Friedrich Merz will einen neuen Politikstil abseits öffentlich ausgetragener Koalitionsstreitereien. Das wird nicht leicht

Friedrich Merz will die permanenten öffentlichen Auseinandersetzungen der Vergangenheit in der nächsten Bundesregierung beenden, sollte er Bundeskanzler werden. Jedenfalls möchte der CDU-Spitzenkandidat dann nicht wie ein unbeteiligter Dritter daneben sitzen, wenn zwei seiner wichtigsten Ressortminister über Monate hinweg über die Medien streiten, statt vernünftig zu regieren. Noch fallen solche Äußerungen mehr unter die Rubrik Wahlkampf. Denn Merz geht es vorrangig (noch) nicht um einen anderen Arbeits- und Kommunikationsstil, sondern mehr um das Platzieren von kleinen Nickeligkeiten vor den Haustüren von Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck.
Dennoch: Gleich welche Koalition sich zusammenfinden wird, gleich ob aus Gemeinsamkeit oder Verlegenheit, sie wird sich vor allem auf einen neuen Stil der (unvermeidlichen) politischen Kontroverse verständigen müssen. Soll heißen: Der Ton macht die Musik. Und die Stimmung ist entscheidend für die Wirkung der Worte.
Die Ampel hat nicht zuletzt deshalb viel Kredit, schlimmer noch viel Vertrauen verspielt, weil es ihr trotz zahlreicher ordentlicher Kompromisse nie gelang, Erfolge geschlossen zu kommunizieren. Wenn ein einziges Wort diese zum Schluss lähmende Zeit beschreiben soll, so heißt das Streit. Das Ringen um gute Argumente wurde so zur schwindsüchtigen Kraftmeierei, der Widerspruch zum Zank. „Zanke nicht mit einem Schwätzer, dass du nicht Holz zutragest zu seinem Feuer“ – so steht es in den Schriften von Jesus Sirach. Streit oft unüberlegt, nicht selten ohne jede Bereitschaft zum Kompromiss. Stattdessen ging es um Schlagzeilen ohne Schlagkraft. Genutzt hat das keinem. Doch die Fieberschübe einer streitsüchtigen Regierung infizieren die Demokratie.
Belastbare Lösungen
Es unterscheidet demokratische Parteien von Extrempopulisten vom rechten und linken parlamentarischen Rand (oder es sollte sie zumindest unterscheiden), dass sie auf Argumente setzen. Diese muss man nicht immer für die richtigen halten. Aber sie sollten die rhetorische Ebene und inhaltliche Qualität jeder Debatte bestimmen. Die nächste Bundesregierung muss deshalb von Anfang an glaubhaft zeigen, dass es ihr um belastbare Lösungen geht. Wenn diese dann gefunden sind und geschlossen präsentiert werden, nutzt es allen Beteiligten.
Dass davor hart um Positionen gerungen werden muss, ist dabei selbstverständlich. Streiten gehört zur Politik und kann zwischenmenschliche Beziehungen stärken. Anderer Meinung zu sein, kann dazu beitragen, neue Sichtweisen kennen- und schätzenzulernen, solange dem Gegenüber ernsthafte, ehrliche Absichten unterstellt werden dürfen.
Streit in der Politik ist nicht falsch – solange er nicht zum Zweck erhoben wird, der die Mittel heiligt. In den sozialen Medien wird das gern ausgeblendet. Dann geht es oft nur noch um eine blamable Herabsetzung von Kontrahenten, nur noch um den billigen Effekt der größten Unverschämtheit oder provokantesten Regelverletzung. Laut dem jüngsten ZDF-Politbarometer glauben 81 Prozent der Wahlberechtigten, dass es in diesem Wahlkampf sehr häufig oder häufig zu persönlichen Verunglimpfungen kommen wird.
Vom Flohmarkt der Eitelkeiten lässt Elon Musk grüßen. Vorbild für eine konsensfähige öffentliche Kommunikation aber dürfen durchgeknallte Typen wie der US-Milliardär nicht werden. Mag sich Alice Weidel das geschichtsklitternd für ihre AfD wünschen.
Merz also verspricht einen neuen Politikstil. Aber auch er weiß, dass eine sachorientierte zwischenmenschliche Kommunikation auf allen Ebenen nicht verordnet werden kann und auf ein gewisses Maß an Emotionalität und Originalität nicht verzichten darf. Missverständnisse eingeschlossen. Je unterschiedlicher die Partner in einer Koalition sind, umso schwerer wird es, die guten Vorsätze durchzuhalten. Einen Versuch ist es nach den Ampel-Jahren allemal wert.
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