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  • Sitzungspause in Berlin und Aktivismus in Brüssel – Wie der ländliche Raum zu beschreiben ist

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit subjektivem Blick auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, nach all den Aufregungen um den laufenden und auch schon den nächsten Haushalt atmet Berlin erst einmal durch. Im Westen und Südwesten ist in diesen Tagen Karneval. Das bindet den einen oder anderen Abgeordneten in seiner Heimat. Der Bundesgesundheitsminister, der in der närrischen Hauptstadt am Rhein seinen Wahlkreis zu pflegen hat, begründet so seine ressortfremde Anwesenheit bei der Eröffnung des neu gebauten ersten Teils der Autobahnbrücke zwischen Leverkusen und Köln. Politische Hauptfigur war dort Ministerpräsident Hendrik Wüst, der das zu Straßenfreigaben gehörende Band zerschneidet – eine Lieblingsbeschäftigung von Regierenden. Seit zwölf Jahren hat diese Brücke verkehrspolitisch für Verdruss gesorgt. Nicht nur bei denen, die seitdem mit ihrem Lkw im Stau standen oder Umleitungen zu fahren hatten. Sondern auch unter den Verkehrspolitikern, zu denen Wüst gehörte, als er zuständiger Landesminister war. Diese Brücke gilt als Symbol für das, was an Reparaturen und Ersatzbauten in den Verkehrssystemen Brücken, Schienen und Straßen noch vor uns liegt. Dabei geht neben dem Ballungsverkehr insbesondere auch um die Anbindung und die Versorgung der Kreise, Städte und Gemeinden im ländlichen Raum. Wir werden weiter daran arbeiten, dass das nicht in Vergessenheit gerät. Im Übrigen erinnert mich das an unser Anliegen, regelmäßig Zusammenhänge und Entwicklungsnotwendigkeiten für die Regionen zu thematisieren, in denen auch die Nutzung natürlicher Lebensgrundlagen Ausgangspunkt für Leben und Arbeiten der Menschen ist. Nach Beschreibung des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Forsten lebt über die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung in ländlichen Regionen (57 Prozent). „Auch ist hier der überwiegende Anteil unserer mittelständischen Wirtschaft mit Handwerk, Industrie und Dienstleistungen angesiedelt. Fast die Hälfte des deutschen Bruttosozialprodukts (46 Prozent) wird auf dem Land erwirtschaftet. Auch die regionale Vielfalt unserer Lebensmittel wird in den ländlichen Räumen erzeugt. Die dezentrale Struktur ist eine besondere Stärke Deutschlands.“ So heißt es dort weiter. In der Tagespolitik scheint dieses Gewicht manchmal in Vergessenheit zu geraten. Ein vergleichbarer thematischer Blick nach Großbritannien Diese Feststellung scheint nicht nur für unser Land zu gelten, wie die Bauernproteste nicht nur bei uns, sondern auch in verschiedenen Nachbarländern zeigen. Das gilt mit Blick auf Großbritannien (jetzt) auch außerhalb der EU und dennoch in Europa. Dort meldet sich regelmäßig die Organisation „Countryside Alliance“ ähnlich wie wir in Veröffentlichungen und Newslettern zu Wort. Und sie wirbt wie wir um weitere Unterstützer wie eine Bürgerinitiative mit diesem Anliegen: Einsatz für ländliche Gemeinden, die Landwirtschaft, nachhaltige Lebensmittelproduktion, Unterstützung ländlicher Unternehmen und lokaler Wirtschaft und Schutz von Lebensräumen der Wildtiere. Tim Bonner, der Verantwortliche der Alliance, schreibt zu den Zielsetzungen: „Stimme des ländlichen Raums zu sein und Kampagnen zu verstärken.“ Wie schon bemerkt, hat der Bundestag Sitzungs- und vielleicht auch Atempause. Die Regierungsflieger sind allenfalls in außenpolitischen Missionen unterwegs. Sie sind aktuell vom Bundespräsidenten (Mongolei), Bundeskanzler (USA) oder Robert Habeck (Algerien) gebucht. Öko-Umbau und „Kraftwerksstrategie“: Geld spielt keine Rolle Eine wirtschafts- und energiepolitische Ausnahme machte der Wirtschafts- und Energieminister mit der Vorstellung einer neuen „Kraftwerksstrategie“ der Bundesregierung, die offensichtlich nicht alle überzeugt, die von Energiepolitik etwas verstehen. Um nach Abschaltung der Kernkraft die verbliebenen Kohlekraftwerke auch vom Netz zunehmen, soll der Bau von später wasserstofffähigen Gaskraftwerken gefördert werden. In der Neuen Zürcher Zeitung bezeichnete der Energieökonom Manuel Frondel das als „teure Symbolpolitik“. Michael Lehner, der sich in unserem Blog regelmäßig auch mit der Politik des Wirtschafts- und Energieministers befasst, bemerkt dazu: Die eben vorgestellte „Kraftwerksstrategie‟ des Bundeswirtschaftsministeriums bleibt dem fatalen Grundsatz treu, dass Geld kaum eine Rolle spielt beim Öko-Umbau der deutschen Energieversorgung. Nun soll es der „Grüne Wasserstoff‟ richten, der in Klimawende-Kreisen vor Jahresfrist noch als Teufelszeug gegolten hat. Auch wegen der unerwünschten Optionen, damit Verbrenner-Autos und herkömmliche Gasheizungen klimaneutral zu betreiben. Helfen soll dieser teure Brennstoff gegen die „Dunkelflaute‟, die dem Stromnetz droht, wenn Windstille und Finsternis zugleich dafür sorgen, dass die Produktion erneuerbarer Energien mal nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Aber statt Wasserstoff einfach ins bestehende (und bezahlte) Gasnetz einzuspeisen, sollen (mindestens) zehn Reserve-Gaskraftwerke gebaut werden, für die der Steuerzahler geschätzt zehn Milliarden Euro Subventionen locker machen müsste. Was wohl noch nicht die ganze Wahrheit sein dürfte, wenn den privaten Betreibern auch der Strom vergütet wird, den sie gar nicht produzieren, weil Windkraft und Photovoltaik zunehmend den gesamten Bedarf decken. Speziell im deutschen Norden verschärft sich so die groteske Situation, dass überschüssige Windenergie mangels leistungsfähiger Stromleitungen in den Süden nach Dänemark verschenkt werden muss und dort zu Wasserstoff verarbeitet wird, der dann zum Betrieb der Reservekraftwerke teuer zu bezahlen ist. EU-Kommission: Klimawandel bei den Themen des Green Deal Derweil war in Brüssel in dieser Woche Hochbetrieb. Dabei blicken die Europapolitiker bereits intensiv auf die Europawahl vom 6. bis 9. Juni. Ludwig Hintjens, der für uns regelmäßig Themen aus Brüssel und Straßburg liefert, berichtet in unserer wöchentlichen Redaktionskonferenz: Seit dem vergangenen Frühling ist ein Klimawandel bei den Themen des Green Deal in der EU-Kommission zu beobachten. Der Abgang von Vizepräsident Frans Timmermans vor der Sommerpause letzten Jahres war eine Zäsur für den Green Deal. Seitdem ist deutlich, dass jetzt die Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen bei dem zentralen Projekt, dem Umbau der Volkswirtschaft nach den Kriterien von Klimaschutz und Nachhaltigkeit, bremst. Vor allem bei den Agrarthemen, bei denen es auch um den Artenschutz geht, werden Gesetzesvorschläge entschärft, zurückgezogen oder auf die nächste Wahlperiode verschoben. So wurde die SUR-Verordnung, die eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 vorsah, gerade offiziell von der Kommission beerdigt. Sie ließ durchblicken, dass der Vorschlag aus ihrer Sicht Mängel hatte. Die angekündigte Tierschutzreform und den Vorschlag für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem legte sie erst gar nicht vor. Die Chemikalienverordnung REACH wurde ebenfalls von der Tagesordnung genommen. Das angekündigte Bodenschutzgesetz wurde weitgehend entschärft. Auch beim EU-Klimaziel für 2040, das eine Reduzierung des CO₂-Ausstoßes um 90 Prozent gegenüber 1990 vorsieht, spart die Kommission die Landwirtschaft aus, wenn es um die Konsequenzen geht. Und noch ein Wort zu den Demonstrationen Dann sind da noch die laufenden Proteste in der begründeten Sorge um unsere Demokratie in Freiheit. Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schrieb Donnerstag dieser Woche in einem Mitgliederbrief: „Die aktuellen Demonstrationen richten sich gegen Rechtsextremismus, nicht gegen rechts.“ Das ist wohl so zu verstehen, nicht alles in einen Topf zu werfen – vor allem auch nicht Wähler und das, was Offizielle der AfD von sich geben. In der WAZ hat sich der Vize-Chefredakteur Alexander Marinos eine herausgegriffen, die im Bundestag das unsägliche Zitat gesetzt hat: „Diese Regierung hasst Deutschland.“ Marinos hat sich in seinem Kommentar die Klartext-Frage erlaubt, ob „die Dame noch alle Tassen im Schrank“ habe. Das lassen wir dann mal für dieses Wochenende so stehen. Und so ein Satz könnte auch im Karneval fallen – vielleicht etwa in der Kölner Stunksitzung. Wo es passt, wünsche ich für dieses Wochenende „Alaaf“ oder „Helau“ zusammen mit denen, die vor Kamelle und Konfetti flüchten, etwas weniger Regen fürs Freizeitvergnügen. Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

