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355 Suchergebnisse für „“

  • Grüne: Statt Einsicht nur Eigenlob

    Zwischenzeitlich hatte man die Hoffnung, die Bauernproteste könnten ein Umdenken bewirken. Für die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gilt dies nicht Als am 1. Februar vom Bundestag der bis heute heftig diskutierte Etat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft angenommen wurde, gestand Cem Özdemir offen Fehler ein. Man habe, so der Minister, die Landwirtschaft über Gebühr belastet, dies aber korrigiert. Auch Dr. Sebastian Schäfer, Obmann der Grünen im Haushaltsausschuss, räumte ein, dass sich ein solches Haushaltsverfahren nicht wiederholen dürfe. Wie wahr, denn der Ärger, den die anfangs radikale Streichung der Agrardiesel-Rückerstattung und Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ausgelöst hat, wirkt bis heute nach. Wer aus den beiden Äußerungen aber Selbstkritik bei den Grünen ableitet, der irrt sich gewaltig. Mit breiter Brust wird auf der Fraktionsseite im Internet behauptet, dass man im Haushalt 2024 „wichtige Akzente für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und lebenswerte ländliche Räume“ gesetzt habe. Mehr noch: „Wir finanzieren den Umbau der Tierhaltung und klimafreundliche Ernährung.“ Und als wäre Robin Hood noch unter den Lebenden, wird auf der Fraktionsseite kundgetan, dass man für ländliche Räume „Haushaltsmittel erkämpft“ habe. Da reibt man sich angesichts der Kürzungen und nicht umgesetzten Finanzierungszusagen die Augen. Kann man sich politisch tatsächlich so einigeln, dass man Einsparungen nach außen als Stärkung und wichtige Weichenstellungen verkauft? 150 Millionen Euro stehen für den Umbau der Nutztierhaltung auf den Höfen in diesem Jahr zur Verfügung, doch Milliarden sind erforderlich und müssten planungsfest im Haushalt verankert werden. Die nun aufgekommene vage Idee einer Art Verbrauchssteuer für mehr Tierwohl dürfte auf den Höfen keine Investitionswelle auslösen. Werbung für Klientelpolitik Da man hier politisch weiter kneift, bewirbt die Fraktion der Grünen im Netz klientelgerecht ihre eigenen politischen Meilensteine: Viele Millionen fließen in eine Eiweißpflanzenstrategie, in ein Kompetenzzentrum „Proteine der Zukunft“, in ein gleichermaßen ausgerichtetes „Chancenprogramm Höfe“ und in den ökologischen Landbau. Letzterer soll bekanntlich auch nach Vorstellung der Grünen bis zum Jahr 2030 auf einen Anteil von 30 Prozent kommen. Zurzeit sind es nicht einmal zehn Prozent. Dass man sich gegen die von der eigenen Ampel-Regierung ins Spiel gebrachten Kürzungspläne für die GAK-Mittel zur Wehr setzte, wird als Heldentat geschildert: „So unterstützen wir die Lebensqualität, die Zukunftsfähigkeit, den Zusammenhalt und die Biodiversität in ländlichen Regionen.“ Dass in den ländlichen Regionen ein Minus von unterm Strich 100 Millionen Euro verkraftet werden muss, wird vornehm verschwiegen. Ebenso, dass noch Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds umgeleitet wurde, um den Wald für die Klimaveränderungen fit zu machen. Natürlich wird auch nicht erwähnt, dass man den Küstenfischern die Förderung regelrecht zusammengestrichen hat. Als „fatal“ kritisierte schon vor wenigen Tagen das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt die Kürzungen beim Investitions- und Zukunftsprogramm (IuZ) der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Das Programm unterstützt die Einführung moderner, umwelt- und klimafreundlicher Technik auf den Höfen. Zwar läuft das Programm Ende 2024 aus, doch da nun deutlich weniger Mittel zur Verfügung stehen, können keine neuen Anträge mehr gestellt werden. Der CSU-Abgeordnete Artur Auernhammer spricht hier von einem „Vertrauensbruch“. Das hindert die Fraktion der Grünen nicht daran, Folgendes zu behaupten: „Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen und Wirtschaft in den ländlichen Räumen unterstützt werden und die Fördermaßnahmen und Projekte dort erhalten bleiben.“

  • Die Bauern können baden gehen

    Klatschnasse Felder, überschwemmte Wiesen: Die Sorgen der Landwirte werden immer größer. Neben den politischen Entscheidungen macht die Natur ihnen zu schaffen Eine Seenplatte auf beiden Seiten der Autobahn A1. Zwischen Hamburg und Bremen fehlen nur wenige Meter – und die Autobahn wäre überflutet. Auf Höhe Grundbergsee verwandelt das Wasser aus Weser, Aller und Wümme die Landschaft in eine Art Meer. In großen Teilen Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens, Mecklenburg-Vorpommerns, Baden-Württembergs und ganz besonders in Schleswig-Holstein ist derzeit und wohl auch in den nächsten Wochen nicht an eine landwirtschaftliche Bearbeitung des Bodens zu denken. Das bringt die Bauern in zeitliche Bedrängnis. Normalerweise sind die Felder in der ersten Februarhälfte trocken genug, um gedüngt zu werden. In diesem Jahr nicht. Die meisten Böden sind nach Monaten des Regens völlig aufgeweicht. Traktoren mit schweren Anhängern würden einsinken. Dazu kommt die Gesetzeslage. Wenn der Untergrund mit Wasser mehr als gesättigt ist, darf keine Gülle aufgetragen werden. Sie würde mit dem nächsten Regen von der Oberfläche in Bäche und Flüsse gespült. Und weil das erhebliche Umweltschäden zur Folge hätte, besteht in dieser Zeit ein absolutes Gülleverbot. Hoffen auf längere Trockenphase Die betroffenen Landwirte haben sich in Lauerstellung begeben. In der Hoffnung auf ein baldiges Frühjahr mit einer längeren Trockenphase. Bereits im Herbst eingesäter Winterweizen oder Raps leiden unter der gestauten Nässe. Sie drohen größtenteils abzusterben. Ein Teil der Bauern überlegt, die Felder umzubrechen und neu einzusäen. Besonders dramatisch ist die Situation in den Marschgebieten, wo das Wasser partout nicht weiß, wo es hin soll. Der Start der Frühjahrsarbeiten wird sich um Monate verzögern, heißt es beim Bauernverband und bei der Landwirtschaftskammer. Besonders groß ist der Zeitdruck bei extensiv bewirtschafteten Grünlandflächen. Die Förderprogramme schreiben einen Abschluss der Arbeiten bis zum 1. März vor. Weil in den kommenden vier Wochen eine Bearbeitung jedoch nicht möglich ist, hat der schleswig-holsteinische Bauernverband im Ministerium um Fristverlängerung gebeten. Auch in Niedersachsen sind die Sorgen groß. Viele Regionen waren bereits zum Jahreswechsel überflutet. Dadurch seien viele Jungpflanzen abgestorben, meldet die Landwirtschaftskammer in Hannover. Die betroffenen Flächen müssten eigentlich jetzt bestellt werden, was aber nicht möglich ist. Ein zusätzliches Problem: Die Landwirte müssen weitere Lagerkapazitäten für die Gülle bereitstellen. Vereinzelt kommt es zur Notausbringung des flüssigen Düngers.

