Bauern und Jäger setzen Politiker unter Druck

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und in die kommende Woche

 

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

diese Woche stand politisch ganz im Zeichen des ländlichen Raums. Das ist vor allem ein Verdienst der deutschen Bauern, die bundesweit mit friedlichen Demonstrationen und Kundgebungen auf ihre Sorgen und Nöte aufmerksam machten. Entscheidend dabei: Die Landwirte konnten durch ihr in aller Regel diszipliniertes Verhalten auch bei Menschen Sympathien gewinnen, die zu Beginn der Proteste noch sehr skeptisch gewesen waren. 

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Die unseligen Vorgänge in Schlüttsiel, als Wirtschaftsminister Robert Habeck nach einem Urlaub am Verlassen einer Nordseefähre gehindert worden war, hatten einen dunklen Schatten auf die politischen Forderungen der Bauern geworfen. Ihren Kritikern wurden Argumente frei Haus geliefert. Aber erfreulicherweise nur sehr kurzzeitig. Denn dem Deutschen Bauernverband gelang es, durch klare Worte und gute Organisation Schaden für das Ansehen und damit auch den politischen Rückhalt der Landwirte abzuwenden. Die Äußerungen führender Funktionäre, an ihrer Spitze Bauernpräsident Joachim Rukwied, ließen hier an Eindeutigkeit nichts vermissen. Sie machten klar: Die Bauern sind für die Demokratie, aber gegen die Agrarpolitik dieser Bundesregierung

 

Und Letzteres ist nicht nur legitim, sondern stößt auch in Parteikreisen der Koalition durchaus auf Zustimmung. Man denke nur an die Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland, Stephan Weil, Manuela Schwesig und Anke Rehlinger. Sie zeigten ebenso viel Verständnis für die Anliegen der protestierenden Landwirte wie Ministerpräsidenten der Union, etwa besonders prominent und prononciert NRW-Regierungschef Hendrik Wüst. 

 

Ampel muss umsteuern

 

Ob all dies zur gewünschten Rücknahme der Kürzungen beim Agrardiesel führen wird, ist offen. Einiges spricht jedoch dafür, dass es im Laufe des parlamentarischen Verfahrens noch zu Korrekturen im Sinne der Landwirte kommen kann. Doch in jedem Falle sollten Agrarthemen künftig in der Koalition wieder ein deutlich stärkeres Gewicht bekommen. Denn wichtige politischen Akteure des ländlichen Raumes – von Bauern bis hin zu Jägern – haben in überzeugender Weise ihre große Mobilisierungs- und Konfliktfähigkeit demonstriert. Oder anders gesagt: Mit ihnen ist zu rechnen. Und das ist auch gut so. Denn in Berlin werden die Belange von Menschen, die außerhalb der Metropolen leben, nur unzureichend berücksichtigt. 

 

Wichtige soziale Erleichterungen sind vor allem den Bewohnern von Ballungsräumen zugutegekommen, während gleichzeitig die Menschen in dünner besiedelten Regionen mit dafür finanziell aufkommen müssen. Das betrifft nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch Millionen von Pendlern, die aufs Auto angewiesen sind und künftig eine noch höhere CO2-Abgabe zahlen müssen. Von den Vorteilen des hoch subventionierten Deutschland-Tickets können sie dagegen kaum profitieren. Der Grund ist einfach: Bahnhöfe und Haltestellen sind oft viel zu weit weg. Und wenn überhaupt Züge fahren, dann häufig viel zu selten – mit dem engen Taktverkehr in Ballungsräumen keineswegs zu vergleichen.

 

Zurück zu den Landwirten und ihren jüngsten Protesten. Natürlich hängen Wohl und Wehe der deutschen Bauern nicht allein am Agrardiesel. Doch die jüngsten Kürzungen sind der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Zu lange hat sich auf den Höfen das Gefühl breit gebracht, dass den Bauern immer neue Steine in den Weg gelegt werden, während gleichzeitig immer mehr politische Ansprüche erhoben werden. Man nehme hier nur die Debatte um mehr Tierwohl. Politiker, Verbraucher, Landwirte, Tierschützer – alle sind im Prinzip dafür. Auch liegen sofort umsetzbare und allgemein begrüßte Vorschläge der Borchert-Kommission auf dem Tisch. Trotzdem geschieht nichts. Die Regierung inklusive Agrarminister Cem Özdemir ist offenkundig nicht bereit, die für eine Reform notwendigen finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen. 

