Gesundheitsminister Lauterbach hat weniger Bürokratie und ein Ende der Budgetierung angekündigt. Damit bessern sich Arbeitsbedingungen, doch die Unterversorgung bleibt
Lokführer, Landwirte und auch die Landärzte haben in jüngster Zeit protestiert, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Bei den Hausärzten, zu denen ja viele Landärzte gehören, gab es immerhin ein Ergebnis nach dem Krisengipfel mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der vergangenen Woche: Das „Maßnahmenpaket zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung“, wie es offiziell heißt. Das ist erst einmal gut so, auch für die Patientinnen und Patienten. Denn die Hausärzte haben eine zentrale Bedeutung für das Gesundheitswesen. Erst recht in dünn besiedelten Regionen, in denen die Wege zum nächsten Krankenhaus immer länger werden.
Zum Maßnahmenpaket gehört, dass die Obergrenzen bei der Bezahlung, also der Budgetierung der ärztlichen Honorare, aufgehoben werden sollen. Bisher hatten viele Hausärzte und Hausärztinnen oft noch vor Monatsende ihr Behandlungsbudget ausgeschöpft. Daher konnten sie für weitere Patientinnen und Patienten nicht mehr bezahlt werden.
Das Ende der Budgetierung stand schon im Koalitionsvertrag
Ganz überraschend kommt die Entscheidung Lauterbachs nicht, denn der Gesundheitsminister setzt damit jetzt lediglich um, was die Ampel bereits in ihrem am 7. Dezember 2021 unterzeichneten Koalitionsvertrag beschlossen hat. Wie sich die Streichung der Budgetierung auswirkt, ist allerdings unklar – Lauterbach selbst rechnet mit Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe für die gesetzlichen Krankenkassen. Das könnte langfristig steigende Zusatzbeiträge für die Beitragszahler bedeuten.
Lange war die Obergrenze ein Streitpunkt zwischen Medizinern und Kassen; sie wurde eingeführt, um die Kosten der ärztlichen Versorgung zu begrenzen. Die Kassen hatten Bedenken, dass Patientinnen und Patienten unnötige Leistungen angeboten bekommen würden. Doch diese Befürchtung ist aktuell nicht mehr realistisch in Zeiten überfüllter Wartezimmer.
Hilfreiche Schritte zum Abbau von Bürokratie
Sinnvoll sind auch Schritte zum Bürokratieabbau, etwa der Wechsel von der Quartalspauschale für Erwachsene mit chronischen Erkrankungen und ständigem Bedarf an Arzneimitteln hin zu einer jährlichen Versorgungspauschale. Auch die Förderung von Hausbesuchen bei einer Mindestzahl an Versicherten ist ein hilfreicher Schritt, ebenso die telefonisch mögliche Rezeptverlängerung und Krankschreibung. Das gilt auch für die Zulassung der Telemedizin und die Einführung bei Bagatellgrenzen, bis zu denen es keine Wirtschaftlichkeitsprüfung geben soll. So müssen sich die Praxen vielfach nicht mehr mit leidigen Regress-Fällen herumplagen.
Wenn Lauterbach diese Maßnahmen tatsächlich umsetzt, trägt das zu weniger Bürokratie bei und ermöglicht den stark belasteten Hausärztinnen und Hausärzten, sich stärker auf die medizinische Behandlung zu konzentrieren. Es sind erste Schritte, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das ist auch dringend nötig, denn seit langem wird beklagt, dass die Grundversorgung gefährdet ist. Zum Beispiel in Niedersachsen: 17 unbesetzte Hausarztpraxen gibt es in den Kreisstädten Meppen und Syke, jeweils 15 in Cloppenburg und Nordhorn – landesweit sind es insgesamt 523 unbesetzte Landarzt-Sitze, wie die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen kürzlich mitteilte. Das heißt für die Patienten: Sie müssen längere Wartezeiten und längere Anfahrtswege in Kauf nehmen.
Um dem viel und schon lange beklagten Mangel an Medizinern in der Fläche zu begegnen, ist Nachwuchsförderung dringend nötig. Die Landarztquote, die alle Bundesländer auf verschiedene Art und Weise eingeführt haben, ist der richtige Schritt. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass sie sich erst langfristig auswirkt. Und dass gleichzeitig in den nächsten Jahren zahlreiche Ärzte der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen werden. Daher ist es angebracht, die Zahl der Studienplätze im Fach Medizin deutlich zu erhöhen.
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