  • Die Scheuklappen der Gentechnik-Gegner

    Die EU will neue genomische Techniken (NGT) zulassen. Warum die Lobbyisten der Biobranche einen Fehler machen, wenn sie NGT mit klassischer Gentechnik gleichsetzen In Europa sind es nicht nur die Biobauern, die nichts von Gentechnik halten. Auch viele Molkereien werben damit, dass ihre Milchprodukte und der Käse das Etikett „gentechnikfrei“ oder „ohne Gentechnik“ tragen. Wirtschaftlich spielen in Deutschland und Europa Produkte, die mit der klassischen Gentechnik hergestellt wurden, auch kaum eine Rolle. Der Verbraucher kauft sie nicht. Nun deuten sich auf EU-Ebene Lockerungen in der Gesetzgebung für Pflanzen an, die mit sogenannten neuen genomischen Techniken (NGT) hergestellt wurden. Die Bioanbauverbände, konventionelle Hersteller, die mit „gentechnikfrei“ werben, lehnen diese Änderungen massiv ab. Auch die meisten Abgeordneten der Grünen und Sozialdemokraten im Europaparlament haben dies kürzlich getan, als in Straßburg der Gesetzgebungsvorschlag der Kommission für eine Liberalisierung der Techniken abgestimmt wurde. Die Gegner machen einen Fehler. Sie setzen die neuen genomischen Techniken mit der klassischen Gentechnik gleich. Das ist falsch. Sie machen es sich damit zu einfach. Längst gibt es Fachleute, Hochschullehrer etwa, die erklärte Anhänger der Biolandwirtschaft sind und dennoch für die Zulassung der neuen genomischen Techniken werben. Ihnen werden aber mit großer Rigorosität im eigenen Lager mundtot gemacht. Darum geht es in der Sache: Es soll jetzt Lockerungen geben für Pflanzen, die zwar gentechnisch verändert sind, deren Erbgut aber genauso im Laufe von herkömmlichen Züchtungen oder der Evolution hätten entstehen können. Der Pflanze wird also nicht ein Gen eines anderen Organismus eingesetzt. Der Eingriff ins Genom findet vielmehr etwa über die Genschere (CRISPR/CAS) statt. Der Unterschied ist gravierend. Und dennoch polarisieren die neuen genomischen Züchtungstechniken die Debatte. Geschützte Wahlfreiheit des Verbrauchers Das Europaparlament hat seine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten jetzt festgelegt. Die Kennzeichnung von Pflanzen, die mit den neuen Züchtungstechniken hergestellt wurden, soll verpflichtend werden. Patente auf Pflanzen sollen in der EU verboten bleiben. Und: Es soll Vorsichtsmaßnahmen geben, damit sich die NGT-Pflanzen nicht auf Anbauflächen des Ökolandbaus ausdehnen. Die Bio- und „Gentechnikfrei“-Branche soll also weiterhin dazu in der Lage sein, mit ihrem Alleinstellungsmerkmal zu werben. Die Wahlfreiheit des Verbrauchers wird geschützt. Flankierende Maßnahmen sind geplant, vergleichbar den Abstandsregeln zwischen konventionell bewirtschafteten Feldern und Bioäckern, um die Abdrift von Pestiziden und Herbiziden zu unterbinden. Zudem sind Rückstandkontrollen und Grenzwerte denkbar, um zu dokumentieren, dass das Produkt weiterhin „gentechnikfrei“ ist. Die Liberalisierung der Züchtungstechniken ist im Interesse der Landwirte und der Lebensmittelsicherheit. Es werden Pflanzen auf den EU-Markt kommen, die resistenter gegen Dürre, erhöhten Schädlingsbefall bei Wetterextremen und andere Folgen des Klimawandels sind. Wenn die neuen Züchtungstechniken zugelassen werden, bedeutet dies auch mehr Chancengleichheit für die Landwirte in der EU. Ihre Mitbewerber etwa aus Südamerika und den USA nutzen die Möglichkeiten der neuen Technologien bereits seit Jahren. Bis sie mit ihren Konkurrenten auf dem Weltmarkt zumindest in diesem Punkt gleichziehen können, wird es dauern. Auf der Seite der Mitgliedstaaten hakt es noch. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es noch vor der Europawahl eine politische Einigung zwischen Parlament und Rat gibt. Damit dürfte die Liberalisierung frühestens 2025 in Kraft treten. Besser spät als nie.

  • Steuermodell für mehr Tierwohl oder noch ein Bürokratiemonster?

    Özdemir will ein Finanzierungsmodell auf den Weg bringen: Steuereinnahmen über Ladenkassen Jetzt geht es doch ganz schnell. Die Borchert-Kommission hat nach ihren ersten Erfahrungen mit der Exekutive im Hause Özdemir und der Ampel ihre Arbeit eingestellt. In der damals neuen Bundesregierung nach der Zeit von Merkel und Klöckner war keine Bereitschaft mehr erkennbar, die von den Fachleuten um den ehemaligen Landwirtschaftsminister geschätzten jährlich drei bis fünf Milliarden zum Umbau der Tierhaltung zu finanzieren. Dazu kam der neue Finanzminister mit seinem Nein. Zwischenzeitlich sah es in den letzten Monaten so aus, dass die Mastbetriebe notwendige Millionen-Investitionen selbst stemmen müssen, wenn sie durch entsprechende Um- oder Neubauten der Ställe ihre Existenz langfristig erhalten wollen. Das ist in vielen Einzelfällen oft auch eine Frage der Zukunft folgender Generationen im landwirtschaftlichen Familienunternehmen. Der zuständige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir steht jetzt und nicht zuletzt durch die massiven Bauernproteste unter Druck, sondern auch weil gleichzeitig eine veränderte öffentliche Stimmung im Ernährungsverhalten der Bevölkerung wahrnehmbar ist. Wenn es denn bei allen grundsätzlichen Bedenken gegen Fleischkonsum politischer Wille ist, denjenigen, die bei ihrer Gewohnheit bleiben wollen, wenigstens Produkte aus artgerechter Tierhaltung auf den Tisch zu bringen, muss das eben etwas teurer bezahlt werden. Alternativen in der Finanzierung sind das Investitionsanteile aus dem Staatshaushalt oder direkt vom Verbraucher über die Ladenkasse. In diesen Tagen wurde bekannt, dass den Ampel-Fraktionen aus dem Haus Özdemir ein Finanzierungsmodell zu einer „Tierwohlabgabe“ zugestellt wurde, dass die „Bild“-Zeitung gleich als „Fleisch-Steuer“ bezeichnete. Der Branchendienst „Table-Agrifood“ hat bereits das Konzept und meldet, dass die Eckpunkte im Auftrag der Regierungsfraktionen ausgearbeitet wurden und irgendwie der Kaffeesteuer ähnelt. Mal sehen, was draus wird. Stolpersteine beim Finanzminister und in Brüssel Konkret ist das eine neue Verbrauchssteuer auf „Fleisch, Fleischerzeugnisse und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse“. Damit fällt nichts durch den Fleischwolf, auch die letzte Currywurst im Imbiss um die Ecke nicht. Die Finanzierung über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre sicher einfacher. Auch Kaffee-, Sekt- oder Tabaksteuer werden mit eigenem bürokratischem Aufwand erhoben. Nun eine weitere Verbrauchssteuer als Zusatzbeschäftigung für die Finanzbehörden? Die Ministerialen wissen: das muss EU-kompatibel gestaltet werden. Darauf hat die Borchert-Kommission bereits geachtet. Und sie hat dazu festgestellt: „Laut Machbarkeitsstudie sind sowohl eine Umsatzsteuerreform wie auch die Einführung einer Tierwohlabgabe in Form einer Verbrauchssteuer genauso wie eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt rechtssicher und praktikabel gestaltbar, wobei allerdings die Umsatzsteuerreform einen wesentlich geringeren administrativen Aufwand als die Verbrauchssteuer auslöst.“ Özdemir scheint den bürokratischeren Weg zu bevorzugen. Und dann ist da noch die Zuständigkeit des Finanzministers, der von höheren Steuern und Abgaben nichts hält und sich in den Weg stellen kann. Jedenfalls gilt Lindners Credo im Grundsatz: keine Steuererhöhung unter seiner Ressortverantwortung. Die Fraktionen wollen die Verbände einbeziehen und anhören. Gerade wurde bekannt, dass die Fleischproduktion im letzten Jahr deutlich gesunken ist. Während das Statistische Bundesamt meldet, dass beim Geflügel die Produktionsmenge leicht erhöht wurde, beim Rind annähernd gleich bleibt, sank die Vermarktung von Schweinefleisch mit 6,8 Prozent spürbar. Insgesamt verläuft der Fleischkonsum seit fünf Jahren kontinuierlich rückläufig. Das Thema Tierwohl ist bei allen Diskussionen über Verzicht nahezu in aller Munde. Wie sich das beim Blick zum weiteren Ernährungsverhalten der Deutschen passt, bleibt vielleicht auch ein Rätsel. Denn nahezu zeitgleich meldete der Fruchthandelsverband, dass der Verbrauch von Obst und Gemüse bei uns zurückgehe. Der Pro-Kopf-Konsum liegt hierzulande unter dem EU-Durchschnitt und den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Der Grund sollen die deutlich steigenden Preise für das sein, was aus den Feldern, Gärten und Gewächshäusern auf den Tisch kommt. Andere sagen, Lebensmittel seien in Deutschland billig. Verstehe das, wer will!

