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- Diesseits der Brandmauer
In Brandenburg ist es der SPD offenbar gelungen, das Bündnis Sahra Wagenknecht zu zähmen. Auch in Thüringen scheint es auf Koalitionsverhandlungen hinauszulaufen. Ob die dortige CDU die Femme fatale einfangen kann, ist unklar. Die entscheidende Person war beim Sushi-Essen wohl nicht dabei. Nach den ersten Runden der Sondierungsgespräche in Thüringen für die sogenannte „Brombeer-Koalition“ aus CDU, SPD und BSW war man sich durchaus nähergekommen, auch persönlich. Vertreter der CDU um Landeschef Mario Voigt und der SPD um Landeschef Georg Maier lobten die angenehme Gesprächsatmosphäre der „Optionsgespräche“. Man sei konstruktiv bei den Themen Bildung, Wirtschaft und sogar Polizei unterwegs. Und lobten auch die BSW-Verhandlungsführer Katja Wolf und Steffen Schütz. Vor allem Schütz sei als aktiver und erfolgreicher Unternehmer durchaus offen für pragmatische und vernünftige Ansätze in der Landespolitik. Ideologiefrei wolle man, so war sogar aus der BSW-Truppe zu hören, das Thema Zukunft der Landwirtschaft und Landnutzung für Bauern und Jäger besprechen. Die Menschen in den ländlichen Räumen bräuchten jetzt wirklich „Angebote, damit sie sich nicht abgehängt fühlen“, so heißt es wörtlich in einem Verhandlungspapier. Friedenspräambel statt Landespolitik Natürlich hört sich das wenig konkret an, bleibt noch unverbindlich, genau wie ein möglicher Zuschnitt der Ministerien Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Erfurt. Aber der Sound und die berühmte Chemie schien zu stimmen. Jetzt sollen auch offiziell Koalitionsverhandlungen. Ob diese dann zu einem Brombeer-Bündnis in Thüringen führen, ist unklar. Und vor allem, welche Forderungen in Sachen Friedenspolitik Wagenknecht dann noch stellt, und wie weit die CDU dann diesseits der Brandmauer weitere Kröten schlucken muss, wird sich ebenfalls zeigen. Denn: Sahra Wagenknecht will keine gute Atmosphäre, will keine Zusammenarbeit. Wagenknecht, die bundesweit als politische Femme fatale gilt, ist auf Zerstörung aus. Zunächst die Linkspartei (darf als erledigt angesehen werden), dann gern die SPD (mit großer Zustimmung ihres Mannes Oskar Lafontaine), später auch gern die CDU. Jetzt fordert sie immer mehr, zuletzt eine „Friedenspräambel“ für die Thüringer Landesregierung. All das kommt aus dem Hintergrund – und immer dann, wenn es vor Ort und konkret zu Fortschritten kommt. Verhandlungen in Brandenburg Ganz anders ist die Situation in Brandenburg. Dort verkündeten die Verhandlungsführer von SPD und BSW Anfang der Woche einen ersten vorsichtigen Durchbruch. Man sehe ausreichend Schnittmengen, so erklärte es der geschäftsführende Ministerpräsident Dietmar Woidke in einem Statement. Der brandenburgische BSW-Vorsitzende Robert Crumbach durfte ebenfalls seiner Partei die Aufnahme von Verhandlungen empfehlen. Auf die Frage, ob Wagenknecht denn schon ihre Zustimmung für eine Koalition von SPD und BSW signalisiert habe, reagierte Crumbach sichtlich genervt. „Man habe sich eng abgestimmt.“ Da geht es um Fragen von Krieg und Frieden, um falsch verstandenen Pazifismus russischer Art – aber bestimmt nicht um Fragen der Landnutzung, Hilfspakete oder Steuerentlastung für Landwirte oder die Forstwirtschaft. Das interessiert Wagenknecht nicht. Öffentlich geriert sie sich als Friedenskämpferin, die gern Israel für den Krieg im Nahen Osten verantwortlich macht. Und noch krasser: die Ukraine habe Schuld am Krieg gegen Russland, trotz der Kriegsverbrechen und des Bruchs des Völkerrechts durch das russische Regime. Das Land, dessen Präsident Putin offen mindestens die Wiederherstellung der Sowjetunion mit direktem Einflussbereich bis nach Deutschland verfolgt, sei nicht der Aggressor, sondern das Opfer. Wagenknecht, ganz gelehrige Schülerin der kommunistischen Plattform der untergegangenen SED, erweist sich als Helfershelferin Putins. Wer diesen Kurs nicht mitmacht, verliert die Gunst erst Wagenknechts. Und dann jegliche Chance, weiter mitmachen zu können oder sich zu wehren. Aber es gibt handelnde Personen im BSW, die sich mehr oder weniger offen diesem totalitären Machtanspruch Wagenknechts entgegensetzen. Allen voran die ehemalige Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf. Sie ist aktuelle Verhandlungsführerin, gilt ebenso wie Schütz und BSW-Landesgeschäftsführer Tilo Kummer als durchaus pragmatisch. Und sogar lösungsorientiert. Genau dies bringt das Trio aber in einen wohl unauflösbaren Gegensatz zu Wagenknecht. Dies formuliert immer neue Hürden, verschärft die Anforderungen an die „Friedenspräambel“. Die gesamte CDU solle diese sich zu eigen machen, schießt Wagenknecht aus dem Hintergrund. Bloß keine Einigung im Sinne der Bildungspolitik des Landes. Oder der Zukunftsfähigkeit der Krankenhauslandschaft im Osten oder gar der Entwicklung des ländlichen Raums. Zerstörung ist der Plan. Ministerpräsidentenwahl als Damoklesschwert Anders als die Brandenburger SPD verfolgt die Thüringer CDU um Mario Vogt einen anderen Plan: Dieser beinhaltet viele Formen der Zusammenarbeit mit dem BSW - zwischen Duldung und Koalition gebe es ja noch andere Modelle. Kann klappen, muss aber nicht klappen, wie sich in Erfurt jetzt zeigt. Im Fall des Scheiterns könnte es so weiter gehen: Bei einer anberaumten Ministerpräsidentenwahl im Thüringer Landtag gewinnt nach zwei Wahlgängen ohne Ergebnis der Kandidat, der auch nur eine einfache Mehrheit auf sich vereint. Die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD ist mit 32 von 88 Sitzen stärkste Kraft im Parlament. Möglich aber auch, dass es diesseits der von der CDU weiter gepflegten Brandmauer doch zu einem Regierungsbündnis mit Wagenknecht kommt.
- Cem 2Ö26 – Özdemirs Kandidatur ein Himmelfahrtskommando?
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will in Baden-Württemberg Ministerpräsident werden – als letzter Hoffnungsträger der abgesackten Südwest-Grünen Jetzt kann es losgehen, sagt Cem Özdemir und präsentiert seine längst nicht mehr überraschende Bewerbung um die Spitzenkandidatur der im Frühjahr 2026 anstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg per Instagram-Video. Cem 2Ö26 betitelt der 58-Jährige seine Kampagne, und zumindest das ist nicht unoriginell. Er wolle für das Land alles geben, verspricht Özdemir. Im Ländle wird man sich also spätestens jetzt darin üben müssen, das Z im Nachnamen des schwäbischen Landmanns richtig wie ein stimmhaftes S und das C im Vornamen wie DSCH auszusprechen. Özdemir legt Wert darauf. Die Grünen präsentieren damit einen Mann, dem große politische Erfahrung und ein mit grün-schwarzem Kretschmann-Pragmatismus verbundener ideologiefreier Kurs attestiert wird. Özdemir ist ein politisches Schwergewicht: seit 1981 Mitglied der Grünen, 1994 erster Bundestagsabgeordneter mit türkischen Wurzeln, von 2004 bis 2008 Mitglied des Europaparlaments, bis 2018 zehn Jahre Bundesvorsitzender der Grünen, seit 2013 wieder im Bundestag, seit 2021 mit letztem Ellenbogeneinsatz Bundeslandwirtschaftsminister. Sein Bekanntheitsgrad ist nicht nur im Südwesten hoch, seine realistische und um Ausgleich bemühte Politik über grüne Grenzen hinaus anerkannt. Und doch ist Özdemirs Kandidatur ein Himmelfahrtskommando, auch wenn es noch anderthalb Jahre bis zum großen Showdown dauert; lange Monate, in denen zwischendurch eine neue Bundesregierung gewählt wird und die Zukunft der Grünen als richtungsoffen gilt. Im urbanen Milieu Stuttgarts kann man Özdemirs Kommen kaum erwarten Denn auch in Baden-Württemberg scheint die große Zeit der Grünen vorbei. Hatten sie 2021 noch 32,6 Prozent erreicht, landen sie jetzt bei 18 Umfrage-Prozenten (immerhin noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt). Kretschmanns Stern ist verblasst, mittlerweile verbreitet das lahmende grün-schwarze Bündnis eher Überdruss als Zuversicht. Dass die CDU in der Landesregierung nach Kräften dazu beiträgt, wird mehr den Grünen als den Christdemokraten angelastet. Özdemir gilt da als grüner Hoffnungsträger, und in den urbanen Gebieten des Landes wie in Stuttgart kann man sein Kommen kaum erwarten. Hatte der studierte Sozialpädagoge in der Landeshauptstadt nicht nur ein Direktmandat gewonnen, sondern mit 40 Prozent der Erststimmen ein fulminantes, von keinem anderen grünen Sieger erreichtes Ergebnis abgeliefert? Tempi passati. Heute freut sich die CDU über 34 Umfrage-Prozente und hat mit Manuel Hagel für christdemokratische Landes-Gewohnheit einen relativ entspannten Generationswechsel geschafft. Noch ist der 36-jährige Bankkaufmann an der CDU-Spitze wenig bekannt. Hier kann Özdemir punkten. Ob der Bundeslandwirtschaftsminister (der er voraussichtlich 2026 nicht mehr sein wird) allerdings im starken ländlichen Bereich des Südwestens punkten kann, um an der CDU vorbeizuziehen, darf bezweifelt werden. Zumal Özdemir im programmatischen Ringen auf der Seite von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der künftigen Realo-Parteichefin Franziska Brantner sowie mit offener Sympathie von einem wie Boris Palmer nicht gerade der strahlende Held der murrenden Parteilinken ist. Viel wird davon abhängen, ob Özdemir von Berlin und Kretschmann von Stuttgart aus harmonisch den Übergang schaffen. Ein vorzeitiger, mit dem Rücktritt von Kretschmann verbundener Wechsel Özdemirs in die Staatskanzlei gilt als ausgeschlossen. Zum einen steht Kretschmann dafür nicht zur Verfügung, zum anderen hat die CDU klargemacht, diesen Schritt als Koalitionspartner nicht mitzutragen. Wie auch immer: Für die Südwest-Grünen ist Özdemir eine gute Wahl. Für die CDU eine starke Konkurrenz. Dem Ländle steht ein interessanter Wahlkampf ins Haus.
- Haushaltskrise, Wirtschaftsgipfel und Wolfskonflikt: Politische Herausforderungen im Fokus
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserin, lieber Leser, in drei Wochen wissen wir mehr: Am 14. November ist die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag. Am 29. November, also zwei Wochen später, steht dann die dritte Lesung und Verabschiedung des Etats für 2025 auf der Tagesordnung des Bundestages. In der Bereinigungssitzung wird üblicherweise bis weit nach Mitternacht versucht, strittige Punkte auszuräumen. Da lohnt sich der genaue Blick auf die Regierungsfraktionen, weil sich dann zeigen wird, ob die Regierung das geplante Ende der Legislaturperiode erreichen wird oder die Koalition bricht. Ob Bruch oder auf den Posten bleiben: Die politische Handlungsfähigkeit wird sich für die letzten Monate dieser Legislaturperiode in allen denkbaren Szenarien wohl zunehmend einschränken. Neben der noch nicht geklärten Schließung der bisher bekannten 12-Milliarden-Lücke steht die Finanzierung der zum Teil auch innerhalb der Ampel strittigen Ausgabenpositionen wie etwa Bürgergeld, Renten, Wachstumsinitiative mit neuen Subventionen, Investitionsanreizen, Krankenhausreform, Verkehr oder Rüstung auf den Zetteln der Fraktionen. Über der Aufzählung der politischen Knackpunkte lastet dann noch die Aussage des Bundesrechnungshofes, der in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss „Mängel und Risiken“ feststellt, bei denen die Konsolidierung des Haushalts „aus den Fugen geraten“ sei. Nach dem beschlossenen Nachtragshaushalt für dieses Jahr zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben unter anderem für das Bürgergeld habe sich die Nettokreditaufnahme im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen der Bundesregierung verdreifacht. Und dann haben noch die Steuerschätzer getagt. Ergebnis: keine guten Prognosen. Die Steuereinnahmen liegen im Vergleich zur letzten Berechnung im Mai für 2025 um 12,7 Milliarden Euro niedriger; bis 2028 werden es insgesamt 58 Milliarden weniger. In dieser Woche wurde der Kanzler kritisch, aber freundlich beim Kongress des Arbeitgeberverbandes aufgenommen. Irgendwie ist man ja auch gegenseitig aufeinander angewiesen. Die Schlagzeile der Welt dazu: „Die Wirtschaft fordert und Scholz verspricht“ . Der Kanzler lädt danach noch zum Industriegipfel mit Unternehmern am nächsten Dienstag ein. Habeck übrigens macht ähnliches Ende November. Und Lindner hat wohl ebenfalls noch einen Termin mit Wirtschaftsvertretern. Das sieht alles nicht gerade koordiniert aus. Dazu kam in dieser Woche noch Habecks Vorschlag, gegen die Wirtschaftsflaute einen „Deutschland-Fonds“ aufzulegen, hinter dem der Finanzminister eine „fundamental andere Wirtschaftspolitik“ vermutet und von dem er vorher nichts wusste. Lindner wiederum hat sich Gedanken über neue Bürger- und Wohngeldregelungen gemacht, die der Kanzler lediglich „zur Kenntnis genommen“ habe, wie der Regierungssprecher formulierte. Im ZDF beklagte sich Lindner jetzt so: „Die Vorschläge von Herrn Scholz waren nicht abgestimmt und die von Herrn Habeck auch nicht.“ Zusammenarbeit sieht anders aus. In den Unternehmen wachsen unverändert die Zukunftssorgen , wie in fast jeder „Tagesschau“ in diesen Tagen vermeldet wird. Angesichts der IWF-Prognose eines Null-Wachstums fühlen sich viele Manager bestätigt, die zu 90 Prozent in einer Umfrage der Arbeitgeberverbände die Aussage bestätigten, diese Regierung habe keine durchdachten Konzepte gegen die vielen Krisen. Also warten wir bis Ende November ab, welcher Wirtschaftsgipfel was bringt und wie das dann alles am Ende finanziert werden soll. Übrigens sind zum ländlichen Raum, in dem über 60 Prozent der Menschen leben und arbeiten, weder Gipfel noch Antworten auf offene Fragen zu erwarten. Um diese überwiegend strukturschwachen Regionen geht es aktuell besonders in den Bundesländern, wo gerade gewählt wurde. Dort wird in geradezu quälenden Prozessen versucht, handlungsfähige Regierungen auf die Beine zu stellen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Dame, die weltpolitische Krisen in Dresden, Erfurt und Potsdam lösen will. Vor einem Jahr hat sich Sahra Wagenknecht mit ihrer Abspaltung von der Linken auf den Weg gemacht, als Eine-Frau-Partei die politische Landschaft aufzumischen. Mit ihrem BSW hat sie sich in den drei Ländern so in Position gebracht, dass ohne ihr Bündnis nichts geht. Ihr Ziel ist die Bundestagswahl und offensichtlich nicht die Mitgestaltung der Zukunft in den Ländern derjenigen, die diese neue Partei ohne Regionalprogrammatik in die Landtage gewählt haben. Wer mehr darüber lesen möchte, dem empfehle ich hier die Lektüre unseres Gastautors Hugo Müller-Vogg zu Wagenknechts Plan bei Focus . Wolf: Der Druck wächst, miteinander zu reden und zu handeln Wie überall im Lande beschäftigt weiter das Thema Wolf Weidetierhalter, Revierinhaber auf der einen, Vertreter von Behörden und Wolfsschutzbewegte und -initiativen auf der anderen Seite meist mit jeweils kontroversen Missionen. Dazwischen stehen die amtlich bestellten „Wolfsbeauftragten“ und zuständige Ämter wie das LANUV in NRW. Der Druck wächst mit der Population und Zunahme von Wolfsrissen . Das Thema haben wir schon vielfach in unserem Blog und in Wochenkommentaren aufgegriffen. Nach den Daten der „Deutschen Dokumentations- und Beratungsstelle Wolf“ steigt die Zahl der Rudel, Paare und Einzeltiere ständig. Der Deutsche Bauernverband geht für das Monitoringjahr 2023/2024 von 1.800 bis 3.300 Tieren in Deutschland aus. Das wäre schon eine dramatische Zunahme nach den offiziellen Zahlen für den Vorjahreszeitraum mit 1.400 bis 2.500 Tieren. Im Rheinland ist es jetzt gelungen, dass „qualifizierte Vertreter aller beteiligten Seiten in einer gemeinsamen Veranstaltung miteinander und mit dem relevanten Umfeld reden“. So formulierte es als Moderator Detlef Steinert, der Chefredakteur der Landwirtschaftlichen Zeitung Rheinland. Eingeladen hatten die Kreisbauernschaften der Kreise Euskirchen und Düren sowie der Städteregion Aachen gemeinsam mit den drei Kreisjägerschaften dort. Zu den Teilnehmern zählten nicht nur Nutztierhalter, Jäger und Naturschützer, Verbände, Forst und Tourismus, sondern auch zahlreiche Gäste aus Verwaltungen und Politik, darunter die Vertreter der örtlichen Kommunen, aus den Fraktionen aller drei Kreise sowie Abgeordnete des NRW-Landtages. Am Ende des Tages, so war in der Berichterstattung über diese Veranstaltung zu lesen, ist ein gegenseitiges Verständnis vielleicht gewachsen – auch angesichts geschilderter „aufwühlender Fälle von Wolfsangriffen auf Nutztiere“ mit entsprechenden Bildern. Dazu gehört, so äußerte es der vom LANUV beauftragte Wolfsberater: Wenn er zum Geschehen gerufen werde, finde er dort nicht nur tote, sondern auch schwer verletzte, noch lebende Tiere vor . „Die Ohnmacht, diese Tiere nicht erlösen zu dürfen und das Leid der Halter zu sehen, die ihre Tiere im Todeskampf begleiten, sei unerträglich.“ Hier wurde politischer und behördlicher Handlungsbedarf mehr als deutlich. Immer wieder geht es auch um die emotionale Belastung der betroffenen Tierhalter . Der Vertreter des grün geführten Umweltministeriums in NRW betonte, die Sorgen und Bedenken der Tierhalter ernst zu nehmen, um gleichzeitig vor „unsachlicher Panikmache“ zu warnen. Für den Vertreter des Bauernverbandes dagegen ist die Sache wohl klar: „Die derzeitige Wolfspolitik sei gescheitert.“ Zumindest für die beteiligten Kreisjägerschaften ist sichtbar, wie wichtig solche Plattformen für den Austausch von Wissen und Erfahrungen sind. Dem kann man nur zustimmen, wenn wir in der Wolfspolitik überhaupt weiterkommen wollen. So wichtig die Entscheidungen in Berlin und Brüssel auch sind – regional ist nun einmal praxisnah. Ein Beispiel, das Schule machen könnte Zur Jagd gehört auch die Pflege von Traditionen . An Ideen neuer, nachhaltig wirkender Aktionen mangelt es bekanntlich nicht. So war auch ich an einem bemerkenswerten Beispiel beteiligt, das von Beständern einer Niederwildjagd im münsterländischen Everswinkel vor zwölf Jahren begründet wurde. Wer seitdem dort zum Jagdkönig gekürt wird, soll beim Schüsseltreiben nicht die übliche Runde ausgeben, sondern verpflichtet sich, einen Obstbaum alter Sorten zu spenden und mit zu pflanzen. Er kommt in eine „Majestäten-Galerie“, die neben einem Insektenhotel am Wegesrand Spaziergänger (und wie es im Münsterland heißt: „Pättkesfahrer“, die auf dem Rade vorbeikommen,) erfreuen soll. In der Lokalzeitung war zu lesen, dass inzwischen mit zusätzlichen Stiftern der 50. Obstbaum dort steht. Alle tragen Früchte – auch durch aktive Pflege und Hege von Flora und Fauna. Das funktioniert am besten, wenn Flächeneigentümer und Jäger zusammenwirken. Das Beispiel könnte doch Schule machen. Unsere Stiftung setzt sich in ihren Projekten und mit der Öffentlichkeitsarbeit für Biotopschutz, Artenvielfalt, Naturpflege und -nutzung sowie die Jagd in ihrem gewachsenen Umfeld ein. Ihre Maßnahmen werden durch Spenden und Zuwendungen finanziert . Dafür werben wir unter anderem wieder in Kürze auch bei den Beziehern unseres Newsletters. Mit dieser empfehlenden Schlussbemerkung wünsche ich auch im Namen unseres Autorenteams ein hoffentlich sonniges Herbstwochenende mit allen Schönheiten der Natur Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Rothirsch: Weiter Weg auf Freiersfüßen
Das Rotwild nutzt uralte Fernwechsel. Jetzt konnte zum ersten Mal eine solche Wanderung im Norden Deutschlands genau dokumentiert werden. In Fachkreisen gilt die Aufzeichnung der Wegstrecken als Sensation Der Bargfelder, wie er in der Region genannt wird, ist ein 18-Ender vom zehnten Kopf, will sagen: Er ist für einen Rothirsch im besten Mannesalter. Strotzend vor Kraft und hormongetrieben hat er eine weite Reise absolviert. Rund 70 Kilometer legte er zurück, um in der Segeberger Heide an der Brunft teilzunehmen und dann wieder heimzukehren in das Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook am nördlichen Hamburger Stadtrand. Die Tour zum Transport seiner Gene von der einen Teilpopulation in die nächste hat den Hirsch durch einen gefährlichen und engen Wanderkorridor geführt. Allein auf dem 32 Kilometer langen Hinweg überquerte er nach Angaben des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein Anfang September in zwei Nächten 14 oft stark befahrene Straßen und schlich sich durch teilweise dicht besiedelte Gebiete. Dass Rotwild uralte Fernwechsel nutzt als Trassen zu Äsung, Sexualpartnern und neuen Lebensräumen und mit seiner Mobilität zur Paarungszeit die genetische Vielfalt und die langfristige Existenz seiner Art sichert, ist bekannt. Erstmals konnte nun eine solche Wanderung im Norden Deutschlands genau dokumentiert werden. Die Forscher sprechen von einer „Sensation“. Möglich geworden ist dies durch die Besenderung des Bargfelders, der abgesehen von seinem imposanten Geweih auch an einer kahlen Stelle im Fell auf der rechten Schulter sicher identifizierbar ist und schon in den Vorjahren zur herbstlichen Brunft in der Segeberger Heide beobachtet wurde. Einfach war das gemeinsame Projekt von Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, Landesjagdverband Schleswig-Holstein sowie den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten nicht. Die Beteiligten wussten, „dass es fast unmöglich ist, einen ganz bestimmten Hirsch zu narkotisieren und zu besendern“, berichtet der Wildbiologe Frank Zabel, der Initiator des Projektes vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein. Im Juli lagen sie nach guter Vorbereitung durch örtliche Unterstützer mehrere Abende auf der Lauer, bevor es gelang, den Hirsch mit einem Narkosepfeil zu betäuben und dann den GPS-Sender anzulegen. Positionsermittlung im Stundentakt Danach hieß es abzuwarten, bis der Bargfelder sich am 31. August auf den Weg machte. Gut dreieinhalb Wochen hat er insgesamt in der Segeberger Heide verbracht, bis er am 27. September innerhalb von nur zwölf Stunden zurückgekehrt ist. Bestens ließ sich das alles und auch jede weitere Bewegung des Hirsches verfolgen. Denn seit der Besenderung wird jede Stunde die Position des Tieres ermittelt. Zwar sind die Wanderachsen der Rothirsche zwischen den beiden Gebieten seit vielen Jahren bekannt und waren Gegenstand mehrerer Forschungsarbeiten. Aber mithilfe der Telemetrie ist es jetzt erstmals gelungen, die bisherigen Modell-Annahmen mit Bewegungsdaten zu belegen. Dabei zeigte sich, dass der Bargfelder einen Korridor nutzt, der bis zu zwei Kilometer, aber an der schmalsten Stelle nur 200 Meter breit ist. „Es wäre schön, wenn der Sender ein weiteres Jahr durchhält“, hofft Marcus Meißner, Rothirsch-Experte der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, „danach können wir das Halsband auf Knopfdruck wieder ablösen.“ Grundsätzlich wird bei großräumigen Bewegungen von Wildtieren unterschieden zwischen Wanderung und Abwanderung, also endgültigem Verlassen des mütterlichen Streifgebiets. Letzteres tun junge Hirsche üblicherweise im Alter von 2,5 Jahren. Echte Wanderungen hingegen gehen immer in zwei Richtungen, Hin- und Rückweg. Die getrennten und nur jahreszeitlich genutzten Teile des Streifgebietes können beim weiblichen Wild zum Beispiel die Setzeinstände sein, wo der Nachwuchs zur Welt gebracht wird, und besonders ergiebige Äsungsflächen. Bei den Hirschen wird meistens zwischen den Feisteinständen, in denen sie sich die körperlichen Reserven für die anstrengende Paarungszeit anfressen, den Brunftplätzen und den Wintereinständen unterschieden. Bis zu 400 Kilometer zwischen Winter- und Sommereinstand Ein reifer Hirsch kann solche Wechsel im Laufe seines Lebens viele Male entlang ziehen. Datenauswertungen belegen, wie schnell und gezielt solche Wanderungen erfolgen. Die vom Bargfelder zurückgelegte Strecke ist dabei keineswegs rekordverdächtig. Wildbiologen der Universität Wyoming etwa wiesen für ein besendertes Maultierhirschtier, das sie „255“ nannten, das jährliche Überwinden einer Distanz von rund 400 Kilometern zwischen Winter- und Sommereinstand nach. Dr. Konstantin Börner schreibt auf der Homepage der Zeitschrift Pirsch zu den Brunftwanderungen des Rotwildes, die es in geringerem Umfang auch von weilblichen Tieren gibt: „In verschiedenen Untersuchungsgebieten Deutschlands stellte man Brunftwanderungen zwischen fünf bis 20 km fest (Tottewitz & Neumann 2010). In Skandinavien wurde in einer Studie mit 96 Hirschen mit durchschnittlich 14 km eine vergleichbare Distanz festgestellt. Es ist dabei jedoch keine Seltenheit, wenn einzelne Individuen deutlich größere Entfernungen zurücklegen. Neumann et al. (2007) berichten von einem Hirsch, der zwischen zwei relativ kleinen Gebieten (ca. 500 ha) pendelte, die 20 km entfernt voneinander lagen. Janermo (2008) fand in Schweden einen Hirsch, der 47 km bis zu seinem Brunftplatz wanderte. Wagenknecht (1985) spricht sogar von sogenannten Wanderhirschen, die in der Brunft bis zu 100 km weit ziehen. In diesem Zusammenhang ist auch die größte bislang dokumentierte Brunftwanderung zu erwähnen, die von der West- bis zur Ostküste Schottlands verlief. Der Hirsch legte dabei eine Distanz von 120 km zurück (Clutten-Brock 1982).“ Welche Faktoren dieses Wanderverhalten auslösen, ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Sicher aber folgt das Rotwild nicht beliebigen Wegen. Wissenschaftlich belegt ist vielmehr, dass es sich an fest etablierten und tradierten Korridoren orientiert. Deshalb ist es wichtig, diese Routen freizuhalten von Barrieren, die unüberwindbar sind (siehe unsere Blog-Beiträge „Rotwild gibt´s nicht zum Nulltarif“ und „PV-Freiflächenanlagen – Fluch oder Segen“ ).
- Der Zug der Kraniche
Die Kraniche sind aktuell unterwegs auf ihren weiten Flügen vom Norden in den Süden. Die Routen verändern sich. Und einige bleiben gleich ganz zu Hause. Kraniche verändern ihr Navigationssystem Die Blicke der Vogelzähler gehen aktuell mit großem Interesse und Aufmerksamkeit in den Himmel. Überall in Deutschland beobachten die Experten, wie viele Kraniche sich aufmachen, um ihre Winterquartiere aufzusuchen. Und welche Routen angesichts der sich verändernden klimatischen Bedingungen die Tiere wählen. Besonders an der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern herrscht aktuell großes Treiben am Himmel und in den Rastplätzen. Allein auf der größten deutschen Insel, auf Rügen, haben freiwillige Vogelzähler 35.000 Kraniche gezählt, die an einem Wochenende für ihre Reise in die Winterquartiere dort Station genommen haben, um sich Reserven anzufressen und einen ersten Halt zu machen. „35.000 Tiere an einem Wochenende im Oktober, das ist schon eine ganze Menge“, berichtet Günter Nowald, Leiter des Kranichzentrums in Groß Mohrdorf bei Stralsund. Viele Tiere kämen aus Skandinavien, einige auch aus Polen. Doch über diese Route aus dem Osten wisse man eher wenig. Auch an der Darß-Zingster Boddenkette befinden sich 19 Schlafplätze. Bruterfolg wieder zufriedenstellend Zum ersten Mal seit gut zehn Jahren ist der Bruterfolg gerade im Nordosten wieder zufriedenstellend. Grund sind die relativ hohen Wasserstände in den Feuchtgebieten, die den Kranichen gute Plätze zum Brüten nutzen. Sie finden aufgrund der hohen Wasserstände zudem aktuell Schutz vor anderen Tieren und Menschen. „Massenflugtage“ über vielen Regionen Die vorpommersche Ostseeküste ist eines der größten Rastgebiete der Kraniche in Europa. Auf Rügen, auf der Insel Poel oder auch an der Boddenkette in Mecklenburg-Vorpommern machen die Vögel dann Halt, um sich dort ihre Energiereserven für den Weiterflug anzufressen. Die nächste Etappe führt die Tiere in der Regel weiter nach Süden, in der Diepholzer Moorniederung ist für viele der nächste Stopp. Auch über Hessen sind aktuell sehr viele Kraniche zu beobachten. Dort machen die Tiere vor allem Rast, wenn die Flugbedingungen schlecht sind. Bei Hochdruckwetter können Schaulustige dort regelrechte „Massenflugtage“ mitverfolgen. Ein Spektakel, ohne jeden Zweifel. Meist kann man nach Angaben von Vogelkundlern die Vögel in Hessen über den Flusstälern Ober-, Ost- und Mittelhessens und nachmittags oder abends sichten, da sie morgens von der Ostsee aus aufbrechen. Die Kraniche können flexibel auf das Klima reagieren Von dort geht der Flug der Kraniche weiter nach Nordostfrankreich in ein Gebiet zwischen Metz und Nancy, weiter in den Südwesten und über die Pyrenäen bis hin zur Region Extremadura in Westspanien. Dort bleiben die Tiere dann bis Mitte Februar, bis sie sich auf ihre Rückkehr in den Norden startklar machen. Routen verändern sich Doch genau dieser Zug, den die Kraniche seit Jahrhunderten im Herbst und im Frühling verfolgen, verändert sich aktuell in starkem Maße: Experten schätzen, dass schon jetzt 10.000 bis 30.000 Tiere den Winter ganz in Deutschland verbringen. Der Grund: Auch in hiesigen Rastregionen gibt es im Winter kaum länger geschlossene Frost- oder Schneedecken, die die Nahrungssuche erschweren oder ganz unmöglich machen. Konsequenz: Die Vögel finden somit auch in ihren Sommerregionen durchgehend Nahrung und sind nicht mehr gezwungen, den gefährlichen Flug in den Süden anzutreten. Und sie können flexibel reagieren. Sollte es im Herbst oder Winter doch noch kalt oder schneereich werden und sollten sich die Flächen über längere Zeit schließen, können die Kraniche kurzfristig die „Winterflucht“ antreten. Doch das muss nicht immer notwendigerweise der Flug bis nach Spanien sein, sondern sie können in Frankreich oder Süddeutschland Regionen finden, wo es auch im Winter freie Äcker oder Felder gibt. Deutschland wird also weniger Transitroute, sondern sogar zunehmend zum Überwinterungsquartier. Die Menschen müssten dann verzichten auf den schönen Anblick der Kraniche am Himmel und ihren ganz besonderen Ruf, den viele im Februar als Vorboten des Frühlings deuten.
- Energiewende: Steuerung vom Winde verweht
Der Ausbau der Windenergie ist nicht nur ein klima- und energiepolitisches Thema, sondern auch ein emotionales. Zu den Folgen eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts NRW In vielen Städten und Gemeinden des ländlichen Raums wird kräftig für die Akzeptanz der Windräder geworben. Dazu gehören Debatten darüber, ob und wie sie das Landschaftsbild teilweise massiv beeinflussen; Kritiker sagen beeinträchtigen. Vor Ort wird deshalb um Kompromisse gerungen, die von einer möglichst breiten Mehrheit getragen werden. Dieser Möglichkeit sieht sich die Stadt Berleburg jetzt nach einem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster beraubt. Sie fürchtet gar einen Wildwuchs beim Ausbau der Windkraft und fordert deshalb in einer an die Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) gerichteten Resolution „Steuerungswerkzeuge für Länder und Kommunen zu erhalten und umgehend klare Instrumente für den Übergangszeitraum zu schaffen, statt deren Planungen zu konterkarieren“. Hintergrund ist eine seit Juni dieses Jahres geltende neue Vorschrift im Landesplanungsgesetz NRW zur Genehmigung von Windkraftanlagen. Demnach dürfen Genehmigungsverfahren für ein Jahr ausgesetzt werden, falls die Anlage nicht in einem Bereich liegt, in dem diese laut Regionalplanentwurf bevorzugt zugelassen werden sollen. Der Kreis Soest machte davon im Fall eines im September vergangenen Jahres gestellten Antrags Gebrauch. Er setzte das Genehmigungsverfahren bis zum Juli 2025 aus. Zu Unrecht, entschied das OVG in dem Eilverfahren. Die Aussetzungsvorschrift nach Landesrecht sei rechtswidrig. Sie verstoße gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Dazu muss man wissen, dass Bundesrecht stets Vorrang vor Landesrecht hat. Letztlich aber sei dieser Punkt sogar unerheblich, weil die Voraussetzung für die Aussetzung nicht bestehe, begründeten die Richter des 22. Senats ihre Entscheidung. Denn der beantragte Bau der Einzelanlage erschwere das Regionalplanverfahren nicht und mache es auch nicht unmöglich. Kritiker: Ausbau der Windenergie wird verzögert Das forderte geradezu die Kritik der Opposition im Landtag an der NRW-Regierung heraus. Für den FDP-Abgeordneten Dietmar Brockes ist das OVG-Urteil sogar „ein persönlicher Rückschlag für Ministerin Mona Neubaur“ (Bündnis 90/Die Grünen). Sozialdemokrat André Stinka geht gar davon aus, der notwendige Ausbau der Windenergie sei sehenden Auges aufs Spiel gesetzt oder zumindest verzögert worden. Das Parlament werde das Landesplanungsgesetz heilen müssen. Denn das gesprochene Urteil betrifft keineswegs nur einen Einzelfall. Beim OVG waren vielmehr 17 weitere Eilverfahren eingetroffen, bei denen es um die Aussetzungsvorschrift nach Landesrecht geht. Zur Disposition stehen dabei insgesamt 50 Windkraftanlagen im Bereich der Bezirksregierungen Arnsberg und Detmold. Aus Sicht von Bad Berleburg droht nun in vielen Kommunen „ein Wildwuchs von Windrädern“. „Einerseits die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 26. und 27. September, andererseits die geplanten Änderungen der Bundesregierung im Baugesetzbuch sorgen dafür, dass Länder und Kommunen nun keinerlei Steuerungsmöglichkeiten beim Ausbau von Windenergie haben“, heißt es aus der Stadt, die in einem zweijährigen Planungs- und Dialogprozess unter Beteiligung von Bürgern, Politik sowie Fachanwalt und Fachplaner ein Dutzend Wind-Vorrangzonen ausgewiesen hat mit einer Fläche von 2158 Hektar – das sind mehr als 3000 Fußballplätze, auf denen 120 Windräder stehen sollen. Länder und Kommunen sorgen sich um Gestaltungsmöglichkeiten In dem Berleburger Erklärung genannten und vom Stadtrat beschlossenen Papier wird als Ursache für die missliche Lage der Städte und Gemeinden „im Wesentlichen die Bundesgesetzgebung gesehen, welche mit den geplanten gesetzlichen Regelungen den Ländern und Kommunen jegliche Gestaltungsmöglichkeiten nimmt und damit die Akzeptanz vor Ort für den Ausbau der erneuerbaren Energie hochgradig gefährdet“. Gefordert wird deshalb „der Erhalt der Planungshoheit von Land und Kommunen bei der Ausweisung von Gebieten für den Ausbau von Windkraft-, Photovoltaik- und Energiespeicheranlagen. Außerdem sollen umgehend bundesrechtliche Steuerungsinstrumente für die Übergangszeit geschaffen werden, „bis die Flächenbeitragswerte für Windenergie festgelegt sind, also ein Inkrafttreten der Regionalpläne erfolgt ist“. Abschließend wird gefordert, Haftungsrisiken für Länder und Kommunen auszuschließen, die sich aus Verzögerungen oder Ablehnungen von Genehmigungen für Windkraft- und Solaranlagen ergeben. „Die Entprivilegierung von Projekten, die außerhalb ausgewiesener Windenergiegebiete errichtet werden sollen, muss so gestaltet sein, dass Länder und Kommunen nicht für eventuelle Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe haftbar gemacht werden können“, heißt es in der Resolution.
- Die EU ist klimamüde geworden
Mit einem schwachen Mandat reist die EU-Verhandlungsdelegation zur Internationalen Klimakonferenz nach Aserbaidschan Die 29. Internationale Klimakonferenz (COP29) startet am 13. November in Baku in Aserbaidschan. Wenn sich die Unterhändler dann in einem Stadion treffen, hat die EU-Delegation ein klares Ziel: Sie will durchsetzen, dass sich mehr Staaten an den Klimamaßnahmen beteiligen. Unter Klimamaßnahmen versteht man Programme zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel in den Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas. In den 100-Milliarden-US-Dollar-Fonds für Klimamaßnahmen hatten bislang nur Geberländer eingezahlt, die bereits Anfang der 1990er Jahre eine industrialisierte Volkswirtschaft hatten. Inzwischen sind etliche Länder, die ehemals als Entwicklungsländer galten und bisher die Klimamaßnahmen nicht finanzieren, zu einer beachtlichen Wirtschaftsleistung gekommen. Zu nennen sind hier etwa Schwellenländer wie China, Brasilien und die Golfstaaten, die mit ihren Rohstoffschätzen an fossilen Brennstoffen reich geworden sind. Nun sollen Länder, die es zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben und mit hohen Emissionen zum Klimawandel beitragen, zur Kasse gebeten werden. Vor allem China und die öl- und gasproduzierenden Golfstaaten sind hier im Blick. Sie sollen sich am neuen Klimafinanzierungsziel beteiligen. Auf diese Position einigten sich die 27 EU-Mitgliedstaaten kürzlich. Allerdings: Ihre Verhandlungsposition war bei Klimakonferenzen schon einmal stärker. Die Umweltminister der EU-Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf eine „Hausnummer“ für die Mittel einigen, die die EU zum nächsten Klimafinanzierungsprogramm beisteuern will. Viele Staaten sind finanziell klamm Offiziell hieß es, dies geschehe aus taktischen Gründen. Das soll so viel heißen wie: Wenn die EU sagt, wie viel sie bereit ist zu geben, werden andere Kandidaten ihre Taschen geschlossen halten. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die EU-Staaten nicht über Summen sprechen wollen, weil so viele Mitgliedstaaten klamm sind. Frankreichs Haushaltsdefizit übersteigt in diesem Jahr sechs Prozent der Wirtschaftsleistung (drei Prozent sind erlaubt), auch Polen und weitere Mitgliedstaaten haben Probleme mit dem Euro-Stabilitäts- und Wachstumspakt. Und in Deutschland ist höchst fraglich, ob die Ampel sich überhaupt noch einmal für einen Etat zusammenraufen kann. Die EU sollte sich dringend auf einen wuchtigen Beitrag für die Klimafinanzierung einigen: Erst dann wird der Chef-Verhandler der Europäer, der bisherige und neue Klimakommissar Wopke Hoekstra, in der Lage sein, den Verhandlungsauftrag zu erfüllen und den Kreis der Geberländer zu erweitern. Auch bei anderen Verhandlungspositionen ist die EU nicht so schlagkräftig aufgestellt, wie man es sich wünschen würde für eine internationale Konferenz, bei der es um die Bewohnbarkeit des Planeten im 21. und 22. Jahrhundert geht. Eine heikle Frage ist etwa: Wie halten es die Europäer mit der Atomkraft? Die EU-Länder sind zerstritten: Frankreich und andere Mitgliedstaaten sind fest davon überzeugt, dass die ambitionierten Klimaziele nur mit Atomkraft einzuhalten sind. Auf der anderen Seite stehen Deutschland und andere: Sie führen den Club der Erneuerbaren an. Weil sich der Nuklear- und der Club der Erneuerbaren nicht einigen konnten, fährt die EU nun mit einem windelweichen Kompromiss nach Baku: Atomkraft sei eine von mehreren Möglichkeiten, Klimaschutz zu betreiben. Bei den Reibereien haben die EU-Staaten viel Energie vergeudet. Absehbar wird die Frage Atom oder Erneuerbare nämlich bei der COP29 nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Ursachen für das schwache Mandat der Europäer müssen benannt werden: Zum einen ist da die ungarische EU-Ratspräsidentschaft. Die Regierung des Trump-Bewunderers Viktor Orbán führt für sechs Monate die „Geschäfte“ im EU-Ministerrat. Von seiner Regierung kann man nicht viel Unterstützung für Klimaschutz erwarten. Doch auch die anderen EU-Staaten haben beim Klimaschutz Biss verloren: Während im ersten Mandat von Ursula von der Leyen noch Klima- und Artenschutz das überragende Thema war, dem andere Politikfelder untergeordnet wurden, ist die Sorge um Industriearbeitsplätze in den Mittelpunkt getreten. Die Europäer sind klimamüde geworden.
- Chaos im Land zwischen den Meeren
Schleswig-Holstein hat ein Problem mit Fähren und Tunnel Seit jeher ist das Land zwischen den Meeren auf einen funktionierenden Fährverkehr angewiesen. Ob die Reise vom Festland auf die nordfriesischen Inseln und Halligen führt oder ob es sich nur um eine kurze Querung der Schlei oder des Nord-Ostsee-Kanals handelt: Der ländliche Raum – sei es an der nordfriesischen Küste, an einem Meeresarm oder irgendwo im Binnenland mit seiner idyllischen Seenlandschaft – ist abhängig von zuverlässigen Querungen. Ob in Form von Schiffen oder via Tunnel. Damit ist es derzeit nicht zum Besten bestellt. So hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die seit Jahren anhaltende missliche Situation am Rendsburger Kanaltunnel inzwischen zur Chefsache erklärt. Rund 300 Mal ist in diesem Jahr bislang die Höhenkontrolle ausgelöst worden, was auf beiden Seiten des Nord-Ostsee-Kanals zu kilometerlangen Staus geführt hat. Die Wirtschaft, angeführt vom Unternehmensverband Nord, beklagt einen fast „täglichen Stillstand“ auf der nach der A7 bedeutendsten Nord-Süd-Verbindung. Abhilfe ist nicht in Sicht. Alle Protagonisten heben die Hand: „Wir haben keinen Lösungsansatz.“ Was auch Landeschef Günther ratlos macht. Wenige Kilometer östlich hängt unter der Eisenbahnhochbrücke eine der wenigen Schwebefähren, die weltweit noch in Betrieb sind. Sie ist erst gut zwei Jahre alt und fällt im Durchschnitt alle zwei Wochen für mehrere Tage aus. Ein Desaster vor allem für Schüler, die auf die andere Seite des Kanals müssen, um am Unterricht teilnehmen zu können. Zwei Kilometer östlich wartet ein weiteres Desaster. Die neue Hybridfähre „Stecknitz“ liegt auf Reede. Offizieller Grund: Das Personal sei bis auf Weiteres nicht in der Lage, die Elektro-Fähre zu bedienen. Die chaotischen Zustände auf dem Gebiet des schleswig-holsteinischen Fährverkehrs haben ihren Höhepunkt in der idyllischen Schleiregion zwischen Schleswig und Kappeln. Die Tourismusgesellschaft „Ostseefjord Schlei“ zählte im Vorjahr 4,6 Millionen Übernachtungen und vier Millionen Tagesgäste. Bis zu 120.000 Fahrzeuge und 50.000 Fahrräder nutzen jährlich die Fährpassage von der Halbinsel Schwansen in die Region Angeln und zurück. Wenn die Fähre denn in Betrieb ist. Die bislang eingesetzte Fähre „Missunde II“ war nach 21 Betriebsjahren marode. Nach der Machbarkeitsstudie eines Ingenieurbüros entschied der zuständige Landesbetrieb, eine neue Fähre zu bauen. Statt eines Dieselmotors sollte die „Missunde III“ mit Solarzellen betrieben werden. Die vier Millionen Euro teure Elektro-Fähre aber schafft es nicht mit einer E-Ladung von einem zum anderen Ufer. Dabei beträgt die Entfernung ganze 100 Meter. Von einem Konstruktionsfehler ist die Rede. Die moderne Fähre liegt im Hafen. Das Experiment sei gründlich ins Wasser gefallen, kritisiert nicht nur der Steuerzahlerbund. Mittlerweile hat das Land das bereits nach Dänemark veräußerte Vorgängerschiff für den dreifachen Verkaufspreis zurückgekauft. Was mit der neuen Fähre passieren soll, weiß niemand. Sie ist schon jetzt zum Museumsobjekt avanciert.
- Koalition mit dem Rücken zur Wand
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar befassen wir uns mit der Verabschiedung der umstrittenen Sicherheitsgesetze im Bundestag und der Lage der Ampelkoalition. Im Mittelpunkt stehen dabei die Grünen und ihr designierter Kanzlerkandidat Robert Habeck. Weitere Themen sind mögliche Änderungen beim niedersächsischen Landesjagdrecht sowie das politische und juristische Gezerre um die Wisente am Rothaarsteig in Nordrhein-Westfalen. Zum Schluss noch ein Blick nach Afrika und auf die von den Grünen hierzulande politisch attackierte Trophäenjagd. Die Ampelkoalition steht politisch weiter mit dem Rücken zur Wand. Gestern konnte sie ihr sogenanntes Sicherheitspaket im Bundestag mehrheitlich durchbringen, doch vor allem die Änderungen im Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen stießen bei vielen Sozialdemokraten und Grünen intern auf teils heftige Bedenken. Kanzler Olaf Scholz soll in der SPD-Fraktion sogar indirekt mit der Vertrauensfrage gedroht haben. Drastischer könnte kaum gezeigt werden, wie brüchig der Zusammenhalt dort mittlerweile ist. Scharfe Kritik an dem Sicherheitspaket kommt nicht nur von der parlamentarischen Opposition, sondern auch von ganz anderer Seite. So gehen etwa dem Deutschen Jagdverband die Änderungen beim Waffenrecht deutlich zu weit. „Es ist purer Aktionismus“ , sagte Olaf Niestroj, Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbandes. Denn die geplanten Verschärfungen würden ausschließlich die legalen Waffenbesitzer und die rechtstreuen Bürgerinnen und Bürger treffen . Aber diese seien nicht das Problem. Laut dem Sicherheitspaket soll es mehr Waffenverbotszonen geben. So soll auch das Mitführen von Messern zum Beispiel im öffentlichen Fernverkehr und bei Volksfesten untersagt werden. Bei berechtigten Interessen gibt es Ausnahmen. Zur Durchsetzung der Waffenverbotszonen soll die Polizei künftig das Recht erhalten, auch verdachtsunabhängige und anlasslose Kontrollen durchzuführen. Negativbilanz auch bei Habeck Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Berliner Ampelkoalition ist seit Wochen und Monaten mit Händen zu greifen . Wesentlichen Anteil daran hat Olaf Scholz, dem es als Regierungschef bislang nicht gelungen ist, seine Politik überzeugend und für jedermann verständlich zu kommunizieren. Doch es wäre falsch, die Negativbilanz der aktuellen Bundesregierung allein an der SPD und ihrem Kanzler festzumachen. Vor allem die Grünen verfolgen seit längerem einen Kurs, der mehr neue Probleme schafft als vorhandene löst. Robert Habeck als neuer Öko-Spitzenmann versucht zwar wortreich, seine Partei in der breiten Öffentlichkeit nicht länger mit Verboten und Gängelung in Verbindung zu bringen. Habecks geschickte Rhetorik – hier überragt er Scholz um Längen – klingt modern und zukunftsorientiert. Doch die Taten des Wirtschaftsministers sehen leider anders aus. Man nehme nur das mittlerweile zu trauriger Berühmtheit gekommene Heizungsgesetz, das die Menschen gerade im ländlichen Raum auf die politischen Barrikaden getrieben hat. Habeck musste daraufhin kleinlaut einen Rückzieher machen. Geblieben ist jedoch beim grünen Establishment die Attitüde, gezielt und von oben herab einzelne Projekte zu fördern – koste es, was es wolle. Jüngstes Beispiel sind millionenschwere Fördergelder für Unternehmen, die ihre Energiepolitik umstellen. Einzelne Firmenkonzerne können davon massiv profitieren. Doch ob Habecks politische Rechnung – mehr Klimaschutz und sichere Arbeitsplätze – am Ende tatsächlich aufgeht, ist ungewiss. Denn mit der staatlichen Förderung ist nicht zugleich das Überleben des betreffenden Unternehmens gesichert. Es können teure Steuergelder in Konzerne und Betriebe fließen, die in einigen Jahren womöglich pleite sind. Besser wäre es daher, nicht in Einzelfällen staatlich zu helfen, sondern endlich für alle Unternehmen die Kostenstrukturen deutlich zu verbessern. Das Kriterium sind wesentlich bessere Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem nationalen Markt und gegenüber der internationalen Konkurrenz. Es geht um eine neue wirtschaftliche Agenda und Aufbruchstimmung statt Investitionslenkung von oben, so wie sie Habeck und seine grünen Mitstreiter jetzt betreiben. Gefahren durch streunende Tiere Auch in anderen Bereichen können die Grünen sich nicht von alten, ideologisch geprägten Denkmustern entfernen. Ein Beispiel, das vielen Bürgern gerade im ländlichen Raum nahe geht, ist das Zusammenspiel von Jagd sowie Arten- und Naturschutz. So wollen in Niedersachsen die Grünen das Landesjagdrecht verschärfen. Sie drängen unter anderem darauf, den Abschuss von Katzen und Hunden zu beenden – eine Forderung, die ebenso populär wie sachfremd ist. Denn natürlich wollen Jäger nicht geliebten Haustieren den Garaus machen. Es geht hier ausschließlich um streunende Tiere, die sich offensichtlich weit von ihrer häuslichen Umgebung entfernt haben und eine große Gefahr für Vögel und kleinere, oftmals geschützte Tierarten darstellen. Allein in Niedersachsen wird die Zahl der streunenden Katzen auf 200.000 geschätzt. Aktuell dürfen Hauskatzen in Niedersachsen geschossen werden, die sich mehr als 300 Meter vom nächsten bewohnten Haus in einem Jagdrevier befinden. Gleiches gilt grundsätzlich auch für Hunde, doch das spielt in der Praxis kaum eine Rolle. Zudem will die grüne Landesministerin die ursprünglich in Südamerika heimischen Nutrias aus der Liste des jagdbaren Niederwilds streichen. Doch die putzigen Nager verbreiten sich sehr stark und verursachen teils immense Schäden an den Deichen . Die beiden Beispiele zeigen, wie sehr die Grünen vielerorts noch in alten, großstädtisch geprägten Denkmustern verhaftet sind. Mit dem Leben auf dem Land, zu dem der Einklang mit und die Nutzung von Natur seit jeher gehören, hat eine solche Politik wenig zu tun. Trauerspiel um ausgewilderte Wisente Blicken wir nun von Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen, wo die Grünen ebenfalls mitregieren. Vor einigen Wochen hatten wir in einem Blog-Beitrag über das Gezerre um die Wisente am Rothaarsteig berichtet. Das Trauerspiel des Artenschutzes ist inzwischen um ein weiteres juristisches Kapitel bereichert. Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat im Rahmen seines Antrags auf sofortige Freilassung der Wildrinder das Oberverwaltungsgericht angerufen. Das OVG muss nun über die Ablehnung des Eilantrages durch das Verwaltungsgericht Arnsberg entscheiden. Dieses hatte erklärt, dass der BUND sich zu Unrecht gegen den Kreis Siegen-Wittgenstein als Betreiber des Gatters wendet. Für die artenschutzrechtliche Beurteilung sei vielmehr die Bezirksregierung Arnsberg zuständig. Aus Sicht der Naturschutzorganisation geht es in dem Streit nicht um Fragen des Artenschutzes, sondern allein um „eine originäre Verantwortlichkeit des Kreises Siegen-Wittgenstein, die von ihm eigenständig praktizierte und zu verantwortende Einsperrung der vor über zehn Jahren ausgewilderten Wisente zu beenden“ . Wie auch immer die nicht enden wollende Auseinandersetzung ausgeht, bleibt für den außenstehenden Beobachter die Rolle des vom Grünen Oliver Krischer geführten Landesumweltministeriums in dieser Causa nicht nachvollziehbar. Erst haben seine Vorgänger im Amt das Projekt massiv forciert, beginnend bei Parteifreund Johannes Remmel. Nun schweigt Krischer und glänzt durch Tatenlosigkeit. Afrikaner für Trophäenjagd Auch Krischers grüne Amtskollegin im Bund, Steffi Lemke, hat Ärger mit großen Tieren. Dabei geht es nicht um Wisente, sondern um Elefanten und Trophäenjagd, die eine ebenso wichtige wie nachhaltige und fair organisierte Einnahmequelle in den südlichen Ländern Afrikas ist. Lemke hatte sich mit einem geplanten Einfuhrverbot von Jagdtrophäen heftige Kritik eingehandelt . So hatte ihr Botswanas Präsident kürzlich angedroht, 20.000 Elefanten nach Deutschland umsiedeln zu wollen. Das sei natürlich scherzhaft gemeint, betonte jetzt Boatametse Modukanele, Staatssekretär im botswanischen Tourismusministerium. Man habe darauf hinweisen wollen, dass das Zusammenleben mit Elefanten eben nicht so leicht sei – es sei denn, man profitiere von ihnen. Andernfalls würden sie als Plage angesehen, sagte der Beamte. Nach seinen Angaben wird die Abschussquote von jährlich maximal 400 Tieren schon seit Jahren nicht ausgeschöpft . Der höchste Wert habe bisher bei 260 gelegen, was angesichts von 100.000 Elefanten in Botsuana nicht signifikant sei. Diese Größenordnung zeigt schon, dass die Trophäenjagd praktisch keinen Einfluss auf die Population der Wildtiere hat, sondern stattdessen in ärmeren Ländern eine wichtige Voraussetzung zur Finanzierung von Naturschutz und Arbeitsplätzen für die lokale Bevölkerung sein kann. Doch der grünen Bundesministerin scheint dieser Zusammenhang von Jagd, Armutsbekämpfung und Naturschutz leider aus ideologischen Motiven egal zu sein … Zum Schluss noch ein Lesetipp: Soeben ist die 3. Ausgabe des Magazins „Das Edelwild“ erschienen. Die Lektüre empfehlen wir gern. Sie finden die Ausgabe unter dem folgenden Link . Mit dem Thema Rotwild haben wir uns im Blog ebenfalls befasst. Hier der Link zu einem Beitrag von Christoph Boll. Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser, Redaktionsleitung/Koordination
- Mit selbstfahrenden Taxis vom Bahnhof nach Hause?
Die Deutsche Bahn testet ab 2025 in einem Pilotprojekt autonomes Fahren im Öffentlichen Personennahverkehr, um Menschen auf dem Land bis zur Haustür zu bringen. Das klingt vielversprechend Dorfbewohner, die vom Bahnhof in der Stadt nach Hause wollen, warten oft lange, da Busse nur stundenweise fahren und selten zu Tagesrandzeiten oder am Wochenende halten. Die Diskussion um das Deutschlandticket hat erneut gezeigt, dass der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) auf dem Land das eigene Auto oder teure Taxis nicht ernsthaft ersetzen kann. Die Deutsche Bahn will das mit einem neuen Angebot ändern: Selbstfahrende Taxis sollen Reisende und Pendler auf der letzten Meile bis vor ihre Haustür bringen. Anfang 2025 startet die Bahn mit dem Verkehrsverbund Rhein-Main einen Modellversuch in Langen und Egelsbach im Kreis Offenbach und in Darmstadt. Erste Testfahrten mit Elektrofahrzeugen laufen bereits, zunächst ohne Fahrgäste. Das erste Projekt mit autonomen Fahrzeugen im ÖPNV Die Intel-Tochter Mobileye rüstet die Elektro-SUVs mit Technik für autonomes Fahren aus. Bosch liefert Teile der Innenausstattung, darunter einen Bildschirm über der Mittelkonsole, der Fahrgästen Informationen zeigt. Auch die lokalen Verkehrsunternehmen HEAG mobilo und Kreisverkehrsgesellschaft Offenbach sind beteiligt. Der Betrieb ist als Experiment auf zwei Jahre ausgelegt. Nach einer ausgiebigen Testphase ohne Fahrgäste können Interessierte die Taxis kostenlos ausprobieren und über eine App buchen. Das Projekt namens Kira steht für „KI-basierter Regelbetrieb autonomer On-Demand-Verkehre“. Es ist das erste Projekt in Deutschland, in dem eine KI autonome Fahrzeuge für den ÖPNV auf der Automatisierungsstufe 4 steuert – das ist die vierte von fünf Stufen. In diesem Level fährt das Auto selbstständig, ein Mensch sitzt jedoch sicherheitshalber für Notfälle mit im Wagen. Die Autos sollen in üblicher Geschwindigkeit in der geschlossenen Ortschaft und auf dem Land fahren. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr unterstützt das Projekt mit vier Millionen Euro. Flächendeckende Mobilität in ländlichen Räumen? Die Deutsche Bahn spricht sogar von einer Revolution im öffentlichen Nahverkehr: „Gerade in ländlichen Gegenden können solche Shuttles für flächendeckende Mobilität sorgen“, schreibt Evelyn Palla, Vorständin Deutsche Bahn AG und Chefin der Bahn-Tochter DB Regio, auf LinkedIn. „Wenn wir verschiedene Verkehrsmittel intelligent verknüpfen, können wir unsere Fahrgäste von Tür zu Tür bringen – und das flexibel wie das eigene Auto.“ Der Deutschen Bahn, Pendlern und Reisenden wäre zu wünschen, dass der Versuch gelingt und der neue Service eingeführt werden kann. Dann gäbe es endlich eine positive Schlagzeile neben den ständigen negativen Nachrichten zur Pünktlichkeit auf der Schiene. „Thank you for travelling with Deutsche Bahn“ – das hätte dann einen positiven Klang. Aber noch ist es nicht so weit. Gängige Praxis in den Vereinigten Staaten In den USA sind fahrerlose Autos bereits üblich. Die Google-Schwesterfirma Waymo betreibt im San Francisco 250 Robotaxis. Allerdings läuft nicht immer alles rund. Da die Technik aufwendig und teuer ist, kostet eine Fahrt genauso viel wie mit einem Taxifahrer am Steuer. Kritiker behaupten, die Fahrzeuge blockierten aufgrund von Softwarefehlern Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr. Sicher sind die fahrerlosen Autos jedoch und der ADAC geht mit zunehmender Automatisierung von sinkenden Unfallzahlen aus. Menschliches Versagen sei für rund 90 Prozent aller Unfälle verantwortlich.
- Heimatgefühle am Nummernschild
Für viele Menschen vor allem im ländlichen Raum sind die Ortsbezeichnungen am Auto-Kennzeichen mehr als reine Buchstaben auf einem weißen Nummernschild. Sie zeigen Verbundenheit mit der Heimat. Ein Professor will das jetzt erleichtern Es sind für viele mehr als schwarze Buchstaben und Zahlen auf einem weißen Auto-Schild: NOS für Norderstedt, DOM für Dormagen, RAD für Radebeul in Sachsen – all das drückt Nähe zur Herkunft und Heimat aus. Und schon bald könnten zusätzlich 320 kleinere Städte in Deutschland das Recht erhalten, eigene Autokennzeichen herauszugeben. Ein Statement zur Heimat, würden Marketing-Experten sagen. Die Nachfrage nach den individuellen Kennzeichen ist gerade in diesen hektischen und unübersichtlichen Zeiten groß. Und genau diese Verbundenheit wollen viele am liebsten am Auto ausdrücken und zeigen. Professor legt Vorschlag auf den Tisch 320 Städte in Deutschland sollen schon bald nach den Plänen von Ralf Bochert ein eigenes Ortskennzeichen erhalten. „Mit der Einführung eigener Buchstabenkürzel auf dem Nummernschild könnten viele Kommunen die lokale Identität – sowohl nach innen als auch nach außen – stärken“, begründete der Professor für Destinationsmanagement an der Hochschule Heilbronn seinen Vorschlag jetzt in einem Mediengespräch. Es gebe in der Bevölkerung einen großen Wunsch nach mehr lokaler Verortung. Diesem Wunsch könne man unbürokratisch entsprechen. Kosten entstünden nicht. Zum Hintergrund: Seit dem Jahre 2012 gibt es in Deutschland bereits die Möglichkeit, auch innerhalb eines Verwaltungsbezirks (oft Städte oder Kreise) andere regional bekannte Kennzeichen zu wählen und anzubieten. Individuell wählbar sind die ersten Orts-Buchstaben nicht, das würde Chaos bedeuten. Aber Autofahrer können sich seit 2012 oft für Kürzel von Regionen und Teilen der Gebietskörperschaft entscheiden, die zum Beispiel in den 70er Jahren bei der Kreis- und Gebietsreform 1975 abgeschafft bzw. zu anderen Städten eingemeindet wurden. Diese Reform hat nicht nur im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW lokale Identitäten und Heimatgefühle verletzt. Die Wahlmöglichkeit innerhalb eines Kreises setzt aber einen Antrag der Städte oder Kreise beim Bund voraus, die alten Kürzel wieder neu zuzulassen. Ganz neue Ortskennungen sind nicht erlaubt. Grenzen und Hürden, die für Professor Bochert zu hoch und kompliziert sind. Er hat 320 Städte mit einer Untergrenze von 20.000 Einwohnern aufgelistet, die die Möglichkeit erhalten sollen, eigene Ortskennungen für die Auto-Kennzeichen zu erlauben. Dies stärke das Heimatgefühl, verbessere die Marketingchancen und koste nichts, so der Experte. Oft sei dafür ein Kreistagsbeschluss oder eine Entscheidung des Landrats notwendig. Die letzte Entscheidung, ob dem Antrag der Gemeinde dann auch stattgegeben wird, soll nach Bocherts Willen beim jeweiligen Bundesland bleiben, das vorher beim Bundesverkehrsministerium und beim Bundesrat einen Antrag gestellt hat. In dem Verfahren wird geprüft, ob die Vorschläge rechtlich, politisch oder moralisch bedenklich sind oder sie schon anderswo vergeben sind. Das Bundesverkehrsministerium hat auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa positiv auf den Vorschlag des Professors reagiert. Alte Nummernschilder werden mitgenommen Doch es geht auch andersherum. Viele Menschen, die in eine andere Region, eine andere Stadt oder sogar in ein anderes Bundesland umziehen, möchten offenbar ihr altes Kfz-Kennzeichen behalten. Auch das zeigt am Auto Verbundenheit mit Herkunft und Heimat, die man verlassen hat. Möglich macht das eine Gesetzesänderung: Seit dem 1. Januar dürfen Zugezogene bundesweit ihr altes Kennzeichen an den neuen Wohnort mitnehmen. Und das hat zum Beispiel im Bundesland Brandenburg schon mächtig Schule gemacht. Allein in der Landeshauptstadt Potsdam haben sich 335 Frauen oder Männer dafür entschieden, ihr altes Nummernschild zu behalten. Bei 430 Umschreibungen sind das in Potsdam mehr als drei Viertel, die ihre Heimatgefühle oder ihre Verbundenheit mit der Herkunft auch beim Nummernschild zeigen wollen – oft sehr zum Leidwesen der Autoschilderfirmen und Fahrzeugdienstleister, die mit der Neuausfertigung der Kfz-Schilder ein lukratives Geschäft verlieren. Diesen bleibt die Hoffnung, dass schon bald mehr Städte und Gemeinden eigene Kennzeichen bei ihnen drucken lassen.
- Mobilitätswende: Modelle fürs Dorf?
Der Bund bemüht sich weiterhin, die Mobilitätswende bis ins Dorf zu tragen. „LandStation“ heißt ein neues Pilotprojekt. Sieben Kommunen beziehungsweise Kreise machen als Modellregion mit. Die Hälfte der Bevölkerung lebt auf dem Land. Alltagstaugliche Angebote, die einen Umstieg vom Auto auf Bus oder Bahn gestatten, sind dort allerdings rar gesät. Großstädte und Ballungsgebiete schneiden besser ab. Gleichwertige Verhältnisse in Stadt und Land sind beim Öffentlichen Personennahverkehr trotz vielerlei Bemühungen bis heute eher Vision als Realität. Nun startet mit dem Pilotprojekt „LandStation – Verknüpfte Mobilität im ländlichen Raum“ der x-te Versuch, das Thema Verkehrswende auch den Menschen in kleinen Gemeinden schmackhaft zu machen. Die Idee: Dorf X verfügt über ein Haus mit mehreren wichtigen Funktionen. Dorfladen, Arztpraxis, Bürgerbüro, Vereinstreff und Café arbeiten unter dem Dach. Verknüpft wird dieses Mini-Zentrum mit einer „Mobilitätsstation“. Das Zusammenspiel, so die Hoffnung, soll nicht nur das Dorfleben verbessern, sondern auch passgenaue Nahverkehrsangebote hervorbringen. Bis November 2023 konnten sich Kommunen und Landkreise beim federführenden Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit ihren Ideen bewerben. Sieben Modellprojekte wurden ausgewählt. Vor wenigen Tagen haben sie vor Ort mit der Arbeit begonnen. In der einjährigen Konzeptionsphase erhalten sie dafür jeweils eine finanzielle Förderung von bis zu 75.000 Euro. Nimmt das Projekt die nächste Hürde, wird es bis zu drei Jahre lang bei der Umsetzung unterstützt. Der Bund trägt dabei einen großen Teil der Personalkosten. Bei „LandStation“ geht es nicht um die Fahrt von A nach B. Die Projekte sollen neue und bestehende Mobilitätsangebote vernetzen, bündeln und sichtbar(er) zu machen. Ein Stichwort lautet „Anschlussmobilität“. Wer einmal abends hilflos an einer Bushaltestelle im Nirgendwo gestanden hat, weiß, was gemeint ist. Projekte teils sehr komplex Die vom Bund gewünschte Kombination von Mobilitätsstation und Mehrfunktionshaus sorgt für eine Fülle teils sehr komplexer Modellprojekte. Vieles klingt neu und innovativ, manches verdeutlicht aber auch, dass zuvor andere ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben oder den Gemeinden die Geldmittel fehlten. So bemüht sich die Stadt Teuchern in Sachsen-Anhalt mit ihrem Konzept „Mobil & Miteinander Teuchern“ den erkennbar vernachlässigten Bahnhof und das Umfeld in den Griff zu bekommen. Denn die Deutsche Bahn kümmert sich nur halbherzig um ihre Immobilie und die Flächen ringsum. „Höchste Eisenbahn am Bahnhof Teuchern“ titelte im Sommer die Mitteldeutsche Zeitung. Helfen soll jetzt das Projekt. Die aus acht Ortschaften bestehende kleine Gemeinde will ein Multifunktionshaus in Teuchern mit zwei neuen Mobilitätsstationen und dem Bahnhof verbinden. Im baden-württembergischen Bad Mergentheim sieht man dank der Bundesmittel die Möglichkeit, die denkmalgeschützte Scheune eines Fronhofs im Stadtteil Markelsheim zu sanieren. Aus ihr soll ein Haus der Begegnung werden – natürlich mit klimafreundlichen Mobilitätsangeboten. Der Ortsvorsteher schwärmt bereits von einem „echten Aushängeschild“. Die Stadt Röbel/Müritz, die in Mecklenburg-Vorpommern als Zentralort die Geschäfte von 18 kleinen Gemeinden führt, will ein Jugend- und Gemeindehaus in Röbel zum Zentrum eines Verleihsystems für E-Lastenbikes machen. Und im bayerische Markt Offingen macht man endlich eine Lösung für den vor langer Zeit erworbenen leerstehenden Bahnhof aus: „UmsteigeStation Offingen“, künftig mit Coworking-Angebot. An Kreativität hat es bei den Bewerbungen zweifellos nicht gemangelt. Ob sich aber der gewünschte Effekt einstellen wird und eventuell sogar modellhaft gute Lösungen geschaffen werden können, bleibt abzuwarten.












