Der Wald ist Verbündeter im Kampf gegen Klimawandel

Bislang kümmert sich Brüssel wenig um die Forste. Eine naturnahe Bewirtschaftung von Wäldern sollte mit Geld vom EU-Steuerzahler gefördert werden

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

 

Von Ludwig Hintjens  

 

Bilder von katastrophalen Waldbränden in Griechenland vermitteln einen falschen Eindruck: Der Wald in Europa ist nicht auf dem Rückzug, vielmehr nehmen die Waldflächen EU-weit seit Jahren zu. Auch diese Zahl dürfte überraschen: 40 Prozent der EU-Flächen zu Land sind mit Wald bedeckt. Das sind gute Nachrichten. Denn der Wald ist ein Verbündeter im Kampf gegen die Folgen von Klimawandel und Artensterben. Bäume kühlen, ziehen über die Fotosynthese CO₂ aus der Luft und lagern es ein, schützen gegen Erosion. Außerdem gibt es keinen anderen Lebensraum an Land als Wälder, der mehr Tier- und Pflanzenarten als Biotop dient. 

  

Dem Wald in Europa geht es aber nicht gut. Lediglich 14 Prozent der Waldflächen, die unter die EU-Habitat-Richtlinie fallen, sind in gutem Zustand. Überraschenderweise haben die Wälder gerade in Nordeuropa Schwierigkeiten und sind in einem schlechteren Erhaltungszustand als die Wälder in Mitteleuropa und in mediterranen Klimazonen. Und auch das zeigt, dass der Lebensraum Wald bedrängt ist: 27 Prozent der Säugetierarten, die im Wald leben, zehn Prozent der Reptilien und acht Prozent der Amphibien sind vom Aussterben bedroht.

 

Bislang hat sich die EU wenig um die Wälder gekümmert. Es wird höchste Zeit, dass sich dies ändert. Im Herbst will die Kommission einen Vorschlag für ein Gesetz zur Waldüberwachung vorlegen. Es könnte helfen, Kriterien für einen gesunden Wald zu entwickeln und Schäden zu überwachen. Vor allem aber muss die Bewirtschaftung der Wälder angepasst werden. Die Kommission hat jetzt Leitlinien dafür entwickelt

 

Naturnahe Wälder sind widerstandsfähiger 

 

Die Erkenntnisse der Forstwirtschaft sind unstrittig: Naturnahe Wälder sind widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels. Flächen, auf denen mehrere Baumarten wachsen, die zudem zu der Klimazone passen, sind weniger anfällig gegen Dürre, Sturmschäden, Waldbrände und Parasiten wie den Borkenkäfer. Es geht darum, eben keine Baumplantagen mit Monokulturen zu pflanzen. Das Ideal sind Wälder, in denen nicht alle Bäume das gleiche Alter haben, sondern sich in der Höhe der Kronen unterscheiden. Bei der Vielfalt gibt es Nachholbedarf: Auf einem Drittel der Waldfläche in der EU ist lediglich eine Baumart vorherrschend. Auf der Hälfte der Flächen sind zwei bis drei Baumarten anzutreffen. In den Wäldern Europas stehen zu 75 Prozent gleichmäßig gealterte Bäume, und nur zu 25 Prozent Bäume mit unterschiedlichem Lebensalter.

 

Wichtig ist zudem, dass Waldbauern auf ihren Flächen weiträumige Kahlschläge vermeiden. Die Kommission rät, lediglich Flächen von 0,2 bis 0,5 Hektar auf einmal zu roden. Außerdem wird die Rolle von Totholz im Wald hervorgehoben. 20 bis 40 Prozent der Organismen im Wald sind abhängig von Totholz. Für Vögel wie Specht, Meise und Kuckuck sind senkrecht stehende Stämme ideal, die mindestens einen Durchmesser von 25 Zentimetern haben.

 

Die Leitlinien der Kommission sind keine Voodoo-Wissenschaft. In Deutschland etwa hat die naturnähere Bewirtschaftung der Wälder schon Mitte der 80-er Jahre begonnen. Heute wird bereits ein Drittel der Waldfläche in Deutschland nach nachhaltigeren Kriterien bewirtschaftet. Damit liegt Deutschland schon ganz gut in Europa: In Norwegen sind es sechs Prozent, in Irland ein Prozent, in Frankreich 25 Prozent. Spitzenreiter ist Belgien mit 45 Prozent.

 

Umwandlung in Mischwälder

 

Es wurden hierzulande mit Erfolg Förderprogramme aufgelegt, die die Umwandlung von Nadelwäldern zu Mischwäldern eingeleitet haben. Die Fichte ist auf dem Rückzug, die einst der Brot- und Butterbaum der deutschen Forstwirtschaft war, für ein Viertel der bewaldeten Flächen stand, ein Drittel des Holzvorrats und die Hälfte der Holznutzung.

 

Eine naturnahe Bewirtschaftung der Wälder ist aus einleuchtenden Gründen geboten. Ob die bessere Methode von den Waldbesitzern angewandt wird, hängt allein an der finanziellen Frage. Es gibt bereits EU-Förderprogramme, auch gibt es Möglichkeiten zur Finanzierung von ökologisch wünschenswerten, aber teuren Maßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).

 

Doch das reicht nicht aus. Angesichts der hohen Bedeutung, die gesunde Waldflächen haben, ist ein Umdenken gefordert. Waldbauern, die Totholz stehen lassen, Sicherheitsabstände beim Schlagen zu Gewässern einhalten und andere Ökomaßnahmen umsetzen, erbringen einen Dienst an der Allgemeinheit. Sie müssen dafür aus Mitteln des EU-Steuerzahlers auskömmlich entschädigt werden.

 


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