Sturmflut im Norden, neues Konzept zur Windenergie und gute Nachrichten für Jäger aus Bayern

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser,

der Blick in den Garten oder auf die Felder zeigt: Es wird zunehmend herbstlich. Das Wetter wird tendenziell rauer, auch die sprichwörtlichen Herbststürme dürften jetzt wieder häufiger werden. An der deutschen Ostseeküste gab es am vergangenen Wochenende bereits eine schwere Sturmflut. Man spricht hier im Norden schon von einem Jahrhundertereignis. Die Wassermassen zerstörten Seebrücken, Campingplätze und durchbrachen an mehrere Stellen die Deiche. Allein in Schleswig-Holstein waren über 2500 Feuerwehrleute im Einsatz, unterstützt von THW und anderen Hilfsorganisationen. Dabei hat sich einmal mehr das beeindruckende ehrenamtliche Engagement im ländlichen Raum ausgezahlt. Landwirte seien „eine gute Säule der Freiwilligen Feuerwehr vor Ort“, zitierte das Bauernblatt Schleswig-Holstein den Ersten Hauptbrandmeister des Landes.

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Doch Engagement allein reicht nicht. Auch finanziell muss einiges gestemmt werden. Die Schäden belaufen sich vermutlich auf eine Summe in dreistelliger Millionenhöhe. Staatliche Hilfen sind zwingend geboten, um Existenzen zu sichern – eine Aufgabe für das Land, aber nicht zuletzt auch für den Bund. Denn Küstenschutz ist nun mal gesetzlich eine Gemeinschaftsaufgabe von beiden staatlichen Ebenen, selbst wenn man dies in Berlin angesichts knapper Kassen momentan nicht gerne hört.

 

Neues Konzept aus Brüssel

 

Der Herbst ist für Berlin und Brüssel auch eine passende Zeit, um sich in anderer Hinsicht mit dem Thema Wind zu befassen, konkret: Welche Rolle kann dieser künftig bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien spielen? Nach den Vorstellungen der Brüsseler Kommission müssen die Kapazitäten bei Windrädern bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppelt werden. Wie dies gehen soll? Die Behörde hat hierzu in dieser Woche ein Konzept vorgelegt – ein Vorhaben, das gerade für den ländlichen Raum von großer Bedeutung ist. Denn die Folgen sind weitere Versiegelungen von Flächen, Eingriffe in das Landschaftsbild und damit den Tourismus sowie nicht zuletzt in die Eigentumsrechte von Naturnutzern

 

Im besonderen Fokus steht dabei die Verlegung von Trassen, den sogenannten Stromautobahnen, quer durch die Republik – sei es überirdisch oder gar im Boden. Die Folgen für die Ökologie, die Nutzung und den Wert von anliegenden Wald-, Wiesen- und Ackerflächen können unter Umständen beträchtlich bis hin zu äußerst gravierend sein. Ein solch massiver staatlicher Eingriff sollte deshalb mit den Betroffenen vorher gut abgestimmt sein. Doch genau dies ist momentan vielerorts nicht der Fall. Da wird mit der politischen und rechtlichen Brechstange vorgegangen, damit es möglichst schnell im Sinne der vermeintlich guten Sache – sprich riesiger Stromautobahnen – vorangeht. Wir haben darüber in unserem Blog bereits mehrfach kritisch berichtet.

 

Wenn die jetzt vorgestellten Pläne der EU-Kommission Wirklichkeit werden, dürften sich solche Probleme eher noch verschärfen. Offenkundig plant Brüssel, den Ausbau der Windenergie um nahezu jeden Preis – egal was die betroffenen Anwohner und Grundeigentümer dazu meinen. Es geht vor allem um mehr Tempo. Neben den hohen Rohstoffpreisen und der Inflation, die den Herstellern der Anlagen zu schaffen machen, sowie der ausländischen Konkurrenz – insbesondere aus China – sind die langwierigen Genehmigungsverfahren der Brüsseler Behörde ein Dorn im Auge. Denn von der Beantragung bis zum Bau von Windrädern dauert es in Europa mehrere Jahre, was natürlich auch die ursprünglichen Kostenpläne über den Haufen werfen kann. Deshalb plant die Kommission noch bis Jahresende die Schaffung eines Online-Tools, das die Mitgliedstaaten bei Genehmigungsverfahren unterstützt. Auch ist vorgesehen, die Verfahren einer Auktion flexibler zu gestalten, sodass nicht mehr zwingend der billigste Anbieter berücksichtigt werden muss. Zudem sollen die Länder leichteren Zugang zu EU-Finanzmitteln bekommen und ermutigt werden, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Windenergie mit staatlichen Beihilfen zu unterstützen. 