  • Mehr Herzinfarkt-Tote auf dem Land als in Städten

    Auf dem Land sterben nach einer Studie mehr 65-Jährige und Ältere an einem Herzinfarkt als in der Stadt. Eine Annahme dazu stimmt nicht Die Herzinfarktsterblichkeit ist in allen Altersgruppen ab 65 Jahren in ländlichen Regionen Deutschlands größer als in der Stadt. Das ergibt sich aus einer aktuellen Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock. Der Wissenschaftler Marcus Ebeling hat dafür zahlreiche Daten ausgewertet, zusammen mit Kollegen des Karolinska-Instituts in Schweden, der Universität Rostock und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Untersucht haben die Forscher die Einweisungen ins Krankenhaus, die Ursachen für Todesfälle und Statistiken für die deutsche Gesamtbevölkerung der Jahre 2012 bis 2018 und für die Altersgruppe 65 und älter. Verglichen wurden 101 sehr ländliche und 67 sehr städtische Gebiete. Es liegt nicht daran, dass der Rettungswagen zu lange braucht Ein Ergebnis der Studie: Die Zahl der Neuerkrankungen an Herzinfarkt ist laut Ebeling auf dem Land erheblich höher als in der Stadt. Nach Ansicht der Forscher muss die Krankheitsprävention auf dem Land verbessert werden. Es gebe Hinweise darauf, dass die Risikofaktoren des Herzinfarkts unterschiedlich gut behandelt würden. Das Gefälle zwischen Stadt und Land liegt für die Wissenschaftler – anders als bisher angenommen – jedoch nicht daran, dass der Rettungswagen zu lange braucht, um einen Patienten ins Krankenhaus zu transportieren. Nach ältere Studien erreichen Rettungswagen auf dem Land zunehmend später den Patienten, während sie zugleich immer häufiger gerufen werden. Doch die aktuelle Studie hat ergeben: Eine schlechtere Notfallversorgung ist nicht der Grund für die Unterschiede zwischen Land und Stadt. Strenger Datenschutz setzt Grenzen Was ist nun zu tun? Konkrete Handlungsempfehlungen würden die Rostocker Wissenschaftler gerne geben, sie können es aber nicht. Der strenge Datenschutz in Deutschland setzt ihnen Grenzen und erschwert die Arbeit. „Gesundheitsdaten, die auch den Lebensverlauf von Menschen abdecken und eine Stadt-Land-Analyse auf Bevölkerungsebene zulassen, sind in Deutschland leider schwer zugänglich“, erklärte Ebeling auf der Homepage der Max-Planck-Gesellschaft. „In unserer Studie fehlen daher Verlaufsinformationen.“ Das heißt: Es ist nicht im Einzelnen bekannt, wie die Gesundheitsbiographie von Patienten vor und nach dem Herzinfarkt ausgesehen hat. Die Rostocker Wissenschaftler haben Vergleiche mit Daten aus Skandinavien gezogen, aber genauere Analysen sind ihnen nicht möglich. Sie wünschen sich daher in Deutschland ähnliche Forschungsbedingungen wie in anderen Ländern der Europäischen Union.

  • Der Bauern-Protest zeigt Wirkung

    Grüne, Mainstream-Medien und der ländliche Raum: Vorurteile auf dem Prüfstand Der Versuch, Landwirte wegen ihrer Protestaktionen in die rechte Ecke zu drängen, scheitert krachend. Stattdessen wächst das Verständnis für die Sorgen der Menschen im ländlichen Raum. Zumal bei den Grünen ist der Grundsatzstreit um die zunehmende Großstadt-Orientierung offen ausgebrochen. Und sogar in manchen Talkshows kommen Bauern zu Wort, ohne verunglimpft zu werden. Katrin Göring-Eckardt, die mal das gutbürgerliche Gesicht der Grünen war, hat im „Stern“ zur Besinnung aufgerufen: „Wir sollten sie viel stärker vom Land her denken“, sagt die Theologin und fordert „Maßnahmen, die gezielt den Menschen in den ländlichen Räumen etwas bringen“. Besseren öffentlichen Nahverkehr in der Fläche zum Beispiel. Und den Fortbestand der Klinik-Grundversorgung außerhalb der Ballungsräume. In Bayern hat der Richtungsstreit bereits für einen Machtwechsel gesorgt: Nach der Landtagswahl, bei der die Grünen weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben sind, musste der Politologe Thomas von Sarnowski aus der Münchner Speckgürtel-Gemeinde Ebersberg sein Amt als Landesvorsitzender für die Bio-Gärtnerin Gisela Sengl aus dem Chiemgau räumen. Auch die Co-Landesvorsitzende Eva Lettenbauer kommt aus der schwäbischen Provinz und ist bekennendes Dorfkind. Vorausgegangen waren den Wahlen laute Proteste aus der ländlichen Partei-Basis. Zum Beispiel gegen den kompromisslosen Schutz der nach Bayern zugewanderten Wölfe. Mehr Bodenhaftung gefordert Obwohl er mit Rücksicht auf die Kabinettsdisziplin vorsichtiger formuliert, gehört auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu den offenen Kritikern der Großstadt-Orientierung. Zuletzt erkennbar am Widerstand gegen die Kürzungen bei Agrardiesel-Vergünstigung und Kraftfahrzeugsteuer-Befreiung für Landmaschinen. Dem Schwaben werden Ambitionen auf die Nachfolge des Stuttgarter Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nachgesagt, der seine Grünen permanent mit der Forderung nach mehr Bodenhaftung nervt. Anders als die SPD haben die Grünen im ländlichen Raum einiges zu verlieren. „Unsere Mitglieder kommen zu ähnlichen Teilen aus ländlichen Räumen und aus der Stadt. Das sollte sich auch in unserer Politik widerspiegeln“, zitiert der „Stern“ Katrin Göring-Eckardt. Bundesumweltministerin Steffi Lemke, ebenfalls dem Realo-Flügel der Grünen zugerechnet, warnt öffentlich vor Überforderung, zum Beispiel durch das Heizungsgesetz ihres Parteifreunds Robert Habeck. Der galt selbst schon mal als Hoffnungsträger für ländlich-bäuerliche Interessen, bevor er sein Herz für die Großindustrie entdeckte. Während die Grabenkämpfe in der Berliner Ampelkoalition Fahrt aufnehmen, arbeitet das schwarz-grüne Regierungsbündnis in Habecks Heimat Schleswig-Holstein nahezu geräuschlos. Mit dem Nebeneffekt, dass die AfD-Zuwächse dort höchst bescheiden bleiben. Und die Grünen den Partner CDU nur selten mit urbanen Ambitionen nerven. Kiel und Flensburg sind halt nicht Berlin oder München. Spannend, dass der Kulturkampf auch in den Mainstream-Medien angekommen ist. Nicht nur in den Regionalprogrammen überbieten sich die Rundfunkanstalten neuerdings mit Reportagen zur wahren Situation der bäuerlichen Landwirtschaft. Zu bedrohlich waren wohl die Zuschauer-Proteste gegen die anfänglich höchst einseitige Berichterstattung über Bauern, die in Geld und Subventionen schwimmen. Sogar Markus Lanz – immer den Finger im Zeitgeist-Wind – lässt einen hervorragend argumentierenden Landwirt lange Minuten ausreden.

