Warmlaufen in der Politik – Sorgen in der Jägerschaft
- Jürgen Wermser
- 20. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und auf die Bundespolitik

Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar gehen wir auf die anlaufende Arbeit der neuen Bundesregierung ein, so auch auf die angekündigten Maßnahmen zur Ankurbelung des Wohnungsbaus. Weitere Themen sind unter anderem die angekündigte Demonstration am 25. Juni in Mainz gegen die geplante Novellierung des rheinland-pfälzischen Landesjagdgesetzes sowie der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Nordrhein-Westfalen.
Vor dem Hintergrund internationaler Kriege und Krisen geht es in der deutschen Innenpolitik momentan ziemlich ruhig zu. Dies liegt vor allem an der neuen Bundesregierung. Sie ist vollauf damit beschäftigt, sich in ihre wichtigsten Themen und Herausforderungen einzuarbeiten. Diese Zeit des Warmlaufens sollte man ihr auch geben, denn an inhaltlichen Schnellschüssen ist nach den teils chaotischen Abläufen in der vorherigen Ampelkoalition niemandem gelegen. Einzig die neue SPD-Bauministerin Verena Hubertz sorgt bereits mit einem „Bau-Turbo“ und vollmundigen Versprechungen für ersten Wirbel. Ob sie damit Erfolg hat, steht auf einem anderen Blatt. Ihre sozialdemokratische Vorgängerin Klara Geywitz und der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz hatten sich jedenfalls seinerzeit mit dem Versprechen von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr kräftig blamiert.
Hubertz vermeidet eine solch präzise Prognose. Doch ihre Ankündigung, die Kosten für den Bau neuer Wohngebäude halbieren zu wollen, ist ebenfalls recht vollmundig bis hin zu riskant. Klüger wäre es wohl, erst einmal praktische Erfolge vorzuweisen, bevor allzu ambitionierte, am Ende womöglich nicht haltbare Erwartungen geweckt werden. Die Frustration bei den betroffenen Bürgern könnte sonst umso größer werden. Oder anders ausgedrückt: Die Regierung muss erst einmal liefern, statt nur zu versprechen. Hubertz wird sich reichlich anstrengen und viele Änderungen auf den Weg bringen müssen, um den Wohnungsbau in Deutschland tatsächlich im gewünschten und benötigten Umfang zu steigern.
Erhebliche Dauerschäden befürchtet
Ähnliches gilt für die Regierung beim Thema Energiewende. Hier hat Schwarz-Rot mit Blick auf die Auswirkungen des heftig umstrittenen Heizungsgesetzes mehr Vernunft und Augenmaß versprochen, ebenso beim Bau der neuen Stromtrassen. Wir sind in unserem Blog mehrfach kritisch darauf eingegangen. Man nehme nur den heftigen Streit um das Verlegen von Erdkabeln, die ungleich teurer als überirdische Leitungen sind und obendrein unkalkulierbare Auswirkungen auf Äcker und damit den ländlichen Raum insgesamt haben. So kritisiert beispielsweise der Verein „Kein Starkstrom im Acker e.V.“, der 2021 von Eigentümern landwirtschaftlich genutzter Flächen gegründet wurde, dass aller Erfahrung nach solche „Erdkabel zu erheblichen Dauerschäden an Fruchtbarkeit und Bodenleben der ihnen und den folgenden Generationen anvertrauten Böden“ führen.
Die frühere Koalition aus SPD, FDP und Grünen hatte beschlossen, Erdkabeln den Vorrang bei großen „Stromautobahnen“ zu geben. Ziel war es, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu verbessern. In einem Papier der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, TransnetBW und 50Hertz heißt es nun, der Erdkabeleinsatz habe „generell nicht die größere Akzeptanz ergeben“. Man spreche sich daher für einen Kurswechsel aus. Vielerorts sind durch das Verlegen von Erdkabeln bereits Tatsachen geschaffen worden. Doch bei neu zu planenden Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetzen (HGÜ) sollen laut Koalitionsvertrag von Union und SPD künftig womöglich Freileitungen gebaut werden. Konkrete Entscheidungen sollen aber erst nach einem Monitoring bis zur Sommerpause erfolgen. Viele von den Planungen betroffene Landwirte warten überall in Deutschland dringend auf einen Kurswechsel, bevor auch auf ihren Flächen vollendete Tatsachen geschaffen werden.