  • Mehr Klarheit für Verbraucher und Tierhalter

    Während das staatliche Tierhaltungslabel erst ab August 2025 verpflichtend wird, erweitert die Initiative Tierwohl schon ab Sommer die Kennzeichnung um die Stufe „Bio“ Wer im Bundesgesetzblatt das „Gesetz zur Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Haltungsform der Tiere, von denen die Lebensmittel gewonnen wurden“ mit allen Anhängen und Fundstellenverzeichnissen studiert, hat viel zu tun. Das „Tierhaltungskennzeichnungsgesetz“, wie es kurz genannt werden darf, steckt voller Paragrafen, Regeln und Hinweisen. Die Umsetzung in die Praxis benötigt Zeit. Auch deshalb ist es wohl erst ab dem Sommer 2025 verpflichtend – und es soll dann zunächst für Schweinefleisch gelten. Dass man schneller sein kann, zeigt seit Jahren die 2015 von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Lebensmittelhandel und Gastronomie ins Leben gerufene Initiative Tierwohl. Schon seit April 2019 gibt es in verschiedenen großen Handelsketten die freiwillige ITW-Kennzeichnung mit den vier Haltungsform-Stufen. Schon ab diesem Sommer wird das System fünfstufig und greift die bei der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung geplante Einordnung auf. Ein guter Schritt, denn so können sich die Verbraucher bereits an die künftige Systematik gewöhnen und müssen sich ab August 2025 nicht mehr umstellen. Außerdem finden sie über die gesetzlichen Vorgaben hinaus die fünfstufige Kennzeichnung ab dann bei frischem Fleisch und verarbeiteten Produkten vom Schwein, Rind, Geflügel und Kaninchen, bei Milch und Milchprodukten. Das staatliche Label wird ab August 2025 auf Schweinefleisch zu finden sein. Die Angleichung erleichtert auch den Tierhaltern die Arbeit. Mit der Einführung der Stufe 5 verspricht Robert Römer, einer der Geschäftsführer der Initiative Tierwohl, mehr Transparenz. Bisher war Bio mit in der bereits grün markierten Stufe 4 „Premium“ eingeordnet. Diese Stufe wird aufgeteilt in „Auslauf/Weide“ und „Bio“. Wahrnehmung des Logos auf den Verpackungen Es ist davon auszugehen, dass die Verbraucher sich ab Sommer rasch umstellen werden. Erst kürzlich zeigte eine Umfrage des forsa-Instituts, dass das bunte Haltungsform-Logo der Initiative Tierwohl von 80 Prozent der Befragten bewusst auf Verpackungen wahrgenommen wird. Es sei damit heute schon bekannter als das EU-Bio-Siegel (68 Prozent), hieß es. Wie es kürzlich auf der Grünen Woche erläutert wurde, nehmen rund 12.000 Landwirte an der Initiative Tierwohl teil. Die Marktabdeckung bei Mastschweinen betrage inzwischen zwei Drittel. Und bei den Geflügelhaltern komme die Initiative auf rund 80 Prozent der in Deutschland gehaltenen Masthühner und Puten. Für große Aufmerksamkeit sorgte auf der Messe, dass McDonald’s Deutschland der ITW beigetreten ist. Im Laufe dieses Jahres soll nach Angaben des Gastroriesen zuerst Schweinefleisch auf 100 Prozent ITW-Ware umgestellt werden. Auch alle in Deutschland aufgezogenen Hühner sollen ebenfalls künftig unter ITW-Bedingungen gehalten werden. McDonald’s betreibt in Deutschland mit rund 65.000 Mitarbeitern rund 1400 Restaurants. „Die Teilnahme von McDonald’s Deutschland an der ITW markiert einen wichtigen Schritt für das Tierwohl-Engagement in der Gastronomiebranche“, sagte Robert Römer in Berlin. „Die Entscheidung bestätigt unsere Mission, mehr Tierwohl in die Breite zu tragen.“ Das künftige staatliche Label hat fünf Haltungsformen: Stall: Entspricht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Stall+Platz: Mindestens 12,5 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgegeben. Zusätzlich muss Raufutter gegeben werden und die Ställe müssen durch verschiedene Elemente strukturiert sein. Frischluftstall: In der letzten Mastphase mindestens 45 Prozent mehr Platz, als es das Gesetz vorschreibt, sowie Kontakt zum Außenklima. Auslauf/Weide: In der letzten Mastphase mindestens 100 Prozent mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard, dazu ganztägige Möglichkeit zum Auslauf im Freien oder dauerhafte Haltung im Freiland. Bio: Entspricht den Anforderungen der EU-Ökoverordnung mit noch mehr Platz und mehr Auslauffläche als in den anderen Haltungsformen. Für 2025 ist bei der ITW eine Überarbeitung der eigenen Kriterienkataloge geplant, mit der das Programm die Anforderungen der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung abdecken soll. Zunächst sollen bei den Schweinen das Platzangebot und die Strukturierung der Buchten in Stufe 2 angepasst werden.

