Krankenhausreform: Existenzgarantie für kleine Kliniken auf dem Land?

Lauterbach hat sich mit den Ländern auf Eckpunkte zur Krankenhausreform geeinigt. Doch das aktuelle Kliniksterben lässt sich so nicht aufhalten

Foto: Michael Bührke / pixelio.de
Foto: Michael Bührke / pixelio.de

 

Von Christian Urlage

 

Der Trend wird sich wohl fortsetzen: 1991 existierten in Deutschland noch 2.400 Krankenhäuser, 2010 waren es gut 2000 und aktuell sind es noch rund 1700. Weitere Schließungen sind zu erwarten und werden einfach hingenommen: „Wir stehen wirklich am Vorabend eines Krankenhaussterbens. Das kann ich nicht mehr aufhalten“, räumte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kürzlich in der „Zeit“ ein. 

 

Daran dürfte auch die Krankenhausreform nichts ändern, auf die sich der SPD-Politiker am 10. Juli mit seinen Länderkollegen geeinigt hat. Während Bayern sie ablehnte und sich Schleswig-Holstein enthielt, stimmten die übrigen 14 Länder für das Eckpunktepapier zur Krankenhausreform. Aber schon jetzt haben viele Kliniken kaum noch Luft zum Atmen. Sie schreiben rote Zahlen, denn die Personal- und Sachkosten sind enorm gestiegen. Aber die Krankenhäuser können nicht wie andere Unternehmen ihre Preise an die Inflation einfach anpassen.

 

Eine Schließung bedeutet zwangsläufig längere Fahrten

 

Geplant ist die Reform zum 1. Januar 2024. Dann soll sie schrittweise umgesetzt werden – und wirken wird sie vermutlich frühestens 2026. Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) erklärte daher: „Der kalte Strukturwandel – das ziellose Kliniksterben – droht sich also bis zur Reform so weiter fortzusetzen.“ 

 

Nötig wäre angesichts der akuten Probleme eine provisorische Lösung vor der eigentlichen Operation. Hier sollten sich Bund und Länder rasch auf eine Zwischenfinanzierung verständigen, bevor es zu spät ist. Denn was Wissenschaftler oder Politiker mit dem beschönigenden Wortungetüm „Strukturbereinigungsprozess“ bezeichnen, bedeutet oft für Patienten, ihre Angehörigen und für das Pflegepersonal und die Ärzteschaft: Die Fahrten zur nächsten Klinik werden zwangsläufig länger. 

 

Marburger Bund kritisiert Krankenkassenfunktionäre und Gesundheitsökonomen

 

Die erste Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, warnt daher vor einem ungeordneten Kliniksterben: Die Vorstellungen mancher Kassenfunktionäre und Gesundheitsökonomen, durch den Wegfall von 400 oder 600 Krankenhäusern könne die Versorgung ohne Qualitätsverluste aufrechterhalten werden, nennt sie „völlig irreal“. Die Folgen für die Versorgung der Patienten seien dramatisch.

 

Abgesehen von der akuten finanziellen Notlage sind zur Krankenhausreform selbst noch etliche Fragen ungeklärt, zum Beispiel: Wie soll konkret eine flächendeckende Versorgung in ländlichen Gebieten garantiert werden? Und wie unterstützt der Bund den geplanten Systemwechsel? Entscheidend ist daher ein Satz auf Seite 1 des Reformpapiers: „Alle nachfolgenden Eckpunkte stehen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer zukünftigen finalen Gesamteinigung zwischen Bund und Ländern über die Grundstruktur einer Krankenhausreform.“ Mit anderen Worten: Der gordische Knoten ist noch nicht durchschlagen, das Problem lediglich verschoben.

 

Wechsel von Fallpauschalen zur Vergütung für das Vorhalten von Personal und Technik

 

Immerhin: Lauterbach behält die ländlichen Regionen im Blick. Die Reform sei auch eine „Existenzgarantie für kleine Kliniken auf dem Land“, betont der Minister. Dies hilft nach seinen Worten gerade Krankenhäusern in Ostdeutschland. Dort sind viele Häuser gefährdet, weil sie nach dem bisherigen System nicht mehr auf genügend Behandlungsfälle kommen. Ziel ist es, unnötige Klinikschließungen zu vermeiden und flächendeckend eine qualitativ hochwertige Versorgung auch in dünn besiedelten Gebieten sicherzustellen.

 

Die Lösungsansätze klingen sinnvoll. So sollen die Kliniken einen großen Anteil der Vergütung allein für das Vorhalten von Personal, Technik, Notaufnahmen und anderen Leistungen bekommen. Dieser Wechsel von den bisherigen DRG-Fallpauschalen (DRG für Diagnosis Related Groups) zu Vorhaltebudgets nimmt finanziellen Druck aus dem Kessel. Ebenso sinnvoll sind bundesweit einheitliche Qualitätsstandards bei Operationen.

 

Zu prüfen ist, wie sich in der Praxis die geplanten Umwandlungen von Krankenhäusern auf dem Land in Gesundheitszentren auswirken werden, die teilweise stationäre und teilweise ambulante Leistungen erbringen sollen. Für diese Zentren spricht, dass sie in anderen Ländern, etwa in Skandinavien, bereits existieren. Hier zeigt sich: Es geht nicht nur um die Schließung oder den Fortbestand eines kleinen Krankenhauses, sondern es sollte auch eine Zukunft in anderer Form möglich sein. Aber selbst dann wäre noch zu klären, wie sich genügend medizinisches Personal für die ländlichen Regionen gewinnen lässt.

 


Lesen Sie auch:

Kleine Kliniken dürfen nicht die Verlierer sein: Bei der geplanten Krankenhausreform in diesem Jahr droht vor allem dünn besiedelten Gebieten eine Verschlechterung

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.