Für die Verbraucher steht ebenfalls viel auf dem Spiel, wie jüngste Äußerungen des Vorstandschefs der Stromnetzbetreibers Tennet zeigen. Tim Meyerjürgens sagte in einem Interview der dpa, dass sich allein bei den nächsten drei großen geplanten Neubauleitungen OstWestLink, NordWestLink und SüdWestLink mindestens 20 Milliarden Euro einsparen ließen. Mittelfristig könnten dadurch die Netzentgelte um einen Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden. Über die Netzentgelte, die auch private Verbraucher bezahlen, wird unter anderem der Netzausbau finanziert.
Vorbereitung auf die nächste Großdemonstration der Jäger
Blicken wir aus aktuellem Anlass weiter auf Rheinland-Pfalz. Dort ist am kommenden Mittwoch in Mainz die große Demonstration von Jägern und anderen Bürgern gegen das geplante neue Landesjagdgesetz geplant. Überall in dem Bundesland haben wir in den letzten Tagen und Wochen Aktionen gegen das Vorhaben der rheinland-pfälzischen Ampelkoalition gesehen. Es gab Infostände, Unterschriftenaktionen, Grillen von Wildfleisch für die Bevölkerung und vieles andere mehr. Die starke Beteiligung zeigte, wie groß der Unmut über die vorgesehene Reform ist. In einer Petition an den Landtag Rheinland-Pfalz und das dortige Umweltministerium wird gefordert, die geplante Novelle des Landesjagdgesetzes in der vorliegenden Form zu stoppen und gemeinsam mit Fachleuten aus Jagd, Forst, Landwirtschaft und Wildbiologie eine praxisgerechte und naturschutzgerechte Alternative zu entwickeln.
Weit über 10.000 Unterschriften liegen bereits gegen das Gesetzesvorhaben vor. Der Berufsjäger und Revierjagdmeister Daniel Bastian, der auch Hegeringleiter und Inhaber einer Jagdschule ist, erklärte zur Begründung der Petition, die geplante Novelle sei in ihrer aktuellen Form realitätsfern, wildfeindlich und gefährlich. Sie gefährde das bewährte Prinzip des respektvollen Umgangs mit dem Wild (Waidgerechtigkeit), die Lebensraumqualität der Wildtiere und die Verantwortung der Jägerschaft als Naturschützer. In der Praxis führe dies zu mehr Stress für Wildtiere, mehr Schäden in Wald und Feld sowie mehr Bürokratie und weniger Hege. Bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Landtags wurde der Entwurf der Landesregierung ebenfalls von nahezu allen Verbänden kritisiert. Der Präsident des 20.000 Mitglieder starken Landesjagdverbands, Dieter Mahr, fasste den Verlauf der Anhörung so zusammen: „Wir brauchen keine Gesetzesänderung, sondern eine individuelle Betrachtung und eine gute Zusammenarbeit vor Ort.“ Dem können wir uns in unserem Blog natur+mensch nur anschließen.
Das Thema Rheinland-Pfalz dürfte gewiss auch auf dem Bundesjägertag an diesem Wochenende in Bonn für Gesprächsstoff sorgen. Zentrales Thema der Veranstaltung wird die Jagdethik sein, mit Workshops und Podiumsdiskussionen. Erwartet werden 400 Delegierte sowie Gäste aus Wissenschaft, Politik und Verbänden. Man darf gespannt sein, zu welchen Erkenntnissen und Botschaften an die Öffentlichkeit die Teilnehmer kommen werden.