  • Im „grünen“ Rausch der Subventionen

    In der Welt der Konzerne muss Robert Habeck um seine Reputation nicht fürchten. Jetzt soll ihm ein weiteres „Sondervermögen“ die Haushaltsmittel verschaffen Keine Bundesregierung hat in so kurzer Zeit so viele Milliarden in Industrieprojekte gebuttert wie die amtierende. Oft gegen den Widerstand des Kanzlers. Aber meistens unter Applaus des Stammpublikums von Grünen und SPD-Linken. Ähnlichkeiten mit dem Staatskapitalismus vergangener Zeiten werden hingenommen. Im ARD-Talk mit Caren Miosga schwärmte Habeck noch am Sonntag weiter von einer schuldenfinanzierten Wirtschaftspolitik. Seine Industrieprojekte sind Großprojekte. Damit führt sein Weg letztlich auch in die Brüskierung ganzer Bevölkerungsgruppen, zumal im ländlichen Raum. Dafür gibt es jetzt schon Beispiele genug. Der Norden feiert die Ansiedlung einer Batteriefabrik, die Bund und Land mit über einer Milliarde Euro Subvention angelockt haben. Mehr Geld also, als mit den Kürzungen zum Schaden der Landwirtschaft eingespart werden sollten. Gefördert wird eine Region, die noch vor wenigen Jahren drauf und dran war, im Kielwasser der Windenergie ein kleines Wirtschaftswunder zu erleben. Bis „der Markt“ dann doch entschied, lieber bei Billiganbietern in China einzukaufen. Ebenfalls spannend, wie preiswert Elektroautos mit einem Mal zu haben sind, seit der Staat die Subventionsorgie beenden musste. Und Kaufinteressenten weniger rätseln müssen, wie zum Beispiel Volkswagen den Strom-Golf in China zum halben Preis anbieten konnte. Kaum auszudenken, wie viel Gutes auch für die Umwelt möglich gewesen wäre, hätte der Staat die Milliarden in noch bessere Abgasreinigung der Verbrennungsmotoren investiert. Die werden uns nämlich noch lange begleiten. Weil der „grüne‟ Strom bei weitem nicht für die angestrebte flächendeckende E-Mobilität ausreicht. Goldgräberstimmung durch das süße Gift der Staatsmilliarden Gleiches gilt für den Heilsbringer Wärmepumpe. Im Prinzip prima für die Umwelt. Aber bei deutschen Verbraucher-Strompreisen absolut unrentabel bei den Betriebskosten, sogar im Vergleich zur Ölheizung. Und ökologisch sinnlos, solange Strom aus Import-Gas und (Braun-)Kohle-Kraftwerken zum Einsatz kommt. Wenigstens ist die Zeit vorbei, in der Wärmepumpen in Deutschland maßlos überteuert angeboten (und gekauft) wurden. Weil das süße Gift der Subvention für Goldgräberstimmung sorgte. Herausgekommen ist am Ende ein Absatzrekord für altmodische Gasheizungen. Wärmepumpen verkauften sich zugleich deutlich schlechter als vor der Subventionsorgie. Was aus Habecks Wunsch wird, industriellen Großverbrauchern den Strom so zu subventionieren, dass sie nicht unverhältnismäßig viel über Energieeinsparung nachdenken müssen, gehört zu den noch offenen Fragen. Wobei auch jene zu stellen wäre, warum bei drohendem Arbeitskräftemangel ausgerechnet Arbeitsplätze gerettet werden sollen, die mit Umweltschäden verbunden und schon auf kürzere Sicht nicht konkurrenzfähig sind gegen die Konkurrenz der Billiglohn-Länder mit ihren Niedrig-Energiepreisen und laschen Umwelt-Regeln. Der Wirtschaftsminister würde gerne noch tiefer in den Haushalt greifen. Dafür ist nun einmal jemand zuständig, der weiter unbeirrt auf die Schuldenbremse tritt. Für Christian Lindner als Kabinettskollegen war die Idee des Sondervermögens „in jeder Hinsicht überraschend“, wie er am Wochenende in einem Interview der Welt am Sonntag bekannte. Vom konkreten Vorschlag, Hunderte Milliarden Euro Schulden zu machen, um Subventionen auf Pump zu zahlen, sei er, so sagt Lindner, nicht überzeugt. „So würden wir die soziale Marktwirtschaft deformieren.“ Damit prallen am Kabinettstisch öffentlich sichtbar unverändert Grundsätzlichkeiten aufeinander.

  • Wie geht es weiter in der EU-Landwirtschaft?

    Der Unmut der europäischen Bauern ist in Brüssel angekommen. Nun steht die Forderung im Raum, den Green Deal weiter zu entschärfen Die Bauernproteste sind in Brüssel angekommen. Und zwar buchstäblich und in doppeltem Sinne. Zunächst waren die Landwirte in den Mitgliedstaaten auf die Straße gegangen. In Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Rumänien und anderen Ländern. Zum Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs letzte Woche haben sie sich dann durchaus geschickt das Brüsseler Europaviertel ausgesucht. Es gibt Gründe für den Bauern-Unmut, die in der nationalen Politik zu suchen sind: etwa das Streichen von Steuersubventionen beim Agrardiesel in Deutschland, die Maßnahmen gegen zu hohe Nitratkonzentrationen im Boden in den Niederlanden. Den Landwirten in allen EU-Staaten ist aber gemeinsam, dass sie die grüne Architektur in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) als finanzielle und bürokratische Belastung empfinden. Letztlich steht die Forderung im Raum, die Folgen des Green Deal für die Landwirtschaft zu reduzieren. Auf den akuten Unmut hat die EU-Kommission schon reagiert. Sie hat beschlossen, dass die Bauern auch 2024 nicht verpflichtet werden, einen Teil der Ackerfläche brachliegen zu lassen. In Deutschland sieht die GAP vor, dass Landwirte mit mehr als zehn Hektar Fläche jedes Jahr vier Prozent ihrer Äcker nicht bebauen. Damit soll dem Artensterben entgegengewirkt werden. Im Gegenzug werden sie aber nun verpflichtet, sieben Prozent der Flächen mit stickstoffbindenden Pflanzen anzubauen wie Linsen oder Erbsen oder mit Zwischenfrüchten. Die Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag zustimmen, womit zu rechnen ist. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat bereits Unterstützung signalisiert. Von Kommissionsseite wird die erneute Aussetzung der Verpflichtung zu Brachen mit den vielfältigen Krisen begründet: Krieg in der Ukraine, hohe Treibstoffpreise und extreme Wetterereignisse. Längst steht aber die Forderung im Raum, GAP-Regeln nicht nur befristet auszusetzen. Der Chef des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), verlangt: „Für die Jahre 2025 bis 2027 fordere ich ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren, um den Basisrechtsakt zur Gemeinsamen Agrarpolitik entsprechend abzuändern.“ Die Kommission hält sich vor den Europawahlen zurück Die aktuelle GAP ist Anfang 2023 in Kraft getreten und gilt bis 2027 einschließlich. Schon jetzt fragen sich die Landwirte, wie es in der EU-Agrarpolitik danach weitergehen soll. Die Kommission hält sich zurück. Eigentlich hatte sie angekündigt, noch vor den Europawahlen im Juni eine Mitteilung zur Landwirtschaftspolitik herauszugeben. Die Ankündigung hat sie aber zurückgezogen. Die Kommission sucht jetzt externe Beratung. Sie hat den Strategiedialog zur EU-Landwirtschaft gestartet. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nimmt sich hier ein Beispiel an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Grüne hatte im Strategiedialog zur Automobilwirtschaft Wirtschaft, Umweltschützer und die Wissenschaft an einen Tisch geholt und dort recht erfolgreich Konflikte beigelegt. Die Kommission hat als Moderator den ehemaligen Chef der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Peter Strohschneider, verpflichtet. Strohschneider hat Erfahrung mit dem Format: Er hat bereits die Zukunftskommission Landwirtschaft auf nationaler deutscher Ebene geführt. Wohin die Reise in der EU-Agrarpolitik geht, dürfte sich erst 2025 zeigen. Dann ist die neue Kommission im Amt und wird einen Vorschlag für die GAP nach 2027 unterbreiten. Wie bereits beim letzten Mal rechnen Beobachter damit, dass wieder eine Übergangsphase nötig sein wird. Die neue GAP tritt also wohl frühestens 2029 in Kraft. Der Deutsche Bauernverband hat sich bereits erste Gedanken gemacht. Bis 2035 könnten die Direktzahlen auslaufen. Der DBV bekennt sich dazu, dass weiterhin Umweltmaßnahmen nötig sein werden. Die Förderpolitik der EU sollte aber davon absehen, den Landwirten vornehmlich Geld zu zahlen für Nachteile aus Umweltmaßnahmen. Sie sollte vielmehr den Bauern gezielt Geld geben dafür, dass sie etwas für das Klima und gegen das Artensterben unternehmen. Außerdem fordert die Standesvertretung eine bessere Absicherung der Landwirte gegen Marktversagen und Missernten. Gelder vom EU-Steuerzahler und aus den nationalen Haushalten sollen gezielt dafür eingesetzt werden, im Ackerbau und bei der Viehhaltung Versicherungsschutz aufzubauen. Staatlich bezuschusste Policen gegen „Ernte-Mehrgefahren“ und Tierseuchen sowie Betriebsunterbrechungen sollten kommen.

  • Potenzial entfesseln! Aber wie?

