.“ Jagd rechtfertigt sich aus solcher Sicht auch durch verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Mitgeschöpfen. Nicht aber durch den Irrglauben, dass ökologische Wunschvorstellungen den Verzicht auf ethische Grundsätze rechtfertigen könnten. Einfacher: Nur weil Mehrheiten einen Teil der Fauna zu Schädlingen erklären, darf sich Jagd nicht zum Schädlingsbekämpfer degradieren. Der Tradition Verbundene wie die Jagdagenda21 e.V. verweisen dazu auf die wachsende Kluft zwischen Forst und traditioneller Jagdausübung: „Mit dem neuen Geist, der in die Forstwirtschaft und in die Jagd eingezogen ist, ‚Wald vor Wild‘ (auch vor Moral?), sind den Wildtieren und einer anspruchsvollen Jagd die Rechtsanwälte abhanden gekommen. Für die allgemeine Jägerschaft hatte die Forstwirtschaft in der Vergangenheit eine Vorbildfunktion von den Waldbauprofessoren bis zum Revierförster. Dieser Konsens scheint gebrochen zu sein, seitdem das Wild nur noch als Störfaktor gesehen wird, dem man nicht mit Hege, sondern mit Jägerhundertschaften begegnet.“ Zur Webseite des Forums lebendige Jagdkultur
- Warum Lingen im Emsland auf grünen Wasserstoff setzt
In West-Niedersachsen werden Elektrolyseure zur Produktion von grünem Wasserstoff gebaut. Von hier aus soll auch eine flächendeckende Infrastruktur entstehen, um die Energiewende voranzutreiben Auf grünen Wasserstoff, klimaneutral produziert aus erneuerbaren Energien, setzen Experten ihre große Hoffnung bei der Energiewende. Denn mit Wasserstoff lässt sich Strom aus Windkraft und Photovoltaikanlagen speichern – und er kann auch dann eingesetzt werden, wenn gerade kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Mit grünem Wasserstoff soll künftig zum Beispiel das größte deutsche Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg statt mit Kohle betrieben werden, ebenso Chemiefabriken und Raffinerien. Auch als Kraftstoff für Züge, Schiffe oder Müllfahrzeuge ist grüner Wasserstoff vorgesehen. So lassen sich CO2-Emissonen reduzieren. Doch noch ist es nicht so weit. So hat die Europäische Union nach Einschätzung des EU-Rechnungshofs bislang lediglich bescheidene Erfolge erzielt. Derzeit ist die Produktion von Wasserstoff sehr energieintensiv und erheblich teurer als Kohle, Öl und Erdgas. Produktion in China statt im Münsterland Benötigt werden dafür besondere Maschinen: Elektrolyseure – Hightech-Geräte, in denen Wasser (H2O) mithilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Einer der Hersteller ist das deutsch-italienische Spezialunternehmen Enapter, das eine Serienfertigung in der „Klimakommune“ Saerbeck im Kreis Steinfurt im Münsterland plante. Vorgesehen war, dass in jedem Monat bis zu 10.000 Wasserstoff-Elektrolyseure gebaut werden. Doch aus der Massenproduktion wird nichts, denn Enapter hat sich vor einigen Wochen für den Produktionsstandort China entschieden. Entsprechend groß war die Enttäuschung in der Region, vor allem in Saerbeck und beim Kreis Steinfurt. Im nördlichen Nachbarkreis Emsland, einer Region ohne Großstadt, aber mit vielen „Hidden Champions“ und technischen Pionieren, ist man dagegen bester Laune: Die Stadt Lingen plant, zum bundesweit größten Standort für Wassertechnik zu werden, gefördert vor allem mit Geldern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Dafür haben sich Unternehmen, Kommunen und Institutionen zur Initiative „Get H2“ zusammengeschlossen. Lingen im Emsland als deutsches Wasserstoffzentrum Die Förderbescheide über 637 Millionen Euro gab es Mitte Juli; auch die Landesregierung in Hannover beteiligt sich. Ziel ist es, vom Südwesten Niedersachsens aus eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland zu schaffen. „In Lingen, als deutsches