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AutorenbildJürgen Wermser

Koalition mit dem Rücken zur Wand

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


in unserem Wochenkommentar befassen wir uns mit der Verabschiedung der umstrittenen Sicherheitsgesetze im Bundestag und der Lage der Ampelkoalition. Im Mittelpunkt stehen dabei die Grünen und ihr designierter Kanzlerkandidat Robert Habeck. Weitere Themen sind mögliche Änderungen beim niedersächsischen Landesjagdrecht sowie das politische und juristische Gezerre um die Wisente am Rothaarsteig in Nordrhein-Westfalen. Zum Schluss noch ein Blick nach Afrika und auf die von den Grünen hierzulande politisch attackierte Trophäenjagd.


Die Ampelkoalition steht politisch weiter mit dem Rücken zur Wand. Gestern konnte sie ihr sogenanntes Sicherheitspaket im Bundestag mehrheitlich durchbringen, doch vor allem die Änderungen im Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen stießen bei vielen Sozialdemokraten und Grünen intern auf teils heftige Bedenken. Kanzler Olaf Scholz soll in der SPD-Fraktion sogar indirekt mit der Vertrauensfrage gedroht haben. Drastischer könnte kaum gezeigt werden, wie brüchig der Zusammenhalt dort mittlerweile ist.


Scharfe Kritik an dem Sicherheitspaket kommt nicht nur von der parlamentarischen Opposition, sondern auch von ganz anderer Seite. So gehen etwa dem Deutschen Jagdverband die Änderungen beim Waffenrecht deutlich zu weit. „Es ist purer Aktionismus“, sagte Olaf Niestroj, Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbandes. Denn die geplanten Verschärfungen würden ausschließlich die legalen Waffenbesitzer und die rechtstreuen Bürgerinnen und Bürger treffen. Aber diese seien nicht das Problem. Laut dem Sicherheitspaket soll es mehr Waffenverbotszonen geben. So soll auch das Mitführen von Messern zum Beispiel im öffentlichen Fernverkehr und bei Volksfesten untersagt werden. Bei berechtigten Interessen gibt es Ausnahmen. Zur Durchsetzung der Waffenverbotszonen soll die Polizei künftig das Recht erhalten, auch verdachtsunabhängige und anlasslose Kontrollen durchzuführen.


Negativbilanz auch bei Habeck


Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Berliner Ampelkoalition ist seit Wochen und Monaten mit Händen zu greifen. Wesentlichen Anteil daran hat Olaf Scholz, dem es als Regierungschef bislang nicht gelungen ist, seine Politik überzeugend und für jedermann verständlich zu kommunizieren. Doch es wäre falsch, die Negativbilanz der aktuellen Bundesregierung allein an der SPD und ihrem Kanzler festzumachen. Vor allem die Grünen verfolgen seit längerem einen Kurs, der mehr neue Probleme schafft als vorhandene löst. Robert Habeck als neuer Öko-Spitzenmann versucht zwar wortreich, seine Partei in der breiten Öffentlichkeit nicht länger mit Verboten und Gängelung in Verbindung zu bringen. Habecks geschickte Rhetorik – hier überragt er Scholz um Längen – klingt modern und zukunftsorientiert. Doch die Taten des Wirtschaftsministers sehen leider anders aus. Man nehme nur das mittlerweile zu trauriger Berühmtheit gekommene Heizungsgesetz, das die Menschen gerade im ländlichen Raum auf die politischen Barrikaden getrieben hat. Habeck musste daraufhin kleinlaut einen Rückzieher machen.


Geblieben ist jedoch beim grünen Establishment die Attitüde, gezielt und von oben herab einzelne Projekte zu fördern – koste es, was es wolle. Jüngstes Beispiel sind millionenschwere Fördergelder für Unternehmen, die ihre Energiepolitik umstellen. Einzelne Firmenkonzerne können davon massiv profitieren. Doch ob Habecks politische Rechnung – mehr Klimaschutz und sichere Arbeitsplätze – am Ende tatsächlich aufgeht, ist ungewiss. Denn mit der staatlichen Förderung ist nicht zugleich das Überleben des betreffenden Unternehmens gesichert. Es können teure Steuergelder in Konzerne und Betriebe fließen, die in einigen Jahren womöglich pleite sind. Besser wäre es daher, nicht in Einzelfällen staatlich zu helfen, sondern endlich für alle Unternehmen die Kostenstrukturen deutlich zu verbessern. Das Kriterium sind wesentlich bessere Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem nationalen Markt und gegenüber der internationalen Konkurrenz. Es geht um eine neue wirtschaftliche Agenda und Aufbruchstimmung statt Investitionslenkung von oben, so wie sie Habeck und seine grünen Mitstreiter jetzt betreiben.


Gefahren durch streunende Tiere


Auch in anderen Bereichen können die Grünen sich nicht von alten, ideologisch geprägten Denkmustern entfernen. Ein Beispiel, das vielen Bürgern gerade im ländlichen Raum nahe geht, ist das Zusammenspiel von Jagd sowie Arten- und Naturschutz. So wollen in Niedersachsen die Grünen das Landesjagdrecht verschärfen. Sie drängen unter anderem darauf, den Abschuss von Katzen und Hunden zu beenden – eine Forderung, die ebenso populär wie sachfremd ist. Denn natürlich wollen Jäger nicht geliebten Haustieren den Garaus machen. Es geht hier ausschließlich um streunende Tiere, die sich offensichtlich weit von ihrer häuslichen Umgebung entfernt haben und eine große Gefahr für Vögel und kleinere, oftmals geschützte Tierarten darstellen.


