Klein-Klein ist nicht die Sache des Energieministers. Speziell im ländlichen Raum, in dem er sich als ehemaliger Agrarminister im Norden auskennen müsste, kann Robert Habeck nicht mehr punkten
Die akuten Kanzler-Ambitionen des Bundeswirtschaftsministers sind ein Musterbeispiel für Selbstüberschätzung. Und trauriger Höhepunkt eines von Ehrgeiz getriebenen Versagens. Nicht nur bei den Grünen galt Robert Habeck mal als Bauern-Versteher mit Sinn für Realitäten. Seine Jahre als Landwirtschaftsminister in Kiel brachte er mit Anstand hinter sich, wurde zu einer Symbolfigur für den scheinbar gelungenen Reifeprozess von der Protest- zur Volkspartei. Seine Ambitionen auf Höheres waren noch vor der letzten Bundestagswahl kein Fall für die Satire.
Heute ist der Mann von der dänischen Grenze zum Beispiel dafür geworden, dass nennenswerte Teile der Grünen die Bodenhaftung verloren haben. Habecks langanhaltendes Schweigen zu den willkürlichen Subventionskürzungen beim Agrar-Diesel entsetzte zudem Parteifreunde im ländlichen Raum – auch seinen Parteifreund Cem Özdemir, dem kaum jemand Nähe zum ländlichen Raum zutraute, als er Bundeslandwirtschaftsminister wurde. Habeck, dachten langjährige Weggefährten, hätte es besser wissen müssen. So musste er kleinlaut miterleben, wie der Bauern-Protest die Regierung zum Einlenken zwang.
Die ganz großen Räder der Industrie- und Klimapolitik
Hinter dieser Episode steht der begründete Verdacht, dass der Affront gegen das Landvolk zum trotzigen Versuch gehörte, die Subventionsorgien zu retten, mit denen der Wirtschaftsminister an den ganz großen Rädern der Industrie- und Klima-Politik drehen möchte. Bis hin zu Staatshilfen für Großkonzerne, die es am Ende mit den nationalen Interessen so genau nicht nehmen. Derweil fühlen sich Normalverbraucher zunehmend durch die rigorosen Versuche, die Republik zum Öko-Musterknaben zu wandeln, überfordert.
Zum Aufreger wurde da das sogenannte Gebäudeenergiegesetz mit den für Habecks Politikstil typischen Begleiterscheinungen. Er löste zunächst Goldgräberstimmung in der Heizungsbranche aus. Dabei zeigte sich bei den im europäischen Vergleich horrenden Preisen für hoch subventionierte Wärmepumpen, dass sie sich bei unseren Strompreisen nicht rechnen. Dass dabei auch noch eine peinliche Trauzeugen-Affäre im Spiel war, versucht der Minister mit ihm eigener Nonchalance beiseite zu wischen: „Ich habe jetzt keine Lust mehr, zurückzuschauen.“
Dabei wäre gelegentlicher Blick zurück hilfreich, um aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen: Zum Beispiel aus Habecks Sinneswandel bei Versuchen, dem Klimawandel mit technischen Lösungen beizukommen. Vor wenigen Jahren noch bezeichnete Habeck die Idee, Kohlendioxid in Speichern einzulagern, ebenso als Teufelszeug wie die Wasserstofftechnologie. Bis die in Umweltfragen pragmatischen Dänen gleich nebenan vorführten, wie sich mit solchen Methoden nicht nur der Umwelt nützen, sondern sich damit sogar noch Geld verdienen lässt.
…und Geld spielt anscheinend keine Rolle
Wie fast immer dem grünen Mainstream folgend ist der Mann mit den Kanzler-Ambitionen momentan dabei, den nächsten Fehler zu begehen: Sein Widerstand gegen Pläne der Niederländer, in der Nordsee nach Gas zu bohren, geht einher mit den Plänen für ein weiteres Gas-Terminal auf Rügen, um noch mehr teures Fracking-Gas aus Übersee zu importieren. Beim (Wahl-)Volk kommt die Botschaft an, dass Geld anscheinend keine Rolle spielt.
Irgendwie logisch, dass die Spendierhosen des Kabinettskollegen Habeck regelmäßig auf den Widerstand des Bundesfinanzministers stoßen. Aber auch Ordnungsrufe aus dem Bundesverfassungsgericht hindern ihn nicht, regelmäßig höchst beleidigt auf Spar-Zwänge zu reagieren. Er denkt halt gern in höheren Kategorien. Und schweigt meistens vornehm, wenn Umweltpolitik im Kleinen krachend scheitert. Zum Beispiel bei der Bahn mit ihrem Rückzug aus dem ländlichen Raum und einer Preispolitik, die Güterverkehrskunden in Scharen zurück zum Lastwagentransport zwingt.
Fatale Rückzieher – wohl auch unter dem Druck des Kanzleramts – zerstören zugleich Vertrauen. Etwa wenn wortwörtlich über Nacht Subventionen für Elektroautos oder (horrende) Energieberater-Honorare gekürzt werden. „Und täglich grüßt das Murmeltier“, hat Habeck mit dem ihm eigenen Charme auf Fragen nach der Haushaltsdisziplin reagiert. Während nahezu zeitgleich durchsickerte, dass in „grünen“ Ministerien am eben erst aufgegebenen Plan zum Verbot von Holzheizungen gearbeitet wird und ländliche Windpark-Genossenschaften immer noch über den kaum ausgelichteten Bürokratie-Dschungel klagen. Klein-Klein ist halt nicht die Sache des Energieministers.
Comments