Özdemir will ein Finanzierungsmodell auf den Weg bringen: Steuereinnahmen über Ladenkassen
Jetzt geht es doch ganz schnell. Die Borchert-Kommission hat nach ihren ersten Erfahrungen mit der Exekutive im Hause Özdemir und der Ampel ihre Arbeit eingestellt. In der damals neuen Bundesregierung nach der Zeit von Merkel und Klöckner war keine Bereitschaft mehr erkennbar, die von den Fachleuten um den ehemaligen Landwirtschaftsminister geschätzten jährlich drei bis fünf Milliarden zum Umbau der Tierhaltung zu finanzieren. Dazu kam der neue Finanzminister mit seinem Nein. Zwischenzeitlich sah es in den letzten Monaten so aus, dass die Mastbetriebe notwendige Millionen-Investitionen selbst stemmen müssen, wenn sie durch entsprechende Um- oder Neubauten der Ställe ihre Existenz langfristig erhalten wollen. Das ist in vielen Einzelfällen oft auch eine Frage der Zukunft folgender Generationen im landwirtschaftlichen Familienunternehmen.
Der zuständige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir steht jetzt und nicht zuletzt durch die massiven Bauernproteste unter Druck, sondern auch weil gleichzeitig eine veränderte öffentliche Stimmung im Ernährungsverhalten der Bevölkerung wahrnehmbar ist. Wenn es denn bei allen grundsätzlichen Bedenken gegen Fleischkonsum politischer Wille ist, denjenigen, die bei ihrer Gewohnheit bleiben wollen, wenigstens Produkte aus artgerechter Tierhaltung auf den Tisch zu bringen, muss das eben etwas teurer bezahlt werden.
Alternativen in der Finanzierung sind das Investitionsanteile aus dem Staatshaushalt oder direkt vom Verbraucher über die Ladenkasse. In diesen Tagen wurde bekannt, dass den Ampel-Fraktionen aus dem Haus Özdemir ein Finanzierungsmodell zu einer „Tierwohlabgabe“ zugestellt wurde, dass die „Bild“-Zeitung gleich als „Fleisch-Steuer“ bezeichnete. Der Branchendienst „Table-Agrifood“ hat bereits das Konzept und meldet, dass die Eckpunkte im Auftrag der Regierungsfraktionen ausgearbeitet wurden und irgendwie der Kaffeesteuer ähnelt. Mal sehen, was draus wird.
Stolpersteine beim Finanzminister und in Brüssel
Konkret ist das eine neue Verbrauchssteuer auf „Fleisch, Fleischerzeugnisse und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse“. Damit fällt nichts durch den Fleischwolf, auch die letzte Currywurst im Imbiss um die Ecke nicht. Die Finanzierung über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre sicher einfacher. Auch Kaffee-, Sekt- oder Tabaksteuer werden mit eigenem bürokratischem Aufwand erhoben. Nun eine weitere Verbrauchssteuer als Zusatzbeschäftigung für die Finanzbehörden? Die Ministerialen wissen: das muss EU-kompatibel gestaltet werden. Darauf hat die Borchert-Kommission bereits geachtet. Und sie hat dazu festgestellt: „Laut Machbarkeitsstudie sind sowohl eine Umsatzsteuerreform wie auch die Einführung einer Tierwohlabgabe in Form einer Verbrauchssteuer genauso wie eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt rechtssicher und praktikabel gestaltbar, wobei allerdings die Umsatzsteuerreform einen wesentlich geringeren administrativen Aufwand als die Verbrauchssteuer auslöst.“ Özdemir scheint den bürokratischeren Weg zu bevorzugen.
Und dann ist da noch die Zuständigkeit des Finanzministers, der von höheren Steuern und Abgaben nichts hält und sich in den Weg stellen kann. Jedenfalls gilt Lindners Credo im Grundsatz: keine Steuererhöhung unter seiner Ressortverantwortung. Die Fraktionen wollen die Verbände einbeziehen und anhören.
Gerade wurde bekannt, dass die Fleischproduktion im letzten Jahr deutlich gesunken ist. Während das Statistische Bundesamt meldet, dass beim Geflügel die Produktionsmenge leicht erhöht wurde, beim Rind annähernd gleich bleibt, sank die Vermarktung von Schweinefleisch mit 6,8 Prozent spürbar. Insgesamt verläuft der Fleischkonsum seit fünf Jahren kontinuierlich rückläufig. Das Thema Tierwohl ist bei allen Diskussionen über Verzicht nahezu in aller Munde.
Wie sich das beim Blick zum weiteren Ernährungsverhalten der Deutschen passt, bleibt vielleicht auch ein Rätsel. Denn nahezu zeitgleich meldete der Fruchthandelsverband, dass der Verbrauch von Obst und Gemüse bei uns zurückgehe. Der Pro-Kopf-Konsum liegt hierzulande unter dem EU-Durchschnitt und den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Der Grund sollen die deutlich steigenden Preise für das sein, was aus den Feldern, Gärten und Gewächshäusern auf den Tisch kommt. Andere sagen, Lebensmittel seien in Deutschland billig. Verstehe das, wer will!
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