Ausblick auf den EU-Beitritt der Ukraine zeigt Folgen auf

Die Aufhebung der Zölle auf Agrareinfuhren aus der Ukraine hat Konsequenzen für die Märkte entlang der EU-Ostgrenze

Die Ukraine gilt als Kornkammer der Welt. (Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)
Die Ukraine gilt als Kornkammer der Welt. (Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)

 

Von Ludwig Hintjens

 

Die Bauern im Osten Europas murren schon lange über die stark gestiegenen Einfuhren von Agrarprodukten aus der Ukraine. Die EU hatte im Mai 2022 sämtliche Einfuhrzölle auf Produkte aus dem von Russland mit einem Angriffskrieg überzogenen Land gestrichen. Das sollte zum einen ein Akt der wirtschaftlichen Solidarität sein. Zum anderen wollte die EU dazu beitragen, dass der ukrainische Weizen über Land ausgeführt werden kann. Vor dem Krieg hatte die Ukraine, die als Kornkammer der Welt gilt, Getreide über ihren Schwarzmeerhafen Odessa direkt in die Zielhäfen in Afrika verschifft. Wegen des Kriegs war die Ausfuhr über Odessa über den Seeweg lange blockiert, selbst jetzt ist sie nur eingeschränkt möglich. 

 

Die Hoffnung der EU war, dass die Aussetzung der Zölle auch dazu beitragen würde, die hohen Preise für Lebensmittel zu dämpfen – auf dem Weltmarkt und in der EU. In den Anrainerstaaten der Ukraine ist es dazu auch gekommen. Mehr noch: Es hat einen regelrechten Verfall der Preise bei landwirtschaftlichen Produkten gegeben, die aus der Ukraine eingeführt werden. Nicht nur Weizen, auch Mais, Sonnenblumen, Eier und Geflügelfleisch kamen in großen Mengen über die Landgrenze in die EU. Die Produkte gingen häufig nicht weiter in den Export außerhalb der EU, sondern wurden auf den regionalen Märkten in Polen und den anderen Ländern verkauft. Die Bauern in Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien und Bulgarien sind Sturm gelaufen und haben schließlich erreicht, dass ihre Regierungen Importstopps erlassen haben. Die von den nationalen Regierungen einseitig verhängten Einfuhrverbote sind nicht hinzunehmen. Für das Thema sind in der EU nicht die Mitgliedstaaten, sondern die Kommission zuständig. 

 

Kompromiss, der das Problem nicht löst

 

Nun gibt es einen Kompromiss, der allerdings das Problem nicht lösen wird. Es wurde vereinbart, dass die Agrargüter aus der Ukraine wieder eingeführt, aber nicht in den fünf Ländern verkauft werden dürfen. Damit verschiebt sich die Misere aber nur nach Westen: Es wird nicht lange dauern, dass die Märkte für Getreide, aber auch Eier und Geflügel in Deutschland und Österreich mit Produkten aus der Ukraine geflutet werden. Die Kommission wäre gut beraten, eine nachhaltige Lösung zu suchen. In Sachen Getreide hieß dies: Die EU müsste das Getreide in der Ukraine aufkaufen und in Kooperation etwa mit dem Welternährungsprogramm (WFP) in die Länder bringen, wo es gebraucht wird. Norbert Lins (CDU), Chef des Agrarausschusses im Europaparlament, fordert das bereits seit langem. 

 

Bei allen anderen Produkten ist die Lösung nicht so einfach. Fakt ist, dass die Ukraine zu konkurrenzlos niedrigen Preisen liefern kann. Ukrainische Farmer müssen nicht die hohen Anforderungen der EU erfüllen, etwa beim Pflanzenschutz und bei der Düngeverordnung. Hinzu kommt, dass das Lohnniveau selbst im Vergleich zu Osteuropa deutlich niedriger ist. Die Solidarität gerade der Polen mit den angegriffenen Ukrainern ist vorbildlich. Sie sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden, indem die EU-Politik die Nöte der Landwirte ignoriert. 

 

Was geschieht, wenn die Ukraine Vollmitglied der EU wird?

 

Die Verwerfungen an den Märkten sind nur ein Vorgeschmack auf die Zukunft. Die Ukraine hat Kandidatenstatus in der EU. Bis zu ihrem Beitritt werden zwar noch viele Jahre vergehen, auch wenn das ihr Präsident Wolodomyr Selenskyi anders darstellt. Schon jetzt muss man sich aber Gedanken darüber machen, was der Beitritt für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU bedeuten würde. Die Ukraine hat 30 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, in der ganzen EU sind es 175 Millionen Hektar. Exporte aus der Ukraine auf den Weltmarkt haben einen Anteil von 46 Prozent bei Sonnenblumen, bei Weizen von zehn Prozent, bei Geflügel ist das Land unter die zehn größten Exporteure der Welt aufgestiegen. Wann auch immer die Ukraine Vollmitglied der EU wird, klar ist: Die Integration der ukrainischen Lebensmittelproduktion mit ihren großen Flächen und dominanten Betrieben in die Gemeinsame Agrarpolitik der EU-27 wird eine große politische und wirtschaftliche Herausforderung werden.

 


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