Wasserstoffzentrum, wird die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung über die Speicherung, den Transport bis hin zur Nutzung im industriellen Maßstab abgebildet“, freut sich der parteilose Oberbürgermeister Dieter Krone. Lingen, Standort eines 2023 abgeschalteten Atomkraftwerks, hat eine strategisch günstige Lage: Die Stadt an der Ems liegt zwischen dem Ruhrgebiet und der Nordsee mit den Offshore-Windparks. Das Unternehmen BP will in Lingen im Projekt „Lingen Green Hydrogen“ auf dem Gelände seiner Raffinerie einen 100 MW-Elektrolyseur installieren, der Wasserstoff an Industriekunden in der Region liefert. Und der Konzern RWE plant einen 300 MW-Elektrolyseur zur Produktion von Wasserstoff. Ein weiterer Energieversorger in Westniedersachsen – EWE – baut zwei große Elektrolyseure: eines im ostfriesischen Emden und eines in Bremen, dazu einen Speicher für grünen Wasserstoff in Huntorf bei Elsfleth in der Wesermarsch. Während von der Deutschen Umwelthilfe, vom BUND, NABU und Greenpeace zum Teil noch Skepsis, Kritik und Bedenken zum Einsatz von grünem Wasserstoff zu hören sind, wird im Westen Niedersachsens bereits gehandelt – zugunsten einer ökologisch wie ökonomisch zukunftsfähigen Klimaneutralität.
- Kaum Hoffnung auf Reanimierung einer Leiche
Über die Idee eines Nationalparks Senne-Egge-Teutoburger Wald wird in NRW länger diskutiert als über den bestehenden Park in der Eifel. Das Thema weiterer Schutzgebiete steht unverändert auf der Agenda der Landespolitik Bei den Befürwortern eines zweiten Nationalparks in Nordrhein-Westfalen glimmt noch ein Fünkchen Hoffnung. Am Niederrhein hat eine Initiative nach eigenen Angaben im Rahmen eines Bürgerbegehrens rund 15.000 Unterschriften gesammelt, um den Reichswald mit dem höchsten Schutzgebietsstatus zu versehen. Das sind deutlich mehr als die erforderlichen 10.601 Unterstützer. Die Zahl jedoch als Beleg für eine eindrucksvolle Beteiligung und einen enormen Zuspruch im Kreis Kleve zu deuten, wie es eine Sprecherin der Initiative tat, ist angesichts von rund 320.000 Einwohnern doch eher zu viel der Begeisterung. Dabei ist die Idee eines – neben der Eifel – zweiten Nationalparks in NRW mit viel regierungspolitischem Rückenwind gestartet. CDU und Grüne haben ihn als Ziel für die laufende Legislaturperiode in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Es geht vor allem für den federführenden grünen Umweltminister Oliver Krischer und seine Parteifreunde um ein ökologisches Vorzeige- und Prestigeprojekt. Doch den von ihm initiierten Findungsprozess bezeichnen Kritiker als von vorneherein „verkorkst“. Er benannte sechs mögliche Standorte, darunter Hürtgen- und Arnsberger Wald, das Eggegebirge und der Rothaarkamm. Vor Ort gab es wie bundesweit bei fast allen Schutzgebietsausweisungen gemischte Reaktionen. Mal war das Thema aus mangelndem Interesse schnell erledigt, mal kam es zu sehr emotionalen Auseinandersetzungen in aufgeheizter Stimmung. Wohl auch aus Sorge, es könnte sich ein neuer Stadt-Land-Konflikt entwickeln, bekräftigte Ministerpräsident Hendrik Wüst deshalb mehrfach, eine positive Entscheidung gebe es nur bei einem klaren regionalen Konsens. Über die Egge wird länger diskutiert als über den Nationalpark Eifel In Düsseldorf wurde zudem stets betont, die Landesregierung sei auch für andere Bewerbungen offen. Spürbar aber war, dass Krischer die Egge favorisierte. Er bezeichnet es als Ironie des Schicksals, dass in Ostwestfalen noch immer kein entsprechendes Schutzgebiet existiere, obwohl darüber bereits länger diskutiert werde als über den seit 2004 bestehenden Nationalpark Eifel. Das alles ließ bei den einen die Alarmglocken schrillen, während bei anderen pure Vorfreude