Bluten für die Metropolen

 

Von Michael Lehner

 

Nicht nur bei der Öko(?)-Treibstoffsteuer stellt sich die Frage, ob Mainstream-Politik das flache Land und seine Menschen überhaupt noch auf dem Schirm hat? Oder ob der Zug – auch wörtlich – schon lange abgefahren ist für die Provinz? Auch beim Verteilen der Steuergelder, die in den Ballungsräumen verdunsten wie Wasser in der Wüste.

 

Nehmen wir die Deutsche Bahn und ihre verzweifelten Versuche, dem Flieger Konkurrenz zu machen: Milliarden für Hochgeschwindigkeitsstrecken, die ganze Regionen abhängen, weil die schmucken Züge nur noch in Metropolen halten. Dazu eine Preispolitik, die Kleinverdiener-Familien ins Auto zwingt, um Geld zu sparen. Und, vor allem, ein Rückzug aus der Fläche, durch den die Bahn für reichlich potenzielle Kunden unerreichbar wurde.

 

Unnötige Prestige-Vorhaben

 

Dafür sitzt das Geld noch ziemlich locker für (auch ökologisch) wenig sinnvolle Prestige-Objekte wie den Stuttgarter Zentralbahnhof. Oder für Flughafen-Erweiterungen unter der Begleitmusik des versprochenen Wandels für ein besseres Klima. Wer rechnen kann, muss zudem ahnen, dass Milliardenzuschüsse für teure Elektroautos nur dann auch im ländlichen Raum ankommen, wenn es dort genug Schnellladestationen gibt. Was regelmäßig an ohnehin schon überlasteten Versorgungsnetzen scheitern dürfte.

 

Die Menschen in der Provinz werden also weiter steigende Treibstoffsteuern zahlen und eine Verkehrswende finanzieren, die in den Metropolen weder dem Dauerstau auf den Straßen noch dem Dreck in der Luft abhelfen wird. Sie werden auch die Kosten der verzweifelten Versuche mittragen, verödende Innenstädte künstlich zu beleben. Dort, wo die Quadratmeter-Ladenpachten kaum niedriger sind als Baugrundstücke in entlegenen Dörfern. 

 

Übers Land verteilt werden schließlich sogar die sozialen Lasten von Stadtgesellschaften, in denen selbst ordentliche Gehälter ein Leben in nicht nur gefühlter Armut bedeuten. Auch Mietzuschüsse und ergänzende Sozialhilfe sind versteckter Lastenausgleich zum Schaden sozial und ökologisch intakter Lebensräume.

 

Wenn in diesen Vorwahl-Tagen viel über Verteilungsgerechtigkeit schwadroniert wird, wäre es hoch an der Zeit, dabei auch an den ländlichen Raum zu denken. Er sorgt nicht nur fürs tägliche Brot, sondern auch dafür, dass nicht noch mehr Menschen den Glauben an eine gute Zukunft verlieren. Wo es doch großstädtische Eliten sind, die so gern den Untergang predigen. Möglichst aus dem schicken Altbau-Penthouse.

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