Der Haushalt und was diese Woche daraus wurde – Kritische Stimmen aus den Ländern

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

im Bundestag stand über die ganze Sitzungswoche der Haushalt für das schon begonnene Jahr auf der Tagesordnung. Am Ende ist er vom Parlament mit der Regierungsmehrheit gestern auch so beschlossen worden, wie die Spitzen der Ampelparteien es dann schlussendlich wollten. Vorausgegangen waren ein für jedermann sichtbares Streiten, Hängen und Würgen um die Ausgaben von letztlich 477 Milliarden Euro. Mühsam eingehalten wurde letztlich mit 39 Milliarden Euro die umstrittene und vom FDP-Finanzminister durchgesetzte Schuldenbremse. Deren Aufweichung wird die Union wohl auch weiter nicht mitmachen. Dazu wäre nun einmal eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur entsprechenden Verfassungsänderung notwendig. Grüne und SPD werden weiter versuchen, mit ihrer Ausgaben-Mentalität und dem grünen Wirtschaftsminister an der Spitze diese Sicherung gegen Schuldenerbschaften für die nächsten Generationen aufzuweichen oder aufzuheben. Mal sehen, wie lange Lindner dem standhält.

 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Wir erinnern uns: Nach dem bekannten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurde es zum Schluss über den Jahreswechsel im politischen Berlin hektisch, weil ein Milliardenloch im Kernhaushalt zu stopfen war. Das Bundesverfassungsgericht hatte die geplante Übertragung von Schulden aus der damaligen „Notsituation“ Corona auf dieses Jahr für den ehrgeizigen Klima- und Transformationsfonds nicht zugelassen. So kam es zu dem Haushaltsloch, das zunächst für den aktuellen Etat durch Kürzungen oder Mehreinnahmen zu schließen war. In diesem schmerzhaften Prozess führten viele und vielfältigen Streichideen zu öffentlicher Begleitmusik. Die viel diskutierten und nur zum Teil zurückgenommen überproportionalen Belastungen der Landwirtschaft und damit des ländlichen Raumes führten zu der Aktionswoche des Bauernverbandes und den noch anhaltenden Protesten mit europäischer Ausstrahlung. 

 

Die Landwirtschaft – schon immer wegen angeblich überdimensionaler Subventionen aus Brüssel und Berlin gescholten – geriet ins Brennglas. Mit der Idee zur Streichung des Agrardiesels und zur Abschaffung der Förderung, die durch grüne Nummernschilder für jedermann sichtbar ist, wurde eine Schmerzgrenze überschritten, die noch anhält.

 

Eine unendliche Geschichte in unserem Lande …

 

Dabei wurde inzwischen immer deutlicher: Es geht nicht allein um die Bauern. Plötzlich solidarisierten sich Gruppen wie Handwerk, Transportunternehmer und auch Jäger. Dabei wurde deutlich, dass es nicht nur ums Geld und öffentliche Finanzierungen geht, sondern um „weiche“ Themen und Druckmittel wie Verordnungen, Vorschriften und behördliche Regelungen, die den Betroffenen in Details und Summe einfach zu viel sind. Das fällt dann zusammengefasst unter den Generalbegriff Bürokratie – eine nicht endende Geschichte in unserem Lande. Schon in den 80er-Jahren wurden „Entbürokratisierungskommissionen oder -beauftragte“ auf allen Ebenen eingeführt. Bewirkt haben sie offensichtlich alle nicht viel. Das wird nach vielen Prognosen auch mit neuen Zauberworten wie „Transformation“ oder „Digitalisierung“ kaum anders werden. Es gehört bei allen Vorteilen unserer freiheitlichen Demokratie auch zu unserem Land, dass in vielen Bereichen Fortschrittsideen und Beharrungsvermögen in der Praxis immer wieder aufeinanderprallen.

 

Zurück zum Haushalt. Er ist beschlossen mit einer Spanne der Einzeletats von „Soziales“ mit 175 über „Verteidigung“ mit aktuell sicher notwendigen 52 Milliarden bis zu den knapp sieben für das Landwirtschaftsministerium. In die Betrachtung dieser Größenordnungen gehören dann in Relation und Bedeutung die Themen Agrardiesel und land- oder forstwirtschaftliche Kfz-Steuern. Das ist auch das Thema, dem wir uns weiter in unserem Blog und den Wochenendbriefen in dieser Zeit zuwenden. Das hat viel mit der Bedeutung und der Zukunft des ländlichen Raumes zu tun. Dort prallen auch ehrgeizige Ziele der Klima- und Transformationspolitik mit vielleicht beharrenden, aber gegebenen Realitäten aufeinander. Da geht es um weit mehr als die Hälfte der Menschen, die auf dem Lande leben und arbeiten. Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft spielen damit bei der weiteren Vernetzung auf dem Lande verorteter Unternehmen eine Schlüsselrolle.