herrschte. Die folgenden Diskussionen ähnelten denen vor gut zehn Jahren, als die Idee eines Nationalparks Senne-Egge-Teutoburger Wald forciert worden war. Sie fußte auf einem 1991 einstimmig gefassten Landtagsbeschluss. Danach sollte der Truppenübungsplatz Senne südlich von Bielefeld zum Nationalpark werden nach der militärischen Nutzung. Die sollte damals im Jahr 2020 enden, hält aber heute auf unbestimmte Zeit an. Außerdem kam keine den rechtlichen Anforderungen für einen Nationalpark genügende Gebietskulisse zustande. Das Vorhaben war tot. Die Düsseldorfer Koalitionäre bemühen sich also seit 2022 um die Reanimierung einer Leiche. Die Argumente sind die gleichen, mit denen auch in anderen Bundesländern über Planungen für einen strengeren Naturschutz gestritten wird. Die Befürworter, vor allem Naturschutzverbände, werben mit der Bewahrung der Artenvielfalt, einem ungestörten Naturraum und wirtschaftlich bedeutsamen Tourismus-Effekten. Auf der Seite der Skeptiker und Kritiker stehen die regionale Holzwirtschaft und Möbelindustrie, Jäger, Land- und Forstwirte. Sie befürchten massive Nutzungseinschränkungen, die die Bewirtschaftung von Wald und Feldern gefährden, und sehen keine wirkliche ökologische Verbesserung, weil meist schon hohe Standards gelten. Darüber hinaus monieren sie, dass der Großteil eines Nationalparks gesperrt würde und sich damit die Möglichkeiten zur Naherholung verschlechterten. „ Wenn die Region entscheidet, akzeptieren wir das“ Dieser Sicht schlossen sich deutliche Mehrheiten in allen zuständigen Kommunalparlamenten an. Sie sind nicht bereit, das schärfste Schwert des Naturschutzes zu ziehen. Einen kleinen Spagat muss dabei stets die CDU machen, die trotz des Düsseldorfer Koalitionsvertrages vor Ort mit der FDP auf Seiten der Ablehner steht. Für ihre Landtagsfraktion ist das kein Widerspruch, wie die stellvertretende Vorsitzende Bianca Winkelmann dem WDR erklärte: „Wir sitzen hier in Düsseldorf im Landtag nicht und sagen unseren Kommunalen vor Ort, wie sie reagieren und wie sie sich entscheiden sollen. Wenn eine Region entscheidet, dass sie ihre Region nicht für geeignet halten, dann akzeptieren wir das natürlich auch. Das gehört ja zu einem demokratischen Prozess dazu.“ Damit scheint das endgültige Aus für die Nationalpark-Pläne sicher, auch wenn sich nun der Kreistag in Kleve erneut mit dem Thema befassen muss. Doch es ist nicht anzunehmen, dass er von seinem bisherigen Votum abweicht. Als letzte Option bleibt dann ein Bürgerentscheid, bei dem die Wahlberechtigten das letzte Wort haben. In den Kreisen Höxter und Paderborn waren dabei die Entscheidungen mit 66,3 und 55,1 Prozent Nein-Stimmen eindeutig. Alles spricht für ein ähnliches Ergebnis am Niederrhein. Doch noch bevor das endgültig klar ist, plant der Umweltminister eine neue Nationalparkbehörde. Die Opposition von SPD und FDP spricht von Geldverschwendung. „Der Leiter der Nationalparkbehörde bekommt mit Besoldungsstufe B2 so viel Geld wie die Bürgermeisterin einer Gemeinde bis 10.000 Einwohner – und das bei absehbar sehr viel weniger Verantwortung“, zitiert die Rheinische Post den umweltpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, René Schneider. „Sollte kein zweiter Nationalpark in NRW gefunden werden, würde die neue Premium-Behörde nur den Nationalpark Eifel verwalten.“ Auch der Bund der Steuerzahler blockt skeptisch auf das Aufblähen von Verwaltungsstrukturen. Krischer hingegen rechtfertigt sein Vorhaben mit der Neuordnung der Ministerien nach der Landtagswahl 2022. Damals wurden die bis dahin zusammengehörigen Bereiche Umwelt sowie Land- und Forstwirtschaft auf zwei Ministerien aufgeteilt. Das bedinge eine neue Organisationsstruktur.