    Die CDU setzt für die Landwirtschaft auf ein zehn Punkte umfassendes Stärkungspaket „Die CDU ist die Partei der Landwirtschaft“ – das, was die Christdemokraten da in ihr sogenanntes Stärkungsprogramm schreiben, ist mehr als ein Slogan in von Bauernprotesten bewegten Zeiten. Es ist ein Anspruch. Die Traktorenkolonnen haben gezeigt, dass sich die ländliche Region vernachlässigt fühlt. Es geht um mehr als um Agrardiesel. Es geht um politische Wahrnehmung, um das Gefühl, ernst genommen zu werden. Für eine Partei wie die CDU heißt das: Sie muss daran arbeiten, die Menschen zu erreichen. Dass ihr das in vielen ländlichen Gebieten noch immer, zumindest besser als die Konkurrenz, gelingt, macht ihr Mut, sich nicht nur offensiv mit an die Spitze des Protests zu setzen, sondern Ideen, Konzepte und Korrekturen zu präsentieren, die die Bauern weiter fest im demokratischen Parteienspektrum wurzeln lassen. Dabei kommt die CDU nicht darum herum, ihre Mitverantwortung für viele Missstände, Bürokratiemonster und EU-Gängeleien anzusprechen. Ihre Oppositionszeit hat eben ein eigenes jahrzehntelanges Regierungsvorleben. Da kann sie viele aktuelle Proteste nicht einfach dem grünen Bundeslandwirtschaftsminister und dem liberalen Finanzminister vors Hoftor kippen. Dennoch glaubt man in der CDU, noch die Kurve zu kriegen. Ihr Bekenntnis zum ländlichen Raum, zu Land- und Forstwirtschaft ist glaubhaft und liefert dafür auch in vielen Landesregierungen genug Anhaltspunkte. Dennoch bleibt das Zehn-Punkte-Programm an viel zu viel Stellen im Unverbindlichen, oft stark und kenntnisreich in der Problembeschreibung, manchmal oberflächlich und verfloskelt bei der Problemlösung. Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft untrennbar Wer kann schon widersprechen, dass Betriebe im Land wieder Zuversicht, Vertrauen, Planbarkeit und den politischen Rahmen brauchen, „um ihr Potenzial zu entfesseln“? Dass Deutschland und seine heimische Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft untrennbar zusammengehören? Faire Wettbewerbsbedingungen in Europa, praktikablere Green-Deal-Regelungen, Vermeidung einseitiger nationaler Belastungen, die Begrenzung des Ausbaus von Wind- und Solarenergie oder die Umwidmung zu Bauland bzw. Industriefläche „auf das unvermeidbare Maß“, Vorrang eines qualitativen vor einer quantitativen Flächenstilllegung, eine bessere Tierhaltung mit größerer Sicherheit für Investitionen bekommen. Bestandsschutz für genehmigte Ställe – das ist mehr als ein Stärkungsprogramm. Das ist eine echte politische Alternative gegenüber grünen Zwangsjacken und ökologischen Tagträumen. „Klimaschutz mit Schutz des Eigentums“ Klima- und Naturschutz müsse mit den Land- und Forstwirten erfolgen, nicht gegen sie, verspricht das CDU-Programm. Dazu gehört auch für Land- und Forstwirte das Recht auf den Schutz ihres Eigentums. Was konkret für die CDU bedeutet: Innovation geht vor Stilllegung. Dass Waldeigentümer alle Einsatzmöglichkeiten von Holz nutzen können – vom Baumaterial bis zur Energiegewinnung –, auch das ist ein politischer Gegenentwurf wie der Ruf nach neuen Züchtungsmethoden – und die Forderung, Bioenergie nicht länger zu diskriminieren, die schneller zu ertragreichen und widerstandsfähigeren Sorten führen. Die landwirtschaftlichen Betriebe bräuchten keine staatliche Bevormundung, schreibt die CDU. Stattdessen müsse es einen klaren – und fairen – Rahmen geben, damit Land- und Forstwirte „produzieren (können), was der Markt verlangt“. Die Union macht dabei keinen Unterschied zwischen konventionellem und ökologischem Landbau. Beide Bewirtschaftungsformen hätten ihre Stärken und Daseinsberechtigung – eine Feststellung, die in der Agrarpolitik tatsächlich wieder mehr Rückhalt braucht. Und so versucht die CDU mit ihrem Stärkungspaket, die Segel so stark in den Proteststurm vom Lande stellen, um dort wieder mehr Fahrt aufzunehmen. Doch Wind allein genügt nicht. Auch der Kurs muss stimmen. Und da kann man den christdemokratischen Entfesselungskünstlern durchaus zutrauen, einen guten Orientierungssinn zu besitzen.

  • Haushaltsdebatte: Der ländliche Raum ist für den Kanzler weit weg

    Olaf Scholz zeigte sich in der Haushaltsdebatte des Bundestags ungewohnt kämpferisch. Doch ein Bereich blieb außen vor Augenscheinlich zeigt die heftige Kritik an seinem Kommunikationsstil beim Kanzler Wirkung. Auch in den eigenen Reihen war das häufige Schweigen des Regierungschefs zunehmend auf Unverständnis gestoßen. Zu Recht, denn mit einem Kanzler im verbalen Ruhestand können die Genossen nur schwerlich aus ihrem Umfragetief herauskommen. Und Scholz scheint verstanden zu haben. Selten hat man ihn zuletzt in der Öffentlichkeit so polemisch und angriffslustig wie jetzt im Bundestag erlebt. Der Kanzler ist zumindest rhetorisch aufgewacht. Selbst vor persönlichen Angriffen gegen CDU-Chef Friedrich Merz („null ökonomischer Sachverstand“) schreckte Scholz nicht zurück. Doch passt das wirklich zu seinem Amt und zu seiner Rolle als Kanzler? Skepsis scheint angebracht. Denn die Bürger wollen jetzt schließlich keinen aggressiven Wahlkämpfer sehen und hören, sondern einen Regierungschef mit vertrauenserweckenden Perspektiven für die Zukunft. Die Rolle von Scholz ist daher nicht zu opponieren und zu polemisieren, sondern vor allem zu regieren und politisch voranzugehen. An dieser Stelle blieb Scholz leider inhaltlich blass. Er verteidigte zwar die allseits bekannten Maßnahmen und Beschlüsse seiner Koalition, aber zeigte keine neuen Wege auf. Mehr noch: Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er viele Probleme nicht wirklich sehen, geschweige denn ernst nehmen will. … und kein Wort zu den Bauernprotesten Weshalb etwa ging der SPD-Politiker nicht auf die heftige Unzufriedenheit der Bürger mit der Arbeit seiner Regierung ein? Und dass die Republik vor kurzem ganz im Zeichen der Bauerndemonstrationen stand, war dem Kanzler nicht eine Silbe wert. Die Koalition sollte sich daher nicht wundern, wenn die Proteste der Landwirte in der ein oder anderen Form weitergehen werden. Überhaupt spielte der ländliche Raum in der Scholz-Rede keine Rolle – es sei denn indirekt bei den Stichworten Mindestlohn oder Arbeitskräftemangel. Das dürfte zu wenig sein, um den von der Ampelkoalition gewünschten Umschwung in der öffentlichen Meinung zu erreichen. So hoch der Unterhaltungswert des Kanzlerauftritts im Bundestag zeitweise auch war, in der Substanz gab es nichts Neues. Scholz setzt augenscheinlich auf das Prinzip „weiter so“, nur rhetorisch offensiver und aggressiver. Immerhin:  Durch einen solchen Kommunikationsstil werden zumindest die Unterschiede und Alternativen zur Opposition klarer, sodass sich die Bürger mit Blick auf kommende Wahlen leichter ein Urteil bilden können. CDU-Chef Friedrich Merz präsentierte im Bundestag ein hartes Kontrastprogramm zur Ampelregierung. Das ist seine parlamentarische Aufgabe als Oppositionsführer. Doch wenn Scholz einen ähnlich heftigen Ton anschlägt, so passt das nicht zu seinem Amt. Denn so schlecht die Umfragewerte für ihn persönlich und die SPD auch sein mögen, bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch gut eineinhalb Jahre. Erst dann sollte für ihn und sein Kabinett der Wahlkampfmodus gelten. Jetzt heißt es vor allem, die verbleibende Zeit für gute Arbeit statt für polemische Attacken zu nutzen. Insofern war die jüngste Rede des Kanzlers in der Haushaltsdebatte im Grunde für ihn selbst eine vertane Chance. Ampelkoalition wird an ihren Taten gemessen Wie jede Regierung wird auch die aktuelle Berliner Ampelkoalition am Ende beim Kanzler an ihren Taten gemessen. Und da sieht die Bilanz leider keineswegs so positiv aus, wie Scholz und seine Mitstreiter es darzustellen versuchen. Man schaue nur auf den ländlichen Raum, der am Mittwoch im Bundestag weit weg schien. Dort kämpfen viele Bürger um den Erhalt ihrer persönlichen Lebensgrundlagen. Die jüngsten Proteste der Bauern und anderer Naturnutzer sind Ausdruck einer gewissen Frustration. Denn jenseits der großen Metropolen hat sich vielfach der Eindruck festgesetzt, man werde von Berlin aus politisch nicht in seiner Lebenswirklichkeit gesehen. Es wäre Aufgabe des Kanzlers gewesen, hier Verständnis zu zeigen und Brücken zu bauen.

