Die Stadt Geestland bei Bremerhaven kommt mit einem Rathaus auf Rädern auf seine Bürgerinnen und Bürger zu und hat dafür einen Preis des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes erhalten
Fast 32.000 Einwohner in 16 Ortschaften zählt die nordniedersächsische Stadt Geestland – eine Kleinstadt in der Nähe zur Nordsee, die mit 357 Quadratkilometern eine der flächengrößten Städte in Deutschland ist, größer als München (311 Quadratkilometer) oder Frankfurt am Main (248 Quadratkilometer).
Angesichts der Entfernungen haben es viele Bürgerinnen und Bürger in Geestland schwer, ihre Verwaltung zu erreichen. Darüber jammert die Kommune an der Wesermündung aber nicht, sondern schlägt den umgekehrten Weg ein und kommt zu den Menschen: Ein elektrisch betriebener VW-Bus, bunt bemalt im Graffiti-Stil, fährt einmal im Monat eine Ortschaft an: mal den Supermarkt Tante Enso in Sievern, die Wochenmärkte in Bad Bederkesa oder Langen, die Dorfgemeinschaftshäuser in Imsum, Köhlen und Krempel oder eine Grundschule. Ein serviceorientiertes Vorgehen.
Bürgermeisterin will Sorge und Nöte der Menschen erfahren
In dem farbenfrohen Fahrzeug lassen sich zum Beispiel Personalausweise und Reisepässe beantragen. Gerade für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist das hilfreich, denn es erspart ihnen weite Wege für Behördengänge. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen nicht mehr zu uns kommen – sondern wir kommen zu ihnen“, wird Projektleiterin Britta Murawski in einer Pressemitteilung zitiert. Zugleich nutzt die Kommune das auffällige Gefährt, um zu erfahren, welche Sorgen und Nöte die Bewohner gerade bewegen. Auch Bürgermeisterin Gabi Kasten (CDU) ist regelmäßig mit dem Bus unterwegs.
Der Bus trägt die Aufschrift „Von der Zukunft angetrieben“ auf der Schiebetür und dient ausdrücklich dazu, ins Gespräch zu kommen. An seinen Haltestationen will die Verwaltung für das Modellprojekt „Smart Cities“ werben, einem Konzept der Städtebauentwicklung, um den Alltag zu erleichtern. Dazu soll digitale Technik beitragen. So arbeitet man in Geestland an einem Funknetzwerk für Schulen, Kindergärten und andere Gebäude der Stadt. Mithilfe dieses Netzwerkes werden die von Sensoren gemessenen Verbrauchswerte von Strom, Wasser und Wärme an die Stadtverwaltung übertragen.
Englischsprachigen Begriff durch plattdeutschen Ausdruck ersetzt
Der Begriff „Smart Cities“ kam in der Kleinstadt in der Nähe der Nordseeküste allerdings nicht überall gut an. Daher wurde er umgetauft in „Dat plietsche Dörp“, wie Bürgermeisterin Kasten in einem Bericht für das Portal www.butenunbinnen.de von Radio Bremen erklärte. Der plattdeutsche Ausdruck steht für das schlaue, intelligente Dorf – und ist eindeutig besser vermittelbar.
Für das Rathaus auf Rädern nahm Geestlands Bürgermeisterin kürzlich den mit 5.000 Euro dotieren Thorsten-Bullerdiek-Zukunftspreis des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes entgegen, der benannt ist nach dem 2021 verstorbenen ehemaligen Sprecher des Verbandes.
Warnung vor einem Ungleichgewicht zu Lasten der ländlichen Räume
Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund sieht das „Rathaus auf Rädern“ als zukunftsweisend an. Das Projekt zeige, dass auch große Flächenkommunen Lösungen für eine gute Erreichbarkeit der Verwaltungsdienstleistungen finden könnten und „Smart Cities“ nicht allein ein Modell für Großstädte seien.
Ausdrücklich warnt der Dachverband der niedersächsischen Kommunen vor einem Ungleichgewicht zu Lasten der ländlichen Räume. Sie würden mit dem Anlagen- und Leitungsbau die Hauptlasten der Energiewende tragen, könnten aber vom 49-Euro-Ticket aufgrund fehlender Vernetzung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nur bedingt profitieren.
Positionspapier zu vielen Themen auf dem Land
Erforderlich sei eine ganze Reihe von Maßnahmen, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen herzustellen, heißt es in einem 28-seitigen Positionspapier. „Ländliche Räume sind das Rückgrat unseres Landes – die Politik muss sie stärker in den Fokus nehmen!“, ist der Text überschrieben.
Angesprochen wird eine ganze Reihe von Themen, die auch in diesem Blog immer wieder zur Sprache kommen. Dazu gehören die Gesundheitsversorgung und die Energiewende, der Breitbandausbau und die Digitalisierung, Tourismus, Zuwanderung und Integration, Fragen der Mobilität und kindlichen Bildung sowie das Thema Verwaltung und Ehrenamt.
コメント