- Lückenbüßer auf dem Land
Bundesbauministerin Geywitz will den Umzug von der Großstadt in den ländlichen Raum fördern – und nennt ihre simplen Parolen eine Strategie gegen den Leerstand Die Bundesbauministerin nennt es eine Strategie. Per Definition also eine grundsätzliche, langfristige Maßnahmenkombination der Unternehmung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung langfristiger Ziele. Genau das aber ist all das, was Klara Geywitz von sich gibt, nicht. Im Gegenteil: Ihre „Strategie gegen den Leerstand“ ist ein politisches Armutszeugnis ersten Ranges. Heiße Verlautbarungsluft. Denn was will die Ministerin? Etwa deutlich mehr neue Wohnungen bauen? Wie großspurig versprochen? Oder mehr Vermieter durch eine Anpassung des stringenten Mietrechts bewegen, freie Wohnungsflächen auf den Markt zu bringen? Stellt sie sich an die Spitze einer Bewegung, die überteuerte und überzogene Bauauflagen beseitigt und das Baurecht unbürokratischer macht? Plant sie Krediterleichterungen für bauwillige junge Familien, die sich trotz Doppelverdienst längst den Traum vom Eigenheim abgeschminkt haben? Von alle dem hört man aus dem leerstehenden Haus Geywitz nichts. Stattdessen setzt die Ministerin auf eine Umverteilung von der Stadt hinaus aufs Land. Der ländliche Raum als Lückenbüßer für unbezahlbare Stadtimmobilien. Als Umsiedlungsgebiet für eine durch und durch gescheiterte Wohnungsbaupolitik. Das Münchner Ifo-Institut jedenfalls wagt die Prognose, dass die Zahl der neu gebauten Wohnungen in Deutschland 2026 auf nur noch 175.000 im Jahr sinken könnte. Das wären mehr als 40 Prozent weniger als die knapp 300.000 Wohnungen des Jahres 2022. Und deprimierend weit entfernt von dem Ziel der Ampel-Koalition, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Arbeitsplätze ziehen nicht mit um Jetzt entdeckt Geywitz also den ländlichen Raum, schwadroniert über gute Kita- und Schulangebote, preist Einkaufsmöglichkeiten und feine Ärztepräsenz. Wovon träumt die Ministerin eigentlich nachts? Denn die Sozialdemokratin kommt natürlich nicht umhin, festzustellen – soviel Realitätssinn muss doch sein –, dass es zu dem angestrebten verlockenden Rück- oder Umzug aufs Land dort genügend Züge, Busse und digitale Angebote geben müsste. Denn die Arbeitsplätze ziehen ja nicht mit um. Spätestens hier könnte Geywitz ihre sogenannte Strategie dann locker in die Tonne treten. Geywitz scheint die Hilflosigkeit ihrer Politik selbst zu bemerken. Immerhin. Die Strategie gegen den Leerstand könne nur aufgehen, wenn das Leben jenseits der Metropolen nicht als Notfalllösung wahrgenommen werde, sagt die Ministerin, die bei der letzten Bundestagswahl nicht mal ihren Wahlkreis Potsdam I gewinnen konnte. Wenigstens damit liegt sie richtig. Wenn also Kinder nicht ewig im Schulbus sitzen müssten, das nächste Krankenhaus nicht weit entfernt wäre, die letzte Apotheke im Ort nach Metzger und Bäcker nicht schlösse, der Einkauf nur im Supermarkt-Discounter möglich wäre, die Busse nicht nur alle zwei Stunden und am Sonntag gar nicht führen und die Anschaffung eines Zweitwagens zwingend auf die möglicherweise geringeren Mietkosten angerechnet werden müssten. Homeoffice und Digitalisierung heißen die Geywitz-Zauberwörter. Wörter, die längst zu Leerstands-Leerwörtern geworden sind. Wer das eine Strategie nennt, der hat den Kampf für neue Wohnungen längst aufgegeben.