  • Ungewöhnlich: SPD-Länderchefs kritisieren die Ampel

    In der Politik für die Landwirte fehlt der Ampelkoalition sogar der Rückhalt aus den eigenen Reihen Als die Landwirte protestierend mit ihren Traktoren durch die Städte tuckerten, bekamen sie ungewöhnlich klare Unterstützung von mehreren SPD-Länderchefs: Die Ministerpräsidenten zeigten Verständnis für die Forderungen der Landwirte und tadelten die geplanten Subventionskürzungen beim Agrardiesel. Die größten Schlagzeilen produzierte Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern und derzeit Bundesratspräsidentin: Passend zur Grünen Woche in Berlin rief die SPD-Politikerin die Ampel dazu auf, sich stärker für die Landbevölkerung einzusetzen. Es war nicht ihre erste kritische Äußerung in Richtung Kanzleramt. „Ich kann der Bundesregierung nur raten, die Kürzungen komplett zurückzunehmen“, wurde ihr Brandenburger Amtskollege Dietmar Woidke zitiert. Ähnlich äußerte sich Länderchefin Anke Rehlinger aus Saarbrücken und vorher schon hatte sich Ministerpräsident Stephan Weil aus Hannover gemeldet: Die Streichung der Steuervergünstigungen sei für kleine Betriebe eine arge Belastung. Auch die höheren CO₂-Preise würden die Landwirte treffen. Angesichts dieser Distanzierungen führender SPD-Politiker aus den Ländern kann man sich schon fragen, wie schlecht es um die Ampel bestellt ist, wenn ihr sogar die Spitzenleute aus den eigenen Reihen öffentlich in den Rücken fallen. Sind es Absetzbewegungen angesichts des sinkenden Schiffs? Ist das einfach nur Opportunismus? Oder sind die Ministerpräsidenten schlicht näher an der Basis und kommen öfter mit den Landwirten in Kontakt als Bundespolitiker im fernen Berlin? Schwesig muss sich an ihrer eigenen Politik messen lassen Richtig ist jedenfalls, was Schwesig zum Lebensgefühl von Dorfbewohnern und Kleinstädtern äußert: „Ihr schert Euch nicht um uns“, laute die Kritik aus dem ländlichen Raum. Dass die SPD-Frau aus Schwerin eine neue Perspektive insgesamt für nötig hält, ist nachvollziehbar. Auch weil die Landwirtschaft im Agrarland Mecklenburg-Vorpommern mehr Bedeutung hat als für andere Bundesländer und der Anteil der Agrarbetriebe an der Wertschöpfung relativ hoch ist. Allerdings läuft Schwesig Gefahr, dass ihre Kritik nach hinten losgeht. Denn selbstverständlich muss sie sich auch an ihrer eigenen Politik für den ländlichen Raum messen lassen. Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern nutzte ihre Worte als Steilvorlage, um die Schweriner Regierungschefin anzugreifen: „Unter Manuela Schwesig wird der ländliche Raum zum leeren Raum“, formulierte es griffig der Agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Schweriner Landtag, Thomas Diener. Nur verhaltene Zustimmung vom Präsidenten des Bauernverbands Und er listete gleich mehrere Punkte auf, bei denen der ländliche Raum vernachlässigt werde: beim Umgang mit dem Wolf, der Wiedervernässung der Moore, der Unterfinanzierung beim Programm für Feuerwehrgerätehäuser und der Sportförderung beispielsweise. Außerdem habe die Landesregierung den Kofinanzierungsfonds auslaufen lassen. Damit fehlten jährlich 15 Millionen Euro, um finanzschwache ländliche Kommunen zu unterstützen, wenn sie Förderprogramme von Land, Bund oder EU nutzen wollten. Eine nur verhaltene Zustimmung zu Schwesigs Worten kam auch von Detlef Kurreck, dem Präsidenten des Bauernverbands Mecklenburg-Vorpommern: Er warf der Landesregierung vor, für immer neue Belastungen der Landwirte zu sorgen, beispielsweise durch die Düngeverordnung mit ihren Vorgaben zum Grundwasserschutz. Um wirklich zu überzeugen, reicht es für Schwesig, Weil und andere nicht aus, sich mit starken Worten für die Agrarbranche und den ländlichen Raum einzusetzen. Gemessen werden sie an ihren Taten.