  • Die neuen Sehnsuchtsorte

    Im ländlichen Raum leben 24 Millionen Menschen – ihnen soll die neue Kleinstadt-Akademie helfen, sich besser zu vernetzen Für Klara Geywitz ist sie „der neue Sehnsuchtsort“ für viele Deutsche. Die Bundesbauministerin meint damit die Kleinstadt, jene überschaubare, meist in ländlichen Regionen angesiedelte Kommune zwischen 5000 und 20.000 Einwohnern. Da, wo das Zusammenleben überschaubar scheint, soziale Kontakte noch gepflegt werden, das Ehrenamt noch nicht außer Mode gekommen ist und angeblich fast jeder jeden kennt, dort, wo Kommunalpolitik mit bekannten Köpfen verbunden ist, die man im Alltag trifft, und wo es keine aufgeregten Demonstrationen braucht, um im Gespräch zu bleiben. Natürlich sind Kleinstädte keine reinen Idyllen, aber das Leben in Deutschland wird nicht zuletzt von jenen rund 2100 Orten geprägt, in denen rund 24 Millionen Menschen ihr Zuhause haben. Und doch: Diese Kleinteiligkeit hat auch Nachteile. Geringe finanzielle Mittel, personell eng gefasste Verwaltungen, die unbestreitbare Arroganz und Ignoranz der mittelgroßen Nachbarn und großen Ballungszentren lässt in so manchem Rathaus anspruchsvolle Ambitionen und Investitionen erst gar nicht wachsen. Man bleibt lieber bei seinen vermeintlichen Leisten. Dass sich von den 2100 möglichen Bewerbern am Ende nur 44 Gemeinden an jenem Wettbewerb um die Ansiedlung der vom Bund mit zwei Millionen Euro unterstützten Kleinstadt-Akademie beteiligt haben, spricht da Bände. Dennoch: Natürlich gibt es einen Sieger, und der heißt Wittenberge im Nordwesten Brandenburgs, eine Meisterin in der Akquise von Fördermitteln. Erste Modellprojekte in zwei Jahren Als eigenständige Einrichtung soll die Kleinstadt-Akademie Wissen und Erfahrungen in der Entwicklung von kleinen Städten bündeln. Geywitz gibt sich optimistisch. Die Kleinstädte bekämen zum ersten Mal ihre eigene Plattform, um sichtbarer zu werden. Bis dahin aber ist der Weg noch weit. Erst in zwei Jahren sollen die ersten Modellprojekte starten. In der Aufbauphase wird der Stadt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung fachlich und organisatorisch zur Seite stehen. Auch der Städte- und Gemeindebund will den Prozess weiter eng begleiten. Schließlich hat die 17.000-Einwohner-Stadt bis 2027 mit der Vorbereitung der Landesgartenschau genug zu tun. Doch die Richtung ist klar: Gerade strukturschwache Regionen sollen gestärkt und den spezifischen Wünschen von Kleinstädten mehr Gehör verschafft werden. Denn gerade für die weniger verwaltungsstarken Kleinen auf dem Land sind die Herausforderungen oft nicht allein zu stemmen. Klimaschutz, demografischer Wandel, Fachkräftemangel, Innenstadtentwicklung oder Digitalisierung: Hier will die Kleinstadt-Akademie mit „Hilfe zur Selbsthilfe“ und einer Stärkung der eigenen Kräfte anfangen. Die Kleinstadt-Akademie sei „keine Landlust im Behördenformat“ hat Geywitz bei der Vorstellung der „Vernetzungs- und Wissensplattform“ gesagt. Mal sehen, was daraus wird. Immerhin: Der erste Schritt ist getan, nicht zuletzt als ein überfälliges Zeichen der Wertschätzung.