- So macht die CDU im Osten Wahlkampf in der Fläche
Die Konrad-Adenauer-Stiftung sucht in einer Veranstaltungsreihe in Thüringen, Sachsen und Brandenburg bewusst kleine Orte auf, um sich als Kümmerer für die Landbevölkerung zu präsentieren „Dorfliebe-Tour“: So nennt die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) eine aktuelle Veranstaltungsreihe, die sich bewusst an den ländlichen Raum richtet, wo es nur wenige Angebote der politischen Bildung gibt: „Wir schaffen Begegnungsmöglichkeiten an Orten, an denen der Supermarkt oder der Friseursalon nur noch mit dem Auto erreichbar ist und man den Nachbarn aus dem Dorf nur noch selten zufällig begegnet“, heißt es auf der Homepage der Stiftung. Geplant sind Diskussionen über Veränderungen im Alltag, Gespräche über die schöne Gemeinschaft am Ort, aber auch über politische Lösungen, um etwas zu verbessern. „Mal wird es ein Kino-Abend mit anschließendem Gespräch, mal Bratwurst und Debatte über das Thema, das das Dorf bewegt“, kündigen die Initiatoren an. Es soll ein Gespräch in gewohnter Umgebung sein mit einem Moderator und einem örtlichen Politiker. Vorgesehen ist, dass bundesweit jedes der 18 Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Deutschland bis zum Jahresende mindestens eine Veranstaltung organisiert, wie Felix Bäuml ankündigt. Der Referent in der Hauptabteilung Politische Bildung der KAS spricht von „aufsuchender politischer Bildung“. Eine interaktive Karte auf der Homepage der KAS zeigt mit orangefarbenen Punkten, wo überall Veranstaltungen geplant sind. Bisher konzentriert sich das Angebot auf drei ostdeutsche Bundesländer – und das ist zweifellos kein Zufall, denn dort werden in wenigen Wochen die Landtage gewählt: In Thüringen und Sachsen ist die Wahl am 1. September, in Brandenburg drei Wochen später. Man präsentiert sich als Kümmerer in der Fläche In allen drei Ländern sieht man dem Wahlergebnis mit Spannung und Bangen entgegen, vor allem angesichts des Höhenflugs der AfD, die in Thüringen bis zu zehn Prozentpunkte vor der CDU liegt und nach den Umfragen auch in Sachsen und Brandenburg stärkste Kraft werden könnte. Betreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung also mit der „Dorfliebe-Tour“ Wahlkampf für die CDU, ohne die Partei ausdrücklich zu nennen? Nein, betont Bäuml, denn das dürften die politischen Stiftungen sechs Wochen vor einer Wahl gar nicht. Wer auf der interaktiven Karte auf der Homepage die Veranstaltungen anklickt, sieht allerdings, dass zu den Rednern beispielsweise an Stammtischen Landtagskandidaten der CDU zählen. Bewusst geht man in die Fläche und präsentiert sich als Kümmerer, auch wenn das ein mühsames Geschäft ist und mal 40 Teilnehmer, mal nur ein Dutzend Interessierte kommen. Konkurrenz durch neue Bauernpartei In Brandenburg starteten die Christdemokraten ihren Wahlkampf – unabhängig von der „Dorfliebe-Tour“ – in der kleinsten Gemeinde des Landes, im 380-Seelendorf Kleeßen-Görne im Havelland, etwa 70 Kilometer nordwestlich von Berlin. Es ist der Versuch, den Dorfbewohnern zu verdeutlichen, die CDU habe die Sorgen und Nöte der Menschen in den kleineren Orten nicht vergessen. Leicht haben es die Brandenburger Christdemokraten dabei allerdings nicht. Denn die bekannt gewordene Trunkenheitsfahrt ihres Spitzenkandidaten Jan Redmann mit einem Roller wirkt wie ein Klotz am Bein – und zu allem Überdruss ist auch noch ein neuer Mitbewerber hinzugekommen: eine Bauernpartei, ähnlich wie die BoerBurgerBeweging in den