  • Das Zwischen-Ende der Bauernproteste – die Themen bleiben

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, die Umstände, unter denen die Menschen auf dem Lande leben und arbeiten, sind auch in den Köpfen vieler angekommen, die in den Städten einfach eine andere Lebenswelt haben. Das bekommt man dieser Tage in vielen Gesprächen mit, wenn es etwa um die Einkommen der Bauern geht. So nehme ich es auch in meinem privaten Umfeld wahr. Das Ganze ist schon differenziert zu betrachten – etwa nach Produkten, Hofgrößen, Investitionsfinanzierungen, Familienleistung und -einkommen. Das sind Parameter, die keine Pauschalurteile zulassen. Schon gar nicht, wenn man nicht so richtig weiß, wie ein bäuerliches Familienunternehmen in Ställen, auf Feldern und am Schreibtisch funktioniert. Statistiken haben generellen Charakter. Der Gesamtumsatz im Agrarbusiness ist nach einer EY-Studie im letzten Jahr um 12,2 Prozent gestiegen, die Kosten aber sind es auch. Die Autoren äußern auf der Kostenseite weiter „trübe Erwartungen“. Mal sehen, was 2024 mit den klimabedingten Folgen in den Statistiken bringen wird. Der Agrardiesel wird auch als Einzelposten in den Hofbilanzen zu sehen sein. Es geht aber um mehr als nur darum. Das sind unter anderem die erlebten und zu erwartenden politischen Vorgaben – mit Auflagen, Verordnungen, verpflichtenden Stilllegungen und dem, was Bauernpräsident Rukwied meint, wenn er sagt, dass „Ökoregeln an die Praxis“ angepasst werden müssen. Das, was die Frauen und Männer aus der Landwirtschaft auf die Beine oder besser die Räder ihrer Traktoren gebracht haben, hat in Summe die Anliegen und Zukunftssorgen eines riesigen Berufsstandes zum beherrschenden Thema in Deutschland gemacht. Die Medienreflexion überstrahlte alles an Schlagzeilen, Nachrichten und Meinungen, was in diesen Wochen zur üblichen täglichen Agenda gehört. Da gibt es schon Themen genug, die wir nicht loswerden, etwa weil uns nun einmal Putins festgefahrener Krieg und das, was über den Nahen Osten hereingebrochen ist, auch innenpolitisch bindet – den Bundeskanzler allemal. Er hat sich in der Aktionswoche jedenfalls auffällig zurückgehalten. Scholz wird dann die Bühne betreten, wenn er am Mittwoch die Grüne Woche besucht. Erklären sollte er sich schon detaillierter zur Finanzpolitik und zum Anteil, den der Agrarbereich bei allen Einsparungen zu leisten hat. Wenn es zur abschließenden Haushaltsberatung im Plenum kommt, wird er sich schließlich erklären müssen und vielleicht mehr sagen, als nur seine Video-Aufforderung an die Protestierenden, „Maß und Mitte zu halten“, und vor einem „toxischen Gemisch“ zu warnen. Das war etwas wenig zur Sache. Die Protestkolonnen fahren wohl weiter durchs Land Zur Vorbereitung des finalen Beschlusses über den Haushalt 2024 hat sich in dieser Woche bis Donnerstagabend zunächst der zuständige Ausschuss durch das Sparpaket des Ampel-Kabinetts gequält. Die inzwischen politisch zugesagten Korrekturen an dem umstrittenen 17-Milliarden-Kabinettsbeschluss vom 20. Dezember letzten Jahres sind nun in die Etatplanung eingearbeitet worden. Dazu gehört die bekannte halbe Weihnachtsbescherung für die Landwirte. Die Teilrücknahme beim Thema Agrardiesel und Fahrzeugsteuern lässt die Bauern offensichtlich noch nicht ruhen. Sie wollen die Protestkolonnen weiterfahren lassen. Vielleicht hängt das auch mit einem unveränderten Empfinden der Ungleichbehandlung zusammen. Jedenfalls wurde unter anderem die Streichung des Rückforderungsbeschlusses über 1,5 Milliarden gegenüber der Arbeitsagentur zurückgenommen. Sie war über den realen Bedarf hinaus mit Corona-Zuschüssen bedient worden. Gegen die Rückzahlungsforderung hat nur eine Dame protestiert, dafür aber in vollem Umfange wirkungsvoll. Das war Andrea Nahles, die Chefin der Nürnberger Agentur. Für die Abgeordneten war es wohl nervenaufreibend, all das abzusegnen, was in den letzten Tagen über das Finanzministerium unter Zeit- und Gelddruck an korrigierenden Vorlagen in die parlamentarische Beratung geliefert wurde. Für die Mitglieder der Ampelfraktionen allemal, die dann mit ihren Stimmen den Haushalt beschlossen haben. Für den Chefhaushälter der Opposition, Christian Haase von der Union, war das alles „Flickschusterei“. Die am Mittwoch plötzlich aufgetauchten 6,3 Milliarden aus nicht genutzten Haushaltsrücklagen früherer Jahre haben die Lage dann doch entspannt. Erst einmal soll damit die Fluthilfe für das Ahrtal in Höhe von 2,7 Milliarden gesichert werden; der Rest stopft die verbliebenen Löcher. Das wird übrigens im Norden Daniel Günther nicht trösten. Er wird nicht müde, die Schadensbeteiligung des Bundes an den Hinterlassenschaften der jüngsten Sturmfluten an der Küste anzumahnen. Da ist aber weiter nichts zu erwarten. Ein Blick auf Countryside-Alliance Übrigens haben auch europäische Nachbarn im Auge, was in Deutschland derzeit für Unruhe sorgt. Da sind zunächst einmal die niederländischen Bauern, die mit ihren Protesten im letzten Frühjahr noch politischer geworden sind. Und über die EU hinaus stellt in Großbritannien Tim Bonner, der Sprecher der „Countryside Alliance“, in seinem Newsletter die Frage: „Will Britain follow German farmer protests?“ Wir schauen da immer wieder gerne mal rein. Er erinnert an die „geistige Heimat der Bauernproteste“ in Frankreich, auch an das, was in Holland und Spanien zu den Protesten führte. Er schreibt dann zu den notwendigen Veränderungen zur Sicherung der „Zukunft der Umwelt und des Planeten“: Bei diesen Beispielen seien die Regierungen davon ausgegangen, dass die Landwirtschaft das Problem und nicht Teil der Lösung sei. Die Leistungsschau rund um Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau Zurück zu dem, was im Blickpunkt steht: Bis Ende der kommenden Woche werden die Themen Ernährung, Landwirtschaft, Landleben und damit insgesamt die Politik für den ländlichen Raum schon kalendermäßig wieder in den Blickpunkt gerückt. Berlin lädt ein zur Grünen Woche, der internationalen Leistungsschau rund um Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Die Messe verspricht ihren Gästen Informationen über „moderne Land- und Ernährungswirtschaft, kulinarische Trends und nachhaltige Themen“ durch 1400 Aussteller aus 60 Ländern. Für Messechef Dr. Mario Tobias ist die Messe die „beste Plattform, um die Debatte von der Straße zu holen“. Er begründet das damit, dass Berlin jetzt und in den nächsten Tagen zum Treffpunkt und Marktplatz nicht nur für Aussteller und Gäste aus unserer Region, sondern gleichermaßen für Politik, Verbände der Landwirtschaft und Ernährung, Medien und die Zivilgesellschaft werde. Ob die als politischen Höhepunkt geplante Agrarministerkonferenz mit 70 internationalen Ministerinnen und Ministern das Demonstrationsgeschehen der letzten Tage in den Hintergrund stellen kann, bleibt fraglich. Die bekannten Themen werden wieder zur Sprache kommen, zumal wenn es vor den Toren der Messe zu weiteren Protesten kommt. Inhaltliches verspricht etwa dort die Dialogbühne der Land- und Ernährungswirtschaft, wie der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, ankündigt: „Wir werden auf der diesjährigen Grünen Woche den Menschen vermitteln, was nötig ist, um eine stabile und zuverlässige Versorgung mit hochwertigen heimischen Lebensmitteln in Deutschland zu erhalten.“ Das sind eben die Themen, die hinter Agrardiesel und Kfz-Steuern auf den Demonstrationen landesweit zur Sprache kommen. Es ist wohl zu erwarten, dass die Verbandsspitzen die Sorgen in der Agrarwirtschaft über die Grüne Woche artikulieren, solange nicht andere Signale zur Zukunft auf dem Lande aus den Ampelreihen kommen. Zunächst einmal erschien es Ressortminister Cem Özdemir wichtig, noch in dieser Woche den Beschluss über das Programm „Gutes Essen für Deutschland“ als wohlmeinenden politischen Plan durch das Kabinett zu bringen. Zur Umsetzung bleibt uns wenigstens Zeit bis 2050 (!). Spätestens dann soll sich ganz Deutschland gesund ernähren. Der Teil, dass endlich weniger Lebensmittelabfälle weggeworfen werden, ist sicher gut. Die Menschen wollen auch zu 90 % gesund essen, wie eine Studie der Techniker-Krankenkasse ergab. Ob sie sich das Wie im Detail per Regierungsbeschluss auf die Speisepläne setzen lassen möchten, bleibt eine andere Frage. Nichts gegen Aufklärung. Bei den angestrebten Werbeverboten soll es aber bleiben. Das wird wohl auch auf der zitierten Dialogbühne auf der Grünen Woche kontrovers zur Sprache kommen. Die dort beteiligten Ernährungs- und Lebensmittelverbände haben ebenfalls unverändert andere Vorstellungen. Mit diesem ausnahmsweise rein agrarorientierten Newsletter von „natur+mensch“ zu Themen der Politik und des ländlichen Raumes wünsche ich ein gutes Wochenende – insbesondere denjenigen unter den 300.000 Besuchern, die die Grüne Woche im Kalender stehen haben. In diesem Sinne verbleibe ich Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