Afrikanische Schweinepest beunruhigt weiter in NRW
Unverändert Sorge bereitet Landwirten und Jägern der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Nordrhein-Westfalen – wie in unserem Blog beschrieben. Mittlerweile wurden fünf mit dem Virus infizierte Wildschweinkadaver festgestellt. Das erste der betreffenden Wildschweine war vor gut einer Woche im Sauerland gefunden worden. Präventive Maßnahmen zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung des Virus sind eingeleitet. Für Menschen ist ASP zwar ungefährlich, aber für Haus- und Wildschweine verläuft diese Infektion fast immer tödlich. Die Präsidentin des Landesjagdverbands NRW, Nicole Heitzig, appellierte an Jägerinnen und Jäger, besonders aufmerksam im Revier zu sein. Frühzeitiges Erkennen eines weiteren Ausbruchs sei entscheidend, um eine Verbreitung des Virus zu verhindern. Die infizierte Zone umfasst Teile des Kreises Olpe, des angrenzenden Hochsauerlandkreises sowie des Kreises Siegen-Wittgenstein. In der betreffenden Region ist keine Jagd mehr erlaubt. Einzige Ausnahme sind Nachsuche und Einzeljagd auf Schalenwild in bestimmten Flächen. Bürger dürfen Hunde nicht mehr frei laufen lassen.
Derweil ist laut einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung im östlichen Landkreis Osnabrück die sogenannte Hasenpest ausgebrochen. Der Erreger ist hoch ansteckend. Kontakte zu erkrankten Tieren sollten unbedingt vermieden werden. Dazu Matthias Metting, Vorsitzender der Jägerschaft Melle: „Hasen zeigen Apathie, haben struppiges Fell, sind unsicher beim Laufen und magern stark ab.“ Der Nachweis des Erregers Francisella tularensis beim Tier muss nach dem Tierseuchenrecht beim zuständigen Veterinäramt gemeldet werden. Sichtbar erkrankte Hasen und Wildkaninchen sollen laut einem Landkreissprecher erlegt werden und dem LVI (Lebensmittel- und Veterinärinstitut) Braunschweig/Hannover zur Untersuchung übergeben werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn in einer Region bisher kein Nachweis auf die Tularämie erfolgte. In diesem Jahr sowie in den letzten Jahren sei der Erreger der Hasenpest bereits mehrfach im Landkreis Osnabrück nachgewiesen worden.
Derweil hört man vom inzwischen berühmten Goldschakal auf Sylt kurz vor Redaktionsschluss Neues: Der Goldschakal, der auf Sylt seit Mai rund 100 Schafe und Lämmer getötet hat, darf nun doch abgeschossen werden. Das hat das Verwaltungsgericht Schleswig am Donnerstag auf Nachfrage der Redaktion der Sylter Rundschau bestätigt. „Das Gericht hat den Eilantrag abgelehnt, der sich gegen die Ausnahmegenehmigung für den Abschuss des Goldschakals ausgesprochen hatte“, sagt Dr. Freya Gräfin Kerssenbrock, Sprecherin am Verwaltungsgericht in Schleswig. Das Tier dürfe nun also doch entnommen werden. Er wurde alllerdings in den letzten Tagen trotz intensiver weiterer Beobachtungsversuche nicht mehr gesichtet. „Wir wissen aktuell nicht, wo er sich aufhalten könnte“, so wurde der stellvertretende Hegeringleiter auf Sylt, Thomas Diedrichsen, kurz vorher von der dpa noch zitiert. Damit ist wohl mit guten Gründen der Eilantrag über den Einspruch einer ortsfremden Tierschutzorganisation gegen die Abschussgenehmigung vom Gericht abgelehnt worden. Das beruhigt insbesondere ortsansässige Schäfer, Jäger und Tierschützer auf der Insel. Ob der Schakal überhaupt noch gesichtet werden wird, steht auf einem anderen Blatt.
Ich wünsche Ihnen mit dieser Nachricht ein schönes Wochenende, eine positive Woche und insbesondere allen Teilnehmern am Bundesjägertag in Bonn Waidmannsheil!
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
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