Niederlanden. „Deutsch-Land-Wirtschaft“ (DLW) nennt sich die Konkurrenz in Brandenburg, die sich erst im Juni gegründet hat. Die DLW kämpft für billigen Agrardiesel, wendet sich gezielt auch an Handwerker und sieht im ländlichen Raum ein Kernthema ihrer politischen Bemühungen. Auch die Freien Wähler haben den ländlichen Raum entdeckt und treten in Brandenburg ein für den Erhalt von Krankenhäusern und Arztpraxen sowie für bessere Angebote beim öffentlichen Nahverkehr. Zwar sind am 22. September eher einstellige Ergebnisse im unteren Bereich zu erwarten, doch dürften beide Gruppierungen den größeren Parteien Stimmen wegnehmen. Auch das ist vermutlich mit ein Grund für die „Dorfliebe-Tour“ der Konrad-Adenauer-Stiftung. Der Thüringer Landesverband der CDU lässt derweil nichts unversucht und wirbt sogar an Urlaubsorten an der Ostsee mit einem originellen Spruch. Auf den Plakaten heißt es: „Am Meer ist’s echt schön. Nur in Thüringen ist’s schöner. Genießen Sie den Urlaub. Am 1. September ist Zeit für den Wechsel.“
- Was so alles der Umwelt schadet – „Klimaanpassung“ statt Klimawandel – „Wald und Wild“ in der Praxis
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, alle Welt redet von der Digitalisierung und vor allem der künstlichen Intelligenz (KI) . Im Prinzip ist dieser Begriff unzutreffend. Intelligent kann nur ein Mensch, aber eine Maschine eben nicht sein. Der Versuch, menschliches Lernen und Denken auf Computer zu übertragen, ist wohl der Kern der KI, die in aller Munde ist. Und das voller Zukunftshoffnungen, aber auch -ängste. Das „Centrum für Europäische Politik“ (cep) untersucht und bewertet als „Think Tank“ politische Themen mit Blick auf die EU unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten. Nachdenklich macht eine der jüngsten Veröffentlichungen unter der Überschrift „Digitalisierung der EU schadet in vielen Fällen der Umwelt“. Es geht um eine Untersuchung von Energieverbrauch und Kohlenstoffemissionen im Zusammenhang mit immer größer werdenden Rechnerkapazitäten und der ressourcenaufwändigen Chipherstellung. Gefordert wird zu Recht mehr Transparenz über Kohlenstoffemissionen und Energieverbrauch. Ohnehin blicken wir in dieser Zeit mehr darauf, was sich in Europa tut. Unser Autor Ludwig Hintjens hat nach der Wiederwahl der EU-Präsidentin am Donnerstag in der Reihe unserer täglichen Beiträge in unserem Blog analysiert , was der ländliche Raum zu erwarten hat. Ursula von der Leyen habe im Bereich Landwirtschaft und ländlichen Räumen Abgeordneten von der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR), die rechts von der christdemokratischen EVP sitzen, bis hin zu den Grünen Angebote gemacht. Sie finden sich in ihren Leitlinien für die Jahre 2024 bis 2029 und in ihrer Rede im Plenum wieder. Im Hinblick auf die ländlichen Räume stelle sie augenfällig 2029 nicht den Klimaschutz, sondern die Anpassung an den Klimawandel in den Vordergrund. Da werden also noch muntere Debatten in Brüssel und Straßburg folgen. Der ländliche Raum kein Thema? Derweil geht die Berliner Politik erst einmal in die Sommerpause . Das Sommerinterview und der Auftritt des Kanzlers vor der Bundespressekonferenz gehört zu den Ritualen. Die eigene Zufriedenheit, den Haushaltsentwurf angesichts der bekannten Kontroversen innerhalb der Ampel im Kabinett verabschiedet zu haben, war für Olaf Scholz wohl die wichtigste seiner Feststellungen. Für mich ist auffällig, dass weder er noch die Fragen, die an ihn gestellt wurden, direkt