 

Es fehlt eine langfristige Perspektive

 

Was bleibt, ist Frust bei den Landwirten. Ihnen mangelt es offenkundig an öffentlicher Wertschätzung und wirtschaftlicher Hilfe in teils dramatischer Weise. Kein Wunder, dass viele Bauern für sich und ihre Kinder keine langfristige berufliche Perspektive mehr sehen. Das ist nicht nur für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern auch für die Verbraucher eine höchst unerfreuliche Entwicklung. In die Lücke könnten dann immer mehr ausländische Betriebe mit niedrigeren Standards in Sachen Umwelt und Tierwohl stoßen. Die Bundesregierung sollte daher auf die Bauern hören, mit ihnen konstruktiv reden und sie angemessen unterstützen – finanziell, aber auch durch einen verlässlichen Bürokratieabbau. Und vor allem durch eine klare Perspektive über die zukünftige Entwicklung.

 

Immerhin wollen die Spitzen der Berliner Ampelfraktionen jetzt am Montag mit den Vorständen der landwirtschaftlichen Verbände sprechen. Auch wenn dies Gesprächsangebot natürlich viel zu spät kommt, ist es doch zumindest ein Anfang – es sei denn, die Koalitionspolitiker wollen daraus eine reine Alibi-Veranstaltung machen, um den politischen Druck zu verringern. Sollten sie dies tatsächlich versuchen, würden sie sich und dem Land jedoch ein Bärendienst erweisen. Denn die Proteste dürften dann nicht schwächer, sondern im Gegenteil noch heftiger werden. Dafür ist der Unmut im ländlichen Raum mittlerweile einfach zu groß geworden. 

 

Auch bei den Jägern rumort es im Augenblick gewaltig, wie wir in unserem Politblog bereits des Öfteren thematisiert haben. Jüngstes Beispiel sind die Proteste gegen ein neues Jagdgesetz in Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatten sich am Mittwoch rund 1500 Jäger auch aus den Nachbarländern vor dem Landtag versammelt, um gegen das Vorhaben der rot-roten Landesregierung zu demonstrieren.

 

Jäger in Sorge um Rot- und Damwild

 

Im Zentrum der Kritik steht die Einführung von Mindestabschusszahlen und damit die Aufhebung der Abschussobergrenzen für Rot- und Damwild. Geringere Tierbestände sollen nach den Plänen der Landesregierung die Schäden an jungen Bäumen durch Wildverbiss mindern, um so den angestrebten Umbau zu Mischwäldern zu fördern. Die Jäger sehen in den Vorgaben aber die Kompetenzen der Hegegemeinschaften zur Abschussplanung ausgehebelt. Berechtigte Kritik gab es auch daran, dass der Wolf, anders als in anderen Bundesländern oder in Schweden, nicht ins Jagdrecht aufgenommen werden soll. 

 

Der Präsident des Landesjagdverbandes, Florian Asche, zog die Angaben zur Schadenshöhe durch Wildverbiss in Zweifel. Diese seien weit niedriger. Der Wald werde mit dem neuen Gesetz vor das Wild gestellt. Asche betonte, dass Landwirte, Jäger und Förster zur gleichen Familie gehörten. Es gehe darum, sich nicht spalten zu lassen.

 

Der Kritik am Gesetzentwurf schloss sich der Präsident des Deutschen Jagdverbandes, Helmut Dammann-Tamke, an. Die geplanten Änderungen zeigten – wie auch die jüngsten Sparbeschlüsse des Bundes zulasten der Bauern –, dass eine urban geprägte Politik den ländlichen Raum zunehmend aus dem Blick verliere. Dammann-Tamke mahnte die Schweriner Landesregierung, dem Beispiel der Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu folgen und den Wolf ins Jagdrecht des Landes aufzunehmen. 

 

Nicht nur für Bauern und Jäger, sondern für den ländlichen Raum insgesamt steht bei all diesen Themen viel auf dem Spiel. Die Menschen dort dürfen nicht länger den Eindruck gewinnen können, dass ihr Lebens- und Berufsumfeld zum Experimentierplatz für großstädtische Ideologen wird. 

 

Doch genug der Politik. Ungeachtet der dort schwierigen Lage wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende und guten Start in eine hoffentlich positive, erfolgreiche Woche. 

Mit den besten Grüßen

Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

 

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