  • Landwirte bleiben weiterhin auf den Diesel angewiesen

    Biologische Kraftstoffe könnten eine Alternative sein Der Elektroantrieb wird in der Landwirtschaft im nächsten Jahrzehnt keine große Rolle spielen. Es gibt derzeit kaum Perspektiven für den Einsatz nicht-fossiler Kraftstoffe bei der bäuerlichen Feldarbeit. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Fachbereiches Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel. Landmaschinen, die auf dem Feld arbeiten, benötigen viel mehr Energie als ein Fahrzeug im herkömmlichen Pkw-Verkehr. So müssen Traktoren in der Regel schwere Geräte ziehen und diese antreiben. Und sie müssen über lange Zeiträume laufen, ob bei der Bestellung von Feldern, bei der Ernte oder bei der Nährstoffausbringung.  Dies ist derzeit fast nur mit fossilen oder biologischen Brennstoffen möglich. Beispiel: Ein Mähdrescher hat zwischen 600 und 700 PS. Schon ein Traktor mit 200 bis 250 PS würde bis zu sieben Stunden benötigen, um ausreichend Strom zu laden. Dazu kommt der Weg vom Acker zur Ladestation auf dem Hof, was wertvolle Feldarbeitszeit kostet. Insofern ist ein wirtschaftlicher Betrieb nicht gegeben. Möglich ist, so haben langjährige Untersuchungen ergeben, ein Betrieb mit biologischen Kraftstoffen. Wie Prof. Yves Reckleben von der Fachhochschule Kiel erläutert, bestätigen dies langjährige Untersuchungen mit dem Betrieb von 100 Traktoren, die mit Biodiesel oder Pflanzenöl angetrieben worden seien. Und doch hat sich der Einsatz dieser Kraftstoffe bislang nicht durchgesetzt. Was daran liegt, dass die Herstellung von Biodiesel aufwändiger und somit teurer ist als die Produktion von Diesel aus Mineralöl. Raps muss geerntet und gepresst werden, Methanol muss beigemischt werden. Weil auch auf diese biologischen Kraftstoffe Mineralölsteuer anfällt, wird Biodiesel dermaßen teuer, dass er für die Landwirtschaft nicht interessant ist. Der Preis eines Liters Biodiesel entspricht dem Diesel-Tankstellenpreis – allerdings kommen noch die Mineralölsteuer und die CO₂-Bepreisung hinzu. Und dann lohnt sich der Einsatz in der Landwirtschaft nicht mehr. Keine Mineralölsteuer mehr auf Biodiesel? Abhilfe könnte die Politik schaffen. Der Biodiesel müsste von der Mineralölsteuer befreit werden, wie es die Bauern immer wieder fordern. Sie argumentieren auch mit dem Klimaschutz, scheitern aber stets an der grünen Philosophie. Dabei entsteht beim Einsatz biologischer Kraftstoffe deutlich weniger CO₂. Die Produktivität beim Einsatz von Raps ist hoch. Im Bundesdurchschnitt liegt der Ertrag bei 3,5 Tonnen pro Hektar. Damit ließen sich 1600 Liter Diesel pro Hektar produzieren. In Deutschland könnte damit ein Großteil des Kraftstoffbedarfs für die  Landwirtschaft gedeckt werden. Biodiesel könnte ausreichend regional produziert werden, gibt es doch genügend Pflanzenölwerke zwischen Flensburg im Norden und Garmisch im Süden, zwischen Magdeburg im Osten und Mönchengladbach im Westen. Nach der Kieler Studie werden noch Jahrzehnte vergehen, bis auf Dieselkraftstoff in der Landwirtschaft verzichtet werden kann. Auch Wasserstoff wird nach den neuesten Erkenntnissen in naher Zukunft auf den Höfen keine Rolle spielen. Wohl erst dann, wenn auf deutschen Feldern keine Trecker mehr fahren, wie von Teilen der bäuerlichen Gesellschaft befürchtet wird.

  • Scheingefechte um Wölfin Gloria

    Der Raubtier-Bestand ist auf Rekord-Niveau und EU-Vorschläge lassen viele deutsche Gerichte unbeeindruckt – noch Verwaltungsrichter in Münster haben die bundesweit bekannte Problemwölfin „Gloria“ vor dem vom Kreis Wesel amtlich angeordneten Abschuss bewahrt. Angeblich wäre der Bestand in Nordrhein-Westfalen sonst gefährdet. Zugleich addieren sich die offiziellen Wolfszahlen aus den Bundesländern auf den Rekord-Höchststand von über 1300 Tieren. So gut wie sicher ist jedoch, dass die Tage des allerstrengsten Artenschutzes für Wölfe in der Europäischen Union gezählt sind. Die Kommission wartet zwar immer noch auf endgültige Zahlen aus Deutschland, machte jedoch schon im Herbst des vergangenen Jahres klar, dass einer Lockerung in der FFH-Richtlinie nichts im Wege stehe. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber kommentierte: „Das ist eine frohe Weihnachtsbotschaft aus Brüssel an unsere Weidetierhalter, die seit langem durch immer mehr Wölfe unter Druck kommen. Endlich bestätigt die EU-Kommission, dass der Wolf nicht mehr gefährdet ist.“ Dass die Uhren nicht nur in Düsseldorf und Münster, sondern mitunter sogar vor bayerischen Gerichten (noch) anders gehen, ist bekannt. Solange sich klagende Tierrechtler auf gültiges EU-Recht berufen, bleiben Landesregierungen und Regional-Behörden weitgehend machtlos. CSU-Frau Kaniber: „Damit künftig auch noch unsere Tiere auf unseren Weiden stehen, müssen die Mitgliedsstaaten jetzt schnell handeln. Sie müssen die Berner Konvention und die FFH-Richtlinie ändern und dann nationales Recht anpassen. Dazu fordere ich Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf: Keine Tricks, keine Verzögerung.“ Wölfin Gloria wird trotz derartigem Stimmungswandel wohl einen weiteren Sommer überleben: In der Hauptsache ist über die Abschussverfügung zwar noch nicht entschieden. Aber die klagenden Vereine erreichten einen Aufschub bis zum generellen Abschussverbot, das am 15. Februar beginnt und Wölfe während der Aufzucht ihrer Welpen schützt. Die Frage, ob „Gloria“ besonders verhaltensauffällig ist, spielt bisher eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger ist erst einmal der mögliche „artenschutzrechtliche Schaden“ für den Fall, dass nach „Glorias“ Abschuss kein anderes Wolfsweibchen ins Münsterland zuwandert. Juristisch bleibt Artenschutz für Wölfe wichtiger als Erhalt der Deichschäferei Der auf der anderen Seite „zu berücksichtigende landwirtschaftliche Schaden in Gestalt gerissener Weidetiere würde dagegen aufgrund bestehender Entschädigungsregelungen für Nutztierhalter kompensiert“, heißt es in der Urteilsbegründung: „Die damit einhergehende Belastung der Steuern zahlenden Allgemeinheit erscheint vergleichsweise marginal.“ Woran sich selbst durch die Hochwasser-Ereignisse des laufenden Winters nichts änderte: Dass die Schafweide wichtig fürs Instandhalten der Deiche ist, ist zwar bekannt. Juristisch bleibt der Artenschutz für Wölfe wichtiger als der Erhalt der Deichschäferei. Spannend am Rande: Auch in Nordrhein-Westfalen hat der Landesjagdverband seinen Mitgliedern dringend davon abgeraten, an einer möglicherweise bevorstehenden Wolfsentnahme teilzunehmen. Nicht nur wegen der Risiken, vor Gericht zu landen. Sondern auch wegen der Gewaltbereitschaft mancher Wolfs-Paten.