 

Widerstände auch aus den SPD-regierten Ländern 

 

Dem ländlichen Raum näher stehen auch die Ministerpräsidenten, die sich gerade in den letzten Wochen verschiedentlich zu Wort gemeldet haben. Wie wir auch in unserem Blog berichtet haben, gab es verschiedene Stimmen zu den Agrarthemen auch aus dem Lager der Partei des Bundeskanzlers: „Ich kann der Bundesregierung nur raten, die Kürzungen komplett zurückzunehmen“, wurde der Brandenburger Regierungschef Dietmar Woidke zitiert. Ähnlich äußerte sich Länderchefin Anke Rehlinger aus Saarbrücken und vorher schon hatte sich Ministerpräsident Stephan Weil aus Hannover gemeldet: Die Streichung der Steuervergünstigungen sei für kleine Betriebe eine arge Belastung. Auch die höheren CO₂-Preise würden die Landwirte treffen.

 

 „Ob es ein Bundeswaldgesetz oder ein Lieferkettengesetz ist: Was die Grünen machen, ist nicht normal.“

 Dietmar Woidke (SPD)

 

Am deutlichsten wurde insbesondere gegenüber dem grünen Ampel-Koalitionspartner Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister, der Sozialdemokrat Till Backhaus. Gegenüber Ippen-Media sprach er von einer prekären Lage der deutschen Landwirtschaft und warf den Grünen die Stigmatisierung konventioneller Landwirte vor. Es entstehe der Eindruck, „Bauern seien die, die mit Gülle als Giftmischer herumfahren und unsere Umwelt kaputtmachen.“ Auch die Ampel-Regierung im Ganzen kritisiert der Sozialdemokrat scharf. Er wirft ihr vor, sich seit Amtsantritt grobe Fehler erlaubt zu haben. „Es wird nichts kommuniziert“, sagte Backhaus. Dadurch fühlten sich die Menschen „schlichtweg überfordert“. Weiter sagte er in dem Interview mit der Kreiszeitung Syke, die zu Ippen-Media gehört, die Menschen hätten Angst vor der Zukunft und das sei immer ein schlechter Berater. Wörtlich fügte er an: „Ob es ein Bundeswaldgesetz oder ein Lieferkettengesetz ist: Was die Grünen machen, ist nicht normal. Das bringt die Leute in Rage. Ich habe bei den Grünen das Gefühl, die Menschen in den Ministerien sitzen unter einer Glocke und nutzen das Wissen ihrer Fachleute nicht.“

 

Foto: Thorsten Neuhaus
Foto: Thorsten Neuhaus

Die Leitmesse zur Jagd

Bleiben wir in Feld und Wald und wenden uns abschließend wieder der Jagd zu, die sich derzeit auf der Jagd & Hund repräsentiert. 70.000 Besucher erwartet die Messe, die Jägerinnen und Jäger anspricht und bis zum morgigen Sonntag in Dortmund geöffnet ist. Sie zeigt ein modernes Spiegelbild dessen, was alles damit im Zusammenhang steht. Die Jagd werde, so der Präsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV), Helmut Dammann-Tamke, bei der Eröffnung, nicht nur weiblicher, sondern auch jünger. Und sie nimmt an Aktiven zu. Das belegt die Statistik mit der Entwicklung der Zahl der Jagdscheininhaber. Es sind aktuell weit über 400.000 Jägerinnen und Jäger registriert. Noch vor zehn Jahren waren das etwa 50.000 weniger. Diese Entwicklung findet gegen alle politischen Bestrebungen statt, diese Passion durch Veränderungen in den Jagdgesetzgebungen mit zunehmenden Regulierungsversuchen zu belegen.

 

Dabei geht es auch um die zentrale Frage, wie Wildschäden in den Forsten vermieden werden. Etwa in Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern fällt das so aus, dass es bei geplanten Gesetzgebungen zu offenen Konfrontationen zwischen Politik und Jagd kommt. Sichtbar wird das durch anhaltende Debatten und große Demonstrationen. Der unverändert große Konfliktstoff ist unter anderem vor dem Hintergrund vernichteter, geschädigter und fast überall gestresster Wälder zu verorten. In Mittelgebirgsregionen ist das besonders dramatisch und in Teilen umstritten. Am Sonntagmittag ist das Jagdrecht in Rheinland-Pfalz ein Vortragsthema auf der Messe mit dem Präsidenten des dortigen Landesjagdverbandes, Dr. Dieter Mahr.

 

Die Präsidentin des veranstaltenden Landesjagdverbandes NRW in Dortmund, Nicole Heitzig, treibt die Diskussion voran, die Interessen von Wild und Waldentwicklung zusammenzubringen. Sie wirbt für ein Konzept der „wildökologischen Raumplanung“. Ihr geht es vor allem um Gespräche und Lösungen zwischen Eigentürmern, Forstbewirtschaftung und Jägern nach den jeweils vor Ort gegebenen Erfahrungen und Voraussetzungen. Wiederbewaldung geht auch mit Äsungs- und Wildruhezonen statt nur Bestrebungen nach Totalabschuss von Schalenwild. Interessenausgleich und politische Diskussionen zu diesen Themen finden ständig im Hintergrund der Messe statt, während die Besucher nach dem Eröffnungstag danach sehen, wie sie ihre Ausrüstung verbessern und auch genießen oder lernen können, was Spitzenköche mit Wildfleisch auf die Tische bringen.

 

Dortmund wäre damit dann doch ein guter Tipp fürs Wochenende!

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