  • Sie haben sich nicht verrannt und sind nicht umgekehrt

    Knapp 10.000 Bauern haben vor dem Brandenburger Tor in ihrer Aktionswoche noch einmal zentral demonstriert Anders als zu seinen früheren Äußerungen ist es ja schon ein Fortschritt, wenn Christian Lindner am Montag gegenüber den Demonstranten bei der zentralen Kundgebung der Aktionswoche in Berlin „Verständnis für ihren Unmut“ zeigt. Und er gesteht zu, dass die Sparpläne seiner Regierung von den Bauern zu schnell und zu viel verlangt hätten. Reicht das und ist das glaubwürdig? Soviel zu den Buh-Rufen am Brandenburger Tor, über die gerade landauf, landab zu lesen ist. Vielleicht sollten beide Seiten andere und offensichtlich schon datierte Gesprächsformate konstruktiv nutzen. Auf solche Nachrichten warten wir in dieser Woche und darauf, was im Parlament am Ende daraus wird. Inzwischen hat sich ja wohl herumgesprochen, dass es bei der Beurteilung der Stimmungslage nicht nur um die Kfz-Steuer für die Landmaschinen und den sogenannten Agrardiesel geht. Es geht um mehr. Beim Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart rief Lindner noch – zweifellos unter dem Eindruck der zwei Tage vorher stattgefundenen unsinnigen Habeck-Blockade in Schlüttsiel – den Bauern zu: „Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um.“ Gleichzeitig bezeichnete er aber auch die bevorstehenden flächendeckenden Proteste und Blockaden als „unverhältnismäßig“ (SZ vom 7. Januar). Dabei meinte er das offensichtlich generell für alle, die sich mit ihren Treckern auf den Weg gemacht haben. Die abweisenden und vielleicht auch von dem einen oder anderen als unangemessen empfundenen Reaktionen, die Lindner am Montag vor dem Brandenburger Tor erlebte, müssen etwas mit der Haltung zu tun haben, das Problem über die Steuern hinaus wohl erkannt zu haben: Er würde zwar über alles sprechen, was der Produktivität nutze – wie etwa der Bürokratieabbau oder das Abrücken von unverhältnismäßig höheren Standards für die Tierhaltung. Er könne aber „nicht mehr staatliche Hilfe aus dem Bundeshaushalt“ versprechen. Die Betroffenen haben dazu aber eine andere Wahrnehmung, wer wem hilft, wenn es um das Stopfen von Etatlöchern geht. Inzwischen eine breite Debatte in Stadt und Land Die Schließung der 17-Milliarden-Lücke im Haushalt mit dem überproportionalen Anteil der Land- und Forstwirtschaft hat die Proteste im ganzen Lande und mit der zentralen Kundgebung in Berlin die Betroffenen auf die Beine gebracht. Darauf aufgesetzt hat sich ein breiter Strauß von Problemen, aus dem sich inzwischen eine breitgefächerte Debatte in Stadt und Land entwickelt hat. Viele Menschen haben wahrgenommen, was alles zu den Zukunftssorgen auf den überwiegend von Generation zu Generation weitergegebenen Höfen geführt hat. Dem Strukturwandel haben sich wie in anderen Wirtschaftsbereichen bäuerliche Familien nicht entzogen. Das belegen Zahlen und Statistiken. Aber: In jedem Einzelfall war und ist das schmerzlich genug. Wenn dann die Existenzprobleme durch Politik und nachgeordnete Behörden durch Beschlüsse, Auflagen, Detailvorschriften und Einflüssen außenstehender Interessenlagen aufgehäuft werden, entsteht das, was gern als aufgestaute Wut der Bauern wahrgenommen wird. Das ist dann eine nachvollziehbare Antwort auf empfundene Regelungswut. Wie in diesem Blog schon mehrfach angemerkt, geht es in einer Reihe von Einzelsituationen auch um Eigentumsfragen. Beispiel bietet eine generationengerechte Holznutzung in Forstbetrieben. Sie wird gesellschaftlich immer umstrittener. Es gibt nun einmal viele Waldbesitzer, die sich von einem freundlich erscheinenden Förster und Journalisten nicht das „Wohlleben“ ihrer Wälder durch gesellschaftlichen Druck vorschreiben lassen wollen. Sie ernten das, was Großväter gepflanzt haben und sie selbst setzen für ihre Enkel junge Bäume – übrigens überwiegend mit Blick auf Zukunftsverträglichkeit im Klimawandel. Lindner bewegt sich auf dünnem Eis Und wenn es wie hier als Beispiel um Eigentum geht, wären wir wieder bei Lindner, dem Vorsitzenden der FDP. Er ist aktuell zuständig für die Finanzen und nicht für die anderen Fragen, die Land- und Forstwirte, Jäger und Fischer und damit alle Naturnutzer bewegen. Eigentum und Selbstständigkeit sind nun einmal Schwerpunktthemen der Liberalen. Deshalb bewegt sich Christian Lindner jetzt auf dünnem Eis. Er ist Vorsitzender einer Ampel-Partei, aber auch nur einer von mehreren am Kabinettstisch. Auf den Kanzler käme es an, der sich im Prinzip bei gesellschaftlich übergreifenden Themen in dieser Breite der Aktionswoche angesprochen fühlen muss. Scholz lässt sich offensichtlich nicht ansprechen. Er überlässt seinen Fachminister, sich von Ampelabsprachen abzusetzen, wobei Özdemir wiederum betont, ebenfalls nur ein Teil des Kabinetts zu sein … Der Kanzler selbst ermahnt die Bauern nur, Maß und Mitte nicht zu verlassen und sich nicht in ein „toxisches Gemisch zu begeben“. Da kann man schon Bilanz ziehen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat sich nach dem stürmischen Auftakt in einem kleinen Nordseehafen erfolgreich von rechtsradikalen Unterwanderern distanziert. Sie wurden weitgehend unsichtbar und ferngehalten. Gerade fast überall dort, wo auf Landes- und Ortsebene dezentral demonstriert und auch blockiert wurde. Jedenfalls ist es auch zum Abschluss dieser Aktionswoche überzeugend gelungen, Branchen- und Berufsstandprobleme spektakulär oben auf die Agenda zu setzen. Am Montagabend trudelte online die „Lage am Abend“ vom Spiegel ein: „Lohnt sich Erpressung? In der Politik schon“. Die ganze Geschichte heißt „Wie Lindner die Bauern umgarnen wollte – und scheiterte.“ Das Thema wird also zum Fortsetzungsroman. Die Aktionswoche ist damit wohl noch nicht beendet.

  • Das Milliarden-Ding auf dem flachen Land

    EU gibt grünes Licht für Batteriefabrik in Schleswig-Holstein: Investitionen von insgesamt rund fünf Milliarden Euro. Rund 3000 Arbeitsplätze sollen entstehen Noch in diesem Jahr rollen die Bagger an. Die Bauarbeiten für die Batteriezellenfabrik in der Nähe von Heide (Kreis Dithmarschen) stehen kurz bevor, fast alle Genehmigungen sind erteilt. Die EU hat die Fördermittel von fast einer Milliarde Euro genehmigt, jetzt fehlt nur noch die finale Invest-Zusage des schwedischen Unternehmens Northvolt. Sie gilt als sicher. An Schleswig-Holsteins Westküste macht sich so etwas wie Goldgräberstimmung breit. Anlass dafür ist die größte Industrieansiedlung in der Geschichte des nördlichsten Bundeslandes. Nicht in den Randgebieten der Großstädte Kiel, Lübeck oder Flensburg. Sondern mitten im ländlichen Raum, in der Peripherie zwischen der Kreisstadt Heide und dem Nordseebad Büsum. Hier steigen die Grundstückspreise fast im Stundentakt. Bund und Land fördern die Batteriezellenfabrik der schwedischen Unternehmensgruppe Northvolt mit über 900 Millionen Euro. „Damit verhindern wir, dass diese Investition in ein Land außerhalb Europas verlagert wird“, sagt EU-Kommissarin Margrethe Verstager. Mehrere Regionen in den USA hatten ihre Fühler nach Schweden ausgestreckt. Die Schweden haben bereits rund 100 Millionen Euro aus eigenen Mitteln für Infrastruktur-Maßnahmen rund um Heide ausgegeben. Bereits ab 2026 soll hier, rund 100 Kilometer nördlich von Hamburg, produziert werden. Bau soll schnell gehen „Mit dem Bau wird es ganz schnell gehen“, prophezeit Dirk Burmeister, der das Riesen-Projekt als Ansiedlungs-Manager betreut. Bei Burmeister stehen die Telefone nicht still. Eine große Zahl von Spekulanten ist unterwegs, um Land zu kaufen. Entweder für die Ansiedlung von Zulieferbetrieben oder für den privaten Wohnungsbau. „Hier wird jeder Stein umgedreht, jeder Quadratmeter Land bietet neue Chancen“, sagt Burmeister. Die Zusagen der zwei kleinen Gemeinden Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden stehen noch aus. „Aber das bekommen wir hin“, gibt sich Burmeister selbstbewusst. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen hat den weiteren Ausbau der Westküsten-Autobahn A 23 angekündigt und hält an dem Weiterbau der A 20 mit Elbquerung auf Höhe Glückstadt fest. Zudem fordert Northvolt eine Verbesserung der Zugverbindungen zwischen Hamburg und Heide, die Züge sollen im Stundentakt verkehren. Aufbruch und Investitionsbereitschaft Auch im benachbarten Kreis Steinburg mit der Kreisstadt Itzehoe stehen die Zeichen auf Aufbruch und Investitionsbereitschaft. Am Rande der A 23 werden Grundstücke gesucht, um Flächenpotenziale für Gewerbe- und Wohnentwicklungen auszuweisen. Hier sollen innovative Energie-Technologien etabliert werden. Eine Art Batterie-Campus soll rund um Itzehoe entstehen, wie es Olaf Steiner formuliert. Steiner ist seit einem Jahr als Manager des Kreises unterwegs, um interessierte Unternehmen für den Kreis Steinburg zu gewinnen. „Wir sind auf der Entwicklungsachse mit hohem Tempo unterwegs“, gibt sich Steiner optimistisch. Zunächst einmal müssen aber noch die Bürgermeister aller Gemeinden von der Offensive überzeugt werden. Steiner: „Wir müssen alle an einem Strang ziehen.“ Von großer Bedeutung für Northvolt ist auch eine von Dänemark kommende Wasserstoff-Pipeline, die bis nach Dithmarschen führen soll und Abzweiger ins Binnenland bis nach Rendsburg und Neumünster bereithält. Wie auch eine Strom-Autobahn, über die der an der Westküste erzeugte Wind-Strom bis nach Süddeutschland transportiert werden soll.

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