Allein in Niedersachsen wird die Zahl der streunenden Katzen auf 200.000 geschätzt. Aktuell dürfen Hauskatzen in Niedersachsen geschossen werden, die sich mehr als 300 Meter vom nächsten bewohnten Haus in einem Jagdrevier befinden. Gleiches gilt grundsätzlich auch für Hunde, doch das spielt in der Praxis kaum eine Rolle. Zudem will die grüne Landesministerin die ursprünglich in Südamerika heimischen Nutrias aus der Liste des jagdbaren Niederwilds streichen. Doch die putzigen Nager verbreiten sich sehr stark und verursachen teils immense Schäden an den Deichen. Die beiden Beispiele zeigen, wie sehr die Grünen vielerorts noch in alten, großstädtisch geprägten Denkmustern verhaftet sind. Mit dem Leben auf dem Land, zu dem der Einklang mit und die Nutzung von Natur seit jeher gehören, hat eine solche Politik wenig zu tun.


Trauerspiel um ausgewilderte Wisente


Blicken wir nun von Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen, wo die Grünen ebenfalls mitregieren. Vor einigen Wochen hatten wir in einem Blog-Beitrag über das Gezerre um die Wisente am Rothaarsteig berichtet. Das Trauerspiel des Artenschutzes ist inzwischen um ein weiteres juristisches Kapitel bereichert. Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat im Rahmen seines Antrags auf sofortige Freilassung der Wildrinder das Oberverwaltungsgericht angerufen. Das OVG muss nun über die Ablehnung des Eilantrages durch das Verwaltungsgericht Arnsberg entscheiden. Dieses hatte erklärt, dass der BUND sich zu Unrecht gegen den Kreis Siegen-Wittgenstein als Betreiber des Gatters wendet. Für die artenschutzrechtliche Beurteilung sei vielmehr die Bezirksregierung Arnsberg zuständig.


Aus Sicht der Naturschutzorganisation geht es in dem Streit nicht um Fragen des Artenschutzes, sondern allein um „eine originäre Verantwortlichkeit des Kreises Siegen-Wittgenstein, die von ihm eigenständig praktizierte und zu verantwortende Einsperrung der vor über zehn Jahren ausgewilderten Wisente zu beenden“. Wie auch immer die nicht enden wollende Auseinandersetzung ausgeht, bleibt für den außenstehenden Beobachter die Rolle des vom Grünen Oliver Krischer geführten Landesumweltministeriums in dieser Causa nicht nachvollziehbar. Erst haben seine Vorgänger im Amt das Projekt massiv forciert, beginnend bei Parteifreund Johannes Remmel. Nun schweigt Krischer und glänzt durch Tatenlosigkeit.


Afrikaner für Trophäenjagd


Auch Krischers grüne Amtskollegin im Bund, Steffi Lemke, hat Ärger mit großen Tieren. Dabei geht es nicht um Wisente, sondern um Elefanten und Trophäenjagd, die eine ebenso wichtige wie nachhaltige und fair organisierte Einnahmequelle in den südlichen Ländern Afrikas ist. Lemke hatte sich mit einem geplanten Einfuhrverbot von Jagdtrophäen heftige Kritik eingehandelt. So hatte ihr Botswanas Präsident kürzlich angedroht, 20.000 Elefanten nach Deutschland umsiedeln zu wollen. Das sei natürlich scherzhaft gemeint, betonte jetzt Boatametse Modukanele, Staatssekretär im botswanischen Tourismusministerium. Man habe darauf hinweisen wollen, dass das Zusammenleben mit Elefanten eben nicht so leicht sei – es sei denn, man profitiere von ihnen. Andernfalls würden sie als Plage angesehen, sagte der Beamte. Nach seinen Angaben wird die Abschussquote von jährlich maximal 400 Tieren schon seit Jahren nicht ausgeschöpft. Der höchste Wert habe bisher bei 260 gelegen, was angesichts von 100.000 Elefanten in Botsuana nicht signifikant sei.


Diese Größenordnung zeigt schon, dass die Trophäenjagd praktisch keinen Einfluss auf die Population der Wildtiere hat, sondern stattdessen in ärmeren Ländern eine wichtige Voraussetzung zur Finanzierung von Naturschutz und Arbeitsplätzen für die lokale Bevölkerung sein kann. Doch der grünen Bundesministerin scheint dieser Zusammenhang von Jagd, Armutsbekämpfung und Naturschutz leider aus ideologischen Motiven egal zu sein …


Zum Schluss noch ein Lesetipp: Soeben ist die 3. Ausgabe des Magazins „Das Edelwild“ erschienen. Die Lektüre empfehlen wir gern. Sie finden die Ausgabe unter dem folgenden Link. Mit dem Thema Rotwild haben wir uns im Blog ebenfalls befasst. Hier der Link zu einem Beitrag von Christoph Boll.


Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen


Ihr Jürgen Wermser, Redaktionsleitung/Koordination

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