Belange des ländlichen Raumes thematisierten. Etwa eine Antwort darauf, welchen Niederschlag die Bauernproteste im Winter in Einzelthemen oder Haushaltsbeschlüssen gefunden haben. Wir werden trotzdem wieder davon hören, wenn die Bundestagsausschüsse und Fachpolitiker nach den Sommerferien in die Details des rund 2500 Seiten umfassenden Etatplanes einsteigen, bevor er dann im Parlament beschlossen wird. Parallel blicken wir in den Ferien erst einmal alle auf die beiden Landtagswahlen am 1. September. Vorher gehört dazu der ständige Blick in Umfragen vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Bei den Sonntagsfragen mit AfD und CDU oben, der SPD, den Grünen und der FDP zum Teil in bedenklicher Nähe zur 5-Prozent-Hürde bleiben die politischen Sorgenfalten unverändert. Interessant ist ein Randaspekt mit Blick in den „Sachsen-Kompass“ , den die Sächsische Zeitung und die Leipziger Volkszeitung initiiert haben. Dort taucht das Stichwort Natur überraschenderweise an prominenter Stelle auf. An der (nicht repräsentativen, aber reaktionsstarken) Online-Umfrage haben sich 23.000 Menschen beteiligt. Danach sagten gut 81 Prozent, dass sie sich in Sachsen wohlfühlen. Und auch die Frage „Was schätzen Sie an ihrem Leben in Sachsen besonders?“ antworteten mit höchstem Wert 80 Prozent „Natu r“ neben „Familien und Freunde“. Ich finde das bemerkenswert. „Meinen Arbeitsplatz“ schätzen dagegen übrigens nur 30 Prozent. Das erklärt vielleicht auch etwas von der bekannten Unzufriedenheit dort. Wachsender Trend aus den Städten heraus zur Natur Dass viele Menschen, die in größeren Städten oder Ballungszentren leben, wachsende Affinitäten zur Natur und ihren Zusammenhängen entwickeln, ist bekannt. Das gilt in Anknüpfung an die zitierte Umfrage nicht nur für Leipzig, sondern etwa für Beispiele wie Hamburg, den Großraum Berlin, die Metropolen am Rhein und in Bayern, den Südwesten mit Stuttgart oder der inzwischen oft auch überraschend (diesmal unpolitisch gesehenen) grünen Industrieregion Ruhrgebiet. Mancher erinnert sich daran, dass Essen beispielsweise 2017 „Grüne Hauptstadt Europas“ war. Zuvor war das Kopenhagen, danach wurden Städte wie Nijmegen, Oslo, Lissabon, Lahti und aktuell Valencia ausgezeichnet. Sinn dieser von der EU-Kommission 2008 begründeten europäischen Initiative „European Green Leaf Award“ ist es, „ grüne und nachhaltige Städte ins Licht zu rücken “, wie es in der Beschreibung heißt. Warum gehe ich darauf an dieser Stelle einmal ein? Zu beobachten ist aktuell eine sprichwörtliche Sehnsucht als Trend, dass gerade Stadtmenschen zunehmend das Grüne und Nachhaltige suchen und Natur erleben wollen – besonders unmittelbar oder in naher Erreichbarkeit. Sie interessieren sich immer mehr für diese Themen. Die Städter zieht es dabei besonders in ländliche Regionen in der Nähe. Da begegnen sich Stadt und Land mit jeweils eigenen Beobachtungen, Erlebnissen und Erfahrungen angesichts der Bewirtschaftung von Feld und Wald. Vielfach treffen Klischees auf Wirklichkeit, Unkenntnis auf praktisches Wissen; manchmal auch ideologische Betrachtungen auf gegebene Zusammenhänge der wirtschaftlichen Naturnutzung mit abhängigen Existenzen. Beispiele bieten kontroverse Ansichten zum Wolf, über Tierhaltung, die Agrarwirtschaft, zur Lebensmittelproduktion, zum praktischen Tierschutz oder zur forstlichen Bewirtschaftung. Projekt: Werterhaltende Waldbewirtschaftung Viel zu hören ist aktuell zum Thema Wald und Wild oder Wald vor Wild : In unserem Blog sind