Schwarz-Grün braucht die Länder

In Baden-Württemberg zieht sich Thomas Strobl, Winfried Kretschmanns Lieblings-Schwarzer, vom CDU-Landesvorsitz zurück. Die Union braucht trotz Friedrich Merz grüne Partner in den Ländern, um im Bund regierungsfähig zu werden

Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg
Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

 

Von Wolfgang Molitor

 

Einer wie Winfried Kretschmann lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Das ist seine bewährte Masche. Und oft ist es tatsächlich so, dass der grüne baden-württembergische Dauer-Ministerpräsident nicht vom hektischen Flügelschlagen der Tagespolitik beeindruckt ist. So wie jetzt, als ihm vor kurzem sein christdemokratischer Lieblingsminister mitteilen musste, im November auf die erneute Kandidatur um den CDU-Landesvorsitz zu verzichten. Nach 12 Jahren. Halb gesunken, halb gezogen.

 

Noch dauert es bis zum Frühjahr 2025, bis sich in Stuttgart ein neuer Landtag finden muss. Noch scheuen die Grünen eine Debatte um die Nachfolge des dann fast 77-jährigen bekennenden öko-konservativen Katholiken wie der Teufel das Weihwasser. Aber der Vorsitzenden-Rückzug von Thomas Strobl bringt das grün-schwarze Bündnis am Neckar mehr in Wallung, als es alle Beteiligten wahrhaben wollen.

 

Grün-Schwarz ist Kretschmanns Lieblingskoalition. Die Gedanken an einen rechnerisch möglichen Pakt mit SPD und FDP hatte er seinen aufbegehrenden Delegierten recht schnell ausgetrieben. Kretschmann wollte mit Strobl weiterregieren. Und nur mit ihm. Dass auf Strobl jetzt mit Manuel Hagel ein 35-jähriges Greenhorn, das locker sein Sohn sein könnte, folgen dürfte, wird hinter den Kulissen die Generationenfrage unter Grünen und mögliche Nachfolge-Szenarien anheizen. 

 

In Baden-Württemberg zeigt sich wie unter dem Brennglas, dass gute, vertrauensvolle persönliche Kontakte und Neigungen dazu beitragen müssen, das zwischen CDU und Grünen vor allem im Bund wieder verstärkt auseinanderdriftende Inhaltliche auszugleichen und abzufedern.

 

Wenn CDU-Chef Friedrich Merz die Grünen in Berlin zum politischen Hauptgegner abstempelt, wenn er dieser Tage Bundeskanzler Olaf Scholz auffordert, die Grünen aus der Regierung zu werfen, dann dürfte das das abgekühlte Verhältnis von Schwarzen und Grünen nicht mal lau erwärmen. Dass sich sowohl Grüne, vor allem aber die Union damit um einen handlungsnotwendigen Partner bringen können, scheint auf beiden Seiten zurzeit keine strategische Herausforderung zu sein. 

 

Es liegt also mehr denn je an den Länderbündnissen, die den schwarz-grünen Bundeskarren wenigstens mit niedriger Drehzahl am Laufen halten müssen und wollen. In Baden-Württemberg bis 2025, nach der Landtagswahl am 8. Oktober seit 2014 bewährt in Hessen, in Schleswig-Holstein mit dem ambitionierten Daniel Günther, nicht zuletzt im bevölkerungsreichen Königsmacher-Land Nordrhein-Westfalen, wo der CDU-Mann Hendrik Wüst lautlos seine knappe schwarz-grüne Mehrheit über die Runden bringt.

 

Schwarz-Grün lebt in wichtigen Ländern ein eigenes Leben. Nicht ohne gute Ergebnisse hier und da. Hier liegt deshalb das Fundament für eine bundespolitische Tonlagenanpassung, für neuen inhaltlichen Kompromisswillen, für strategische Berechenbarkeit. Hier müssen die Fühler ausgestreckt werden, wie die erkalteten persönlichen Kontakte in Berlin auf Länderebene kompensiert werden können. Genauer: Hier wird entschieden, ob die CDU mit Friedrich Merz einen Kandidaten in den Wahlkampf schicken darf, der Schwarz-Grün immer lauter ablehnt oder zumindest gefährdet. 

 


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