  • Bei der Bezahlkarte preschen Thüringer Landräte vor

    Die Bezahlkarte für Asylbewerber haben zwei Kreise bereits testweise mit positiven Ergebnissen eingeführt. Mit diesem Pragmatismus graben sie der AfD das Wasser ab Weniger Verwaltungsaufwand, keine Warteschlangen mehr, zufriedene Einzelhändler – und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung: Die Bezahlkarte für Asylbewerber bringt mehrere Vorteile, ohne für die Geflüchteten stigmatisierend zu wirken, denn diese Karte sieht aus wie eine normale Geldkarte. Mit dieser Technik wird verhindert, dass Gelder in die Heimatländer überwiesen werden oder Kredite an Schlepper zurückgezahlt werden. Daher ist es gut, dass die Länder sich darauf verständig haben, die Bezahlkarte einzuführen. Nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sind nicht dabei; doch sie befürworten die Karte ebenfalls, möchten aber unter Umständen andere Anbieter damit beauftragen. Im Sommer oder spätestens im Herbst soll sie kommen. Testweise in Eigenregie eingeführt haben die Bezahlkarte aber schon längst die Thüringer Landkreise Greiz und Eichsfeld, andere wollen nachziehen. Dieser Pragmatismus im ländlichen Raum ist bemerkenswert. Daher lohnt es sich, die beiden Protagonisten näher anzuschauen. Landrätin Martina Schweinsburg aus Greiz und ihr Eichsfelder Amtskollege Werner Henning haben einiges gemeinsam: Beide haben sie reichlich Erfahrung als Kommunalpolitiker gesammelt und gehören deutschlandweit zu den dienstältesten Landräten. Beide stehen bereits seit der Wende an der Spitze eines Landkreises, sind CDU-Mitglieder und im Alter von Mitte 60. Henning ist Vorsitzender des Finanzausschusses beim Deutschen Landkreistag, Schweinsburg Präsidentin des Thüringischen Landkreistages. „Entweder ich mache es alleine oder es wird wieder mal dauern“, wird die Landrätin in einem Beitrag des Portals kommunal.de zitiert. Recht hat sie. Und Henning sagt in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Wenn ich manchmal die Diskussionen in Berlin verfolge, habe ich den Eindruck, da sind sehr viele sehr Ideal-getrieben und mit großen Visionen unterwegs. Vielleicht übersteigt das ja meinen Horizont als kleiner Landrat.“ Aber erst einmal stellt er fest, dass das Modell läuft. Henning will damit zugleich die Eigeninitiative der Asylbewerber stärken. Hauptproblem im ländlichen Raum ist die menschenwürdige Unterbringung von Asylbewerbern „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Finanzierung von Familien in Afghanistan oder andernorts zu sichern“, erklärt der CDU-Politiker. Aber dem gläubigen Katholiken Henning ist durchaus daran gelegen, dass die Flüchtlinge vor Ort menschenwürdig versorgt werden. Als größtes Problem im ländlichen Raum nennt er die Frage, wie die Asylbewerber menschenwürdig untergebracht werden. Große Containersiedlungen am Dorfrand sieht er nicht als geeignete Lösung an. Die beiden Kommunalpolitiker stehen beispielhaft dafür, dass kleinere Einheiten oft schneller handlungsfähig sind als größere wie die Länder oder der Bund. Zugleich bejammern sie nicht eine Überlastung, sondern handeln und nehmen die Sorgen der Bevölkerung ernst. So entziehen sie zugleich der AfD gerade in der Migrationspolitik die Argumente. Vom ersten AfD-Landrat, Robert Sesselmann im thüringischen Sonneberg, sind übrigens bisher keine konkreten Schritte bekannt.

  • Verwurzelt im ländlichen Raum

    Sehr viele junge Menschen zeigen in Ehrenämtern großes Engagement – und würden gern bleiben, wenn es vor Ort bessere Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten gäbe So ist er, der ländliche Raum: Er lebt von seiner aktiven Mitmachgesellschaft, vom Anpacken und Mitgestalten. Das macht ihn so unverwechselbar und lebenswert. Und zu einem demokratischen Bollwerk, anders als es hier und da manche alarmierenden AfD-Ergebnisse vorgaukeln. Eine Studie der Jugendstiftung Baden-Württemberg hat es wieder einmal wissenschaftlich untermauert: Insbesondere ehrenamtlich engagierte junge Menschen im ländlichen Raum (in Baden-Württemberg sind das gut 3,8 Millionen Menschen – gut ein Drittel der Gesamtbevölkerung – auf 70 Prozent der Fläche) spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie haben nicht nur eine ganz besondere Perspektive auf ihre Region. Sie sind auch überdurchschnittlich hoch engagiert, ob in Sportvereinen, Narrenzünften, Blaulichtorganisationen, Sozialinitiativen oder Musikvereinen. Dass der Spaß am Ehrenamt einer der Hauptgründe für das Engagement ist, schmälert die Anerkennung dafür keinesfalls. Und ja, es gibt auch andere Umfragen. Zwar ist das Vertrauen in die Demokratie unter jungen Deutschen im europäischen Vergleich ausgeprägt, aber es misstrauen viele dennoch Regierung und Parlament. Das zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung. 59 Prozent der befragten 18- bis 30-Jährigen sagen, sie vertrauten der Demokratie, wenn auch mit Zukunftssorgen. Und so misstraut jeder zweite junge Erwachsene (52 Prozent) der Regierung, 45 Prozent misstrauen dem Parlament. Auch wenn der Rat der Stiftungsexperten nicht originell ist: Es braucht schnell gezielte Maßnahmen, um den Glauben an die Problemlösungsfähigkeit von Politik wieder zu stärken. Große Mehrheit würde gerne bleiben Die baden-württembergische Studie macht da Mut. Sie zeigt, wie groß die Verbundenheit junger Menschen mit ihrer Heimat ist. Fast zwei Drittel der Befragten würden an ihrem derzeitigen Wohnort bleiben, wenn dies für die geplante Ausbildung oder das Studium möglich wäre. Welch große Chance für den ländlichen Raum! Junge Menschen haben hier mit 45 Prozent zudem eine sehr hohe Engagementquote – in Sport, gefolgt von Kirche und Religion sowie Musik. Ihr Engagement ist oft nachhaltig. Junge Menschen am Übergang zum Erwachsenenalter sind häufig schon über viele Jahre ehrenamtlich aktiv und bereit, viel Zeit dafür aufzubringen. Fast die Hälfte der ehrenamtlich Engagierten übt bereits seit vier und mehr Jahren ein Ehrenamt aus. Jeder fünfte Engagierte investiert acht bis zwölf Stunden im Monat, weitere 28 Prozent sogar zwölf und mehr Stunden. Nicht nur am Rande interessant: Junge Frauen stehen einem Ortswechsel deutlich offener gegenüber als männliche Jugendliche. Der ländliche Raum darf sich indes nicht auf der Heimatliebe ausruhen. Denn die Studie zeigt auch, dass 72 Prozent der Männer, aber nur 57 Prozent der Frauen vor Ort bleiben würden, wenn sie am Heimatort das gewünschte Studium oder die angestrebte Ausbildung absolvieren könnten. Es lohnt sich also, vor allem bei der Bildung und Ausbildung im ländlichen Raum aufzurüsten. Weil die jungen Menschen hier tiefer verwurzelt sind als gemeinhin behauptet wird.