wir schon mehrfach darauf eingegangen , dass der Streit um die richtige Forstwirtschaft in Deutschland auch mit ihren unter Kundigen bekannten Irrtümern eine lange Tradition hat. Das trifft zum Beispiel in der politischen Praxis aktuell bei der Diskussion über den Berliner Referentenentwurf eines neuen Bundeswaldgesetzes zu. Oder es geht um Naturwaldthesen eines bekannten Forst-Publizisten, der einfach umstritten ist, medienwirksam arbeitet und am Ende nach unserer Einschätzung sterbende Wälder sich selbst überlässt. Die Frage, wie weit dies zu verbuschten Wäldern führt oder zu vitalen klimastabilen Forsten, wird kontrovers geführt. Dazu gehört die Antwort darauf, mit welchen Belastungen der naturbelassene Weg für die jeweiligen Eigentümer verbunden ist. Stichworte wären dabei unter anderem der Aufwand für die Verkehrssicherheit und starke Einschränkungen – etwa auch für die Jagd, um regulierend einzugreifen. Für uns gehört sie zu einer werterhaltenden oder -steigernden Waldbewirtschaftung. Wir haben also klare Positionen dazu und werden als Stiftung praktische Beispiele näher betrachten, authentisch begleiten und auf unserer Homepage in der Entwicklung dokumentieren. Und das über viele Jahre bis zur nächsten Generation. Es geht um Beispiele einer Beforstung als Wirtschaftswald mit ausgewogenen Wildbeständen und hoher Biodiversität . Der Blick richtet sich auf praktische Möglichkeiten im Aufbau von artenreichen Waldprojekten in der Zeit eines spürbaren Klimawandels. Wir blicken auf Lagen in öffentlicher oder privater Hand. Ob in einer Niederwaldbewirtschaftung mit Steilhängen – in Teilen auch mit Gefährdungspotenzial, wie es sich am Ende beispielsweise an der Ahr entlud. Oder die Entwicklung lichtdurchlässiger Hochwaldformen. Das sind große Themen, die Forst, Waldbesitzer, Jäger, Anwohner und Erholungssuchende zunehmend beschäftigen. Der Blick auf sterbende Wälder unter dem Stichwort „naturbelassen“ kann emotional verklären, aber auch kritisch bewertet werden. Wir kommen in einem langfristig angelegten Projekt darauf zurück. Jägern wird gern eine gewisse Rückständigkeit nachgesagt. Wenn diese mit Respekt vor Gottes Natur und unseren Mitgeschöpfen einhergeht, ist nichts dagegen zu sagen. Deshalb berichten wir auch gern über Gruppen, die sich unermüdlich mühen, die Waidgerechtigkeit in unsere Zeit zu retten. Zum Beispiel die „Gesellschaft für Tierschutzgerechte Jagd und Hege“ – vereint mit den „Hirschgerechten Jägern“ –, die unermüdlich daran erinnert, dass das Bundesjagdgesetz schon im ersten Paragraphen auf die guten jagdlichen Bräuche verweist: Mit der „Verpflichtung zur Hege, Sicherung der Lebensgrundlage des Wildes sowie der Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit“. Von der breiten Öffentlichkeit kaum bemerkt, drohen einst „eiserne Regeln“ wie der Schutz von Muttertieren während der Aufzuchtzeit oder das Verbot „unfairer“ technischer Hilfsmittel wie Nachtsichtgeräten aufzuweichen. Dies in einer Zeit, in der Tierwohl zum mächtigen Marketinginstrument geworden ist. Und alles unter dem Irrglauben, dass wir den Wald im Klimawandel retten, wenn wir die Wildtiere als seine angestammten Bewohner vernichten. Mehr dazu schreibt Michael Lehner in der kommenden Woche in unserem Blog. Mit diesen Absichtserklärungen für Natur und Mensch und die dahinter praxisnah wirkende Stiftung wünsche ich Ihnen ein erholungs- und erlebnisreiches Wochenende Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination












