Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche
Liebe Leserinnen und Leser,
im Mai und speziell in den Tagen vor Pfingsten ist das Wetter bei vielen Begegnungen immer wieder ein großes Thema. Im Westen und Südwesten Deutschlands stehen dabei Unwetter mit Stark- beziehungsweise Dauerregen im Mittelpunkt, während etwa im Osten des Landes Niederschläge derzeit Mangelware sind. Je nachdem, mit wem man spricht, fallen die Erwartungen und Hoffnungen, wie es denn weitergehe, unterschiedlich aus. Ein Blick zurück kann da aufschlussreich sein. So herrscht jetzt dank eines internationalen Wissenschaftlerteams wettermäßig zumindest in einer Hinsicht Klarheit, wenn auch leider keine beruhigende: Der Sommer 2023 war auf der Nordhalbkugel der wärmste seit 2000 Jahren. Mehr noch, die allermeisten Sommer der vergangenen 20 Jahre waren wärmer als der lange Rekordhalter zu Zeiten des Römischen Reichs aus dem Jahre 246.
Möglich wurden diese Erkenntnisse durch die Analyse von Baumringen. Damit konnten die Forscher – unter anderem aus Mainz, Zürich und Cambridge – die Temperaturen für jedes einzelne Jahr seit der Geburt Christi rekonstruieren. Bislang war der gängige Referenzzeitraum für die heutigen Temperaturen die Spanne von 1850 bis 1900. Für diese Zeit der Frühindustrialisierung standen und stehen auf der Nordhalbkugel bereits passable Wetterdaten zur Verfügung. Die neuen Erkenntnisse haben hier nun das Spektrum deutlich erweitert. Sie bestätigen einmal mehr, wie sehr sich bei uns die natürlichen Rahmenbedingungen verändern.
Gefahr von Waldbränden
Nicht zuletzt für den ländlichen Raum werden die Auswirkungen des Klimawandels gravierende Folgen haben. Man denke hier nur an die Land- und Forstwirtschaft. Mal ist es viel zu nass, und dann mal viel zu heiß. So steigt bereits jetzt wieder die Gefahr von Waldbränden. In Mecklenburg-Vorpommern etwa wurde diese Woche in einem Forstamt bereits die höchste Gefahrenstufe fünf erreicht. Für weitere vier Forstämter gilt mittlerweile die Gefahrenstufe vier, und in anderen Regionen des nördlichen Bundeslands herrscht aktuell erhöhte Waldbrandgefahr. In Niedersachsen sieht es in Teilen ähnlich aus.
Einmal ganz abgesehen von der regelmäßig auftretenden Brandgefahr: Die Situation unserer Wälder bleibt beunruhigend. Seit 1984 wird deren Zustand systematisch vom Bundeslandwirtschaftsministerium dokumentiert. In diesem Zeitraum ist der Anteil der geschädigten Bäume stetig gestiegen. Nur jeder fünfte Baum sei gesund, erklärte Agrarminister Cem Özdemir in dieser Woche. Dabei gewinne der Wald im Zuge des Klimawandels zunehmend an Bedeutung, denn er entziehe der Luft das klimaschädliche Kohlendioxid und binde es für Jahrzehnte und Jahrhunderte. Aber der jüngste Waldzustandsbericht der Bundesregierung zeigt auch, dass es keine einfachen Rezepte für den zukunftsfesten Waldbau gibt. Gerade die gern gelobten Laubbäume leiden offensichtlich besonders unter Hitze und Trockenheit. Und ausgerechnet die Kiefer als gern verteufelter Nadelbaum hat sich sogar spürbar erholt. Ein vermeintliches Phänomen, dem skandinavische Forstwissenschaftler seit Jahren auf der Spur sind.
Unser Autor Michael Lehner warnt seit Jahren vor einfachen Rezepten gegen das Waldsterben und vor pauschalen Vorurteilen gegen Nadelbäume – zuletzt zum Erscheinen des offiziellen Waldzustandsberichts. Dem laut Bundesregierung erstaunlich guten Zustand der Kiefern haben wir nichts hinzuzufügen: „Im Vergleich zum Vorjahr ist bei der Kiefer der Anteil der deutlichen Kronenverlichtung von 28 auf 24 Prozent gesunken.“
Auch unsere heimische Fauna sieht sich aktuell vor vielerlei Herausforderungen gestellt. So gefährden laut einer aktuellen Untersuchung von Frankfurter Wissenschaftlern invasive Raubtiere geschützte Arten. Konkret geht es hier um Waschbären – für so manchen „Tierfreund“ außerordentlich niedliche Lebewesen, die selbstverständlich vom Menschen unbehelligt bleiben sollten. Doch diese vermeintlich harmlosen Geschöpfe breiten sich hierzulande ungebremst aus. Sie durchwühlen nicht nur Mülltonnen, beschädigen Dachböden und plündern Gärten, sondern sie sind auch eine tödliche Gefahr für geschützte Amphibien und Reptilien. Untersuchungen der Forscher an Waschbären aus Naturschutzgebieten in Hessen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg haben gezeigt, dass die Laichgebiete der geschützten Reptilien von den Raubtieren als Nahrungsressourcen genutzt werden. So habe man beispielsweise während der Probennahme im hessischen Spessart an einem Tag über 400 gehäutete Kröten an einer Wasserfläche von etwa 2000 Quadratmetern gezählt. Waschbären könnten sich zu Spezialisten in der Nahrungswahl entwickeln, die gewisse Arten bevorzugen und gezielt nutzen würden. Es sei deshalb notwendig, in Gebieten mit seltenen Arten „Managementmaßnahmen“ für Waschbären festzulegen. Im Klartext lässt sich daraus ein Appell zur verstärkten Jagd auf Waschbären herleiten – zumindest in bestimmten Gebieten.
„Der Waschbär richtet nicht nur Chaos in deutschen Privathaushalten an, sondern bedroht auch zunehmend die heimische Artenvielfalt. Diese Vermutung hat unsere neue wissenschaftliche Studie nun eindeutig bestätigt.“
Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe-Universität Frankfurt
Zurück zum Thema Wald: 250 Millionen Euro hat Özdemirs Ressort dieses Jahr zur Waldförderung eingeplant. Die Finanzierung für die Folgejahre ist aber noch nicht gesichert. Das wird für den Agrarminister eine schwere Herausforderung werden. Denn beim Thema Geld dürfte der Berliner Koalition ohnehin noch ein politisch heißer Sommer bevorstehen. So müssen Bund, Länder und Kommunen in den nächsten Jahren mit deutlich geringeren Steuereinnahmen rechnen. Allein 2025 dürfte die Summe um 21,9 Milliarden Euro niedriger ausfallen als bisher vorhergesagt, wie aus der aktuellen Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzung hervorgeht. Der Bund erhält danach im kommenden Jahr rund elf Milliarden Euro weniger Einnahmen.
Bereits vor Bekanntgabe dieser Zahlen gab es ein heftiges Tauziehen der Ressorts um die Verteilung der Gelder. Hier hat sich die Lage nun angesichts der noch knapperen Kassen weiter verschärft. Es ist daher leider zu befürchten, dass in der Ampelkoalition immer stärker Wahlkampfaspekte gegenüber sachlichen Erfordernissen in den Vordergrund rücken. Allen voran beim Bundeskanzler, der sich um seine Popularität und damit Erfolgschancen sorgen muss. Dies könnte auch seine Haltung zu Verteidigungsminister Boris Pistorius erklären, dessen Überlegungen zur Wiederbelebung einer modifizierten Wehrpflicht und einem höheren Bundeswehretat der Kanzler eine ebenso deutliche wie brüske Abfuhr erteilte. Scholz bestärkt damit Befürchtungen, dass sein Wort von der Zeitenwende für ihn letztlich eher eine spontane Reaktion als ein dauerhafter Strategiewechsel war. Augenscheinlich möchte er die SPD wie in den vermeintlich „guten alten Zeiten“ als Friedenspartei positionieren, und sich selbst dann wohl als eine Art Friedenskanzler. Ob ihm das gelingt? Zweifel sind angebracht.
Der Richtige für das Kanzleramt?
Viele Bürger spüren durchaus, dass momentan in Sachen Russland und Ukraine die Zeichen der Zeit wohl eher vom Verteidigungsminister als vom Kanzler erkannt werden. Immerhin ist Pistorius, auch in diesem Punkt ein Mann der deutlichen Aussprache, innerhalb von kürzester Zeit zum populärsten Politiker des Landes aufgestiegen. Pistorius ist fraglos loyal, aber je näher der Wahltermin rückt, desto stärker könnten auch unter Sozialdemokraten die Zweifel zunehmen, ob Scholz in diesen kritischen Zeiten tatsächlich der Richtige für das Kanzleramt ist…
Genießen Sie die Pfingsttage. Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
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