  • Helfen oder wegbleiben

    Bei der jüngsten Flutkatastrophe im Norden haben Sensationslustige Unheil angerichtet – nicht zuletzt auch beim Wild Für die betroffenen Einwohner in den norddeutschen Flutgebieten war das Hochwasser ein Drama. Große Gebiete verwandeln sich plötzlich in Seenlandschaften, in denen dann auch zahlreiche Wildtiere umkamen. So verlautete es jüngst aus der Jägerschaft Soltau, dass in den überschwemmten Revieren – etwa rund um die Flüsse Aller und Leine – vermehrt totes Wild gefunden worden sei. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Rehe oder Feldhasen. Die gestiegene Zahl an verluderndem Wild müsse mit Jagdhunden aufgespürt werden. Doch vielerorts können die Jäger noch nicht überall in die überfluteten Gebiete hinein, sodass sich das ganze Ausmaß der Schäden wohl erst im Frühjahr erkennen lässt. Am meisten ist das Niederwild betroffen, das den Wassermassen nur schwer ausweichen konnte. Größeres Wild hat es naturgemäß leichter, vor den Fluten flüchten, aber die beschädigten Saaten und das deswegen eingeschränkte Nahrungsangebot können eine baldige Rückkehr behindern. All dies ist gewiss schlimm, aber angesichts einer solchen Flutkatastrophe kaum zu vermeiden. Nicht zwangsläufig und damit stark kritikwürdig ist dagegen, dass sich viele Schaulustige gegenüber den bedrängten Tieren rücksichtslos verhalten haben. So gibt es Berichte, dass Spaziergänger und nicht angeleinte Hunde Wild an Deichen und Feldern unnötig aufgeschreckt haben. Da es ein Rückzugsorten fehlte, seien etwa hilflose Rehe ins Wasser getrieben worden. Viele egoistische oder unbedarfte Bürger hätten zudem trocken gebliebene Waldstücke aufgesucht, in die sich Wild vor den Fluten geflüchtet hatten. Aufgeschreckte Rehe von Strömung mitgerissen Im Heidekreis berichtete die örtliche Presse von einem tragischen Fall, bei dem vier Rehe auf einer Straße Zuflucht gesucht hatten. Es bildete sich Publikum, die Tiere wurden verschreckt und dadurch zurück ins Wasser getrieben. Die intensive Strömung habe die chancenlosen Tiere sofort mitgerissen. Ein Kreisjägermeister aus der Lüneburger Heide beklagte, dass durch die starke Flut viel Wild in Richtung Nordsee mitgenommen worden sei. Künftig habe die Sperrung trockener Standorte Priorität. Zentrale Aufgabe sei, Störung in entsprechend stressbehaftete Umständen zu unterbinden. „Ganz einfach mal wegbleiben“, laute die Devise, so der Kreisjägermeister im von den Fluten stark betroffenen Heidekreis. Diesem Appell kann man nur zustimmen. Im Straßenverkehr gibt es mittlerweile harte Sanktionen gegen Schaulustige, wie etwa bei Unfällen oder in Situationen, in denen andere Menschen in Not sind. Solche Gaffer können mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldbuße bestraft werden. Auch wenn Hilfeleistende oder Rettungskräfte behindert werden, drohen derartige Strafen. Und wer verunglückte Fahrzeuge und Verletzte fotografiert oder filmt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren rechnen. Gewiss sind diese Regelungen nicht ohne weiteres auf Fälle wie jüngst auf die Fläche der Hochwassergebiete zu übertragen. Es stellt sich aber auch hier die Frage, ob der Staat nicht härter durchgreifen sollte, um Menschen und Tiere besser zu schützen. Sensationslustige und rücksichtslose Menschen gilt es, in ihre Schranken zu weisen. Bei einigen mag es nur Unkenntnis über mögliche Folgen etwa für Wildtiere sein, die sie zu derartigem Verhalten veranlasst. Da könnten bereits Hinweise und Ermahnungen reichen. Damit kann nicht früh genug begonnen werden: Je mehr Bürger ein besseres Verständnis für die Natur und die Besonderheiten des ländlichen Raums gewinnen, desto eher dürften sie sich auch in Notsituationen wie der jüngsten Hochwasserkatastrophe angemessen verhalten.

  • Sitzungspause in Berlin und Aktivismus in Brüssel – Wie der ländliche Raum zu beschreiben ist

    Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit subjektivem Blick auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, nach all den Aufregungen um den laufenden und auch schon den nächsten Haushalt atmet Berlin erst einmal durch. Im Westen und Südwesten ist in diesen Tagen Karneval. Das bindet den einen oder anderen Abgeordneten in seiner Heimat. Der Bundesgesundheitsminister, der in der närrischen Hauptstadt am Rhein seinen Wahlkreis zu pflegen hat, begründet so seine ressortfremde Anwesenheit bei der Eröffnung des neu gebauten ersten Teils der Autobahnbrücke zwischen Leverkusen und Köln. Politische Hauptfigur war dort Ministerpräsident Hendrik Wüst, der das zu Straßenfreigaben gehörende Band zerschneidet – eine Lieblingsbeschäftigung von Regierenden. Seit zwölf Jahren hat diese Brücke verkehrspolitisch für Verdruss gesorgt. Nicht nur bei denen, die seitdem mit ihrem Lkw im Stau standen oder Umleitungen zu fahren hatten. Sondern auch unter den Verkehrspolitikern, zu denen Wüst gehörte, als er zuständiger Landesminister war. Diese Brücke gilt als Symbol für das, was an Reparaturen und Ersatzbauten in den Verkehrssystemen Brücken, Schienen und Straßen noch vor uns liegt. Dabei geht neben dem Ballungsverkehr insbesondere auch um die Anbindung und die Versorgung der Kreise, Städte und Gemeinden im ländlichen Raum. Wir werden weiter daran arbeiten, dass das nicht in Vergessenheit gerät. Im Übrigen erinnert mich das an unser Anliegen, regelmäßig Zusammenhänge und Entwicklungsnotwendigkeiten für die Regionen zu thematisieren, in denen auch die Nutzung natürlicher Lebensgrundlagen Ausgangspunkt für Leben und Arbeiten der Menschen ist. Nach Beschreibung des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Forsten lebt über die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung in ländlichen Regionen (57 Prozent). „Auch ist hier der überwiegende Anteil unserer mittelständischen Wirtschaft mit Handwerk, Industrie und Dienstleistungen angesiedelt. Fast die Hälfte des deutschen Bruttosozialprodukts (46 Prozent) wird auf dem Land erwirtschaftet. Auch die regionale Vielfalt unserer Lebensmittel wird in den ländlichen Räumen erzeugt. Die dezentrale Struktur ist eine besondere Stärke Deutschlands.“ So heißt es dort weiter. In der Tagespolitik scheint dieses Gewicht manchmal in Vergessenheit zu geraten. Ein vergleichbarer thematischer Blick nach Großbritannien Diese Feststellung scheint nicht nur für unser Land zu gelten, wie die Bauernproteste nicht nur bei uns, sondern auch in verschiedenen Nachbarländern zeigen. Das gilt mit Blick auf Großbritannien (jetzt) auch außerhalb der EU und dennoch in Europa. Dort meldet sich regelmäßig die Organisation „Countryside Alliance“ ähnlich wie wir in Veröffentlichungen und Newslettern zu Wort. Und sie wirbt wie wir um weitere Unterstützer wie eine Bürgerinitiative mit diesem Anliegen: Einsatz für ländliche Gemeinden, die Landwirtschaft, nachhaltige Lebensmittelproduktion, Unterstützung ländlicher Unternehmen und lokaler Wirtschaft und Schutz von Lebensräumen der Wildtiere. Tim Bonner, der Verantwortliche der Alliance, schreibt zu den Zielsetzungen: „Stimme des ländlichen Raums zu sein und Kampagnen zu verstärken.“ Wie schon bemerkt, hat der Bundestag Sitzungs- und vielleicht auch Atempause. Die Regierungsflieger sind allenfalls in außenpolitischen Missionen unterwegs. Sie sind aktuell vom Bundespräsidenten (Mongolei), Bundeskanzler (USA) oder Robert Habeck (Algerien) gebucht. Öko-Umbau und „Kraftwerksstrategie“: Geld spielt keine Rolle Eine wirtschafts- und energiepolitische Ausnahme machte der Wirtschafts- und Energieminister mit der Vorstellung einer neuen „Kraftwerksstrategie“ der Bundesregierung, die offensichtlich nicht alle überzeugt, die von Energiepolitik etwas verstehen. Um nach Abschaltung der Kernkraft die verbliebenen Kohlekraftwerke auch vom Netz zunehmen, soll der Bau von später wasserstofffähigen Gaskraftwerken gefördert werden. In der Neuen Zürcher Zeitung bezeichnete der Energieökonom Manuel Frondel das als „teure Symbolpolitik“. Michael Lehner, der sich in unserem Blog regelmäßig auch mit der Politik des Wirtschafts- und Energieministers befasst, bemerkt dazu: Die eben vorgestellte „Kraftwerksstrategie‟ des Bundeswirtschaftsministeriums bleibt dem fatalen Grundsatz treu, dass Geld kaum eine Rolle spielt beim Öko-Umbau der deutschen Energieversorgung. Nun soll es der „Grüne Wasserstoff‟ richten, der in Klimawende-Kreisen vor Jahresfrist noch als Teufelszeug gegolten hat. Auch wegen der unerwünschten Optionen, damit Verbrenner-Autos und herkömmliche Gasheizungen klimaneutral zu betreiben. Helfen soll dieser teure Brennstoff gegen die „Dunkelflaute‟, die dem Stromnetz droht, wenn Windstille und Finsternis zugleich dafür sorgen, dass die Produktion erneuerbarer Energien mal nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken. Aber statt Wasserstoff einfach ins bestehende (und bezahlte) Gasnetz einzuspeisen, sollen (mindestens) zehn Reserve-Gaskraftwerke gebaut werden, für die der Steuerzahler geschätzt zehn Milliarden Euro Subventionen locker machen müsste. Was wohl noch nicht die ganze Wahrheit sein dürfte, wenn den privaten Betreibern auch der Strom vergütet wird, den sie gar nicht produzieren, weil Windkraft und Photovoltaik zunehmend den gesamten Bedarf decken. Speziell im deutschen Norden verschärft sich so die groteske Situation, dass überschüssige Windenergie mangels leistungsfähiger Stromleitungen in den Süden nach Dänemark verschenkt werden muss und dort zu Wasserstoff verarbeitet wird, der dann zum Betrieb der Reservekraftwerke teuer zu bezahlen ist. EU-Kommission: Klimawandel bei den Themen des Green Deal Derweil war in Brüssel in dieser Woche Hochbetrieb. Dabei blicken die Europapolitiker bereits intensiv auf die Europawahl vom 6. bis 9. Juni. Ludwig Hintjens, der für uns regelmäßig Themen aus Brüssel und Straßburg liefert, berichtet in unserer wöchentlichen Redaktionskonferenz: Seit dem vergangenen Frühling ist ein Klimawandel bei den Themen des Green Deal in der EU-Kommission zu beobachten. Der Abgang von Vizepräsident Frans Timmermans vor der Sommerpause letzten Jahres war eine Zäsur für den Green Deal. Seitdem ist deutlich, dass jetzt die Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen bei dem zentralen Projekt, dem Umbau der Volkswirtschaft nach den Kriterien von Klimaschutz und Nachhaltigkeit, bremst. Vor allem bei den Agrarthemen, bei denen es auch um den Artenschutz geht, werden Gesetzesvorschläge entschärft, zurückgezogen oder auf die nächste Wahlperiode verschoben. So wurde die SUR-Verordnung, die eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030 vorsah, gerade offiziell von der Kommission beerdigt. Sie ließ durchblicken, dass der Vorschlag aus ihrer Sicht Mängel hatte. Die angekündigte Tierschutzreform und den Vorschlag für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem legte sie erst gar nicht vor. Die Chemikalienverordnung REACH wurde ebenfalls von der Tagesordnung genommen. Das angekündigte Bodenschutzgesetz wurde weitgehend entschärft. Auch beim EU-Klimaziel für 2040, das eine Reduzierung des CO₂-Ausstoßes um 90 Prozent gegenüber 1990 vorsieht, spart die Kommission die Landwirtschaft aus, wenn es um die Konsequenzen geht. Und noch ein Wort zu den Demonstrationen Dann sind da noch die laufenden Proteste in der begründeten Sorge um unsere Demokratie in Freiheit. Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schrieb Donnerstag dieser Woche in einem Mitgliederbrief: „Die aktuellen Demonstrationen richten sich gegen Rechtsextremismus, nicht gegen rechts.“ Das ist wohl so zu verstehen, nicht alles in einen Topf zu werfen – vor allem auch nicht Wähler und das, was Offizielle der AfD von sich geben. In der WAZ hat sich der Vize-Chefredakteur Alexander Marinos eine herausgegriffen, die im Bundestag das unsägliche Zitat gesetzt hat: „Diese Regierung hasst Deutschland.“ Marinos hat sich in seinem Kommentar die Klartext-Frage erlaubt, ob „die Dame noch alle Tassen im Schrank“ habe. Das lassen wir dann mal für dieses Wochenende so stehen. Und so ein Satz könnte auch im Karneval fallen – vielleicht etwa in der Kölner Stunksitzung. Wo es passt, wünsche ich für dieses Wochenende „Alaaf“ oder „Helau“ zusammen mit denen, die vor Kamelle und Konfetti flüchten, etwas weniger Regen fürs Freizeitvergnügen. Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

