Keine Zwangsmaßnahmen für die Artenvielfalt

Der massive Widerstand im Europäischen Parlament hat dafür gesorgt, dass das umstrittene EU-Gesetz zur Naturwiederherstellung seinen Schrecken verloren hat

Foto: Linse / pixelio.de
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Von Ludwig Hintjens

 

Es gab wohl selten einen Brüsseler Vorschlag, der bei den Menschen in den ländlichen Räumen mehr Widerspruch, ja Ängste ausgelöst hat, als das Gesetz zur Naturwiederherstellung. Viele Menschen, die Land oder Wald besitzen, fühlten sich bedroht. Ihre Sorge war berechtigt. Sie befürchteten, dass sie ganz konkret gezwungen sein würden, Flächen für den Naturschutz herzugeben. Der Vorschlag, der die Handschrift des für den Green Deal seinerzeit verantwortlichen Kommissars Frans Timmermans trug, wollte vor allem etwas gegen das Artensterben tun. Kulturlandschaften sollten zurückverwandelt werden zu Naturlandschaften. Trocken gelegte Feuchtgebiete sollten verpflichtend wieder vernässt werden. Boden also, der heute meistenteils für die Lebensmittelproduktion intensiv genutzt wird.

 

Der Vorschlag enthielt Zwangsmaßnahmen und Verbote, wie etwa das sogenannte Verschlechterungsverbot. Geplant war, dass der Lebensraum und die Tierarten, die besonders wertvoll sind für den Artenreichtum, nicht schlechter gestellt werden dürften. Wohl gemerkt: Es geht ausdrücklich um das Land, das von Privatleuten besessen wird.

 

Das waren die sehr weitgehenden und in das private Eigentumsrecht eingreifenden Pläne für das Gesetz, die die Kommission im Juni 2022 vorgelegt hat. Sie haben den Widerstand im Europäischen Parlament mobilisiert. Erstmals überhaupt hat die christdemokratische Fraktion in der Straßburger Volksvertretung ein Gesetz des Green Deal grundsätzlich abgelehnt. Den Abgeordneten ist es aber gelungen, das Gesetz zu verändern. Im informellen Vermittlungsverfahren haben sich die Unterhändler der Mitgliedsstaaten und des Parlaments auf ein Gesetz verständigt, das mit dem Vorschlag der Kommission nur noch die Hülle gemeinsam hat.

 

Das ist auch ein großer Erfolg der CDU-Abgeordneten Christine Schneider aus Rheinland-Pfalz. Jetzt enthält die Verordnung keine Passagen mehr, die restriktive Maßnahmen für die Bauern vorsehen. Es gibt keine Pflicht zur Wiedervernässung von Mooren. Auch das Verschlechterungsverbot konnte heraus verhandelt werden. Agrarexperten sind sich sicher, dass die über 30 Jahre alte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) den Landwirten mehr Maßnahmen aufbürdet, als aus der jetzigen Fassung des Naturwiederherstellungsgesetzes erwachsen würden.

 

Abschließende Abstimmung Anfang 2024

 

Anfang 2024 wird das Europa-Parlament abschließend über das Gesetz abstimmen. Die christdemokratische Fraktion muss ihr Stimmverhalten wägen. Eigentlich könnte der Fraktionschef der Christdemokraten, Manfred Weber (CSU), stolz auf die maßgeblich von seinen Leuten errungenen Verhandlungserfolge verweisen und für das Gesetz stimmen. Ratsam wäre es aber eher, mit „Nein“ zu stimmen und es auf das Kippen des ganzen Gesetzes anzulegen. Das Naturwiederherstellungsgesetz ist zwar in seiner jetzigen Version zahnlos. Doch es würde erstmals eine EU-Verordnung geschaffen, die als Blaupause für künftige Verschärfungen dienen und den Menschen auf dem Land später auf die Füße fallen könnte.

 


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