Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird massiv vorangetrieben. Agri-PV-Anlagen auf aufgeständerten Solarpanelen – ein Eingriff mit Folgen für das Wild und die Jagd.
Klimawandel und Biodiversität sind zwei politische Schlagworte, die gesellschaftliche Herausforderungen benennen. Bis spätestens 2025 soll Deutschland klimaneutral sein. Deshalb wird der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv vorangetrieben. Neben der Windkraft hat dabei die Solarenergie besondere Bedeutung. Das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz der Bundesregierung sieht vor, dass die installierte Photovoltaik-Leistung bis zum Jahr 2030 von derzeit etwa 90 auf 215 Gigawatt steigt. Das geht nur mit großen Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA), seien es konventionelle oder sogenannte Agri-PV-Anlagen, also aufgeständerten Solarpanelen, unter denen das Land weiterhin landwirtschaftlich genutzt wird (siehe unseren Blog-Beitrag vom 19. August). Die Rede ist von einem Flächenbedarf von bis zu 70.000 Hektar, wobei Einzelanlagen von bis zu 300 Hektar vorgesehen sind.
Der Solar-Boom geht also einher mit enormen Eingriffen in die Natur und das Landschaftsbild. Denn längst werden die Anlagen nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, vorrangig entlang von Autobahnen, Bundesstraßen, Bahntrassen und auf Konversionsflächen wie vormaligen Militärgeländen und Flugplätzen geplant. Das hat auch bei der naturverträglichsten Standortwahl massive Auswirkungen auf Wildlebensräume. Äsungs- und Einstandsflächen werden entzogen, wandernde Arten stoßen auf neue Hindernisse, die althergebrachte Routen blockieren. Denn die Areale sind in aller Regel aus versicherungsrechtlichen Gründen eingezäunt, um ein Betreten durch Menschen zu verhindern. Da geht es um den Schutz vor Stromschlägen oder vor Vandalismus und Diebstahl ebenso wie um Zwecke der Nutztierhaltung. Das bedeutet letztlich auch fast immer ein Schrumpfen der bejagbaren Fläche des jeweiligen Reviers.
Hohe Pachtpreise lösen Goldgräberstimmung aus
Die größten PV-Parks entstehen derzeit in den östlichen Bundesländern, weil dort deutlich größere zusammenhängende Flächen verfügbar sind. Die Rede ist von einer „Goldgräberstimmung“. Den Landeigentümern werden Pachtpreise geboten, die weit über den mit Landwirtschaft erzielbaren Erlösen liegen. Sie sollen zwischen 1.000 und 3.000 Euro je Hektar liegen. Eine regelrechte Antragsflut gibt es in Brandenburg, wo der Landesbauernverband den Flächenfraß als „lukrative zusätzliche Einnahmequelle für Landwirte“ sieht und daher „deren Bestrebungen der Diversifizierung als Bestandteil unternehmerischen Handelns“ goutiert.
Vögel können von oben in die PV-FFA einfliegen, und Kleintiere wie Igel und Hasen können unter den meist mit einigem Bodenabstand installierten Zäunen passieren. Deshalb sind mit den Anlagen durchaus Hoffnungen auf positive Effekte für die Niederwildhege, speziell bei Fasan und Rebhuhn, verbunden. Doch ist bislang nur wenig über das Meideverhalten bestimmter Arten, wie etwa von Bodenbrütern, bekannt. Da liegt noch ein weites Forschungsfeld brach. Für unsere kleinsten Cerviden gibt es inzwischen Rehschlupfe, aber man sieht sie nur selten eingebaut. Für alle anderen Hirsche bleibt der Zaun eine unüberwindliche Barriere.
Energiewende und Folgen für unser Wild
Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat bereits vor gut zwei Jahren angesichts der Bedeutung und der Konfliktträchtigkeit der Handlungsfelder gefordert, die Energiewende dürfe nicht einseitig zu Lasten des Wildes vorangetrieben werden. Natur- und Klimaschutz müssten vielmehr in der Form vereinbart werden, dass Politik, Planungs- und Genehmigungsbehörden die PV-FFA wildtierfreundlich planen, errichten und gestalten. Dies schließt auch den Rückbau mit ein. „Naturschutzfachlich sinnvoll gestaltet können PV-FFA zur Sicherung der biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft beitragen. Letztlich bedarf es der Einführung gesetzlicher Standards für die Planung und Genehmigung großflächiger PV-FFA. Diese sollten auch eine wildbiologische Begleitplanung beinhalten. Entsprechende Standards führen zu mehr Planungssicherheit und zu einer Vereinfachung der Verwaltungspraxis. Die dadurch erzielte Verfahrensbeschleunigung darf jedoch nicht zu Lasten des Artenschutzes sowie des Biotopverbundes gehen“, heißt es in der Erklärung des DJV-Präsidiums.
Zwingend ist die Erhaltung von Fernwechseln, also den Routen für weite Wanderungen des Wildes, um den genetischen Austausch nicht zu behindern. Dazu sollen sie auf einer Breite von mindestens 300 Metern von PV-FFA freigehalten werden. Große Solarparks sollten mindestens alle 500 Meter von 50 bis 60 Meter breiten Querungskorridoren mit Gehölzbestand durchzogen sein. Sie dürfen zudem nicht als Wander-, Reit- oder Fahrradweg genutzt werden. Insgesamt gilt es, Lebensraumkorridore als Achsen des Biotopverbunds sowie deren Funktion bundes-, landesweit und regional zu ermitteln und zu sichern.
Bejagung sollte möglich bleiben
Zahlreich sind auch die Vorschläge zur inneren wildtierfreundlichen Gestaltung der PV-FFA, die aus DJV-Sicht stets in Absprache mit dem jeweiligen Jagdausübungsberechtigten erfolgen sollte. Dabei geht es darum, die überbaute Gesamtfläche des Solarparks auf höchstens 70 Prozent zu begrenzen und die Anlagen unter den Aspekten Form, Farbe und reflektierende Eigenschaften bestmöglich in das Landschaftsbild einzubinden. Wichtig ist ein ausreichender Abstand von mindestens drei Metern zwischen den Modulreihen. Zu einer naturschutzfachlich angemessenen Gestaltung können zudem die Einfriedung mittels standortgerechter Niederhecken, die Förderung eines artenreichen Unterwuchses, die Anlage von Feuchtbiotopen mit Freiwasserzone oder Refugien für Reptilien, Vögel und Insekten beitragen. „Zudem sollte der Ausgleich des Eingriffs entweder auf der Fläche selber oder im unmittelbaren Umfeld stattfinden, z.B. durch zusätzliche Strukturen oder mehrjährige Blühbrachen, um die Funktionalität der Maßnahmen im Solarpark zu gewährleisten. Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität, der ökologischen Umfeldgestaltung sowie ein Pflegekonzept (u.a. Vermeidung von Stoffeinträgen, standortangepasstes Mahd- oder Beweidungsmanagement) müssen verbindlich in die Plangenehmigung aufgenommen werden“, fordert der DJV.
Letztlich müsse eine ordnungsgemäße, auch der Landeskultur dienende Bejagung der Reviere möglich bleiben. Deshalb seien entsprechende Abstände von PV-FFA vom Waldrand einzuhalten und Wechselmöglichkeiten für Wildtiere zu erhalten. Eine durch den Bau der PV-FFA potentiell erhebliche Minderung des Jagdwertes und die erschwerte Bejagbarkeit der Flächen müsse in angemessener Weise ausgeglichen werden.
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