  • Die Scheuklappen der Gentechnik-Gegner

    Die EU will neue genomische Techniken (NGT) zulassen. Warum die Lobbyisten der Biobranche einen Fehler machen, wenn sie NGT mit klassischer Gentechnik gleichsetzen In Europa sind es nicht nur die Biobauern, die nichts von Gentechnik halten. Auch viele Molkereien werben damit, dass ihre Milchprodukte und der Käse das Etikett „gentechnikfrei“ oder „ohne Gentechnik“ tragen. Wirtschaftlich spielen in Deutschland und Europa Produkte, die mit der klassischen Gentechnik hergestellt wurden, auch kaum eine Rolle. Der Verbraucher kauft sie nicht. Nun deuten sich auf EU-Ebene Lockerungen in der Gesetzgebung für Pflanzen an, die mit sogenannten neuen genomischen Techniken (NGT) hergestellt wurden. Die Bioanbauverbände, konventionelle Hersteller, die mit „gentechnikfrei“ werben, lehnen diese Änderungen massiv ab. Auch die meisten Abgeordneten der Grünen und Sozialdemokraten im Europaparlament haben dies kürzlich getan, als in Straßburg der Gesetzgebungsvorschlag der Kommission für eine Liberalisierung der Techniken abgestimmt wurde. Die Gegner machen einen Fehler. Sie setzen die neuen genomischen Techniken mit der klassischen Gentechnik gleich. Das ist falsch. Sie machen es sich damit zu einfach. Längst gibt es Fachleute, Hochschullehrer etwa, die erklärte Anhänger der Biolandwirtschaft sind und dennoch für die Zulassung der neuen genomischen Techniken werben. Ihnen werden aber mit großer Rigorosität im eigenen Lager mundtot gemacht. Darum geht es in der Sache: Es soll jetzt Lockerungen geben für Pflanzen, die zwar gentechnisch verändert sind, deren Erbgut aber genauso im Laufe von herkömmlichen Züchtungen oder der Evolution hätten entstehen können. Der Pflanze wird also nicht ein Gen eines anderen Organismus eingesetzt. Der Eingriff ins Genom findet vielmehr etwa über die Genschere (CRISPR/CAS) statt. Der Unterschied ist gravierend. Und dennoch polarisieren die neuen genomischen Züchtungstechniken die Debatte. Geschützte Wahlfreiheit des Verbrauchers Das Europaparlament hat seine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten jetzt festgelegt. Die Kennzeichnung von Pflanzen, die mit den neuen Züchtungstechniken hergestellt wurden, soll verpflichtend werden. Patente auf Pflanzen sollen in der EU verboten bleiben. Und: Es soll Vorsichtsmaßnahmen geben, damit sich die NGT-Pflanzen nicht auf Anbauflächen des Ökolandbaus ausdehnen. Die Bio- und „Gentechnikfrei“-Branche soll also weiterhin dazu in der Lage sein, mit ihrem Alleinstellungsmerkmal zu werben. Die Wahlfreiheit des Verbrauchers wird geschützt. Flankierende Maßnahmen sind geplant, vergleichbar den Abstandsregeln zwischen konventionell bewirtschafteten Feldern und Bioäckern, um die Abdrift von Pestiziden und Herbiziden zu unterbinden. Zudem sind Rückstandkontrollen und Grenzwerte denkbar, um zu dokumentieren, dass das Produkt weiterhin „gentechnikfrei“ ist. Die Liberalisierung der Züchtungstechniken ist im Interesse der Landwirte und der Lebensmittelsicherheit. Es werden Pflanzen auf den EU-Markt kommen, die resistenter gegen Dürre, erhöhten Schädlingsbefall bei Wetterextremen und andere Folgen des Klimawandels sind. Wenn die neuen Züchtungstechniken zugelassen werden, bedeutet dies auch mehr Chancengleichheit für die Landwirte in der EU. Ihre Mitbewerber etwa aus Südamerika und den USA nutzen die Möglichkeiten der neuen Technologien bereits seit Jahren. Bis sie mit ihren Konkurrenten auf dem Weltmarkt zumindest in diesem Punkt gleichziehen können, wird es dauern. Auf der Seite der Mitgliedstaaten hakt es noch. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es noch vor der Europawahl eine politische Einigung zwischen Parlament und Rat gibt. Damit dürfte die Liberalisierung frühestens 2025 in Kraft treten. Besser spät als nie.

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