China droht nun mit Strafzöllen auf Produkte aus der Landwirtschaft. Was hinter der Eskalation im Handelskonflikt zwischen Brüssel und Peking steckt
Europas Schweinezüchter bekommen keine Subventionen, die den Regularien der WTO widersprächen. Wenn die chinesische Regierung eine Antidumping-Untersuchung gegen Schweinefleisch-Importe aus der EU anstrengt und dafür keine substanziellen Argumente hat, dann wird eine Branche aus anderen Gründen in Sippenhaft genommen.
Es geht nicht um Landwirtschaftspolitik, es geht um Industrieprodukte: Hintergrund ist der Handelskonflikt zwischen der EU und China um E-Autos. China flutet den EU-Markt etwa seit zwei Jahren mit batterieelektrischen Autos zu hochattraktiven Preisen. Die französischen Volumenhersteller sind die Hauptleidtragenden, weil Fahrzeuge von BYD und Geely aus chinesischer Produktion für Renault und Stellantis (Peugeot) eine harte Konkurrenz sind.
Die französische Regierung hat seit längerem Strafzölle der EU gefordert. Und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der Forderung Rechnung getragen. Vermutlich auch, um Emmanuel Macron einen Gefallen zu tun – auf dessen Unterstützung sie für eine Wiederwahl angewiesen ist –, hat sie bereits im Herbst eine Antidumping-Untersuchung bei batterieelektrischen Autos aus China angekündigt und schon damals das Ergebnis der Untersuchung vorweggenommen: Es gebe keine Zweifel, dass China die Produktion unrechtmäßig subventioniere.
Politisierter Wirtschaftsbereich
Vor wenigen Tagen hat die Kommission erwartungsgemäß Zölle gegen E-Autos verhängt. Die Antwort aus Peking ist die Antidumping-Untersuchung bei Schweinefleisch. China hat sich diesen Bereich mit Bedacht ausgewählt. Es handelt sich um den größten landwirtschaftlichen Exportartikel der EU nach China. Agrarprodukte machen zwar einen vergleichsweise kleinen Teil der EU-Exporte nach China aus. Doch die Landwirtschaft ist in der EU ein politisierter Wirtschaftsbereich. Auch Wein und Milch sollen im Fokus gewesen sein. Die chinesische Regierung hat sicher geschaut, welche Länder in der EU am stärksten betroffen wären von Gegenmaßnahmen. Da Frankreich Hauptexportland von Wein ist und damit am härtesten getroffen wäre, wären Strafzölle auf Bordeaux- und Rhone-Flaschen etwas zu offensichtlich gewesen.
Die EU exportiert Schweinefleisch für etwa drei Milliarden Euro jährlich nach China. Hauptexportländer sind Spanien, Niederlande und Dänemark. Drei Mitgliedstaaten der EU also, die ihren Einfluss in Brüssel geltend machen könnten, so das Kalkül aus Peking.
Noch ist nämlich bei den E-Auto-Zöllen das letzte Wort nicht gesprochen. Erst im November entscheidet die Kommission über Höhe und Dauer der Zölle. So war es auch keine Überraschung, dass wenige Tage nach der chinesischen Drohung mit Zöllen auf Schweinefleisch Gespräche zwischen Peking und Brüssel über die E-Auto-Zölle angekündigt wurden. Man redet also wieder miteinander.
Die Schweinezüchter mit Exportgeschäft müssen sich allerdings darauf einstellen, dass die Zölle kommen – sollten die Verhandlungen nicht zur Zufriedenheit Chinas ausgehen. Schon allein, weil die Chinesen das Gesicht nicht verlieren wollen. Zölle in einer Höhe zu verhängen, die die Exporte abwürgen – das wäre allerdings auch nicht im Interesse Chinas. China importiert aus der EU Schweineprodukte, die hierzulande nicht verwendet werden wie Köpfe, Schwänze und Hufe. Wenn die EU-Exporte ausblieben, würden die chinesischen Hersteller nicht im gleichen Maße die Produktion hochfahren. Es würde also letztlich den chinesischen Verbraucher treffen, wenn empfindliche Ausgleichszölle auf Schweinefleisch aus Europa verhängt würden. Vielleicht dämmert Peking ja noch, dass die Abwehrstrategie der E-Auto-Zölle doch einige Schwächen hatte.
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