 

Dauerbrenner Nutztierhaltung

 

Ob all dies auf nationaler Ebene tatsächlich so umfassend umgesetzt wird, wird sich zeigen. Bei der Ampel-Regierung in Berlin könnte sich der Widerstand in Grenzen halten. Denn den Grünen und voran ihrem Wirtschaftsminister Robert Habeck kann es mit dem Ausbau der Windenergie gar nicht schnell genug gehen. Für den ländlichen Raum zeichnen sich damit weitere Konflikte ab. Dies gilt im Übrigen auch beim politischen Dauerbrenner Nutztierhaltung. Hier hat Bauernpräsident Joachim Rukwied in dieser Woche vor einem weiteren Rückgang der Tierhaltung in Deutschland gewarnt. Die Politik strebe höhere Standards im Tierschutz sowie bei den Umweltauflagen an und fördere damit die Einfuhr von Fleisch aus Ländern, die nicht nach den hohen deutschen Standards produzierten, sagte Rukwied laut Deutschlandfunk in Cloppenburg.

 

Er warnte, dass dadurch die Existenz von jahrzehntealten Familienbetrieben in Gefahr sei. Der Ampelregierung und nicht zuletzt ihrem grünen Agrarminister Cem Özdemir ist diese Situation immer wieder deutlich gemacht worden. Es gibt auch sehr praktikable und vernünftige Vorschläge, wie mehr Tierschutz und eine sichere Existenzgrundlage für Bauern langfristig geregelt und solide finanziert werden können. Die Borchert-Kommission hat hierzu allseits begrüßte und für gut befundene Vorschläge gemacht. Doch was nützen die besten Konzepte, wenn der Politik Mut zur Umsetzung fehlt? 

 

Und genau dies geschieht im Augenblick, sodass die Kommission unter der Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert ihre Arbeit eingestellt hat. Ein ebenso bedauerlicher wie wohl leider unvermeidlicher Schritt. Die deutschen Landwirte müssen ihren Mehraufwand für bessere Haltungsformen solide und verlässlich ausgeglichen bekommen. Sonst kann ihnen niemand verdenken, dass sie aus der Tierhaltung aussteigen und der billigen ausländischen Konkurrenz das Feld zu überlassen – aus nationaler Sicht der GAU in Sachen Tierschutz, Tradition, Arbeitsplätze und Versorgungssicherheit.

Foto: Alexas_Fotos
Foto: Alexas_Fotos

Abgesehen davon endet die Woche mit guten Nachrichten für die Jagd und den ländlichen Raum. Beim Thema Wolf ist eine realistische Sicht auf Schäden und Risiken bei Markus Lanz im Mainstream-TV angekommen. Ernüchterung droht auch den Öko-Fantasien in der Forstwirtschaft: Bayerns Freie Wähler haben die Zuständigkeit für Jagd und Wald in den Koalitionsverhandlungen an sich gezogen. Verantwortlich ist künftig Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, einer der wenigen bekennenden Jäger und Landwirte unter den politischen Entscheidern.

 

TV-Moderator fassungslos

 

Bei Lanz endete der Talk zum Wolf mit einem erkennbar fassungslosen Moderator: Barbara Seifert, Tierärztin und „Verhaltenstherapeutin“ für Hunde, offenbarte, wie grausam kompromisslose Wolfsfreunde das Leid der Weidetiere sehen, wenn die Raubtiere im „Blutrausch“ wüten: „Dafür können diese Tiere nichts. Die Tiere orientieren sich, dann fixieren sie, hetzen, jagen, packen, töten.“ Schuld, sagt die Wolfsanwältin, seien auch die Weidezäune. Weil sie Schafe und Rinder an der Flucht hindern. Mehr Realitätsverweigerung geht wohl nicht, wenn Weidezäune zugleich als Wundermittel fürs friedliche Zusammenleben mit den Raubtieren gelten.

 

Dem denkwürdigen Auftritt der Pro-Wolf-Dame werden wir uns kommende Woche in unserem Blog noch im Detail widmen. Weil der Meinungsumschwung in den Massenmedien wichtig ist, wenn die Sorgen der betroffenen Landbevölkerung endlich eine Chance auf Gehör haben müssen. Das gilt auch für Hubert Aiwangers Coup bei der Postenverteilung der neuen bayerischen Staatsregierung. Mit der Materie wenig vertraute Journalisten amüsieren sich noch darüber, dass der Chef der Freien Wähler die Ressort-Zuständigkeit für die Gastronomie gegen Jagd und Forst eintauscht. Wir sind sicher: Das Lachen wird den Aiwanger-Kritikern vergehen. Das gilt, nebenbei, auch für den Bayerischen Jagdverband, dessen Vize-Präsident Roland Weigert seinen Posten als Staatssekretär im Kabinett Söder verliert.

 

Auch die nicht immer glückliche Beziehung zwischen Jagd, Landwirtschaft und Parteipolitik wird uns noch länger beschäftigen auf „natur+mensch“, der Debatten-Plattform für den ländlichen Raum, seine Chancen und Sorgen. Und, vor allem, seine gute Zukunft in Zeiten großer Umbrüche.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

 

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